OGH 5Ob515/88 (5Ob516/88)

OGH5Ob515/88 (5Ob516/88)15.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Erika P***, geboren am 9. April 1929 in St. Andrä, Lavanttal, im Haushalt tätig, Schwarzenbach 7, 9472 Ettendorf, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte und widerklagende Partei Ignaz P***, geboren am 26. Juli 1935 in Mezica, Jugoslawien, Kraftfahrer, Burgstall 8, 9433 St. Andrä, Lavanttal, vertreten durch Dr. Wolf Günter Auer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17. Dezember 1987, GZ 3 R 148, 149/87-47, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 30. April 1987, GZ 17 Cg 116/86-33, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit 5.657,85 S (darin 514,35 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Parteien haben am 29. Oktober 1965 vor dem Standesamt Dornbirn die Ehe geschlossen. Die Frau ist österreichische Staatsbürgerin, der Mann ist staatenlos und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Der Ehe entstammen der am 12. Oktober 1963 geborene Gerhard, die am 12. September 1965 geborene Ulrike, die am 28. Mai 1970 geborene Tatjana und der am 13. Juli 1971 geborene Ignaz P***.

Die Frau begehrt die Scheidung der Ehe nach § 49 EheG aus dem Verschulden des Mannes, der seine Freizeit außer Haus verbracht, sich um sie und die Kinder wenig gekümmert und sie, als sie ihm Briefe und Fotos vorhielt, die auf eine Beziehung zu einer anderen Frau deuteten, geschlagen habe. Er unterhalte ehewidrige Beziehungen, habe 1982 grundlos die Ehegemeinschaft aufgehoben und seine Frau wiederholt mißhandelt und beschimpft.

Der Mann erhob Widerklage mit dem Begehren auf Scheidung der Ehe wegen Verschuldens der Frau. Sie habe ihm grundlos Vorwürfe gemacht, mit ihm nichts mehr gesprochen, ihm seit 1976 den Geschlechtsverkehr verweigert, fälschlich Anzeige wegen Körperverletzung erstattet, ihn wiederholt mit dem Umbringen bedroht, einmal ein geladenes Gewehr auf ihn gerichtet und immer wieder Streit verursacht. Nur deshalb habe er sich zeitweise auswärts aufgehalten, weil ihn die Frau auch nicht versorgte sondern sogar einmal, als er für eine Zeit heimgekehrt war, seine Sachen aus dem Haus gestellt habe. Das Erstgericht erkannte auf Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Mannes (§ 49 EheG und § 60 Abs 2 EheG).

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Mannes, der dieses Urteil nur im Ausspruch über das Verschulden bekämpft und die Abänderung beantragt hatte, daß die Ehe wegen des Verschuldens der Frau geschieden werde, nicht Folge.

Die Vorinstanzen legten ihren Entscheidungen folgende wesentliche Tatsachenfeststellungen zugrunde:

Die Eheleute übersiedelten von Vorarlberg nach Kärnten. Der Mann arbeitete auswärts. Er verbrachte auch die Wochenenden häufig außer Haus und vernachlässigte seine Frau und die Kinder. Seit Anfang 1981 hält er sich bei einer Bekannten auf, die er verehrt und zu der er in einem besonderen persönlichen Naheverhältnis steht. Auch zu anderen Frauen unterhielt der Ehemann Kontakte, erhielt Briefe und Geschenke und trug Fotos mit sich. Er griff seine Frau wiederholt tätlich an, beschimpfte sie und drohte ihr. Er hob am 12. Dezember 1982 unberechtigt die häusliche Gemeinschaft auf und nahm gesondert Wohnung. In der Folge kehrte er zwar mehrmals auf das Anwesen der Frau in Ettendorf zurück, nächtigte aber im Wirtschaftsgebäude. Die Frau befindet sich in schlechtem Nervenzustand, was ihr Arzt einerseits auf die Belastung durch die Pflege ihrer leidenden Mutter andererseits auf das Verhalten ihres Ehemannes zurückführt. Sie ließ sich zu Beschimpfungen des Mannes hinreißen und verwies ihn, als er nach einem Jahr gesonderter Wohnungnahme zurückkehren wollte, vom Anwesen. Ihre Verfehlungen stehen mit denen des Mannes in einem Zusammenhang und bilden eine Reaktion auf sein ehewidriges Verhalten. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht des Erstrichters, daß der Mann durch die Verletzung seiner Pflicht zur ehelichen Treue, die Tätlichkeiten und Beschimpfungen, die unberechtigte Aufhebung der Hausgemeinschaft und die grobe Vernachlässigung der Ehefrau und der Kindererziehung und die Frau durch die Beschimpfung des Mannes schwere Eheverfehlungen begangen haben, die eine unheilbare Zerrüttung der Ehe bewirkten, daß aber das Verschulden des Mannes gegenüber dem der Frau erheblich schwerer wiegt und daher der Ausspruch nach § 60 Abs 2 Satz 2 EheG berechtigt ist. Die der Frau angelasteten Verfehlungen seien gegenüber dem Verhalten des Mannes geringfügig und überwiegend eine Reaktion auf seine Verfehlungen. Es sei ein erheblicher Unterschied im Grad des Verschuldens hervorgekommen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich der Mann mit seiner Revision aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache. Er beantragt nun die Abänderung, daß der Ausspruch entfalle, wonach sein Verschulden überwiegt, und die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden geschieden werde. Hilfsweise liegt ein Aufhebungsantrag vor.

Die Frau beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Im Revisionsverfahren ist von der Scheidung der Ehe aus dem Verschulden beider Ehegatten auszugehen und nur mehr strittig, ob bei richtiger rechtlicher Beurteilung des von den Tatsacheninstanzen festgestellten Sachverhalts der nach § 60 Abs 2 Satz 2 EheG erfolgte Ausspruch berechtigt ist, daß das Verschulden des Mannes überwiegt.

Zutreffend haben die Vorinstanzen dargelegt, daß dieser Ausspruch voraussetzt, daß die als schuldhafte Verfehlungen anzusehenden Verhaltensweisen des einen Ehegatten erheblich schwerer wiegen als die Schuld des anderen. Lehre (Schwind, EheR2 251; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 60 EheG; Koziol-Welser II7 201) und Rechtsprechung (EFSlg 48.832 ff uva) stimmen darin überein, daß nur ein offenkundig hervortretender Unterschied im Verschulden beider schuldig erklärter Ehegatten im Scheidungsurteil zum Ausdruck kommen soll und unter Einbeziehung des Gesamtverhaltens der Eheleute das Überwiegen des Verschuldens nur ausgesprochen werden soll, wenn das Verschulden des anderen Ehegatten fast völlig in den Hintergrund tritt. Auch nur annähernd gleich schwer wiegendes Verschulden führt zum Ausspruch gleichteiligen Verschuldens. Dabei ist ausschlaggebend, wer mit den zur Zerrüttung der Ehe führenden Verfehlungen begonnen hat, wodurch die Zerrüttung unheilbar wurde und inwieweit das Verhalten eines Ehegatten als Reaktionshandlung auf die Verhaltensweise des Partners zu betrachten ist (Schwind, EheR2 252; EFSlg 48.821 ff; EFSlg 46.236 uva).

Soweit der Revisionswerber den Versuch unternimmt, die der Verschuldensabwägung zugrunde zu legenden Tatsachenfeststellungen zu seinen Gunsten zu verändern, muß er daran scheitern, daß die Beweiswürdigung in dritter Instanz nicht überprüfbar und die rechtliche Beurteilung auf der Grundlage des dazu hinreichend festgestellten Sachverhalts vorzunehmen ist. Danach steht aber mehrfachen durch einen längeren Zeitraum fortgesetzten schweren Eheverfehlungen des Mannes, dem eine grobe Vernachlässigung der Ehefrau und der Kindererziehung, wiederholte Tätlichkeiten gegenüber der Frau und Beschimpfungen, die unberechtigte Aufhebung der Hausgemeinschaft und die Verletzung seiner Pflicht zur Treue und anständigen Begegnung (§ 90 ABGB) vorgeworfen wird, nur gegenüber, daß die Frau sich als Reaktion zur Beschimpfung des Mannes hinreißen ließ und ihn aus der Wohnung wies, als er nach grundlosem Verlassen der Ehewohnung ein Jahr später zurückkehren wollte. Zu den schweren Eheverfehlungen zählt die Verletzung der Treuepflicht, wenn der Partner dies als Grund für die Zerstörung der Ehe empfindet und zeigt, daß er den einen Anschein ehewidriger Beziehungen begründenden Umgang nicht hinnehmen will (Ehrenzweig-Schwind, Familienrecht, 59; EFSlg 46.167 ua). Daß Mißhandlungen und Beleidigungen mit der Pflicht zur anständigen Begegnung nicht vereinbar sind, versteht sich von selbst. Der Mann hatte nach der Feststellung der Tatsacheninstanzen keinen Rechtfertigungsgrund, die Frau im Dezember 1982 zu verlassen. Vom Anwesen verwiesen hat sie ihn erst, als er ein Jahr später zurückkehren wollte. In der Beurteilung durch das Berufungsgericht, daß die als Reaktion auf vorangegangene Verfehlungen des Mannes gesetzten Beschimpfungen und die Verweisung vom Haus, als der Mann einen Versuch zur Rückkehr unternahm, so erheblich an Gewicht gegenüber dem Gesamtverhalten des Mannes zurücktreten, nicht mehr auslösend für die schließlich unheilbar gewordene Zerrüttung der Ehe wirkten und daher die Voraussetzungen für den Ausspruch des Überwiegens der Schuld des Mannes vorliegen, ist kein Rechtsirrtum unterlaufen. Es kann keine Rede davon sein, daß bei der Betrachtung der gesamten Entwicklung der ehelichen Beziehung und der Verhaltensweisen der Ehegatten ein gradueller Unterschied nicht erkennbar wäre. Das Verschulden des Mannes wiegt erheblich schwerer als das der Frau, was nicht nur aus der Art und der Wiederholung der Verfehlungen sondern auch aus dem zeitlichen Ablauf und der gegenseitigen Einwirkung des ehewidrigen Verhaltens deutlich wird. Es hat daher bei dem Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Mannes zu bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Stichworte