OGH 1Ob513/88

OGH1Ob513/8810.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Vormundschaftssache des mj. Marco Josef C***, geb. am 29. August 1987 infolge Revisionsrekurses des Amtsvormundes Bezirkshauptmannschaft Schwaz gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 4. Dezember 1987, GZ 2 b R 203/87-8, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Schwaz vom 28. Oktober 1987, GZ P 120/87-5, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der mj. Marco Josef C***, geb. am 29. August 1987, ist das uneheliche Kind der Sonja Fayka C***; die Vaterschaft zum Kind ist nicht festgestellt. Am 30. September 1987 gab die Mutter beim Erstgericht zu Protokoll, daß sie nach reiflicher Überlegung mit der Inkognitoadoption des Kindes einverstanden sei. Die Mutter wurde über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Adoptiveltern informiert.

Am 13. Oktober 1987 legte der Amtsvormund, die Bezirkshauptmannschaft Schwaz, dem Gericht einen Adoptionsvertrag zur Bewilligung vor. Der Wahlvater und das Wahlkind besitzen die österreichische Staatsbürgerschaft, die Wahlmutter war jedenfalls im Zeitpunkt des Ansuchens um Bewilligung des Adoptionsvertrages deutsche Staatsangehörige. Am 28. Oktober 1987 erklärte die Mutter vor Gericht, daß sie nicht mehr bereit sei, die Zustimmung zur Adoption des Kindes zu erteilen. Sie habe zwischenzeitig um das Karenzgeld angesucht und möchte ihr Kind, so lange dies möglich sei, in Eigenpflege nehmen und bei Aufnahme einer Arbeit in einen Kinderhort geben.

Das Erstgericht versagte dem Adoptionsvertrag die vormundschaftsbehördliche Bewilligung. Die Voraussetzungen für die Annahme an Kindesstatt seien gemäß § 26 Abs. 1 IPRG nach dem Personalstatut jedes Annehmenden zu beurteilen, im vorliegenden Fall demnach auch nach deutschem Recht. Gemäß § 1747 BGB bedürfe es zur Annahme eines nichtehelichen Kindes der Einwilligung der Mutter, die erst erteilt werden könne, wenn das Kind acht Wochen alt sei. Die Zustimmungserklärung der Mutter vom 30. September 1987 erfülle diese Voraussetzung nicht. Nunmehr verweigere die Mutter die Einwilligung zur Adoption, was der Bewilligung des Adoptionsvertrages entgegenstehe.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Amtsvormundes nicht Folge. Nach dem zwischen Österreich und der Bundesrepublik Deutschland in Kraft stehenden Übereinkommen über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt, BGBl. 1978/581, sei auf die Zustimmungs- und Anhörungsrechte das Heimatrecht des Kindes anzuwenden. Da der mj. Marco österreichischer Staatsbürger sei, gelange österreichisches Recht zur Anwendung. Lehre und Rechtsprechung stimmten darin überein, daß eine bereits erteilte Zustimmungserklärung widerrufen werden könne, wenn Gründe iS des 184 a Abs. 1 Z 1 ABGB vorlägen, weiters wenn durch den Widerruf der Zustimmung ernstlich die Gefahr entstünde, daß ein gedeihliches und ungestörtes Hineinwachsen des Wahlkindes in die Familie der Wahleltern unmöglich gemacht werde. Die Mutter habe für den Widerruf ihrer Zustimmungserklärung keinen der im § 184 a Abs. 1 Z 1 ABGB genannten Gründe ins Treffen geführt. Dafür, daß sie sich einer die Adoption bewilligenden gerichtlichen Entscheidung nicht beugen und das Verhältnis zwischen ihrem Kind und den Wahleltern stören würde, ergebe sich kein Anhaltspunkt. Dennoch sei der Widerruf der Zustimmung als zulässig zu erachten, weil die Mutter die Zustimmung zur Inkognitoadoption relativ kurze Zeit nach der Geburt des Kindes erteilt habe und es daher nicht ausgeschlossen werden könne, daß sie zu diesem Zeitpunkt noch unter den Einwirkungen der Geburt gestanden und daher nicht in der Lage gewesen sei, alle Gegebenheiten und Umstände reiflich und besonnen abzuwägen. Demzufolge sei die Versagung der Bewilligung des Adoptionsvertrages zu Recht erfolgt. Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs des Amtsvormundes ist zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Da das Rekursgericht den Beschluß des Erstgerichtes bestätigte, ist der Revisionsrekurs gemäß § 16 AußStrG nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nullität zulässig. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn ein Fall im Gesetz klar geregelt ist und dennoch vom Gericht eine im Widerspruch damit stehende Entscheidung gefällt wurde (EFSlg. 47.208, 44.642 u.a.). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit wird im Rechtsmittel nicht aufgezeigt.

Was zunächst das anzuwendende Recht betrifft, so ist das Übereinkommen vom 15. November 1965, BGBl. 1978/581, über die behördliche Zuständigkeit, das anzuwendende Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Annahme an Kindesstatt (Haager Adoptionsübereinkommen) auf Annahmen an Kindesstatt zwischen Ehegatten, von denen jeder die Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem dieser Staaten hat, einerseits und einem Kind, das u.a. die Staatsangehörigkeit eines der Vertragsstaaten und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem dieser Staaten hat, andererseits anzuwenden. Im Zeitpunkt der Beschlußfassung des Erstgerichtes besaß die Wahlmutter die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Bundesrepublik Deutschland hat das Haager Adoptionsübereinkommen nicht ratifiziert, so daß es, da einer der Ehegatten nicht Staatsangehöriger eines Vertragsstaates ist, keine Anwendung findet.

Für die vom Haager Adoptionsübereinkommen nicht umfaßten Fälle gilt das nationale Kollisionsrecht, demnach § 26 Abs. 1 IPRG (vgl. Duchek-Schwind, Internationales Privatrecht 159 Anm. 4). Nach dem Vorbringen im Rekurs wurde der Wahlmutter inzwischen die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen; ein Staatsbürgerschaftsnachweis wurde jedoch nicht vorgelegt. Die Frage des anzuwendenden Rechts kann aber im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil dem angefochtenen Beschluß sowohl bei Anwendung deutschen Rechts als auch nach österreichischem Recht keine offenbare Gesetzwidrigkeit anhaftet.

Gemäß § 1747 Abs. 2 BGB ist zur Annahme eines nichtehelichen Kindes die Einwilligung der Mutter erforderlich. Die Einwilligung kann gemäß § 1747 Abs. 3 BGB erst erteilt werden, wenn das Kind acht Wochen alt ist. Zweck dieser Regelung ist es, wie bereits das Rekursgericht hervorhob, daß die folgenschwere Entscheidung, sich von einem Kind zu trennen, nicht in einem Zustand besonderer persönlicher Belastung, wie er bei und unmittelbar nach der Geburt zu bestehen pflegt, getroffen werden soll. Eine während dieser Zeit erfolgte Einwilligung ist daher wirkungslos (Lüderitz in Münchener Kommentar2 Rz 8 zu § 1747 BGB). Die von der Mutter am 30. September 1987 abgegebene Erklärung wäre demnach nach deutschem Recht unwirksam, eine der Bestimmung des § 1747 Abs. 3 BGB entsprechende Einwilligung der Mutter liegt nicht vor.

Bei Beurteilung der Rechtssache nach österreichischem Recht ist davon auszugehen, daß gemäß § 181 Abs. 1 Z 2 ABGB die Bewilligung der Annahme an Kindesstatt nur erteilt werden darf, wenn die Mutter des mj. Wahlkindes der Annahme zustimmt. Die Erklärung der Mutter vom 28. Oktober 1987, nicht mehr bereit zu sein, die Zustimmung zur Adoption ihres Kindes zu geben, kann nur als Widerruf der ursprünglich erteilten Zustimmung gewertet werden. Das Gesetz enthält keine Bestimmung darüber, ob eine von der Mutter erklärte Zustimmung vor der gerichtlichen Bewilligung widerrufen werden kann. In der Rechtsprechung wurde die Auffassung vertreten, daß die Zustimmungsberechtigten, solange der Adoptionsvertrag vom Gericht nicht bewilligt ist, ihre Zustimmung jedenfalls dann widerrufen können, wenn einer der Gründe des § 184 a Abs. 1 Z 1 ABGB vorliegt, die die Aufhebung des Adoptionsvertrages rechtfertigen würden (SZ 39/104). Nach Pichler in Rummel, ABGB, Rz 7 zu § 181, 181 a ABGB, kann die Zustimmung so lange widerrufen werden, als die Adoption noch nicht bewilligt ist; nach Steininger, JBl. 1963, 516, kommen jedenfalls auch andere Gründe als die nach § 184 a Abs. 1 Z 1 ABGB für einen Widerruf der Zustimmungserklärung in Betracht. Ein solcher anderer Grund muß wohl auch die Abgabe der Zustimmungserklärung bald nach der Geburt des Kindes sein, da in der BRD zur sinnvollen Bestimmung des § 1747 Abs. 3 BGB geführt hat. Eine ähnliche Bestimmung sieht Art. 5 Abs. 4 des Europäischen Übereinkommens über die Adoption von Kindern, BGBl. 1980/314, vor, wonach die Zustimmung der Mutter nur entgegengenommen werden darf, wenn sie nach Ablauf einer in der Rechtsordnung vorgeschriebenen Frist von mindestens sechs Wochen erteilt worden ist; ist keine Frist bestimmt, so darf die Zustimmung nur entgegengenommen werden, wenn sie in einem Zeitpunkt erteilt worden ist, in dem sich die Mutter nach Ansicht der Behörde von den Folgen der Niederkunft hinreichend erholt hat. Österreich hat allerdings hiezu gemäß Art. 25 Abs. 1 des Übereinkommens den von der Sache her nicht recht verständlichen Vorbehalt erklärt, nicht gemäß Art. 5 Abs. 4 des Übereinkommens vorzuschreiben, daß die Zustimmung der Mutter zur Adoption ihres Kindes erst nach Ablauf einer Mindestfrist nach der Geburt oder erst in dem Augenblick, in dem sich die Mutter nach Ansicht der zuständigen Behörden von den Folgen der Niederkunft hinreichend erholt hat, entgegengenommen werden darf. Daraus könnte gefolgert werden, daß auch eine unter den Einwirkungen der Geburt abgegebene Erklärung bindend und nicht widerruflich sein könnte. Eine dies anordnende gesetzliche Bestimmung besteht aber nicht. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die Mutter, die ihre Zustimmungserklärung kurze Zeit nach der Geburt des Kindes und möglicherweise ohne reifliche Überlegung aller Umstände abgegeben hat, sei vor der gerichtlichen Bewilligung des Adoptionsvertrages berechtigt, ihre Zustimmung zu widerrufen, ist dann aber jedenfalls nicht offenbar gesetzwidrig.

Demzufolge ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte