Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 23.906,20 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren (darin S 2.173,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, die V*** Gesellschaft mbH (in der Folge kurz V***) und die A*** Film- und Videokonzeptions- und Produktionsgesellschaft mbH (in der Folge kurz A***) sind je zu 50 % Gesellschafter der A*** U*** V*** Produktionsgesellschaft mbH (in der Folge kurz A***). Der Beklagte ist an der A*** zu 25 % beteiligt und deren alleiniger Geschäftsführer. Der Beklagte ist auch neben Karl M*** P*** selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der A***. Durch die in der Rechtssache der klagenden Partei gegen die A*** wegen Nichtigerklärung eines Generalversammlungsbeschlusses ergangene Revisionsentscheidung vom 27. Februar 1986, 8 Ob 515/86 ist auch offenkundig (§ 269 ZPO), daß die beiden Geschäftsführer der A*** Karl Mathias P*** (der zu 100 % Gesellschafter und Geschäftsführer der V*** ist) und der Beklagte im Gesellschaftvertrag zu einzelvertretungsbefugten Geschäftsführern bestellt wurden und die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern durch die Generalversammlung mit einstimmigen Beschluß zu erfolgen hat.
Die klagende Partei begehrt, den Beklagten als Geschäftsführer der A*** durch Urteil abzuberufen. Der Beklagte habe sich dieser Gesellschaft gegenüber näher umschriebene Verfehlungen zuschulden kommen lassen, die in analoger Anwendung des § 16 Abs 2 GmbHG über die Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers aus wichtigem Grund durch gerichtliche Entscheidung rechtfertigten, weil dem Beklagten als alleinigem Geschäftsführer und Mitgesellschafter der A*** auf die A*** ein maßgeblicher Einfluß zustehe, so daß in einem nicht unwesentlichen Teil wirtschaftliche Identität zwischen den beiden Rechtssubjekten bestehe. Im übrigen sei die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer der A*** schon einmal durch das Abstimmungsverhalten der A*** blockiert worden.
Der Beklagte bestritt die Klageberechtigung der V*** und seine Passivlegitimation. § 16 Abs 2 GmbHG sei auf ihn als "Fremdgeschäftsführer" nicht anwendbar. Im übrigen habe er die behaupteten Verfehlungen nicht begangen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 16 Abs 2 GmbHG sei auf den Beklagten als Fremdgeschäftsführer nicht anwendbar. Diese Bestimmung sei durch die GmbHGesetz-Novelle 1980 nach der eindeutig erklärten Absicht des Gesetzgebers nur geschaffen worden, einem Geschäftsführer beizukommen, der als Gesellschafter in der Generalversammlung wenigstens über die Hälfte der Stimmen verfüge und auf Grund der Bestimmung des § 39 Abs 5 GmbHG in der Lage sei, seine Abberufung zu verhindern. Eine analoge Anwendung des § 16 Abs 2 GmbHG für eine Abberufungsklage gegen einen Fremdgeschäftsführer komme, da eine planwidrige Gesetzeslücke nicht vorliege, nicht in Betracht. Auf Grund der Geschäftsführereigenschaft des Beklagten und seiner 25 %-Beteiligung bei der A*** und seiner dort bestehenden Organfunktion könne auch keine wirtschaftliche Identität und maßgebliche Beherrschung dieser Gesellschaft abgeleitet werden.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der klagenden Partei Folge, hob das Urteil der ersten Instanz auf, verwies die Rechtssache unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Streitgegenstand S 300.000,-- übersteige. Es sei nicht die Frage zu lösen, ob der für den Gesellschafter-Geschäftsführer durch die GmbHGesetz-Novelle 1980 neu geschaffene § 16 Abs 2 GmbHG analog auf den sogenannten Fremdgeschäftsführer anzuwenden sei, sondern ob der Beklagte auf Grund seiner Stellung in der A*** allenfalls analog als Gesellschafter-Geschäftsführer der A*** zu behandeln sei. Dies müsse bejaht werden. Sei eine Gesellschaft nur durch einen gesetzlichen Vertreter handlungsfähig, dann seien zur Beurteilung der Frage, ob ein Geschäftsführer dieser "Gesellschafter-Gesellschaft" im Sinne des § 16 Abs 2 GmbHG aus einem wichtigen Grund abberufen werden könne, die Handlungen und die Gesellschaftsbeteiligung ihres Geschäftsführers maßgeblich. Sei der Geschäftsführer, wie hier, zugleich auch (Mit)Gesellschafter der "Gesellschafter-Gesellschaft" dann müsse er auch als Gesellschafter-Geschäftsführer der "Dachgesellschaft" behandelt werden. Als deren Fremdgeschäftsführer wäre er nur dann anzusehen, wenn er an der "Gesellschafter-Gesellschaft" nicht beteiligt wäre. Deshalb seien Feststellungen über die von der Klägerin behaupteten wichtigen Abberufungsgründe erforderlich.
Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, durch Urteil in der Sache zu erkennen und das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.
Die klagende Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Nach § 16 Abs 1 GmbHG kann die Bestellung zum Geschäftsführer unbeschadet der Entschädigungsansprüche aus bestehenden Verträgen durch Beschluß der Gesellschafter zwar jederzeit widerrufen werden, § 39 Abs 5 GmbHG aber gibt dem Geschäftsführer, der selbst Gesellschafter ist, bei der Beschlußfassung über seine Abberufung ohne Ausnahme und unentziehbar das Stimmrecht. Diese Rechtslage führte dazu, daß ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der über die notwendige Stimmenmehrheit verfügte, auch dann seine Abberufung erfolgreich verhindern konnte, wenn schwerwiegende Gründe für seine Abberufung vorlagen und sein Weiterverbleib als Geschäftsführer für die Gesellschaft und die übrigen Gesellschafter untragbar war (vgl. JBl 1953, 129). Diese unbefriedigende Rechtslage, auf die in der Literatur mehrfach mit unterschiedlichen Lösungsversuchen hingewiesen wurde, die aber mit dem klaren Gesetzeswortlaut nicht in Einklang gebracht werden konnte (Gellis GmbHG2 163 f; Ostheim-Zur Abberufung von Gesellschafter-Geschäftsführern bei der GmbH in FS für Hämmerle 1972 245 f; Griehsler-Stimmrechtsbeschränkungen des Gesellschafter-Geschäftsführers der GmbH bei der Beschlußfassung über seine Abberufung GesRZ 1974, 41 f) führte anläßlich der Novellierung des GmbHG 1980 zu einer Neufassung des § 16. Ein Geschäftsführer der Gesellschafter ist, kann nunmehr aus einem wichtigen Grund durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden. Dabei sind die §§ 117 und 127 des Handelsgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Wenn die Bestellung der Geschäftsführer im Gesellschaftsvertrag erfolgt, kann die Zulässigkeit des Widerrufes auf wichtige Gründe beschränkt werden. In diesem Fall ist der Widerruf der Bestellung wirksam, so lange nicht über seine Unwirksamkeit, insbesondere auch über das Vorliegen eines wichtigen Grundes rechtskräftig entschieden ist (§§ 41, 42 und 44). In den Erläuternden Bemerkungen hiezu (5 BlgNR 15. GP S 6) wird auf die geschilderte, durch § 39 Abs 5 GmbHG bestandene Problematik hingewiesen und unter ausdrücklicher Anführung der zitierten Judikatur und Literatur eine Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers, der über die Stimmenmehrheit oder über die Hälfte der Stimmen verfügt, aus wichtigen Gründen durch gerichtliche Entscheidung ermöglicht. In einem solchen Fall ist die Klage gegen den abzuberufenden Gesellschafter-Geschäftsführer und nicht gegen die Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu richten (Kastner Grundriß4 287; Reich-Rohrwig GmbH-Recht 157). Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes und der Absicht des Gesetzgebers sollte durch die Bestimmung des § 16 Abs 2 GmbHG nur eine Sonderregel für Gesellschafter-Geschäftsführer zur Beseitigung der möglichen nachteiligen Folgen des § 39 Abs 5 GmbHG geschaffen, nicht aber generell ein Klagerecht der Minderheit auf Abberufung auch eines Fremdgeschäftsführers aus wichtigen Gründen durch gerichtliche Entscheidung eröffnet werden. Denn das Gesetz geht davon aus, daß die Mehrheit grundsätzlich über das Schicksal der Gesellschaft im Wege der Privatautonomie ohne gerichtliche Eingriffe entscheiden soll und regelt die Minderheitsrechte und Klagemöglichkeiten abschließend. Das Gesetz begründet direkte Rechtsbeziehungen bloß zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft, nicht aber zwischen dem Geschäftsführer und den Gesellschaftern (EvBl 1985/58 mwN). Für eine Analogie, mag diese in gewissen Fällen auch als einfach gangbarer Weg wünschenswert erscheinen, bleibt kein Raum, weil hier keine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes sondern eine gewollte Beschränkung vorliegt (vgl. hiezu auch Reich-Rohrwig in JBl 1981, 191). Anders allerdings ist der Fall zu beurteilen, daß ein Geschäftsführer zwar mangels Beteiligung an der Gesellschaft formell "Fremdgeschäftsführer" ist, wegen der tatsächlichen wirtschaftlichen Identität mit einem Gesellschafter der GmbH aber denselben beherrschenden Einfluß wie der Gesellschafter selbst ausüben kann. Ist daher ein Geschäftsführer einer Gesellschaft mbH beherrschender Gesellschafter jener Gesellschaft mbH, die ihrerseits Gesellschafterin der erstgenannten Gesellschaft mbH ist, muß er, auch wegen des weitgehend personalistischen Konzeptes der Gesellschaft mbH, als Gesellschafter-Geschäftsführer angesehen werden (vgl. GesRZ 1986, 199 = RdW 1986, 209). Gleiches muß gelten, wenn die Geschäftsführerfunktion nur von einem Strohmann eines beherrschenden Gesellschafters ausgeübt wird, weil bei Umgehungsgeschäften grundsätzlich die umgangene Norm auf das Umgehungsgeschäft anzuwenden ist (Reich-Rohrwig GmbH-Recht 345, 346 mwN).
Hiezu aber hat die klagende Partei keine ausreichenden Behauptungen aufgestellt. Die Beteiligung des Beklagten von nur 25 % an der A*** und seine Eigenschaft als deren Geschäftsführer allein reichen nicht aus, eine diese Gesellschaft beherrschende Stellung anzunehmen. Da Geschäftsführerbeschlüsse in der Regel mit Stimmenmehrheit gefaßt werden (§ 39 GmbHG) - daß im Gesellschaftsvertrag der A*** besondere Abstimmungserfordernisse oder dem Beklagten eingeräumte Sonderrechte enthalten wären, wurde nicht behauptet - und auch der Geschäftsführer der Überwachung der Gesellschafter unterliegt, ist mangels gegenteiligen Vorbringens der klagenden Partei davon auszugehen, daß der Beklagte in diesem Unternehmen nur eine von der Kapitalmehrheit abhängige, nicht aber eine die Willensbildung beherrschende Position inne hat, daher auch keine wirtschaftliche Identität mit dem Anteil der A*** an der A*** besteht. Eine so beherrschende Position kann auch aus der bloßen Behauptung, die A*** habe einmal in der Generalversammlung der A*** gegen die Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer gestimmt, nicht abgeleitet werden. Die klagende Partei hat nicht einmal vorgebracht, daß sie die Abberufung als Geschäftsführer wegen der im gegenständlichen Prozeß behaupteten Verfehlungen des Beklagten anstrebte. Das Verfahren hat auch keinen Anhaltspunkt für eine rechtsmißbräuchliche Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen ergeben. Ob bei der in der A*** bestehenden "Patstellung" der Gesellschafter und der im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen Einstimmigkeit für die Beschlußfassung eine Abberufung des Beklagten als Geschäftsführer rechtlich durchzusetzen wäre, wenn diesem schwere Verfehlungen zum Schaden der Gesellschaft vorzuwerfen wären, muß hier nicht geprüft werden. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, daß der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 695/87 bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer, der allerdings nur zu 25 % am Stammkapital beteiligt war, aus der gegenseitigen Treuebindung der Gesellschafter die Zulässigkeit der Klage gegen die anderen Gesellschafter auf Zustimmung zur Abberufung des Geschäftsführers abgeleitet hat (vgl. auch Reich-Rohrwig aaO 157 mwN und 159 f; Griehsler aaO).
Da der Beklagte zur gegenständlichen Klage passiv nicht legitmiert ist, war dem Rekurs Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 ZPO.
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