OGH 1Ob535/88

OGH1Ob535/8818.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** Waagen Gesellschaft mbH & Co KG, Wien 23., Mosettigasse 1, vertreten durch Dr. Ingo Ubl, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Elisabeth S***, Rechtsanwalt in Wien, als

Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Heinrich Anton P***, Fleischhauer, Wien 4., Argentinierstraße 4, wegen Herausgabe (Streitwert 50.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. November 1987, GZ 3 R 132/87-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26. Dezember 1986, GZ 31 Cg 102/86-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstrichters wiederhergestellt wird. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 7.687,10 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (hievon 471,60 S Umsatzsteuer und 2.500 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei verkaufte Heinrich Anton P*** auf Grund der Bestellungen vom 1. Mai 1979, 14. September 1979, 15. September 1979 und 7. Jänner 1980 eine Hannecker-Kühltheke Modell Export 4000, zwei Bizerba-Rechenwaagen Elektronik Nr. 946.572 und 944.873, zwei Bizerba-Aufschnittmaschinen Nr. 349.582 und Nr. 350.548, den Bizerba-Steaker Nr. 344.349 und zwei Bizerba-Fleischwölfe Nr. 348.361 und 333.761; das Eigentum behielt sie sich bis zur Vollzahlung des Kaufpreises vor. Am 7.Oktober 1985 wurde über das Vermögen des Heinrich Anton P*** zu 6 Sa 34/85 des Handelsgerichtes Wien das Ausgleichsverfahren eröffnet. Mit Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17.Dezember 1985, 13 Cg 112/81, wurde Heinrich Anton P*** schuldig erkannt, der klagenden Partei für die oben genannten und weitere Gegenstände den Betrag von 573.144,86 S sA zu bezahlen. Die klagende Partei meldete im Ausgleichsverfahren die restlich aushaftende Kaufpreisforderung an und machte den Eigentumsvorbehalt mit dem Begehren auf Herausgabe der gelieferten Gegenstände geltend. Der Ausgleichsverwalter anerkannte den Aussonderungsanspruch. Der klagenden Partei wurde das Stimmrecht für die angemeldete Ausgleichsforderung teilweise zuerkannt. Heinrich Anton P*** hat der klagenden Partei die nach dem Ausgleich geschuldeten Ausgleichsraten bezahlt, zuletzt am 29. Oktober 1986 den Betrag von 140.156,40 S.

Die klagende Partei begehrt mit der am 10. Februar 1986 überreichten Klage die Herausgabe der Heinrich Anton P*** unter Eigentumsvorbehalt verkauften Gegenstände und brachte zur Begründung vor, der Kaufpreis hafte zum Großteil unberichtigt aus, so daß der Eigentumsvorbehalt wirksam sei.

Heinrich Anton P*** beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er habe nach Einigung über Preis- und Lieferumfang am 1. Mai 1979 zwei Ladeneinrichtungen sowie die weiteren von der klagenden Partei begehrten Gegenstände bestellt. Die Forderung der klagenden Partei sei dem Kreditverein der Z*** DER G*** W***

abgetreten worden, der auch das vorbehaltene Eigentum übertragen worden sei. Der Eigentumsvorbehalt sei zufolge Vollzahlung des Kaufpreises erloschen, die Kühltheke sei eingemauert und damit unselbständiger Bestandteil geworden, was gleichfalls zum Erlöschen des vorbehaltenen Eigentums der klagenden Partei geführt habe. Die Kaufpreisforderung sei verjährt, so daß der Eigentumsvorbehalt nicht geltend gemacht werden könne; die klagende Partei habe auf den Eigentumsvorbehalt auch schlüssig verzichtet, seine Geltendmachung sei im Hinblick darauf, daß die klagende Partei im Ausgleichsverfahren die Forderung auf Bezahlung des restlichen Kaufpreises geltend gemacht habe, zugleich aber unter Berufung auf den Eigentumsvorbehalt die Herausgabe der Sache verlange, sittenwidrig.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte fest, die aus dem Kaufvertrag resultierende Forderung der klagenden Partei sei nicht an den Kreditverein der Z*** DER G*** W***

zediert worden; auch eine Übertragung des vorbehaltenen Eigentums habe nicht stattgefunden. Die unter Eigentumsvorbehalt verkaufte Theke sei nicht fest eingemauert worden, eine Vollzahlung des Kaufpreises sei nicht erwiesen.

