OGH 3Ob509/88

OGH3Ob509/8827.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friederike F***, Pensionistin, Steyr, Grünmarkt 8, vertreten durch Dr. Josef Lechner ua, Rechtsanwälte in Steyr, wider die beklagte Partei Ernestine F***, Pensionistin, Steyr, Neuschönauer Hauptstraße 19, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in Steyr, wegen Unwirksamkeit eines Erbvertrages (Streitwert 319.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 14.Oktober 1987, GZ 12 R 58/87-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Steyr vom 18.Mai 1987, GZ 2 Cg 83/86-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie unter Einbeziehung des bestätigten Teiles zu lauten haben:

"Es wird festgestellt, daß der zwischen Rudolf Georg F*** (gestorben 15.2.1985) und der beklagten Partei am 24.2.1975 mit Notariatsakt des öffentlichen Notars Dr. Hermann P***, GZ 3980, abgeschlossene Erbvertrag rechtsunwirksam ist.

Das Mehrbegehren, es werde festgestellt, daß der klagenden Partei auf Grund des Testamentes vom 15.6.1979 das Erbrecht zum gesamten Nachlaß des Rudolf Georg F*** zustehe, wird abgewiesen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 36.288,20 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 2.826,20 S Umsatzsteuer und 5.200 S Barauslagen), die mit 16.976,- S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 816,- S Umsatzsteuer und 8.000 S Barauslagen) und die mit 20.766,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 978,75 S Umsatzsteuer und 10.000 S Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war mit dem am 15.2.1985 verstorbenen Rudolf Georg F*** vom 4.12.1948 bis 1.6.1976 verheiratet, die Klägerin war seit 1980 mit ihm verheiratet. Mit Erbvertrag vom 24.2.1975 hatten einander die Beklagte und Rudolf Georg F*** zu 3/4 ihres Vermögens wechselseitig zu Erben eingesetzt. Mit Testament vom 15.6.1979 setzte Rudolf Georg F*** die Klägerin als Universalerbin seines gesamten Vermögens ein. Im Verlassenschaftsverfahren gaben beide Streitteile Erbserklärungen zu 3/4 des Nachlasses ab (die Klägerin auch zum restlichen 1/4). Der Klägerin wurde die Klägerrolle zugewiesen.

In ihrer rechtzeitig überreichten Erbrechtsklage begehrt die Klägerin den Ausspruch der Unwirksamkeit des Erbvertrages und die Feststellung ihres Erbrechtes auf Grund des Testamentes vom 15.6.1979 für 3/4 des Nachlasses.

Sie stützt sich darauf, daß die Beklagte erbunwürdig sei, weil sie im Scheidungsverfahren das Vorliegen des Erbvertrages betrügerisch verschwiegen habe und so den wahren Willen des Erblassers vereiteln wolle. Die Berufung auf den Erbvertrag trotz vorgenommener konventioneller Scheidung verstoße gegen Treu und Glauben. Durch den Abschluß eines Vergleiches anläßlich der Scheidung sei zumindest stillschweigend und wegen der Bereinigungswirkung des Vergleiches auf die Rechte aus dem Erbvertrag verzichtet worden. Mangels eines wirklichen Verschuldensausspruches - das Verschulden sei nur vereinbart worden - sei der Erbvertrag aber auch gemäß § 1266 ABGB unwirksam geworden. Auf den Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil könne sich die beklagte Partei nicht berufen, weil die Ehegatten im erwähnten Vergleich ausdrücklich vorgesehen hätten, daß dieser Ausspruch für allfällige vermögensrechtliche Auseinandersetzungen ohne Belang sein solle.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Erbvertrag sei nicht vom Vergleich im Scheidungsverfahren und der dort erwähnten vermögensrechtlichen Auseinandersetzung erfaßt, es sei nie zu einem Verzicht auf die Rechte aus dem Erbvertrag oder zu einer sonstigen Aufhebung desselben gekommen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Die Beklagte brachte die Scheidungsklage ein, weil ihr Ehemann sie wiederholt beschimpft und tätlich angegriffen hatte, stützte aber dann die Klage nur mehr auf Entfremdung und fortgesetzte Lieblosigkeit. Dieses Vorbringen wurde von der Gegenpartei zugestanden und kein Mitschuldantrag gestellt, was zur Scheidung aus dem Verschulden des Mannes gemäß § 49 EheG führte. Mit der Modifizierung ihres Vorbringens wollte die Beklagte eine schnellere Scheidung erreichen, weil sie weitere Gewalttätigkeiten ihres Mannes befürchtete und andererseits, weil ihrem Mann keine beruflichen Schwierigkeiten bereitet werden sollten. Der Abschluß einer sogenannten Konventionalscheidung ist nicht erwiesen. Mit dem am 1.6.1976 unmittelbar vor Durchführung der Parteienvernehmung und Verkündung des Scheidungsurteils abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich verzichtete die Beklagte auf Unterhaltsansprüche auch für den Fall der Not, es wurde die Ehewohnung im Haus Steyr, Neuschönauer Hauptstraße 19 der Klägerin überlassen, eine Regelung über den Hausrat getroffen und weiters festgestellt, daß die Ehe nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens voraussichtlich aus dem Verschulden des Mannes der Beklagten geschieden werde und die Parteien übereinkämen, daß für eine eventuelle Vermögensauseinandersetzung zwischen den Streitteilen des Scheidungsprozesses (vermögensrechtliche Streitigkeiten welcher Art immer) der Verschuldensausspruch aus dem Scheidungsverfahren in keiner Weise von Belang sein solle (Punkt 3 des Vergleiches).

