OGH 11Os170/87

OGH11Os170/8726.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.April 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Klaus W*** wegen des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Kreisgerichts Wr. Neustadt vom 4. November 1987, GZ 11 b Vr 540/87-39, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, und des Verteidigers Dr. Breuer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der am 4.September 1942 geborene Installateurgeselle Klaus W*** der Verbrechen des Mordes nach dem § 75 StGB (Punkt 1./), der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 StGB (Punkt 2./) und des Beischlafes mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 StGB (Punkt 3./) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 20. April 1987 in Reichenau an der Rax die am 17.August 1983 geborene, somit zur Tatzeit noch nicht einmal 4 Jahre alte Cornelia M***

1./ dadurch vorsätzlich getötet zu haben, daß er sie so lange würgte, bis sie erstickte;

2./ mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich durch Niederdrücken auf ein Bett, widerstandsunfähig gemacht und sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht und

3./ in Tateinheit mit der zu Punkt 2./ angeführten Tat mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf unternommen zu haben. Im Hinblick auf die Verantwortung des Angeklagten Klaus W*** in der Hauptverhandlung, zur Tatzeit voll berauscht gewesen zu sein (vgl. Band II, S 3, 8 und 13 dA), hat der Schwurgerichtshof bei der Fragestellung an die Geschwornen das sogenannte "Drei-Fragen-Schema" herangezogen und demzufolge an die drei anklagekonform gestellten Hauptfragen I (nach dem Verbrechen des Mordes im Sinne des § 75 StGB), IV (nach dem Verbrechen der Notzucht im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB) und VII (nach dem Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen im Sinne des § 206 Abs. 1 StGB) für den Fall ihrer Bejahung jeweils eine Zusatzfrage nach Tatbegehung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB (Punkt II, V und VIII des Fragenschemas) und weiters für den Fall der Bejahung der Hauptfragen I, IV und VII sowie der Bejahung der Zusatzfragen II, V und VIII jeweils eine Eventualfrage nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung im Sinne des § 287 Abs. 1 StGB (Punkt III, VI und IX des Fragenschemas) geknüpft. Außerdem wurde noch für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I nach Mord und Bejahung der Hauptfragen IV und VII (nach Notzucht und Beischlaf mit Unmündigen) eine Zusatzfrage nach dem Eintritt der eine Tatqualifikation des § 201 Abs. 2, letzter Fall StGB bzw. des § 206 Abs. 2, letzter Fall StGB bildenden Todesfolge in das Fragenschema aufgenommen (Punkt X).

Von den Geschwornen wurden die Hauptfragen I, IV und VIII (Mord, Notzucht und Beischlaf mit Unmündigen) jeweils stimmeneinhellig bejaht, die Zusatzfragen II, V und VIII nach Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB jedoch gleichfalls jeweils stimmeneinhellig verneint, sodaß demgemäß die Eventualfragen III, VI und IX (jeweils nach dem Vergehen im Sinne des § 287 Abs. 1 StGB) sowie die Zusatzfrage X unbeantwortet blieben.

In seiner gegen dieses Urteil des Geschwornengerichtes eingebrachten Nichtigkeitsbeschwerde macht der Angeklagte Klaus W*** die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO. geltend. Überdies bekämpft er den Strafausspruch mit Berufung.

Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die vom Schwurgerichtshof mit Zwischenerkenntnis gemäß dem § 238 StPO (in Verbindung mit dem § 302 Abs. 1 StPO) ausgesprochene Abweisung (Band II S 55 dA) der in der Hauptverhandlung vom Verteidiger des Angeklagten gestellten Anträge auf

1./ Vornahme einer Untersuchung des Angeklagten auf dessen Alkoholverträglichkeit,

2./ Einholung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens sowie eines psychologischen Gutachtens und 3./ auf Vernehmung der Zeugen Dr. K*** und Friederike H***. Durch die beantragte Alkoholverträglichkeitsuntersuchung sollte der Nachweis erbracht werden, daß unter Berücksichtigung des vom Sachverständigen Prim. Dr. Ernst S*** für den aktuellen Tatzeitraum ermittelten Blutalkoholwertes beim Angeklagten bereits eine volle Berauschung vorgelegen sei (Band II, S 51 dA) und der Angeklagte auf Grund seiner physischen Konstitution maximale Blutalkoholabbauwerte erreiche (Band II, S 52 dA). Durch ein weiteres psychiatrisches Sachverständigengutachten und ein psychologisches Gutachten sollte dargetan werden, daß sich der Angeklagte zur Tatzeit im Zustand voller Berauschung befunden habe und er auf Alkohol abnorm reagiere. Durch den Zeugen Dr. K***, der Arzt ist, sollte der angegriffene psychische Zustand des Angeklagten bei seinen Einvernahmen durch die Gendarmerie und durch den Untersuchungsrichter dargetan werden, weshalb dieser Zeuge sogar die Verabreichung einer Beruhigungsspritze für erforderlich gehalten habe, wozu es aber dann nicht gekommen sei (Band II, S 54 dA). Die Zeugin Friederike H*** schließlich wurde zum Nachweis dafür geführt, daß der Angeklagte Alkohol (schon) immer schlecht vertragen habe und bereits bei einem geringeren als in diesem Verfahren hervorgekommenen Alkoholkonsum nachträglich auffallende Gedächtnislücken aufgewiesen habe (Band II, S 54 dA). Durch die Ablehnung dieser Beweisanträge wurde aber der Beschwerdeführer entgegen seinen Ausführungen in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt; denn für den mit diesen Anträgen vom Angeklagten letztlich angestrebten Nachweis, daß er sich in dem hier in Betracht kommenden Tatzeitraum (in der Nacht vom 20. zum 21.April 1987) infolge des vorangegangenen Alkoholkonsums in einem - allenfalls auch auf eine abnorme Reaktion auf den Genuß von Alkohol zurückzuführenden - Zustand einer voller Berauschung befunden habe, sind die beantragten Beweise von vornherein ungeeignet:

Der Angeklagte hatte nach den durch seine Darstellung im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung gestützten Verfahrensergebnissen (vgl. Band I, S 22, 188 und 201 dA sowie Band II, S 5 und 6 dA) ab Mittag des 20.April 1987 bis gegen 20.00 Uhr dieses Tages (vgl. Band II, S 6 und 7 dA) unbestrittenermaßen eine größere Menge Alkohol (Bier und Wein) zu sich genommen. Er war deshalb am Abend des 20.April 1987 erheblich alkoholisiert (vgl. Sachverständiger Prim. Dr. H***, Band I, S 121 dA und Band II, S 37 dA; ferner Sachverständiger Prim. Dr. S***, Band I, S 405 dA und Band II, S 46 dA). Die Untersuchung einer dem Angeklagten am 21.April 1987 um 8.40 Uhr abgenommenen Blutprobe ergab jedoch, daß er, bezogen auf den Zeitpunkt der Blutabnahme, keinen Alkohol mehr in seinem Blut aufwies (Blutalkoholwert 0,00 %o; vgl. Band I, S 198 dA). Selbst bei Annahme des höchsten möglichen Abbauwertes von 0,2 %o pro Stunde (vgl. Sachverständiger Prim. Dr. S***, Band II, S 47 dA) könnte der höchste vom Angeklagten etwa gegen 21.00 Uhr des 20.April 1987 (also noch vor der Tat) erreichte Blutalkoholwert (theoretisch) bloß 2,40 %o betragen haben (unter Berücksichtigung der vom Angeklagten behaupteten Trinkmengen und Trinkzeiten sowie der Annahme eines durchschnittlichen Alkoholabbaues von 0,12 %o pro Stunde hätte der Blutalkoholgehalt maximal 2,28 %o erreichen können; vgl. Sachverständiger Prim. Dr. S***, Band II, S 45 und 46 dA). Nach gesicherten forensischen Erfahrungen (vgl. Jarosch-Müller-Piegler, Alkohol und Recht2, S 150 f; Foregger-Serini, StGB3, Erl. III zu § 287 StGB; RZ 1964, S 159; ZVR 1977/28; 9 Os 116/80) kann aber erst eine Blutalkoholkonzentration von 3 %o oder darüber und nur in besonderen Ausnahmefällen auch schon ein Blutalkoholwert ab 2,5 %o eine volle Berauschung indizieren, nicht aber ein Blutalkoholwert von bloß 2,4 %o, wie er nach dem Vorgesagten im vorliegenden Fall beim Angeklagten als Maximalwert in Betracht kommen konnte (vgl. 9 Os 116/80).

Auf Grund des Ergebnisses der Untersuchung der dem Angeklagten am 21.April 1987 um 8.40 Uhr abgenommenen Blutprobe war somit nach dem durch Rückrechnung ermittelten maximal erreichbaren Blutalkoholwert (von 2,4 %o) eine volle Berauschung des Angeklagten während des hier in Betracht kommenden (jedenfalls erst nach 21.00 Uhr des 20.April 1987 einsetzenden) Tatzeitraumes auszuschließen.

Soweit sich der Angeklagte in seinen Beweisanträgen nunmehr auch auf eine abnorme Alkoholreaktion, die ihm angeblich zu eigen sein soll, beruft, ist ihm entgegenzuhalten, daß er selbst in seiner Verantwortung eine solche gar nicht behauptet hat; denn von einer abnormen (pathologischen) Alkoholintoleranz kann nur gesprochen werden, wenn schon der Genuß von minimalen Alkoholmengen zu einer krankheitsbedingten und mit einem Dämmerzustand verbundenen Berauschung führt (vgl. Sachverständiger Dr. H***, Band II, S 42 und 43 dA; Foregger-Serini, StGB3, Erl. I zu § 287 StGB). Das Vorliegen eines solchen pathologischen Rauschzustandes beim Angeklagten zur Tatzeit wurde aber übereinstimmend von beiden dem Verfahren beigezogenen (psychiatrischen bzw. gerichtsärztlichen) Sachverständigen (vgl. Band II, S 38, 42 und S 46 dA) unmißverständlich verneint, weil sich nach dem gesamten Ablauf des Tatgeschehens keine Anhaltspunkte dafür ergeben haben, daß sich der Angeklagte bei der Tatbegehung in einem für die Annahme einer pathologischen Alkoholreaktion typischen Dämmerzustand befunden hat. Das gesamte Tatverhalten des Angeklagten, das von ihm an sich gar nicht in Abrede gestellt worden war, steht vielmehr der Annahme der Tatbegehung unter dem Einfluß einer abnormen Alkoholreaktion entgegen. Auch nach der Darstellung des Angeklagten stellten sich bei ihm alkoholbedingte Erinnerungslücken stets erst dann ein, wenn er etwas mehr Alkohol getrunken hatte (vgl. Band I, S 23 b dA und Band II, S 23 dA). Im übrigen treten Erinnerungslücken nicht bloß als Folge einer vollen Berauschung, sondern unter Umständen auch schon bei leichten bis mittelgradigen Rauschzuständen auf (Sachverständiger Prim. Dr. H***, Band II, S 36 und 37 dA). Der Angeklagte hat nach seiner eigenen Darstellung am 20.April 1987 vor der Tat doch erhebliche Mengen an Alkohol und keineswegs, wie dies für das Vorliegen einer abnormen pathologischen Alkoholreaktion typisch wäre, bloß wenig Alkohol zu sich genommen. Schon daraus erhellt aber, daß von einer abnormen (krankhaften) Alkoholreaktion des Angeklagten am Abend des 20.April 1987 keine Rede sein kann. Die Erinnerungslücken, auf die er sich beruft (vgl. Band II, S 8, 9, 10 und 14 dA), aber auch bestimmte, im Beweisverfahren hervorgekommene Verhaltensweisen des Angeklagten, die er nunmehr als Indiz für eine bei ihm zur Tatzeit vorgelegene volle Berauschung gedeutet wissen will (so etwa, daß er mit dem von ihm gelenkten VW-Bus im Zick-Zack-Kurs gefahren ist; vgl. Zeugen P***, Band II, S 22 und 23 dA), finden auch in der am Abend des 20.April 1987 beim Angeklagten vorgelegenen minderschweren alkoholbedingten Beeinträchtigung der psychischen und physischen Konstitution ihre zwanglose Erklärung.

Von einer Untersuchung des Angeklagten auf seine Fähigkeit Alkohol zu vertragen, konnte, ganz abgesehen von der allgemeinen Problematik einer solchen Untersuchung, somit schon deshalb Abstand genommen werden, weil angesichts des maximalen Blutalkoholwertes von 2,4 %o, den der Angeklagte am Abend des 20.April 1987 gegen 21.00 Uhr erreicht haben könnte, eine volle Berauschung bei der Tatbegehung jedenfalls auszuschließen ist und der Berechnung dieses vom Angeklagten (bloß theoretisch) am Abend des 20.April 1987 erreichten Höchstwertes ohnedies der maximal erzielbare Abbauwert von 0,2 %o zugrundegelegt wurde (vgl. abermals Sachverständiger Prim. Dr. S***, Band II, S 46 und 47 dA).

Es bestand aber auch zur Einholung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigengutachtens sowie eines psychologischen Gutachtens kein Anlaß. Eine volle Berauschung des Angeklagten zur Tatzeit könnte angesichts des Ergebnisses der Untersuchung der dem Angeklagten abgenommenen Blutprobe (0,00 %o) auch durch die beantragten weiteren Gutachten nicht nachgewiesen werden, sodaß diesen Beweismitteln von vornherein die Eignung abzusprechen ist, den vom Beschwerdeführer angestrebten Nachweis zu erbringen. Eine abnorme (krankheitsbedingte) Alkoholreaktion hat hingegen der Angeklagte selbst gar nicht behauptet; sie kommt auch nach den Verfahrensergebnissen, insbesondere unter Berücksichtigung des - vom Angeklagten im wesentlichen unbestritten

gebliebenen - Ablaufes des gesamten Tatgeschehens nicht in Betracht. Auch die dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen Prim. Dr. H*** und Prim. Dr. S*** waren übereinstimmend der Auffassung, daß keine Anhaltspunkte für eine abnorme Alkoholreaktion des Angeklagten vorliegen (Band II, S 38, 42, 46 und 47 dA). Entgegen den Beschwerdeausführungen kann von (echten) Widersprüchen im Gutachten des Sachverständigen Prim. Dr. H*** keine Rede sein, sodaß auch die Voraussetzungen des § 126 Abs. 1 StPO zur Beiziehung eines weiteren psychiatrischen Sachverständigen fehlen. Daß sich der Angeklagte hingegen am 21.April 1987 im Zeitpunkt seiner Einvernahmen "in einem psychisch angegriffenen Zustand" befunden hat, ist schon angesichts der von ihm verübten, überaus schweren Straftat, mit der er damals im Zuge der Einvernahmen konfrontiert wurde, durchaus verständlich, sodaß es hiefür keines besonderen Nachweises durch den beantragten Zeugen Dr. K***, der damals als Arzt beigezogen worden war (vgl. Band I, S 143 und Band II, S 23 dA), bedurfte. Das Beweisthema, zu dem der Zeuge Dr. K*** geführt wird, betrifft keine für die Schuldsprüche entscheidenden Tatsachen, zumal eine volle Berauschung des Angeklagten bei Tatbegehung durch den Zeugen Dr. K*** gar nicht unter Beweis gestellt werden sollte.

Der durch die Zeugin Friederike H*** angestrebte Nachweis, daß der Angeklagte auch schon früher bei einem geringeren als im vorliegenden Verfahren hervorgekommenen Alkoholkonsum auffallende Gedächtnislücken aufgewiesen habe, läßt entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers keineswegs einen Schluß auf eine verminderte Alkoholtoleranz des Angeklagten zu, sodaß die Vernehmung der Zeugin H*** entbehrlich war. Gedächtnislücken können - wie erwähnt - auch schon als Folge eines leichten bis mittelgradigen Rauschzustandes auftreten. Zum Nachweis einer beim Angeklagten bestehenden abnormen (pathologischen) Alkoholreaktion ist im übrigen die Zeugin H*** als medizinischer Laie von vornherein nicht geeignet.

Rechtliche Beurteilung

Somit versagt die Verfahrensrüge des Angeklagten zur Gänze. Eine den Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO bewirkende Verletzung der Vorschriften der §§ 314 Abs. 1 und 317 Abs. 3 StPO über die Fragestellung erblickt der Beschwerdeführer darin, daß den Geschwornen die Beantwortung der Eventualfragen III, VI und IX (nach dem Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB) nur für den Fall der Bejahung der Hauptfragen I, IV und VII und der Bejahung der Zusatzfragen II, V und VIII (Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB) aufgetragen worden sei. Denn Eventualfragen, so meint der Beschwerdeführer unter Hinweis auf § 317 Abs. 3 StPO, dürften nur für den Fall der Verneinung (und nicht der Bejahung) einer anderen Frage gestellt werden. Demnach wäre den Geschwornen bei Annahme der Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten im Tatzeitpunkt, die nach Auffassung des Beschwerdeführers eine Verneinung der Hauptfragen I, IV und VII zur Folge haben müßte, eine Beantwortung der Eventualfragen unmöglich gemacht und solcherart eine Tatbeurteilung (bloß) als Vergehen nach dem § 287 StGB verwehrt worden. Im Zusammenhang damit wird unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO auch eine Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander sowie über die Folgen der Bejahung und Verneinung jeder Frage (§ 321 Abs. 2 StPO) gerügt, weil nach Auffassung des Beschwerdeführers entgegen dem in der schriftlichen Rechtsbelehrung enthaltenen Hinweis (vgl. Band II, S 83 dA) die Bejahung der Zusatzfragen II, V und VIII einen Freispruch des Angeklagten von den in den Hauptfragen I, IV und VII enthaltenen Anklagevorwürfen und nicht, wie in der Rechtsbelehrung dargelegt, die Bejahung dieser Zusatzfragen unter gleichzeitiger Bejahung der Eventualfragen III, VI und IX eine Verurteilung wegen Vergehens nach dem § 287 Abs. 1 StGB zur Folge haben müßte.

Diese Beschwerdebehauptungen gehen ins Leere:

Daß bei einer behaupteten Tatbegehung im Zustand der Volltrunkenheit, die vorliegend auf Grund der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung aktuell war, im geschwornengerichtlichen Verfahren bei der Fragestellung das sogenannte Drei-Fragen-Schema durchaus geeignet ist (EvBl. 1980/152, SSt. 44/32, 51/59), die Frage des Grades der Alkoholisierung des Täters einer Klärung durch die Geschwornen zuzuführen, ist in Lehre und Judikatur unbestritten. Darnach ist die Hauptfrage jeweils auf die dem Angeklagten in der Anklage zur Last gelegte Tat zu richten (§ 312 Abs. 1 StPO), eine Zusatzfrage nach den Voraussetzungen des § 11 StGB zu stellen, die aber gemäß dem § 317 Abs. 3 StPO eine Bejahung der Hauptfrage voraussetzt, und daran für den Fall der Bejahung der Zusatzfrage eine Eventualfrage in Richtung des Vergehens nach dem § 287 Abs. 1 StGB zu knüpfen (vgl. 10 Os 61/80). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers widerspricht diese Vorgangsweise bei der Fragestellung keineswegs der Vorschrift des § 317 Abs. 3 StPO (daß nämlich Eventualfragen nur für den Fall der Verneinung einer anderen Frage zu stellen sind); kommt doch die Bejahung der Hauptfrage in Verbindung mit der Bejahung der Zusatzfrage nach dem Vorliegen von Zurechnungsunfähigkeit im Ergebnis einer Verneinung der entsprechenden Schuldfragen (hier jener zu Punkt I., IV. und VII. des Fragenschemas) gleich. Damit ist der Argumentation in der Nichtigkeitsbeschwerde zum Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO, aber auch jener zu dem in diesem Zusammenhang weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der Z 8 dieser Gesetzesstelle, soweit eine Unrichtigkeit der den Geschwornen erteilten Belehrung über das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder Frage behauptet wird, der Boden entzogen.

Als unhaltbar erweist sich auch das weitere Beschwerdevorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO, mit dem gerügt wird, daß entgegen der Antragstellung des Verteidigers in der Hauptverhandlung (vgl. Band II, S 57 dA) zur Hauptfrage I (nach Mord) keine Eventualfrage nach einer durch die Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung indizierten (vgl. Band II, S 13 dA) fahrlässigen Tötung im Sinne des § 80 StGB gestellt worden ist. Denn gemäß dem § 7 Abs. 2 StGB trifft eine schwerere Strafe, die an eine besondere Folge der Tat geknüpft ist, den Täter nur dann, wenn er diese Folge wenigstens fahrlässig herbeigeführt hat. Diese Vorschrift ist auf die Qualifikationen im § 201 Abs. 2, letzter Fall, StGB bzw. im § 206 Abs. 2, letzter Fall, StGB (Tod des Tatopfers) anzuwenden. Wird daher eine - als Mord im Sinne des § 75 StGB zu beurteilende (vgl. Burgstaller, WK, RZ 16 und 30 zu § 7 StGB) - vorsätzliche Tötung des Tatopfers im Zusammenhang mit dem Delikt der Notzucht (§ 201 Abs. 1 StGB) oder des Beischlafes mit Unmündigen (§ 206 Abs. 1 StGB) verneint und der beim Tatopfer eingetretene Tod als eine bloß fahrlässig herbeigeführte besondere Tatfolge (im Sinne des § 7 Abs. 2 StGB) beurteilt, so verantwortet der Täter das Verbrechen der Notzucht nach dem § 201 Abs. 1 und Abs. 2, letzter Fall, StGB (bzw. das Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach dem § 206 Abs. 1 und Abs. 2, letzter Fall, StGB), und nicht etwa das Verbrechen nach dem § 201 Abs. 1 StGB (oder nach § 206 Abs. 1 StGB) und darüber hinaus das Vergehen der fahrlässigen Tötung nach dem § 80 StGB. Eine solche Tatbeurteilung ist auf Grund der Vorschrift des § 7 Abs. 2 StGB, die für alle erfolgsqualifizierten Delikte gilt, ausgeschlossen (vgl. hiezu Burgstaller, WK, Rz. 9, 16, 29 und 30 zu § 7 StGB, mit Judikaturhinweisen). Dieser Rechtslage wurde vom Schwurgerichtshof durch die Aufnahme einer von den Geschwornen nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I (nach Mord) und Bejahung der Hauptfragen IV und VII (nach Notzucht bzw. Beischlaf mit Unmündigen) zu beantwortenden - sogenannten uneigentlichen Zusatzfrage im Sinne des § 316 StPO nach der Tatqualifikation des § 201 Abs. 2 letzter Fall StGB bzw. des § 206 Abs. 2 letzter Fall StGB in das Fragenschema (Punkt X) zutreffend Rechnung getragen. Daß diese weitere Frage als Zusatzfrage und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, als Eventualfrage (bei Verneinung der Hauptfrage I nach Mord), zu stellen war, ergibt sich aus der Vorschrift des § 316 StPO; betrifft sie doch eine Tatqualifikation der Notzucht bzw. des Beischlafes mit Unmündigen, die allerdings nur für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I nach Mord aktuell werden konnte. Soweit der Angeklagte unter dem Aspekt einer Nichtigkeit nach der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO den in der Rechtsbelehrung enthaltenen Hinweis als unrichtig rügt, daß bei Alkoholgenuß eine volle Berauschung im allgemeinen erst bei einem Blutalkoholgehalt von 3 %o, nur ganz ausnahmsweise auch schon bei einem solchen von 2,5 %o angenommen werde, ist ihm neuerlich zu erwidern, daß diese Ausführungen der gesicherten forensischen Erfahrung entsprechen (vgl. 9 Os 116/80). Dieser Hinweis macht daher die Rechtsbelehrung keinesfalls unrichtig, wie dies der Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO voraussetzt.

Der Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb ein Erfolg zu versagen. Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 75 StGB eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen strafbarer Handlungen verschiedener Art und "das Handeln in qualvoller Weise für das Opfer" als erschwerend. Als mildernd berücksichtigte es demgegenüber den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und den Beitrag des Angeklagten zur Wahrheitsfindung.

Mit seiner Berufung strebt Klaus W***, allenfalls im Wege der außerordentlichen Strafmilderung, die Herabsetzung der Strafe an. Die Berufung ist nicht begründet.

Die Tatmotivation und die brutale Tatausführung an einem noch nicht vierjährigen Kind zeigen ein derart hohes Ausmaß an Handlungs- und Erfolgsunwert, daß selbst dann, wenn man die Alkoholisierung des bisher unbescholtenen (mit nachteiligen Folgen übermäßigen Genusses geistiger Getränke allerdings vertrauten) Angeklagten zur Tatzeit als mildernd in Rechnung stellen wollte, in der vom Erstgericht gefundenen, der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Klaus W*** gerecht werdenden lebenslangen Freiheitsstrafe eine zu strenge Sanktion nicht gesehen werden kann.

Auch der Berufung konnte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die im Spruch bezogene Gesetzesstelle.

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