Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 12.469,05 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.133,55 Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Laut Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3. Mai 1985, 5 C 47/84, schuldet der Kläger der Beklagten, mit der er in aufrechter Ehe verheiratet ist, einen Unterhalt von monatlich S 8.900,-- seit 29. November 1984, abzüglich bis 6. Februar 1985 geleisteter Zahlungen von S 14.622,--.
Zu 3 E 14.077/85 des Exekutionsgerichtes Wien betreibt die Beklagte gegen den Kläger einen Unterhaltsrückstand von S 50.278,-- für die Zeit vom 29. November 1984 bis 31. Oktober 1985 (= S 97.900,-- abzüglich geleisteter Zahlungen von S 47.622,--) und des laufenden Unterhalts von S 8.900,-- seit 1. November 1985 mittels Lohnpfändungsexekution.
Gegen den mit diesem Exekutionsverfahren betriebenen Anspruch richtet sich die Oppositionsklage des Klägers aus folgenden Gründen:
Die Beklagte habe den Unterhaltsanspruch verwirkt, weil sie den Kläger aus der Wohnung gesperrt habe und weil sie sich nur mehr der Trunksucht und dem Müßiggang ergebe, sodaß man ihr das eheliche Kind abnehmen habe müssen. Unabhängig von dieser Verwirkung hätten die Streitteile nach Entstehung des Exekutionstitels vereinbart, daß der Kläger nur mehr einen Betrag von S 5.500,-- zu leisten habe. Diesen Betrag leiste der Kläger auch regelmäßig. Im September 1985 habe die Beklagte dem Kläger auch bestätigt, daß alle Unterhaltszahlungen bis 31. August 1985 erfolgt seien. Im übrigen sei das Einkommen des Klägers so gesunken, daß er mehr als S 5.500,-- nicht zahlen könne. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Die Vorinstanzen gingen im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:
Der Kläger hat die Ehewohnung am 4. Februar 1979 verlassen, bis Ende 1980 verbrachte er noch das Wochenende in der Ehewohnung. Am 15. Oktober 1985 brachte er die Scheidungsklage ein. Im November 1985 ließ die Beklagte das Schloß der Ehewohnung auswechseln, sodaß jetzt der Kläger mit den früheren Schlüsseln nicht mehr Zutritt zur Ehewohnung hat.
Die Beklagte war seit der Geburt des ehelichen Kindes im Jahr 1974 nicht mehr berufstätig, sondern versorgte den Haushalt und betreute das eheliche Kind. Sie leidet seit längerer Zeit an einer Entwicklungsstörung ihrer Persönlichkeit, die zu Belastungssituationen und Angstzuständen führt, wogegen Alkohol als Medikament verwendet wurde. Es kam zu Alkoholmißbrauch, eine Alkoholerkrankung liegt aber nicht vor. Am 6. September 1985 nahm der Kläger im Einvernehmen mit dem Pflegschaftsgericht das eheliche Kind wegen Alkoholmißbrauchs der Beklagten zu sich, mit Beschluß des Pflegschaftsgerichtes vom 23. Jänner 1986 wurden ihm die elterlichen Rechte übertragen. Trotz des Alkoholmißbrauches der Beklagten war es aber nur gelegentlich zu einer Vernachlässigung der Pflege und Betreuung des ehelichen Kindes gekommen, im allgemeinen hat sie das Kind gut betreut. Im Zusammenhang mit dem Alkoholmißbrauch der Beklagten hatten sich Mitbewohner um das Kind gekümmert und die Zuziehung einer Psychologin zur Betreuung der Beklagten vermittelt. Im Mai 1985 trafen die Streitteile Vereinbarungen über eine für Jänner 1986 vorgesehene einvernehmliche Scheidung, bei der noch vom Verbleib des ehelichen Kindes bei der Beklagten ausgegangen wurde unter anderem eine Unterhaltszahlung von S 10.000,--, davon S 5.500,-- für die Beklagte, S 4.500,-- für das Kind, vorgesehen, aber beispielsweise das Schicksal der Ehewohnung offengeblieben war. Die vom Erstgericht getroffene weitere Feststellung, die Streitteile hätten sich in der Folge nicht über die notarielle Beurkundung einigen können, wurde vom Berufungsgericht nicht übernommen. Ende September 1985 unterschrieb die Beklagte eine Erklärung, daß sie bis Ende August 1985 alle vorgesehenen Zahlungen erhalten habe. Der Kläger verdient jetzt nicht weniger als im Zeitpunkt der Entstehung des Exekutionstitels. Als er im Jahr 1979 die Beklagte verlassen hatte, teilten die Streitteile die ehelichen Ersparnisse von S 600.000,-- je zur Hälfte auf.
In rechtlicher Hinsicht gingen die Vorinstanzen davon aus, daß es nicht zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruches der Beklagten gekommen sei. Die Beklagte sei zu einer Berufstätigkeit nicht verpflichtet. Der Alkoholmißbrauch sei vor allem durch die Entwicklungsstörung der Persönlichkeit bedingt. Die Übertragung der elterlichen Rechte sei eine Folge dieses Alkoholmißbrauches. Die Anbringung eines Schlosses nach Auszug des Klägers stelle keine Eheverfehlung dar. Die Vereinbarung vom Mai 1985 sei noch nicht endgültig gewesen (Ehewohnung) und habe darauf beruht, daß das Kind bei der Beklagten bleibe, sich also vor allem auf die Zeit nach der geplanten einvernehmlichen Scheidung bezogen. Zu einer Novation der Unterhaltsverpflichtung sei es damit nicht gekommen. Der Bestätigung vom September 1985 sei im Zweifel kein Unterhaltsverzicht für die Vergangenheit zu entnehmen. Auf Grund des bestehenden Einkommens und trotz der erhaltenen Ersparnisse von S 300.000,-- müsse der Kläger auch weiterhin S 8.900,-- monatlich Unterhalt leisten.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Gemäß § 35 Abs 1 EO können nur nach der Entstehung des Exekutionstitels eingetretene Tatsachen einen Oppositionsgrund bilden. Wenn der Kläger, was im übrigen in dieser Form in erster Instanz nicht vorgebracht und auch nicht festgestellt wurde, die häusliche Gemeinschaft mit der Beklagten wegen des Alkoholmißbrauches aufgelöst haben sollte, wäre dieser Umstand schon im Titelverfahren zu berücksichtigen gewesen. Dasselbe gilt für die Frage, ob die Beklagte mit den ihr im Jahr 1979 übertragenen Ersparnissen von S 300.000,-- oder den Erträgnissen hieraus zu ihrem Unterhalt beitragen mußte und ob sie in der Vergangenheit durch Führung des Haushaltes ihren Unterhaltsbeitrag geleistet hat, soweit hier nicht überdies eine Frage der Unterhaltsbemessung vorliegt, die auch im Oppositionsstreit nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden kann (SZ 49/68).
Für eine Unterhaltsverwirkung könnte also nur ein Verhalten der Beklagten nach dem 6. Februar 1985 (Schluß der Verhandlung im Titelverfahren) in Betracht kommen. Dazu wurde nur vorgebracht, daß die Beklagte den Kläger aus der früheren Ehewohnung aussperrte, worauf der Kläger aber in der Revision nicht mehr zurückkommt, und daß sie infolge ihres Alkoholmißbrauches jetzt nicht mehr das eheliche Kind betreut.
Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß nach ständiger Rechtsprechung ein zur Unterhaltsverwirkung führender Rechtsmißbrauch im Sinne des § 94 Abs 2 ABGB nur bei besonders schweren Eheverfehlungen angenommen wird (EFSlg 47.438). Das Auswechseln des Türschlosses stellt nach dem Auszug des anderen Ehegatten nicht einmal eine schwere Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG dar (EFSlg 38.685), geschweige denn einen Verwirkungstatbestand.
Alkoholmißbrauch kann zwar eine Eheverfehlung sein
(EFSlg 48.730 f). Wenn aber der erhöhte Alkoholkonsum infolge einer krankhaften Störung der Persönlichkeitsentwicklung und damit verbundenen Belastungssituationen und Angstzuständen stattfindet, wie dies von den Vorinstanzen festgestellt wurde, so ist auch ein solches Verhalten nicht als besonders schwere Eheverfehlung vorzuwerfen (vgl. EFSlg 42.561 oder 42.562). Die Unterlassung einer ordnungsgemäßen Betreuung des ehelichen Kindes während einer solchen Phase des Alkoholmißbrauches stellt dann gleichfalls keinen Verwirkungstatbestand dar.
Die Auslegung der zwischen den Streitteilen getroffenen Vereinbarungen ist frei von Rechtsirrtum:
Die Mitte Mai 1985 getroffenen Vereinbarungen lassen nicht erkennen, daß die Streitteile damit eine Änderung des im Verfahren 5 C 47/84 von der Beklagten begehrten und ihr mit Urteil vom 3. Mai 1985, den Parteien zugestellt am 28. Mai 1985, zuerkannten Unterhaltsanspruches im Sinne eines teilweisen Verzichtes der Beklagten auf den ihr zustehenden Unterhalt vereinbaren wollten. Die Diktion dieser Vereinbarung deutet vielmehr in die Richtung, daß damit der Unterhalt nur für den Fall einer im Jänner 1986 durchzuführenden einvernehmlichen Scheidung festgelegt werden sollte, zu der es dann nicht gekommen ist. Wenn die Beklagte am Tag der Unterfertigung des Gedächtnisprotokolls über die Mitte Mai 1985 getroffene Vereinbarung überdies bestätigte, für den Zeitraum bis Ende August 1985 alle "vorgesehenen" Zahlungen erhalten zu haben, konnte sich auch diese Formulierung nur auf den in der Vereinbarung von Mitte Mai 1985 vorgesehenen Unterhaltsbetrag von S 10.000,--, nämlich S 4.500,-- für die ehelicher Tochter und S 5.500,-- für den eigenen Unterhalt beziehen. Auch mit der Leistung dieser Unterschrift hat die Beklagte daher nicht ein Verhalten gesetzt, das im Sinne des § 863 ABGB nur als Unterhaltsverzicht für die Vergangenheit und die Zukunft gewertet werden könnte. Falls der Kläger eine solche Absicht gehabt haben sollte, hätte er auf eine präzise Formulierung dringen müssen. Ein Verzicht auf einen in einem unmittelbar vor dem Abschluß stehenden Prozeß begehrten Anspruch ist etwas so Ungewöhnliches, daß der nur im Zusammenhang mit einer besprochenen Scheidung geleisteten Unterschrift hier keine Bedeutung zukommen kann.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)