OGH 6Ob520/88

OGH6Ob520/8825.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Konstantin F***, Handelsvertreter, Wien 23., Großmarkt Inzersdorf, Verwaltungsgebäude, Zimmer 207a, vertreten durch Dr. Werner Schwind, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Konstantin G***, Kaufmann, Lefkadia Naoussa, Griechenland, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,362.512,78 S samt Nebenforderungen, infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 17. Dezember 1987, GZ 2 R 241/87-57, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 16. November 1987, GZ 17 Cg 104/84-53, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben und der angefochtene Beschluß in dem Sinne abgeändert, daß die Klagsänderung zugelassen wird.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind Kosten des weiteren Verfahrens.

Text

Begründung

Der Beklagte ist ein griechischer Obsthändler, der Kläger war in Wien für den Beklagten als Handelsvertreter tätig. Er war auch über ein bei einer österreichischen Kreditunternehmung auf den Namen des Beklagten eröffnetes Konto zeichnungsberechtigt.

In der am 7. Dezember 1984 angebrachten Klage begehrte der Kläger die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Betrages von mehr als 1,3 Mio. S. Dieses Begehren gründete der Kläger auf verschiedene Forderungen, die er in der Klagsschrift in 11 Positionen gliederte. Zur vorletzten Klagsforderung trug der Kläger wörtlich vor:

"Ich habe schließlich über telefonischen Auftrag des Beklagten und gegen das Versprechen des Ersatzes einem Frächter, Herrn St.... S....den Betrag von S 25.000 bezahlt, als Frachtspesen. Dieser Betrag wurde mir nicht ersetzt."

Der Beklagte unterließ jede konkrete Ausführung zu diesem Klagevorbringen.

Im Sinne eines am 31. Mai 1985 überreichten Schriftsatzes ergänzte der Kläger in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. Oktober 1985 sein Vorbringen. Dabei erweiterte er sein Vorbringen zur vorletzten Position der Klage durch die Behauptung, der Empfänger des Betrages von 25.000 S sei ein Geschäftspartner des Beklagten, der diesem Transportkisten für das exportierte Obst geliefert habe und dem der Kläger schon im Jahre 1982 zu Lasten des auf den Beklagten lautenden Kontos vier Beträge in der Gesamthöhe von 730.000 S überwiesen gehabt habe. In seiner in Einzelheiten gehenden Entgegnung auf das ergänzende Vorbringen des Klägers im Sinne eines Anfang Juli 1985 überreichten Schriftsatzes enthielt sich der Beklagte jeder konkreten Ausführung zu den Behauptungen des Klägers über eine auftragsgemäße Überweisung des Betrages von 25.000 S an den angeblichen Obstkistenlieferanten. Der Kläger hatte im Sinne seines bereits erwähnten Schriftsatzes vom 31. Mai 1985 sein Begehren in der Tagsatzung vom 15. Oktober 1985 um rund 44.600 S auf 1,362.512,78 S samt Nebenforderungen ausgedehnt. Dabei führte er als weitere Klagspost ein mehrgliedriges Ersatzbegehren auf Zahlung von 58.591,98 S (Ersatz für auftragsgemäße Aufwendungen für den Stiefvater des Schwiegersohnes des Beklagten) ein, behauptete eine gegenüber dem Klagsvorbringen um 45.900 S höhere Forderung an Provision für den Verkauf von Weintrauben in der Zeit von Mitte Mai 1983 bis Januar 1984, eine um 500 S gegenüber dem Klagsvorbringen höhere Ersatzforderung für Standzeiten eines Frächters (also Mehrforderungen gegenüber dem Klagevorbringen in der Gesamthöhe von 104.991,98 S). Dagegen ließ der Kläger eine Klagsforderung von 3.090 S fallen, schränkte seine Forderung an Aufwandersatz für einen Videorecorder um 3.710 S und eine Forderung auf Ersatz von auftragsgemäß erbrachten Leistungen für den Schwiegersohn des Beklagten um 600 S (das sind zusammen 7.400 S) ein. Anstatt der danach zu erwartenden Ausdehnung des Begehrens um 97.591,98 S beschränkte sich der Kläger mit einer Ausdehnung um 44.591,98 S, ohne eine Reihung der einzelnen Klagsforderungen in primär und eventualiter geltend gemachte vorzunehmen.

Nach den Darlegungen des gerichtlich bestellten Buchsachverständigen rügte der Kläger diesem gegenüber die Nichtberücksichtigung einer per 5. Juli 1983 erfolgten Überweisung eines Betrages von 800.000 S von dem eingangs erwähnten Konto des Beklagten an den in der Klage zur Teilforderung von 25.000 S erwähnten Transportkistenlieferanten (AS 161).