Das wesentliche Vermögen der dann geschiedenen Ehegatten bildete die Liegenschaft Steyr, Neuschönauer Hauptstraße 19. Diese Liegenschaft hatte ursprünglich im Eigentum der Großeltern der Beklagten gestanden und war dann im Erbweg auf ihre Mutter und eine Tante übergegangen, von denen die Ehegatten die Liegenschaft durch Übergabe bzw Kauf je zur Hälfte in ihr Eigentum erwarben. Am Tag der Errichtung des Erbvertrages übergaben die Beklagten und ihr Mann je 1/4-Anteil der Liegenschaft an ihre eheliche Tochter und deren Mann. In der Scheidungsklage der Beklagten war angeführt, daß keine Ehepakte vorhanden seien. Es ist nicht erwiesen, daß dies der Beklagten selbst bewußt war. Nach Beendigung des Scheidungsverfahrens übermittelte der Rechtsfreund der Beklagten dieser ein Schreiben, daß die Rechte aus dem Erbvertrag erhalten blieben. Er habe bei der Scheidungsverhandlung nichts von diesem Erbvertrag erwähnt. Die Beklagte möge in Zukunft hierüber Schweigen bewahren, damit ihr geschiedener Mann nicht entsprechende Rechtsgeschäfte über die Liegenschaft abschließe. Ob dieses Vorgehen mit der Beklagten abgesprochen war, ist nicht erwiesen. Die Beklagte ging allerdings davon aus, daß der Eigentumsanteil ihres geschiedenen Mannes nach dessen Tod an sie zurückfallen werde, weil die Liegenschaft von ihrer Familie stammte. Es ist "gut möglich", daß auch Rudolf Georg F*** damals, sofern er überhaupt an den Erbvertrag dachte, dieser Meinung war, zumal er noch keine anderweitigen Bindungen hatte. Er sprach mit der Klägerin später nie über den Verlauf der Scheidung. An die Beklagte, mit der er nach der Scheidung noch einige Male zusammentraf, um finanzielle Angelegenheiten im Zusammenhang mit dem Haus zu regeln, trug er nie Ansprüche wegen seines Vieteleigentums heran, sondern meinte, sie brauche ihn beim Haus wegen nichts fragen. Er werde aber auch nichts zahlen (ausgenommen eine von ihm selbst bestellte Dachreparatur). Die Vorinstanzen gingen auf Grund dieses Sachverhaltes in rechtlicher Hinsicht davon aus, daß das bloße, nicht vorsätzliche Verschweigen des Erbvertrages im Scheidungsverfahren keine Erbunwürdigkeit begründe, zumal die Beklagte davon ausgehen habe können, daß ihr Ehemann Kenntnis von diesem Erbvertrag habe. Aus dem Vergleich ergebe sich nicht, daß der Ehemann der Beklagten nicht mehr am Erbvertrag festhalten wollte. Der Vergleich habe sich auf den Erbvertrag nicht erstreckt und enthalte auch keinen Verzicht der Beklagten. Nur durch den Ausspruch der Scheidung sei der Erbvertrag gemäß § 1266 ABGB nicht aufgehoben worden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist teilweise berechtigt. Ob eine Erbunwürdigkeit nach §540 oder § 542 ABGB vorliegt, ob § 1266 Satz 3 ABGB bei einer sog. konventionellen Scheidung zum Tragen kommt und ob der strittige Erbvertrag schon wegen der jedem Scheidungsfolgenvergleich innewohnenden Bereinigungswirkung als aufgehoben zu gelten hätte, muß nicht geprüft werden, weil die Sonderregelung des Punktes 3. des zwischen der Beklagten und dem Erblasser abgeschlossenen Vergleiches zur Auslegung führt, daß die damaligen Ehegatten damit auch die Aufhebung des Erbvertrages vereinbart haben.

Es ist zwar richtig, daß der Erbvertrag im Vergleich nicht erwähnt wird und die Vergleichsparteien nach den getroffenen Feststellungen hierüber auch nicht gesprochen haben. Wollte man die strittige Vertragsklausel aber im Sinne der Vorinstanzen interpretieren, so bliebe für diesen besonders hervorgehobenen Vergleichspunkt kaum mehr ein Regelungsgehalt. Den Unterhaltsanspruch haben die Parteien verglichen. Sie haben sich auch über die Ehewohnung und den Hausrat geeinigt, bei letzterem dahin, daß noch eine vertragliche Lösung, nicht aber ein Außerstreitverfahren vorgesehen sei; es kam daher auch keine Bedachtnahme auf die Ursachen der Eheauflösung iSd § 2 der damals noch in Kraft stehenden 6. DVzEheG in Betracht. Vielmehr blieb zwischen den Vergleichsparteien praktisch nur mehr das Schicksal des zwischen ihnen abgeschlossenen Erbvertrages offen. Es ist an sich ungewöhnlich, daß Ehegatten auch für die Zeit nach der Scheidung ihrer Ehe einen gegenseitigen Erbvertrag aufrechterhalten wollen. Wenn sie aber wie hier für den Fall der Scheidung auch noch ausdrücklich vereinbaren, es solle für eine eventuelle Vermögensauseinandersetzung zwischen ihnen welcher Art immer der Verschuldensausspruch im Scheidungsurteil nicht von Belang sein, dann vereinbaren sie vertraglich das, was das Gesetz in § 1266 ABGB für den Fall vorsieht, daß keinen Teil ein Verschulden an der Scheidung trifft und daher kein "schuldloser" Teil iSd § 1266 Satz 3 ABGB vorhanden ist (vgl dazu Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 1266 und die dort angeführte Rechtsprechung). Sie vereinbaren also das sofortige Erlöschen geschlossener Ehepakte iSd § 1266 Satz 1 ABGB und schließen damit auch für den laut Scheidungsurteil Schuldlosen das ohne eine solche Vereinbarung gegebene Recht aus, sich die Rechte aus dem Erbvertrag vorzubehalten. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen kann auch die Frage der Gültigkeit des Erbvertrages zwanglos als eine Streitigkeit "welcher Art immer zwischen den (damaligen) Streitteilen" verstanden werden, weil sie auch schon zu Lebzeiten des geschiedenen Mannes strittig werden konnte. Dann kommt es aber auch nicht mehr darauf an, ob die Vertragsparteien die erbvertraglichen Ansprüche geradezu in ihren Vergleich einbeziehen wollten; sondern es hätte von der Beklagten bewiesen werden müssen, daß das übereinstimmend nicht der Fall war. Ein solcher Beweis wurde jedoch nicht erbracht.

Mit dem gerichtlichen Vergleich wurde daher die endgültige Aufhebung des Erbvertrages vollzogen, wobei er den für einen Aufhebungsvertrag sonst nötigen Notariatsakt ersetzt (JBl 1971, 263 ua). Der Erbvertrag stellt keinen Erbrechtstitel mehr dar. Der Erbrechtsklage der Klägerin ist daher grundsätzlich stattzugeben. Nach herrschender neuerer Auffassung ist aber im Erbrechtsstreit nur festzustellen, ob der von der beklagten Partei geltend gemachte Erbrechtstitel wirksam ist, nicht jedoch, ob die klagende Partei erbberechtigt ist (SZ 25/26; EvBl 1983/99; EFSlg 50.069). Das auch auf Feststellung des Erbrechtes der Klägerin auf Grund eines Testamentes lautende Mehrbegehren war daher abzuweisen.

Da aus dieser als geringfügig anzusehenden Teilabweisung (das Erbrecht der Klägerin aus dem Testament war nie strittig) keine Mehrkosten entstanden sind, waren der beklagten Partei gemäß den §§ 43 Abs 2 und 50 ZPO die Kosten aller drei Instanzen aufzuerlegen.

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