OGH 6Ob506/87

OGH6Ob506/8729.1.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Konstantin F***, Handelsagent, 1235 Wien, Großmarkt Inzersdorf, Verwaltungsgebäude, Zi. 207a, vertreten durch Dr. Werner Schwind, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Konstantin G***, Kaufmann, Lefkadia Naoussa, Griechenland, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1,362.512,78 S s. Ng., infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 26. November 1986, GZ 2 R 232/86-38, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 5. September 1986, GZ 17 Cg 104/84-28, durch ersatzlose Aufhebung abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß der ersten Instanz werden aufgehoben. Dem Gericht der ersten Instanz wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen. Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

In der am 7. September 1984 eingebrachten, in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. Oktober 1985 ausgedehnten Klage begehrte der Kläger insgesamt 1,362.512,78 S samt Nebengebühren. Einen Teilbetrag von 25.000 S forderte er mit der Begründung, daß er auf telefonischen Auftrag des Beklagten und gegen Versprechen des Ersatzes dessen Geschäftspartner Stephanos S***, einem Frächter, der die Holzsteigen für das vom Beklagten exportierte Obst liefere, 25.000 S an Frachtspesen gezahlt habe (S 4 der Klage, AS 4 und S 10 des Schriftsatzes ON 8, AS 34). Diesbezüglich erwähnte der Kläger im letztgenannten Schriftsatz, daß auf Weisung des Beklagten "am obigen Konto" bereits 1982 Überweisungen von 80.000 S, 250.000 S, 150.000 S und 250.000 S durchgeführt worden seien, und berief sich dazu auf beigelegte Auslandsüberweisungskopien und Parteienvernehmung (S 10 dieses Schriftsatzes, AS 34).

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 15. Oktober 1985 beschloß das Erstgericht einen Buchsachverständigen darüber, welche Forderung des Klägers sich aus den beiderseitigen Buchhaltungsunterlagen ergibt.

Aus dem Ergänzungsgutachten des bestellten Sachverständigen ON 23 ergibt sich, daß der Kläger bei der Befundaufnahme gegenüber dem Sachverständigen rügte, die von ihm am 5. Juli 1983 vom Konto des Beklagten veranlaßte Überweisung von 800.000 S an Stephanos S*** sei im Gutachten nicht berücksichtigt worden (Blatt 11 des Ergänzungsgutachtens, AS 161).

In der schriftlichen Stellungnahme ON 25 zu dem erwähnten Ergänzungsgutachten meinte der Beklagte, der Kläger habe beim Sachverständigen neu vorgebracht, für ihn eine Schuld von 800.000 S beglichen zu haben. Sollte der Kläger dieses neue Vorbringen in der nächsten Tagsatzung wiederholen, werde der Beklagte beantragen, eine solche Klagsänderung nicht zuzulassen.

In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. September 1986 legte der Kläger zum Beweis der tatsächlichen Überweisung ... von 800.000 S an "Stefanus S***" (richtig Stephanos S***) Belastungs- und Gutschriftsnoten vor. Der Beklagte "wiederholte" seinen Antrag, die Klagsänderung durch das nunmehrige Stützen des Klagsanspruches auf den neuen Rechtsgrund der Bezahlung einer Schuld des Beklagten an "Stefanus S***" nicht zuzulassen.

Das Erstgericht ließ "die Klagsänderung durch das Stützen eines Teiles des Klagebegehrens darauf, daß der Kläger vereinbarungsgemäß eine Schuld des Beklagten an Stefanus S*** im Betrag von 800.000 S beglichen habe", mit der Begründung zu, es sei prozeßökonomisch, alle Verrechnungsansprüche in einem Verfahren, in dem schon das Gutachten eines Buchsachverständigen vorliege, zu klären. In seinem dagegen erhobenen Rekurs beantragte der Beklagte, eine Klagsänderung nicht zuzulassen, allenfalls den angefochtenen Beschluß zwecks neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Er begründete sein Rechtsmittel im wesentlichen damit, der Kläger habe keinen Klags(-teil)anspruch auf einen Rückersatzanspruch von 800.000 S gestützt, so daß gar keine Klagsänderung vorliege und eine solche auch nicht zuzulassen gewesen wäre.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs Folge und hob den angefochtenen Beschluß ersatzlos auf.

Das Rekursgericht teilte die Meinung des Beklagten, daß der Kläger bisher keinen seiner Ansprüche auf den Rechtsgrund einer Zahlung von 800.000 S an Stephanos S*** gestützt habe. Es meinte, der Kläger habe eine größere Anzahl von im einzelnen bezeichneten und begründeten Forderungen eingeklagt. Darunter befinde sich eine angeblich im Auftrag und für Rechnung des Beklagten vorgenommene Zahlung von 25.000 S an Stephanos S***, nicht aber die Überweisung von 800.000 S. Der Kläger habe auch in der Verhandlungstagsatzung vom 5. September 1986 eine solche Zahlung nicht zum Gegenstand seiner Klage erhoben. Hätte er dies getan, dann hätte er sein Klagebegehren entsprechend ausdehnen oder erklären müssen, daß er gleichzeitig bestimmte, bisher von ihm geltend gemachte Ansprüche bis zur Höhe von 800.000 S fallen lasse. Dies habe er nicht getan. Er habe sich vielmehr damit begnügt, die tatsächliche Überweisung von 800.000 S unter Beweis zu stellen. Dies könne weder ein zur Begründung der Klage dienendes Vorbringen noch eine Ausdehnung des Klagebegehrens ersetzen. Entgegen der Meinung des Erstgerichtes habe der Kläger nach dem maßgeblichen Inhalt des Protokolles nicht einen Teil seines Klagebegehrens auf die vereinbarungsgemäße Bezahlung einer Schuld des Beklagten an Stephanos S*** gestützt, weshalb der Antrag des Beklagten, die Klagsänderung nicht zuzulassen, ebenso der Grundlage entbehre wie der Beschluß des Erstgerichtes. Gegen diesen inhaltlich abändernden Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der nach § 528 Abs. 2 ZPO wegen der Voraussetzung des § 502 Abs. 4 Z 2 leg. cit. zulässige (Revisions-)Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß "ersatzlos zu beheben".

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsmittel ist berechtigt.

Klagsänderung ist Änderung des Streitgegenstandes, soweit er durch Sachanträge des Klägers bestimmt wird. Da Streitgegenstand des Zivilprozesses das Klagebegehren und die Tatsachen, aus denen es sich ableitet, sind, liegt eine Klagsänderung vor, wenn entweder das Klagebegehren oder der Klagegrund oder beides geändert wird. Eine Änderung des Klagegrundes (§ 235 Abs. 4 ZPO), also "der Tatsachen, auf welche sich der Anspruch des Klägers gründet" (§ 226 Abs. 1 ZPO), liegt aber nur vor, wenn die rechtserzeugenden Tatsachen geändert, ergänzt oder ersetzt werden, nicht jedoch bloß die Hilfstatsachen, Beweisanbote oder Tatsachen, welche die Anwendbarkeit des Tatbestandes nicht berühren. Der Antrag auf Klagsänderung ist nach § 208 Abs. 1 Z 1 ZPO ausdrücklich zu protokollieren. Willigt der Beklagte nicht in eine nach Eintritt der Streitanhängigkeit beabsichtigte Klagsänderung ein, dann hat das Gericht nach § 235 Abs. 3 ZPO über ihre Zulässigkeit zu entscheiden (Fasching, Kommentar III 105, 106, 111, 117, 122; derselbe, Zivilprozeßrecht Rz 1223 - 1226, 1234, 1236 - 1240). Aus dem Protokoll über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 5. September 1986 läßt sich nicht verläßlich entnehmen, ob der Kläger in dieser Tagsatzung dadurch eine Klagsänderung erklärt hat, daß er sein Begehren teilweise auch auf einen neuen Klagegrund (Überweisung von 800.000 S an Stephanos S***) gestützt hat. Ein solcher zusätzlicher Klagegrund würde übrigens weder eine Ausdehnung des Klagebegehrens noch ein Fallenlassen von Teilansprüchen erforderlich machen.

Aus den genannten Gründen kann über die Zulassung einer allfälligen Klagsänderung noch nicht endgültig entschieden werden. Der angefochtene Beschluß und der Beschluß der ersten Instanz waren daher aufzuheben und letzterer war eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufzutragen. Im zu ergänzenden Verfahren wird das Erstgericht im Sinne des § 182 Abs. 1 ZPO auf eine eindeutige Erklärung des Klägers über eine allfällige Klagsänderung hinzuwirken und eine solche Erklärung sodann nach § 208 Abs. 1 ZPO durch Aufnahme in das Verhandlungsprotokoll festzustellen haben.

Allenfalls wird das Erstgericht dann nach § 235 Abs. 3 ZPO über die Zulässigkeit der Klagsänderung zu entscheiden haben. Der Vorbehalt der Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.

Stichworte