Der Beklagte wertete diese vom Sachverständigen in seinem Gutachten berichtete Bemängelung als eine prozessuale Behauptung des Klägers, sein Zahlungsbegehren nunmehr auch auf die erstmals gegenüber dem Sachverständigen erwähnte Überweisung eine Betrages von 800.000 S zu stützen. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. September 1986 erhob der Beklagte formell Einwendungen dagegen, daß der Kläger sein Zahlungsbegehren (teilweise) auf den neuen Rechtsgrund der Bezahlung einer Schuld des Beklagten von 800.000 S an den Transportkistenlieferanten stütze. Der Beklagte erblickte in diesem Vorgang eine Klagsänderung, bei deren Zulassung wegen der dann notwendigen Zeugenvernehmung des Überweisungsempfängers im Rechtshilfeweg durch die griechischen Behörden eine erhebliche Verzögerung des Verfahrens zu besorgen wäre. Das Prozeßgericht verkündete hierauf in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. September 1986 den Beschluß auf Zulassung der Klagsänderung, die darin gelegen sei, daß der Kläger sein Zahlungsbegehren teilweise darauf stütze, er hätte auftragsgemäß für den Beklagten eine Zahlung von 800.000 S an dessen griechischen Gläubiger geleistet.

In der Folge legte der Kläger Urkunden zum Nachweis dafür vor, daß er nicht nur im Jahre 1982 vom eingangs erwähnten Konto des Beklagten an den Transportkistenlieferanten die bereits früher erwähnten 730.000 S und einen weiteren Betrag von 300.000 S überwiesen habe, sondern auch anfangs Juli 1983 den gegenüber dem Sachverständigen erwähnten Betrag von 800.000 S.

Weiters legte der Kläger eine Bestätigung zum Nachweis für sein bereits in der Klage erstattetes Vorbringen vor, an den griechischen Transportkistenlieferanten des Beklagten 25.000 S überwiesen zu haben. Dieses Vorbringen ergänzte der Kläger nunmehr durch die Zeitangabe, daß die Überweisung Mitte Dezember 1982 erfolgt sei.

Wörtlich führte der Kläger dazu aus, aus der vorgelegten Urkunde

ergäbe sich, "daß zwischen S... und mir Geschäftsverbindungen

bestanden, wobei direkte Zahlungen auch in meinem Namen an

S... getätigt wurden." (AS 198). Dazu fällt auf, daß der Kläger in

dem von ihm am 1. Oktober 1987 überreichten Schriftsatz zur weiteren

Klarstellung seines Prozeßstandpunktes in Ansehung der Überweisung

von 800.000 S wörtlich ausführte, es sei festzuhalten, "daß zwischen

diesem Dritten (St... S...) und der klagenden Partei keine

Geschäftsbeziehungen bestehen oder bestanden." (AS 262).

Nachdem das Rekursgericht den erstinstanzlichen Beschluß aus der Erwägung ersatzlos aufgehoben hatte, es läge in Ansehung der 800.000 S-Überweisung keine als Klagserweiterung zu wertende Prozeßerklärung vor, der Oberste Gerichtshof die beiden vorinstanzlichen Entscheidungen aufgehoben und dem Prozeßgericht eine Verfahrensergänzung zur strittigen prozessualen Behandlung der mehrfach erwähnten Überweisung von 800.000 S aufgetragen hatte (6 Ob 506/87 = ON 41), das Prozeßgericht in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. April 1987 den Beschluß auf Abweisung des Antrages des Beklagten verkündet hatte, das Vorbringen des Klägers als unzulässige Klagsänderung nicht zuzulassen, und dies nun damit begründete, daß nur eine Präzisierung des gesamten Klagsvorbringens und kein als Klagsänderung zu wertendes neues Tatsachenvorbringen vorläge, diese Entscheidung vom Rekursgericht zur Verfahrensergänzung ein zweites Mal aufgehoben worden war, brachte der Kläger im Sinne des bereits erwähnten Schriftsatzes vom 1. Oktober 1987 in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 6. November 1987 vor, zwischen den Streitteilen sei ein Kontokorrentverhältnis vorgelegen, das beendet worden sei und dessen Saldo der Kläger geltend mache. Abschließend führte der Kläger aber ausdrücklich aus, aus prozessualer Vorsicht werde als zusätzlicher Grund die auftragsgemäße Zahlung (des Betrages von 800.000 S) an den Transportkistenlieferanten des Beklagten (zur Stützung des Zahlungsbegehrens) geltend gemacht.

Die Parteien hielten an ihren unterschiedlichen Auffassungen darüber fest, ob in der Erklärung des Klägers zur Überweisung des Betrages von 800.000 S eine Klagsänderung liege und zutreffendenfalls, ob eine solche zuzulassen wäre.

Das Prozeßgericht faßte hierauf - im dritten Rechtsgang über diese Verfahrensfrage - am 16. November 1987 den Beschluß auf Abweisung des Antrages des Beklagen, die teilweise Begründung des Klageanspruches mit der Überweisung von 800.000 S vom 5. Juli 1983 an den griechischen Transportkistenlieferanten als unzulässige Klageänderung nicht zuzulassen. Das Prozeßgericht wertete das Vorbringen des Klägers über die Überweisung nicht als neues Tatsachenvorbringen zur Begründung des klageweise gestellten Zahlungsbegehrens, sondern nur als ergänzendes Vorbringen zur Aufklärung der zwischen den Parteien strittigen Verrechnung. Das Rekursgericht änderte den erstinstanzlichen Beschluß in dem Sinne ab, daß "das Stützen des Klagsanspruches auf den weiters geltend gemachten Klagegrund, der Kläger habe über Weisung des Beklagten an St... S... am 5. Juli 1983 800.000 S bezahlt," als unzulässige Klagsänderung nicht zugelassen werde. Das Rekursgericht wertete das Vorbringen des Klägers über die 800.000 S-Überweisung als Vorbringen eines zusätzlichen rechtserzeugenden Sachverhaltes, damit als Klagsänderung, und erachtete diese wegen der drohenden Verfahrensverzögerung als untunlich.

Der Kläger ficht die abändernde Rekursentscheidung mit einem auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung gerichteten Abänderungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Ergebnis berechtigt.

Die Behauptungen des Klägers über ein zwischen den Streitteilen bestandenes Kontokorrentverhältnis, dessen Beendigung und Saldoziehung sind nicht nur mit dem bisherigen Tatsachenvorbringen des Klägers schwer vereinbar, sie sind vor allem in tatsächlicher Hinsicht viel zu lückenhaft, um ein Kontokorrentverhältnis annehmen zu können, und sind daher nach der derzeitigen Aktenlage als eine rechtliche Wertung der zwischen den Streitteilen jahrelang gepflogenen und in ihren Grundlagen bisher nicht hinreichend erörterten gegenseitigen Verrechnung anzusehen. Für die Frage der Anspruchsableitung ist die Beurteilung des Klägers über seine Verrechnung mit dem Beklagten als "Kontokorrentverhältnis" nach der derzeitigen Aktenlage außer Betracht zu lassen.

Das Vorbringen des Klägers, er habe im Auftrag des Beklagten zu Lasten eines auf dessen Namen bei einem inländischen Kreditunternehmen bestandenen Kontos, über welches auch der Kläger selbst zeichnungsberechtigt gewesen sei, mit Wirkung vom 5. Juli 1983 einen Betrag von 800.000 S an einen griechischen Gläubiger des Beklagten überweisen lassen, woraus der Kläger folgere, der Beklagte habe ihm diesen Betrag zu ersetzen, und worauf der Kläger vorsichtshalber auch sein klageweise erhobenes Zahlungsbegehren gründe, ist prozessual als Behauptung neuer Tatsachen zu einer selbständigen, bisher nicht prozeßverfangenen Anspruchsableitung und damit als Klagsänderung durch (teilweise) Einführung eines weiteren Rechtsgrundes anzusehen. Daß der Kläger sein Zahlungsbegehren nicht erweiterte, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Kläger behauptet aus verschiedenen Rechtsgründen Forderungen in einem 2,2 Mio. S übersteigenden Gesamtbetrag, begehrt den Zuspruch eines Betrages, der nur knapp 62 % dieser Summe ausmacht, reiht die einzelnen geltend gemachten Forderungen als Anspruchsgrundlage nicht und nimmt damit eine alternative Klagenhäufung vor.

Der Annahme des Rekursgerichtes, es liege eine Klagsänderung vor, ist daher entgegen der nunmehrigen Ansicht des Erstgerichtes beizutreten.

Klagsänderungen sind aus prozeßökonomischen Erwägungen tunlichst zuzulassen. Das gilt auch für den vorliegenden Rechtsstreit. Dieser ist dadurch gekennzeichnet, daß zu einzelnen Klagsforderungen bisher nur ein sehr unzureichendes Prozeßvorbringen erstattet wurde, so insbesondere zur vorletzten Position der Klage auf Ersatz eines Betrages von 25.000 S, den der Kläger nach seinem Vorbringen auf Weisung des Beklagten Mitte Dezember 1982 an einen griechischen Transportkistenlieferanten des Beklagten überwiesen habe und wozu der Beklagte bisher jedes spezifische Einwendungsvorbringen unterlassen hat. Schon deshalb wird die Vernehmung des griechischen Überweisungsempfängers nicht zu vermeiden sein. Dessen Vernehmung zu einer weiteren Überweisung kann daher nicht als eine ins Gewicht fallende Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens angesehen werden. Die Überweisung des Betrages von 800.000 S fällt in den Rahmen einer zwischen den Streitteilen lange Zeit gepflogenen Übung, deren rechtliche Grundlagen auch zu anderen Klagsteilforderungen zu erörtern und erforderlichenfalls festzustellen sein werden. Der Streit über die verfahrensrechtliche Behandlung des die Überweisung von 800.000 S betreffenden Vorbringens der Streitteile hat den Rechtsstreit bisher bereits um mehr als eineinhalb Jahre verzögert. Auch das relativiert die vom Beklagten besorgt Verzögerung des Verfahrens.

Dem Revisionsrekurs war aus diesen Erwägungen stattzugeben und die Klagsänderung zuzulassen.

Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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