OGH 8Ob154/66

OGH8Ob154/667.6.1966

SZ 39/104

Normen

ABGB §181
ABGB §184a (1) Z1
AußStrG §259
ABGB §181
ABGB §184a (1) Z1
AußStrG §259

 

Spruch:

Solange die Adoption vom Gericht nicht bewilligt ist, können die Zustimmungsberechtigten ihre Zustimmung widerrufen, wenn einer der Gründe des § 184a (1) Z. 1 ABGB. vorliegt

Entscheidung vom 7. Juni 1966, 8 Ob 154/66

I. Instanz Bezirksgericht Vöcklabruck; II. Instanz: Kreisgericht Wels

Text

Friedrich und Gertraud L. sind die ehelichen Eltern der am 8. September 1964 geborenen mj. Gabriele L. Am 17. November 1965 teilte die Bezirkshauptmannschaft V. dem Erstgericht als dem Pflegschaftsgericht der Minderjährigen mit, daß die ehelichen Eltern der genannten Minderjährigen das Kind zu einer Adoption im Sinn des § 259 AußStrG. freigeben wollen. Die in Frage kommenden Wahleltern besäßen eine kleine Landwirtschaft. Der Vater sei Kleinlandwirt und Hilfsarbeiter; beide hätten einen guten Leumund und lebten in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Am 17. November 1965 wurden die oben erwähnten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Wahleltern und ihr Leumund den Kindeseltern vom Pflegschaftsrichter bekanntgegeben und erklärten diese hierauf zu gerichtlichem Protokoll, daß sie auf die Mitteilung des Namens und des Wohnortes der Wahleltern und auf die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses verzichteten (§ 259 AußStrG.). Sie stimmten ferner der Bestellung des Jugendamtes V. zum Kollisionskurator des Kindes zwecks Vertragsabschlusses zu. Am 25. November 1965 gab die eheliche Mutter dem Gericht bekannt, daß der eheliche Vater Friedrich L. zu Alkoholexzessen neige und fallweise ein wunderliches Gehaben zeige. Er habe anläßlich von Auseinandersetzungen die Kindesmutter bedroht und sie damit unter Druck gesetzt, daß er ihr angekundigt habe, er werde sie verstoßen, sich scheiden lassen und ins Ausland gehen. In dieser seelischen Bedrängnis habe er die Bedrohte gezwungen, mit ihm beim Erstgericht eine Verzichtserklärung abzugeben, zu der sich sonst die Kindesmutter nie verstanden hätte. Sie habe nicht die ernstliche Absicht gehabt, sich von ihrem Kinde zu trennen. Am 20. November 1965 habe der Kindesvater, als er wieder zur Vernunft gekommen sei, sein Verhalten bereut, er habe sich selbst nicht erklären können, wieso er plötzlich bereit gewesen sein sollte, einer sogenannten Inkognitoadoption zuzustimmen. Die eheliche Mutter brachte schließlich vor, ihre Zustimmung zur Adoption sei listig herbeigeführt und von ihr nur aus Furcht abgegeben worden. Ihre Erklärung sei daher nicht verbindlich. Sie sei überdies erst 20 Jahre alt und verfüge über eine geringe Lebenserfahrung. Sie wisse nicht einmal, ob sie vor ihrer am 5. April 1965 vor dem Standesamt geschlossenen Ehe für volljährig erklärt worden sei. Es seien auch weder die leiblichen Eltern noch die Wahleltern ausreichend aufgeklärt worden.

Am 19. April 1966 legte die Bezirkshauptmannschaft V. den am 7. Dezember 1965 zwischen Maximilian R. und Theresia R. als Wahleltern einerseits und der mj. Gabriele L., vertreten durch die mit Beschluß des Erstgerichtes vom 19. November 1965 zum Kollisionskurator bestellte Bezirkshauptmannschaft V., abgeschlossenen Adoptionsvertrag mit dem Antrag auf Bewilligung der Annahme an Kindes Statt vor. Mit Beschluß vom 19. April 1966 enthob das Erstgericht über übereinstimmenden Antrag des ehelichen Vaters und der Bezirkshauptmannschaft V. die letztere ihres Amtes als Kollisionskurator. Am 20. April 1966 schlossen sich die Wahleltern dem Antrag der Bezirkshauptmannschaft V. auf Bewilligung des Adoptionsvertrages an.

Das Erstgericht faßte am 14. Jänner 1966 folgenden Beschluß:

I. Die Anträge der Kindesmutter, a) die Entmündigungsakten Theresia, Edmund und Albine L. und den Vormundschaftsakt Helmut L. beizuschaffen und in dieselben Einsicht zu nehmen; b) über die Vorgänge während der letzten Woche Franz und Juliane L. sowie Juliane und Friedrich L. als Auskunftspersonen zu vernehmen und c) den Kindesvater Friedrich L. einer psychiatrischen Untersuchung zuzuführen, werden abgewiesen.

II. Die Erklärung der Kindesmutter, "ihre Zustimmung zur Adoption sei unverbindlich", wird nicht zur Kenntnis genommen.

III. Der Antrag der Kindesmutter, es möge in Anbetracht der Erbmasse des Wahlkindes und vorliegender Willensmängel hinsichtlich der Verzichtserklärung vom 17. November 1965 der Adoption die Bewilligung versagt werden, wird zurückgewiesen.

Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß in seinem Punkt I und änderte ihn in den Punkten II und III dahin ab, daß in Zusammenfassung dieser Punkte die Erklärung der Kindesmutter Gertraud L., "ihre Zustimmung zur Adoption sei unverbindlich", und der Antrag der Kindesmutter Gertraud L., es möge in Anbetracht der Erbmasse des Wahlkindes und der vorliegenden Willensmängel hinsichtlich der Verzichtserklärung vom 17. November 1965 der Adoption die Bewilligung versagt werden, zur Kenntnis genommen und hievon dem Kollisionskurator Mitteilung gemacht wird (Beschluß vom 9. März 1966).

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Wahleltern gegen dem rekursgerichtlichen Beschluß vom 9. März 1966 nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Nach § 258 AußStrG. haben die Zustimmungsberechtigten (§ 181 ABGB.) ihre Erklärungen persönlich vor Gericht abzugeben. Bei der sogenannten Inkognitoadoption verzichten alle oder einzelne der Zustimmungs- und Anhörungsberechtigten, ausgenommen die Bezirksverwaltungsbehörde, auf die Mitteilung des Namens und des Wohnortes der Annehmenden und auf die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses (§ 259 AußStrG.). Dieser Verzicht läßt aber die nach § 181 ABGB. erforderlichen Zustimmungen des ehelichen Vaters und der Mutter des mj. Wahlkindes nicht entbehrlich werden, denn auch bei der Inkognitoadoption darf die Bewilligung nur erteilt werden, wenn die Zustimmungsberechtigten mit der Annahme des Kindes einverstanden sind. Die ohne gerechtfertigte Gründe verweigerte Zustimmung hat das Gericht nach § 181 (3) ABGB. zu ersetzen. Aus der Anordnung des § 258 AußStrG., daß die Erklärungen der Zustimmungsberechtigten zu gerichtlichem Protokoll gegeben werden müssen, erhellt, daß das Gericht auf eindeutige Erklärungen dringen muß und eine konkludente Zustimmung, die etwa aus dem Zustellungsverzicht zu schließen wäre, nicht genügt. Aber selbst wenn man der Meinung wäre, daß in der nach § 259 AußStrG. abgegebenen Verzichtserklärung der Kindeseltern die Erklärung, der Adoption zuzustimmen, enthalten sei, wäre ein Widerruf dieser Zustimmung jedenfalls aus den Gründen des § 184a (1) Z. 1 ABGB. zulässig. Nach dieser Gesetzesstelle ist die Wahlkindschaft vom Gericht aufzuheben, wenn die Erklärung eines Vertragsteiles oder eines Zustimmungsberechtigten durch List oder ungerechte und gegrundete Furcht veranlaßt worden ist und der Betroffene die Aufhebung nach Entdeckung der Täuschung oder Wegfall der Zwangslage beantragt. Ist die Adoption noch nicht bewilligt, dann ist die Bewilligung zu versagen, wenn ein Zustimmungsberechtigter durch List oder ungerechte und gegrundete Furcht zu seiner Zustimmung veranlaßt worden ist und die verweigerte Zustimmung nicht gemäß § 181 (3) ersetzt werden kann. Die nach § 181 ABGB. vor Gericht abgegebene Zustimmung ist ihrem Wesen nach eine Erklärung des materiellen Rechtes, die somit anfechtbar ist. Nach § 179a ABGB. kommt die Annahme an Kindes Statt durch schriftlichen Vertrag zwischen den Annehmenden und dem Wahlkinde und durch gerichtliche Bewilligung auf Antrag eines Vertragsteiles zustande. Das Gericht hat vor Erteilung dieser Bewilligung zu prüfen, ob der abgeschlossene Adoptionsvertrag dem Wohle des nicht eigenberechtigten Wahlkindes dient (§ 180a (1) ABGB.). Nun behauptet die Mutter, daß im Hinblick auf die "Erbmasse des Wahlkindes" der mit den Ehegatten R. abgeschlossene Adoptionsvertrag dem Interesse des Kindes widerstreite.

Es ist dem Rekursgericht demnach beizupflichten, daß die Zurückweisung des Antrages der Kindesmutter auf Versagung der Bewilligung zu dem abgeschlossenen Adoptionsvertrag nicht gesetzmäßig ist, weil das Verfahren zur Bewilligung des Adoptionsvertrages bereits eingeleitet war und es daher Sache des Gerichtes gewesen wäre, die Bezirkshauptmannschaft V. als Kollisionskurator des Kindes aufzufordern - das Außerstreitverfahren ist ein amtswegiges Verfahren -, den abgeschlossenen Vertrag vorzulegen oder die entgegenstehenden Hindernisse bekanntzugeben. Nur dann, wenn die Bezirkshauptmannschaft V. mitgeteilt hätte, daß ein Vertrag nicht zustande gekommen sei und zwischen den in Aussicht genommenen Wahleltern und dem Wahlkinde auch nicht mehr abgeschlossen werde, wäre mangels des Bewilligungsgegenstandes der Antrag der Kindesmutter zurückzuweisen gewesen. Eine bloße Kenntnisnahme eines Antrages stellt an sich keine anfechtbare Entscheidung dar. Im vorliegenden Fall hat aber das Rekursgericht in den Gründen seiner Entscheidung zum Ausdruck gebracht, daß es die Zurückweisung des Antrages auf Versagung der Bewilligung des Vertrages als nicht gerechtfertigt ansehe und das Erstgericht eine Entscheidung in der Sache selbst zu treffen habe. Es liegt also in diesem Punkte in Wahrheit eine Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses vor. Diese Aufhebung ist schon aus den eben erwähnten Gründen gerechtfertigt. Diesen ist im Hinblick auf die Ausführungen des Rekursgerichtes und des Revisionsrekurses zur Frage, ob eine nach § 259 AußStrG. abgegebene Verzichtserklärung der Zustimmungsberechtigten widerruflich sei, folgendes hinzuzufügen:

Die nach § 259 AußStrG. abgegebene Erklärung, auf die Mitteilung des Namens und des Wohnortes der Annehmenden und auf die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses zu verzichten, ist eine Erklärung des Verfahrensrechtes und unterliegt daher als solche den Grundsätzen über das Verfahren. Der Verzicht auf die Zustellung des Bewilligungsbeschlusses bedeutet keineswegs einen Rechtsmittelverzicht gegen die in der Sache zu fällenden Entscheidungen. Der Zustellungsverzicht ist deshalb abzugeben, weil aus der Entscheidung über die Annahme an Kindes Statt die Zustimmungsberechtigten den Namen und den Wohnort der Annehmenden entnehmen könnten, was aber bei der Inkognitoadoption nicht dem Zweck dieser Einrichtung entspricht. Ein verfahrensrechtlicher Verzicht wird in der Regel mit seiner Abgabe wirksam (vgl. Sperl, Lehrbuch der bürgerlichen Rechtspflege, S, 295 f.). Das gilt aber jedenfalls für den Zustellungsverzicht dann nicht, wenn der Zweck dieses Verzichtes noch vor Erlassung des Bewilligungsbeschlusses durch das Pflegschaftsgericht weggefallen ist, wenn also bei der Inkognitoadoption der Name und der Wohnort der Annehmenden den Verzichtenden bereits erwiesenermaßen bekanntgeworden sind. In diesem Fall kann aber auch von einer Inkognitoadoption nicht mehr gesprochen werden. Dennoch ist, wenn die Wahleltern zu dem mit ihnen abgeschlossenen Vertrag stehen, über die Bewilligung des Adoptionsvertrages zu entscheiden. Die von einem Kollisionskurator des Kindes als vertragsabschließender Partei bereits abgegebenen Erklärungen sind auch dann, wenn nachträglich der eheliche Vater von Name und Wohnort der Annehmenden erfahren hat, nicht durch den ehelichen Vater zu erneuern.

Wohl sollen die verzichtenden Personen bei der Inkognitoadoption ein möglichst anschauliches Bild über die Person der Annehmenden und über ihre Verhältnisse erhalten, um die Entscheidung über ihre Zustimmung gewissenhaft treffen zu können. Von einer unzulässigen Blankozustimmung der Zustimmungsberechtigten kann aber nicht gesprochen werden, wenn ihnen der Beruf der Wahleltern, aus dem sie Schlüsse auf deren wirtschaftliche Verhältnisse ziehen können, und der Leumund der Wahleltern bekanntgegeben wurden und ihnen versichert wurde, daß sich die Wahleltern in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen befänden. Die Anforderungen dürfen im Fall der Inkognitoadoption nicht überspannt werden.

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