In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, die klagende Partei habe während des Ausgleichsverfahrens den Anspruch auf Bezahlung der restlichen Kaufpreisforderung klageweise geltend gemacht. Der im Ausgleichsverfahren erklärte Rücktritt vom Vertrag sei nicht wirksam geworden, weil die klagende Partei weiterhin Zahlung begehrt habe. Die Bezahlung der Ausgleichsraten sei zwar nicht der vollständigen Bezahlung des Kaufpreises gleichzusetzen, weil der Restbetrag als Naturalobligation aufrecht bleibe, doch sei es Zweck des Ausgleichsverfahrens, das wirtschaftliche Überleben des Ausgleichsschuldners zu sichern, was der Geltendmachung des Eigentumsvorbehaltes entgegenstehe.

Mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 24.Februar 1987, GZ 6 S 45/87, wurde über das Vermögen des Heinrich Anton P*** der Konkurs eröffnet und die Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge und änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, aber nicht 300.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für zulässig. Das vorbehaltene Eigentum begründe im Ausgleichsverfahren ein Aussonderungsrecht, das von den Wirkungen des Ausgleichs nicht berührt werde. Die Herausgabe der Vorbehaltssache könne erst verlangt werden, wenn der Verkäufer das ihm auf Grund des vorbehaltenen Eigentums zustehende vertragliche Rücktrittsrecht ausgeübt habe. In der Klage auf Herausgabe der Vorbehaltssache liege aber eine schlüssige Rücktrittserklärung. Die Anmeldung der restlichen Kaufpreisforderung im Ausgleichsverfahren und die Ausübung des Stimmrechts im Ausgleich beinhalte noch keinen schlüssigen Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt. Auch die Annahme der Ausgleichsquote lasse noch keinen zuverlässigen Schluß auf einen Verzichtswillen der klagenden Partei zu, weil die klagende Partei ihren Aussonderungsanspruch bis zuletzt und ohne Unterbrechung über den Zeitpunkt der vollständigen Bezahlung der Ausgleichsquoten hinaus geltend gemacht habe. Da der Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt sei, sei das Herausgabebegehren der klagenden Partei gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung zu.

Nach einhelliger Rechtsprechung und Lehre unterliegt ein Kaufvertrag, bei dem sich der Verkäufer das Eigentum am Kaufgegenstand vorbehalten und der Käufer den Kaufpreis noch nicht vollständig bezahlt hat, im Ausgleichsverfahren den Bestimmungen über beiderseitig noch nicht erfüllte Rechtsgeschäfte (SZ 49/138; SZ 43/92; SZ 42/65; EvBl. 1967/13; Bydlinski in Klang, Komm2 IV/2, 512; Frotz, Aktuelle Probleme des Kreditsicherungsrechts, 173). Die Forderung des Verkäufers auf Bezahlung des Kaufpreises wird gemäß § 20 a Abs. 1 AO vom Ausgleichsverfahren nicht berührt. Der Vorbehaltsverkäufer kann demnach nach wie vor den vollen (nicht nach Maßgabe der Ausgleichsquote gekürzten) restlichen Kaufpreis fordern, aber auch bei Zahlungsverzug sein vertragliches Rücktrittsrecht geltend machen und die Sache kraft seines Eigentums aussondern (SZ 37/91; HS V/32; HS I/94; HS I/6; Bydlinski aaO 513; Frotz aaO 173; Aicher in Rummel, ABGB, Rz 54 zu § 1063; Bley-Mohrbutter, Vergleichsordnung3 Rz 38 lit. a zu § 36). Das Begehren auf Herausgabe der Sache setzt, sofern keine Rücknahmeklausel vereinbart wurde, den Rücktritt vom Kaufvertrag voraus (RdW 1987, 157; vgl. SZ 58/39). Die klagende Partei hat im Ausgleichsverfahren (und mit Klage) die restliche Kaufpreisforderung geltend gemacht, was die Aufrechterhaltung des Kaufvertrages voraussetzt, gleichzeitig aber auch im Ausgleichsverfahren die Herausgabe der unter Eigentumsvorbehalt verkauften Gegenstände begehrt, was den Rücktritt vom Vertrag voraussetzt und zur Folge hätte, daß die Kaufpreisforderung nicht mehr besteht (RdW 1987, 157; Aicher aaO Rz 56 zu § 1063). Der Vorbehaltskäufer muß sich im Verfahren aber eindeutig für eine der Möglichkeiten, die einander ausschließen, entscheiden (vgl. Bley-Mohrbutter aaO Rz 40 lit. b zu § 36). Wenn die beiden einander ausschließenden Ansprüche gleichzeitig erhoben werden, so ist der Wille des Vorbehaltseigentümers, den Kaufvertrag aufrechtzuerhalten oder von ihm zurückzutreten, nicht eindeutig erklärt. Solange der Vorbehaltseigentümer den Kaufpreisanspruch weiterverfolgt, muß angenommen werden, daß er den Kaufvertrag aufrecht erhalten will (RdW 1987, 157; SZ 58/39; JBl. 1979, 257). Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei ihre restliche Kaufpreisforderung nicht nur eingeklagt, sie hat ihre Forderung auch im Ausgleichsverfahren als Ausgleichsforderung geltend gemacht und das Stimmrecht bei der Ausgleichstagsatzung ausgeübt. Darin allein ist nach ständiger Rechtsprechung noch kein Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt zu erblicken (RZ 1966, 52; Aicher aaO Rz 103 zu § 1063). Nimmt der Vorbehaltsverkäufer aber nach bestätigtem Ausgleich auch die auf die geltend gemachte Forderung entfallende Ausgleichsquote entgegen, wie dies im vorliegenden Fall geschehen ist, muß darin ein stillschweigender Verzicht auf den Eigentumsvorbehalt erblickt werden (vgl. zum stillschweigenden Verzicht auf Absonderungsrechte RGZ 16, 71; Kuhn-Uhlenbruck KO10 Rz 13 a zu § 64). Der Vorbehaltsverkäufer kann nicht die ihm aus dem Kaufvertrag zustehenden Rechte auf Zahlung der Kaufpreisforderung im Ausgleichsverfahren geltend machen, die Ausgleichsquote entgegennehmen und dann den Rücktritt vom Vertrag erklären, die Herausgabe der Sache verlangen und damit die Rückabwicklung des Vertrages, dessen Erfüllung er im Insolvenzverfahren begehrte und entgegennahm, in die Wege leiten. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man mit Bydlinski in Klang2 IV/2, 623 den Eigentumsvorbehalt zwar weiter bestehen, nach quotenmäßiger Befriedigung des Vorbehaltsverkäufers im Ausgleichsverfahren für den Ausfall aber nur eine Naturalobligation verbleiben läßt. Da der Vorbehaltskäufer mit der Erfüllung der Naturalobligation nicht in Verzug kommen kann, ist dann ein Rücktritt des Verkäufers vom Vertrag ausgeschlossen. Der Eigentumsvorbehalt kann daher nicht geltend gemacht werden, ihm kommt nur mehr die Bedeutung zu, einen schwachen Druck in Richtung auf Bezahlung der Kaufpreisschuld auszuüben (Bydlinski aaO 622; Serick Eigentumsvorbehalt und Sicherungsübertragung I 442, 443).

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte