Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.842,87 (darin enthalten S 1.076,62 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Auf Grund der ihr gemäß § 1 Abs 1, § 4 des VerwertungsgesellschaftenG BGBl. 1936/112 vom BMU erteilten Betriebsgenehmigung (BGBl. 1946/193) nimmt die Klägerin in Österreich ausschließlich (u.a.) die "kleinen" Sende- und Aufführungsrechte einschließlich des Rechtes der öffentlichen Wiedergabe an Werken der Tonkunst wahr. Etwa 99 % der österreichischen Komponisten, Textdichter bzw. Musikverleger haben der Klägerin solcherart alleinige und ausschließliche Werknutzungsrechte (§ 24 UrhG) eingeräumt; darüber hinaus hat die Klägerin mit 40 ausländischen Verwertungsgesellschaften - darunter mit jenen der USA, Großbritanniens, Frankreichs, Italiens und der Bundesrepublik Deutschland, deren Organisationsdichte ähnlich ist - Vertretungs- und Gegenseitigkeitsverträge abgeschlossen. Der Rechtserwerb geschieht regelmäßig durch eine sogenannte Vorausverfügung des Urhebers (§ 31 UrhG); er umfaßt nicht nur die bisher geschaffenen, sondern auch die künftig zu schaffenden Werke des Komponisten oder Textautors. Neu geschaffene Werke werden bei der Klägerin bzw. den ausländischen Verwertungsgesellschaften nur noch angemeldet.
Die Erstbeklagte betreibt in der Wiener Innenstadt eine Bar und Diskothek; die Zweitbeklagte ist ihre persönlich haftende Gesellschafterin. In dem Lokal wird regelmäßig durch Abspielen von Tonträgern moderne Unterhaltungsmusik öffentlich aufgeführt. Eine zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten bestehende Vereinbarung über die Erteilung der erforderlichen Werknutzungsbewilligung wurde von der Erstbeklagten am 17. November 1986 aufgekündigt. Dennoch wurde im Lokal der Erstbeklagten auch weiterhin moderne Tanz- und Unterhaltungsmusik öfhentlich aufgeführt. Es konnte nicht festgestellt werden, welche Titel dabei seit dem 17. November 1986 öffentlich aufgeführt wurden. In Tanzlokalen dieser Art wird vorwiegend moderne Unterhaltungsmusik gespielt; die Disc-Jockeys orientieren sich gewöhnlich an den Ergebnissen in- und ausländischer Hit-Paraden. Es konnte aber auch nicht festgestellt werden, daß die Erstbeklagte nur sogenannte "Evergreens" aufgeführt hätte. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von den Beklagten Rechnungslegung darüber, wieviele Kunden die Diskothek seit dem 17. November 1986 besucht haben (Punkt 1), die Zahlung eines Entschädigungsbetrages von S 11,36 pro Kunden samt 4 % Zinsen seit dem Klagstag, wobei sie die konkrete Bezifferung dieses Anspruches vom Ergebnis der Rechnungslegung abhängig macht (Punkt 2), sowie die Unterlassung der öffentlichen
Aufführung - insbesondere durch Abspielen von Schallträgern - von Werken der Tonkunst, die durch die Zugehörigkeit des Textdichters, des Komponisten oder des Musikverlegers zur Klägerin oder zu einer ihr durch Gegenseitigkeitsvertrag verbundenen ausländischen Verwertungsgesellschaft dem Werkbestand der Klägerin angehören (Punkt 3). Die Beklagten führten in ihrem Etablissement moderne Tanz- und Unterhaltungsmusik öffentlich und seit der Aufkündigung der erteilten Werknutzungsbewilligung ohne entsprechende Bewilligung auf und griffen damit in die der Klägerin eingeräumten Werknutzungsrechte ein. Die Klägerin habe daher Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Entgeltes (§ 86 Abs 1 UrhG), Ersatz des erlittenen Schadens (§ 87 UrhG), Rechnungslegung (§ 87 a UrhG) und Unterlassung der begangenen Gesetzesverletzung (§ 81 UrhG). Die Behauptung der Beklagten, in erheblichem Umfang ungeschützte Musikstücke aufgeführt zu haben, treffe nicht zu: Angesichts der langen Schutzfrist (§ 60 UrhG) könne es im Bereich der modernen Tanz- und Unterhaltungsmusik überhaupt keine ungeschützten Musikwerke geben. Da die Klägerin auf diesem Gebiet praktisch das gesamte Weltrepertoire wahrnehme, komme ihr eine faktische Monopolstellung zu, die gemäß § 1 Abs 1 VerwertungsgesellschaftenG auch rechtlich abgesichert sei. Dieser Sachverhalt begründe einen Anscheinsbeweis dafür, daß die Beklagten zum Repertoire der Klägerin gehörende Musikstücke aufgeführt hätten.
Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage. Sie hätten den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag gekündigt, weil sie in erheblichem Umfang ungeschützte Musik aufführten. Gerade in den letzten Jahren habe das Publikum immer häufiger sogenannte "Evergreens" verlangt, die ihrer Einschätzung nach zu einem erheblichen Teil keinen Urheberrechtsschutz mehr genießen könnten. Den Beklagten sei jedenfalls nicht zumutbar die Frage des Urheberrechtsschutzes bei jedem einzelnen von ihnen aufgeführten Musikstück zu klären; der Nachweis dieses Schutzes und ihres Rechtserwerbes obliege vielmehr der Klägerin.
Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Rechnungslegungs- und dem Unterlassungsbegehren statt. Die Beklagten hätten gar nicht bestritten, geschützte Musikwerke öffentlich aufgeführt zu haben. Im Hinblick auf den von der Klägerin erbrachten Nachweis, auf dem Gebiet der Unterhaltungsmusik das gesamte Weltrepertoire wahrzunehmen, hätten die Beklagten behaupten und beweisen müssen, daß sie nur ungeschützte Musik aufgeführt hätten; dieser Beweis sei gar nicht angetreten worden.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Teilurteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes hinsichtlich des Rechnungslegungsbegehrens S 300.000,--, hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens jedoch nicht S 60.000,-- übersteige. Im Hinblick auf das Zugeständnis der Beklagten auch nach dem 17. November 1986 in ihrer Diskothek moderne Tanz- und Unterhaltungsmusik gespielt zu haben, habe es keines Beweises darüber bedurft, daß die Beklagten zumindest zum Teil urheberrechtlich geschützte Werke der Unterhaltungsmusik ohne Bewilligung öffentlich aufgeführt haben. Da die Klägerin bewiesen habe, daß sie praktisch das gesamte Weltrepertoire verwalte, stehe auch mit der im Rahmen eines sog. "Anscheinsbeweises" geforderten hohen Wahrscheinlichkeit fest, daß die Beklagten in die Rechte der Klägerin eingegriffen haben. Daraus folge die Berechtigung der vom Erstgericht zuerkannten Ansprüche.
Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung der Klage abzuändern; hilfsweise stellen die Beklagten auch einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist ungeachtet des Bewertungsausspruches des Berufungsgerichtes auch gegen die bestätigende Entscheidung über den Unterlassungsanspruch zulässig: Auf die Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes sind gemäß § 500 Abs 2 Satz 2 ZPO die §§ 54 bis 60 JN sinngemäß anzuwenden. Nach § 55 Abs 1 Z 1 JN sind mehrere in einer Klage von einer einzelnen Partei gegen eine einzelne Partei erhobene Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stehen; dies ist aber bei mehreren aus einem einheitlichen Urheberrechtsverstoß abgeleiteten Ansprüchen der Fall. Da nun das Berufungsgericht bereits ausgesprochen hat, daß der Wert des Streitgegenstandes hinsichtlich des Rechnungslegungsbegehrens S 300.000,-- übersteige, bedurfte es keines weiteren Ausspruches über den Streitwert des Unterlassungsbegehrens. An diesen überflüssigen Ausspruch ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Die gerügte Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
In ihrer Rechtsrüge bekämpfen die Beklagten die Auffassung, daß zum Nachweis der Verletzung eines im UrhG begründeten Ausschließlichkeitsrechtes auch der sog. Anscheinsbeweis zulässig sei; dies sei nur dort der Fall, wo sich der Kläger in einer unverschuldeten Beweisnot befinde, also bei Sachverhalten, die er in der Regel nicht selbst klären könnte. Da aber die Musikdarbietungen im Lokal der Beklagten öffentlich gewesen seien, hätte die Klägerin durch Kontrollore die behaupteten Rechtsverletzungen feststellen können. Die Klägerin hätte daher nach den allgemeinen Beweislastregeln nicht nur beweisen müssen, welche geschützten Musikstücke die Beklagten öffentlich aufgeführt hätten, sondern auch, daß sie selbst daran Rechte erworben habe. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:
Daß die Beklagten überhaupt geschützte Werke der Unterhaltungsmusik öffentlich aufgeführt haben, bedurfte im vorliegenden Fall keines Beweises: Schon in der Klagebeantwortung haben sie nämlich nur behauptet, in ihrem Lokal "in erheblichem Umfang" ungeschützte Musik aufgeführt zu haben; auch die von ihrem Publikum bevorzugten "Evergreens" könnten "zu einem erheblichen Teil keinerlei Urheberrechtsschutz mehr genießen". Damit haben aber die Beklagten zugestanden, jedenfalls zum Teil auch geschützte Musikwerke in ihrem Lokal öffentlich aufgeführt zu haben (§ 266 Abs 1 ZPO). Somit waren darüber auch keine Tatsachenfeststellungen erforderlich. Da für die Begründung der Ansprüche auf Unterlassung (§ 81 UrhG) und Rechnungslegung (§ 87 a UrhG) die Aufführung eines einzigen geschützten Werkes genügt (Frotz-Hügel, Aspekte der kollektiven Wahrnehmung von Urheberrechten am Beispiel der AKM, abgedruckt in Dittrich, Urhebervertragsrecht: Stand und Entwicklung 26 ff 40), bedurfte es auch keiner Feststellungen darüber, welche geschützten Musiktitel die Beklagten tatsächlich öffentlich aufgeführt haben. Im Rahmen der Rechtsrüge bleibt somit nur noch die Frage zu prüfen, ob der Anscheinsbeweis - also die Verschiebung des Beweisthemas von der tatbestandsmäßig geforderten Tatsache auf eine leichter erweisliche Tatsache, die mit ihr in einem typischen Erfahrungszusammenhang steht (Fasching ZPR Rz 894) - für den Nachweis der Verletzung konkreter Ausschließlichkeitsrechte einer Verwertungsgesellschaft ausreicht. Während die Frage der Zulässigkeit des Anscheinsbeweises - also danach, ob überhaupt ein Tatbestand mit typisch formelhaftem Geschehensablauf vorliegt, der eine Verschiebung des Beweisthemas ermöglicht - nach allgemeiner Auffassung zur rechtlichen Beurteilung gehört, fällt die Wertung, ob ein solcher Anscheinsbeweis im konkreten Einzelfall erbracht oder durch einen Gegenbeweis erschüttert wurde, in den Bereich der Beweiswürdigung (Fasching III 326 f; Fasching ZPR Rz 897 mit weiteren Literaturhinweisen; EvBl 1983/120; SZ 56/145). Daß die Klägerin Rechtsverletzungen leicht und ohne Schwierigkeiten durch Kontrollore feststellen kann, trifft in dieser allgemeinen Form nicht zu; so könnten etwa im Einzelfall weniger bekannte Titel aufgeführt und/oder mit der Aufführung den Prüfer bekannter Musiktitel so lange zugewartet werden, bis sich der Prüfer wieder entfernt hat (siehe Frotz-Hügel aaO 40). Auch die komplizierten und (international) miteinander verketteten Vertragsverhältnisse, mit denen die Verwertung von Urheberrechten im Gefüge der internationalen Unterhaltungsindustrie gewährleistet wird, machen den Anscheinsbeweis zur Hintanhaltung eines Beweisnotstandes bei der Durchsetzung berechtigter urheberrechtlicher Ansprüche geradezu unentbehrlich (Walter, Zur Klagslegitimation der musikalischen Verwertungsgesellschaften, MuR 1986/1, 14).
Gegen die Zulässigkeit des Anscheinsbeweises bestehen daher auch im vorliegenden Fall keine Bedenken: Ist also einerseits erwiesen, daß die AKM über die Rechte an nahezu dem gesamten Weltrepertoire verfügt, und steht andererseits - wie hier - fest, daß der beklagte Veranstalter ohne Bewilligung moderne Tanz- und Unterhaltungsmusik aufgeführt hat, dann folgt daraus mit der im Rahmen des Anscheinsbeweises geforderten hohen Wahrscheinlichkeit, daß der Veranstalter in Rechte der AKM eingegriffen hat. Dem Veranstalter steht es selbstverständlich frei, durch Aufzeigen der ernstzunehmenden Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufes - etwa der Aufführung ausschließlich ungeschützter Musik - den Beweis des ersten Anscheins zu entkräften;
eine solche andere Möglichkeit haben jedoch (Frotz-Hügel aaO 44;
Walter aaO) die Beklagten im vorliegenden Fall gar nicht behauptet. Ausführungen über die Art der Rechnungslegung haben zu unterbleiben, weil die Beklagten gar nicht vorgetragen haben, daß die geforderte Rechnungslegung die für die Beurteilung ihres Entgelt- und Schadenersatzanspruches erforderlichen Grundlagen nicht bieten könnte.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 46, 50 ZPO.
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