OGH 7Ob6/88

OGH7Ob6/8825.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Herbert H***, Rechtsanwalt, Berndorf, Hernsteinerstraße 2/1/3, vertreten durch Dr. Norbert Kosch u.a., Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei C*** Versicherungs AG, Wien 1., Börsegasse 14, vertreten durch Dr. Friedrich Fenzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 310.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Oktober 1987, GZ 2 R 186/87-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreis- als Handelsgerichtes Wiener Neustadt vom 14. Mai 1987, GZ 2 Cg 451/86-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 10.766,25 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 978,75 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der Beklagten für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV) zugrundeliegen. Nach Art. 4 I 2. AVBV bezieht sich der Versicherungsschutz nicht auf Haftpflichtansprüche, soweit sie aufgrund eines Vertrages oder besonderer Zusage über den Umfang der gesetzlichen Haftpflicht hinausgehen.

Der Kläger wurde von Hermann N*** als Verkäufer und Norbert T*** als Käufer mit der Abfassung und Durchführung eines Kaufvertrages betreffend die Liegenschaften EZ 186 und 200 KG Grillenberg sowie EZ 561 KG Berndorf IV beauftragt. Der Kaufpreis betrug S 1,952.000,--. Ein Teilbetrag von S 500.000,-- sollte derart bezahlt werden, daß der Käufer bei der S*** P*** einen Kredit aufnimmt, der dem Kläger (als Treuhänder der Vertragsparteien) von der Sparkasse innerhalb von 8 Tagen auf ein zu errichtendes Treuhandkonto überwiesen werden sollte. Gleichzeitig wurde der Kläger ermächtigt und angewiesen, diesen Betrag an den Verkäufer innerhalb von 14 Tagen nach Sicherstellung der lastenfreien Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Käufer an den Verkäufer weiterzuleiten. Für diesen bei der S*** P*** aufzunehmenden Kredit sollte eine Höchstbetragshypothek von S 650.000,-- auf den Kaufliegenschaften zugunsten der Sparkasse einverleibt werden. Mit Schreiben vom 14. Juni 1983 erklärte der Kläger gegenüber der Sparkasse, als Treuhänder die Haftung für die Einverleibung des Höchstbetragspfandrechtes von S 650.000,-- unmittelbar im Rang nach den laut dem Kaufvertrag verbleibenden Kredithypotheken zugunsten der Sparkasse zugleich mit der Eintragung des Eigentums für den Käufer zu übernehmen.

An den Vertragsgesprächen zwischen den Parteien des Kaufvertrages war auch der damalige erste Vorstandsdirektor der Sparkasse beteiligt. Er war damit einverstanden, daß zu jenem Zeitpunkt, zu dem feststand, daß eine im Kaufvertrag vereinbarte auflösende Bedingung nicht eintritt, die von der Sparkasse finanzierte Teilkaufssumme an den Verkäufer zur Auszahlung gebracht werde. Er hat die Auszahlung dieser Teilkaufsumme an den Verkäufer nicht davon abhängig gemacht, daß zu diesem Zeitpunkt bereits das Höchstbetragspfandrecht im Grundbuch einverleibt ist. Nachdem der Kläger vom Verkäufer verständigt worden war, daß die erwähnte auflösende Bedingung nicht eintreten werde, hat er die S 500.000,-- an den Verkäufer zur Auszahlung gebracht bzw. für ihn verwendet. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits sämtliche für die bücherliche Durchführung des Kaufvertrages erforderlichen Urkunden vor, mit Ausnahme der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes. Eine solche Bescheinigung wurde in der Folge nicht ausgestellt, weil der Käufer die Grunderwerbssteuer nicht bezahlte. Da der Käufer auch mit der Zahlung weiterer Kaufpreisteilforderungen in Verzug geriet, trat der Verkäufer vom Vertrag zurück. Er weigert sich allerdings, die erhaltenen S 500.000,-- zurückzuzahlen oder zur Sicherstellung der Kreditforderung der Sparkasse der Einverleibung eines Pfandrechtes ob seinen Liegenschaften zuzustimmen. Vom vorgesehenen Käufer T*** ist nichts hereinzubringen, weil über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet worden ist. Die S*** P*** verlangt vom Kläger die Rückzahlung

des Kredites von S 500.000,--.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger aufgrund des zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Haftpclichtversicherungsvertrages Versicherungsschutz für allfällige Schäden, die die S*** P*** im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag gegen ihn geltend macht.

Die Beklagte verweigert Versicherungsschutz unter Berufung auf Art. 4 I 2. der AVBV mit der Begründung, bei der Übernahme einer Verpflichtung des Klägers gegenüber der Sparkasse habe es sich nicht um eine Verpflichtung im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit des Klägers gehandelt. Im übrigen könne dem Kläger bezüglich der Auszahltnn der S 500.000,-- an den in Aussicht genommenen Verkäufer der Liegenschaften kein Vorwurf gemacht werden, weshalb Ansprüche der Sparkasse gegen ihn nicht berechtigt wären. Der ursprünglich geltend gemachte Ablehnungsgrund nach Art. 4 I 3. der AVBV ist nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Die Vorinstanzen haben dem Klagebegehren stattgegeben und hiebei die Rechtsansicht vertreten, bei der Erklärung des Klägers gegenüber der Sparkasse habe es sich um eine Garantiezusage gehandelt, die im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit des Klägers gemacht worden sei. Grundsätzlich habe daher die Beklagte für Ansprüche gegen den Kläger aus dieser Zusage Versicherungsschutz zu leisten. Da die Sparkasse an Vertragsverhandlungen beteiligt gewesen sei, hätte der Kläger auch ihr gegenüber Aufklärungspflichten gehabt. Er hätte daher die Sparkasse darauf aufmerksam machen müssen, daß eine Einverleibung eines Pfandrechtes für den von der Sparkasse gewährten Kredit an der Weigerung des Finanzamtes, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen, scheitern könnte. Da der Kläger die Sparkasse diesbezüglich nicht gewarnt habe, sei deren Schadenersatzanspruch gegen den Kläger gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die theoretischen Erwägungen der Revision über das Wesen einer Treuhandschaft sind für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil es bei der Beurteilung einer vertraglichen Vereinbarung nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern auf den tatsächlichen Inhalt des Vertrages ankommt. Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, daß der Kläger als zur Vertragserrichtung in Aussicht genommener Rechtsanwalt einen von der Sparkasse gewährten Kredit als Treuhänder für die Parteien des Kaufvertrages in Empfang nehmen sollte. Daß die treuhändige Verwahrung eines erst später zur Auszahlung zu bringenden Kaufpreisteiles im Rahmen anwaltlicher Tätigkeit üblich ist, bestreitet auch die Beklagte nicht. Diese Treuhandschaft hatte allerdings mit dem Kredit der Sparkasse vorerst nichts zu tun. Sie begründete lediglich rechtliche Beziehungen zu den Parteien des Kaufvertrages. Nur diesen gegenüber war der Kläger Treuhänder, nicht gegenüber der Sparkasse. Der Anspruch der Sparkasse wird auch nicht aus der Treuhandschaft als solcher abgeleitet, sondern aus dem Umstand, daß der Kläger seine Zusage gegenüber der Sparkasse, die Einverleibung eines Pfandrechtes zur Sicherung des von der Sparkasse gewährten Kredites zu bewirken, nicht zugehalten hat. Betrachtet man diese Verpflichtungserklärung vom 14. Juni 1983 (Beilage 1), so ergibt sich aus dem klaren Wortlaut, daß der Kläger das Wort "Treuhänder" dort nicht als Bezeichnung für seine Stellung gegenüber der Sparkasse verwendete, sondern daß er "als Treuhänder", also als derjenige, der nach dem Willen der Vertragsparteien den Kredit vorläufig in Empfang zu nehmen und zu verwalten hatte, gegenüber der Sparkasse die Haftung dafür übernahm, daß zugleich mit der Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Käufer auf den Liegenschaften das Höchstbetragspfandrecht zugunsten der Sparkasse einverleibt werde. Gegenüber der Sparkasse hat also der Kläger keine Treuhandschaft übernommen, sondern lediglich die Zusage erteilt, daß er, als den Kaufvertrag durchführender Rechtsanwalt, für eine gleichzeitige Einverleibung des Eigentumsrechtes des Käufers und des Höchstbetragspfandrechtes der Sparkasse Sorge tragen werde. Diese Zusage ist nur im Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit des Klägers gemacht worden. Sie erfolgte in Erfüllung des dem Kläger von den Kaufvertragsparteien erteilten Auftrages zur Durchführung des Kaufvertrages. Eine eigene Verpflichtung zur Rückzahlung des Kredites an die Sparkasse ist der Kläger nie eingegangen. Er hat sich gegenüber der Sparkasse nur verpflichtet, für eine wirksame Sicherstellung des Kredites zu sorgen. Da eine solche Verpflichtung Voraussetzung für die Durchführung des dem Kläger als Rechtsanwalt erteilten Auftrages zur Durchführung des Kaufvertrages war, fällt die erwähnte Zusage in den Rahmen seiner anwaltlichen Tätigkeit. Die Sparkasse könnte aus ihr nie einen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Kläger ableiten, sondern nur einen Schadenersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung der durch die Erklärung gegenüber der Sparkasse übernommenen Verpflichtung. Daraus ergibt sich aber, daß die Abwehr der Ansprüche der Sparkasse gegen den Kläger mangels Vorliegens des Ausschlußgrundes nach Art. 4 I 2. AVBV Versicherungsschutz aus der Haftpflichtversicherung genießt. Auf die Frage, ob Schadenersatzansprüche der Sparkasse gegen den Kläger bestehen oder nicht, war in diesem Verfahren nicht einzugehen, weil gemäß § 149 VersVG die Haftpflicht auch den Anspruch auf Abwehr unbegründeter Ansprüche gewährt. Demnach ist es im Deckungsprozeß gegen den Haftpflichtversicherer ohne Bedeutung, ob der Schadenersatzanspruch des Geschädigten berechtigt wäre oder nicht, weil der Haftpflichtversicherer auch sachlich unbegründete Ansprüche abzuwehren hat. Der Deckungsanspruch des Haftpflichtversicherten besteht schon dann, wenn gegen den Versicherten Schadenersatzansprüche erhoben werden, deren Abwehr grundsätzlich vom Versicherungsvertrag umfaßt sind (Bruck-Möller-Johannsen IV8, 75, SZ 44/53, VersR 1977, 556 u.a.). Daß aber die Sparkasse gegen den Kläger Ersatzansprüche stellt, ist unbestritten.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte