OGH 9ObA132/88

OGH9ObA132/8815.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Stefan und Leo Samwald als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Volkmar S***, Tischler (dzt. Präsenzdiener), Hitzendorf, Steinberg 50, vertreten durch Dr. Peter A***, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellter für Steiermark (im Revisionsverfahren nicht vertreten), wider die beklagte Partei Manfred K***, Tischlermeister, Graz, Dr. Ignaz-Scarpatteti-Straße 4, vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtanwälte in Graz, wegen S 60.785,-- brutto sA (Streitwert im Rechtsmittelverfahren S 44.182,08 sA) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Jänner 1988, GZ 7 Ra 1134/87-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 29. April 1987, GZ 33 Cga 1019/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte hat die Kosten seiner Revision selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde vom Beklagten vom 11. Juli 1983 bis 10. Juli 1986 im Lehrberuf "Tischler" ausgebildet und in der "Behaltezeit" (§ 18 BAG) am 6. August 1986 fristlos entlassen. Der Kläger begehrte zuletzt an rückständiger Lehrlingsentschädigung, Kündigungsentschädigung gemäß § 1162 b ABGB samt anteiligen Sonderzahlungen und Urlaubsentschädigung für alten und neuen Urlaub den der Höhe nach außer Streit stehenden Bruttobetrag von S 60.785,-- sA und brachte vor (wegen unbefugten Verlassens der Arbeit) ungerechtfertigt entlassen worden zu sein; zwischen den Streitteilen sei eine Urlaubsvereinbarung zustandegekommen.

Der im Verfahren erster Instanz unvertretene Beklagte anerkannte die entlassungsunabhängigen Ansprüche im Umfang von S 16.602,92 sA und beantragte im übrigen die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger sei am 4. August 1986 unbegründet nicht zur Arbeit erschienen, worauf er vom Beklagten am nächsten Tag schriftlich entlassen worden sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, und traf folgende Feststellungen:

Der Kläger arbeitete gemeinsam mit dem Arbeitnehmer Dietmar S***, mit dem er "gewissermaßen ein Team bildete". Beide Arbeitnehmer vereinbarten mit dem Beklagten schon einige Wochen vor dem 28. Juli 1986 einen an diesem Montag beginnenden "fixen" Urlaub in der Dauer von drei Wochen, ohne irgendwelche einschränkenden Nebenabreden zu treffen. Am Freitag, dem 25. Juni 1986, sagte der Beklagte zum Kläger, daß er ihn während der nächsten Woche noch brauche. Der Kläger stimmte zu und sagte, daß er die eine Woche noch arbeiten, dann aber auf Urlaub gehen werde, womit der Beklagte einverstanden war. Am 28. Juli 1986 wurde Dietmar S*** entlassen. Am Freitag, dem 1. August 1986, sagte der Beklagte zum Kläger neuerlich, daß er ihn noch ein oder zwei Wochen brauche. Der Kläger verwies auf die getroffene Vereinbarung und erklärte, am 4. August 1986 auf Urlaub zu gehen. Der Beklagte erwiderte, daß der Kläger, wenn er auf Urlaub gehe, entlassen sei. Am 4. August 1986 ließ der Kläger durch seine Interessenvertretung dem Beklagten telefonisch mitteilen, daß er auf Urlaub gehe, worauf der Beklagte mit Schreiben vom 5. August 1986 (zugestellt am 6. August 1986) die Entlassung des Klägers aussprach.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß der Widerruf einer Urlaubsvereinbarung nur aus wichtigen Gründen statthaft sei. Der Beklagte habe lediglich behauptet, den Kläger noch länger zu benötigen, weil wegen der Entlassung S*** ein Wohnzimmer in der Woche bis 1. August 1986 nicht mehr fertig hätte montiert werden können. Das allein berechtige den Beklagten nicht zum einseitigen Widerruf der mit dem Kläger getroffenen Urlaubsvereinbarung, so daß die Entlassung ungerechtfertigt sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das nur mehr im Umfang von S 44.182,08 sA angefochtene Ersturteil. Es billigte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes und hielt die Mängelrüge des Beklagten, er hätte gemäß § 39 Abs 2 Z 1 ASGG zu einem Vorbringen über die berechtigten Gründe zum Widerruf der getroffenen Urlaubsvereinbarung angeleitet werden müssen, nicht für berechtigt, weil ein solches Vorbringen dem Prozeßstandpunkt des Beklagten, er habe mit dem Kläger keine (fixe) Urlaubsvereinbarung getroffen, widersprochen habe.

Im übrigen sei aber der Mangel der unterlassenen Anleitung auch nicht erheblich. Ein Rücktritt von einer Urlaubsvereinbarung sei nur zulässig, wenn sich durch eine neu entstandene Situation die Interessenlage an der Zuhaltung der Vereinbarung so verschoben habe, daß unter anderem die der Vereinbarung seinerzeit zugrunde gelegten Betriebserfordernisse nicht mehr gewahrt werden könnten. Der Arbeitgeber müsse sich bei der Urlaubsvereinbarung mit dem Arbeitnehmer bewußt sein, daß dieser Urlaubsplanungen vornehmen werde. Er habe Vorsorge dafür zu treffen, daß der Arbeitnehmer den zugesagten Urlaubstermin auch einhalten könne. Das Vertrauen des Arbeitnehmers, den vereinbarten Urlaub antreten zu können, sei mindestens so schutzwürdig wie das Vertrauen eines Kunden des Arbeitgebers, bestellte Ware termingemäß geliefert zu erhalten. Schwerwiegende wirtschaftliche Nachteile für den Arbeitgeber seien nur dann relevant, wenn er sie nicht abwenden könne. Ursache des Verzuges mit der Fertigstellung eines Wohnzimmers sei die Entlassung des Dietmar S*** gewesen. Auch wenn der Beklagte diesen Arbeitnehmer berechtigt entlassen haben sollte, sei diese Maßnahme nicht zwingend gewesen, da eine Kündigung dieses Arbeitnehmers die Fertigstellung des Wohnzimmers und die Wahrung der Urlaubszusage ermöglicht hätte. Die mit einer Kündigung verbundenen finanziellen Mehrbelastungen seien dem Beklagten zumutbar gewesen. Der Beklagte hätte schon Wochen vorher entsprechende organisatorische Vorkehrungen gegen den Ausfall eines Mitarbeiters treffen müssen. Eine unausweichliche Situation, die einen Widerruf der Urlaubsvereinbarung rechtfertige, liege nicht vor.

Der Beklagte erhebt gegen das Urteil des Berufungsgerichtes Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Kläger hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat den vom Beklagten gerügten Mangel, er sei in erster Instanz nicht gemä § 39 Abs 2 Z 1 ASGG angeleitet und belehrt worden, über die berechtigten Gründe zum Rücktritt von der getroffenen Urlaubsvereinbarung ein ausreichendes Vorbringen zu erstatten, nicht für gegeben erachtet. Dem Revisionswerber ist es verwehrt, diese Mängelrüge in dritter Instanz zu wiederholen (SZ 27/4 uva). Im übrigen hat tatsächlich kein Anlaß bestanden, den Beklagten im erwähnten Sinn zu belehren, weil er das Zustandekommen einer (fixen) Urlaubsvereinbarung sowohl in seinem Vorbringen als auch bei seiner Parteienvernehmung in Abrede stellte und den Standpunkt vertrat, der Kläger habe einer weiteren Urlaubsverschiebung bis 11. August 1986 schlüssig zugestimmt. Der gerügte (und rechtskräftig erledigte) Verfahrensmangel war aber ohnehin rechtlich unerheblich, weil es dem Beklagten, der in erster Instanz unvertreten gewesen war, gemäß § 63 Abs 1 ASGG freistand, in der Berufung neues tatsächliches Vorbringen und Beweise dafür anzubieten, daß er von der vom Erstgericht angenommenen fixen Urlaubsvereinbarung aus wichtigen Gründen zurückgetreten ist. Dazu hat jedoch der in zweiter Instanz anwaltlich vertretene Beklagte nur vorgebracht, daß der Urlaubsantritt des Klägers am 4. August 1986 zu gravierenden wirtschaftlichen Nachteilen geführt habe, da es für einen Betrieb seiner Größe bei der im Sommer 1986 gegebenen Arbeitsauslastung der Ausfall zweier Arbeitskräfte nicht zu verkraften gewesen sei. Diese vom Kläger verursachte Situation habe für ihn beinahe eine Existenzbedrohung bedeutet, da er nicht mehr in der Lage gewesen sei, Terminvereinbarungen mit den Kunden einzuhalten und von seiten der Kunden bereits rechtliche Maßnahmen angedroht worden seien. Beweise hat der Beklagte dazu auch in der Berufung nicht angeboten. Wie der Oberste Gerichtshof in der nichtveröffentlichten Entscheidung vom 6. September 1983, 4 Ob 89/83, ausführte, bindet eine zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffene Urlaubsvereinbarung, die ordnungsgemäß zustandegekommen ist, grundsätzlich beide Vertragspartner (siehe dazu

Arb. 8.488 = SozM I AC 159; Klein-Martinek, Urlaubsrecht, 66; Cerny, Urlaubsrecht4, 65; Tutschka-Dungl, Handbuch des österreichischen Arbeitsrechtes4 237; Strasser, Der Verbrauch des Urlaubes, ÖJZ 1958, 198 ff 404; Waas, Das geltende Urlaubsrecht und seine Probleme, RdA 1976, 93 ff 100). Der Beklagte konnte von dieser Vereinbarung einseitig nur aus besonders schwerwiegenden Gründen zurücktreten, die zur Vermeidung wirtschaftlicher Nachteile für das Unternehmen eine dienstliche Inanspruchnahme gerade des Klägers nach den Umständen des Falles unumgänglich notwendig gemacht hätten (Klein-Martinek aaO 67; Cerny aaO 70; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I 164;

Tutschka-Dungl aaO 237 f bei und in FN 9 b; Strasser aaO 405;

Waas aaO 100 f).

Diese Voraussetzungen liegen schon nach

dem - zulässigen - Vorbringen des Beklagten in der Berufung - ganz abgesehen von den fehlenden Beweisanboten - nicht vor. Mit dem "beinahe gleichzeitigen Ausfall von zwei Arbeitskräften" kann der Beklagte nur die Entlassung des Dietmar S*** am 28. Juli und den Urlaubsantritt des Klägers am 4. August 1986 meinen, da er andere Arbeitskräfte namentlich nicht erwähnte. Auf diese "Ausfälle" kann sich aber der Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil der Kläger und sein Arbeitskollege Dietmar S*** ihren Urlaubsantritt ab 28. Juli 1986 schon einige Wochen vorher ohne irgendwelche einschränkende Nebenabreden bindend vereinbart hatten. Der Beklagte hätte ihnen entweder schon damals einen anderen Urlaubstermin vorschlagen oder für den rechtzeitig bekannten Ausfall der beiden Arbeitnehmer während ihres Urlaubes vorsorgen müssen. Durch die Entlassung des Dietmar S*** am 28. Juli 1986, also an jenem Tag, von dem an er nach der Urlaubsvereinbarung dem Beklagten ohnehin nicht mehr zur Verfügung gestanden wäre, ist daher in bezug auf die rechtzeitige Erfüllung der Kundenaufträge keine geänderte Situation entstanden. Der Kläger stand dem Beklagten zudem noch eine Woche länger als ursprünglich vereinbart zur Verfügung. Er hat daher durch seinen Urlaubsantritt keinesweges eine "angeblich die Existenz des Beklagten bedrohende" Situation verursacht, der dieser nicht schon vorher hätte begegnen können. Auf andere Umstände stützte sich aber der Beklagte in seinem ergänzenden Vorbringen in zweiter Instanz nicht.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich daher auf die §§ 41, 50 ZPO.

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