Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.246,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 274,80 Umsatzsteuer und S 224,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der am 12. September 1983 eingelangten Klage begehrt die Klägerin als Eigentümerin einer Wohnung in Wien von der Beklagten als der Mieterin dieser Wohnung die Bezahlung eines Mietzinsrückstandes für die Zeit von Oktober 1981 bis August 1983 von S 57.500,-- sA mit der Behauptung, der Rückstand sei bereits mehrfach eingemahnt worden.
Die Klage wurde der Beklagten am 24. Oktober 1983 zugestellt. In der ersten Tagsatzung war die Beklagte anwaltlich vertreten; die mündliche Streitverhandlung wurde auf den 27. Dezember 1983 angeordnet.
Mit dem am 13. Dezember 1983 beim Erstgericht eingelangten Schriftsatz ON 6 brachte die Klägerin vor, sie sei Alleinerbin des früheren Vermieters. Die Beklagte habe einen 1/4-jährlichen Hauptmietzins von S 7.500,-- zu bezahlen gehabt; sie sei berechtigt und verpflichtet gewesen, Steuern des Vermieters zu bezahlen und die bezahlten Beträge vom Mietzins einzubehalten. Nach dem 22. Juli 1981 seien keine Zahlungen mehr erfolgt. Der Mietzinsrückstand zur Zeit der Klageeinbringung sei unter Berücksichtigung der vermutlich bezahlten Steuerbeträge ermittelt worden. Spätestens am 3. Oktober 1983 sei der Mietzinsrückstand für das 4. Quartal des Jahres 1983 fällig geworden. Das Begehren werde daher um den Betrag von 7.500,-- (ohne Abzug von Steuerzahlungen) auf S 65.000,-- sA ausgedehnt. Da die Beklagte schon seit mehreren Zinsperioden trotz Mahnung und Klageführung keinerlei Zahlung geleistet habe, erkläre die Klägerin hiemit die Auflösung des Mietvertrages gemäß § 1118 ABGB und begehre auch die Räumung des Bestandobjektes. Eine Gleichschrift dieses Schriftsatzes wurde am 20. Dezember 1983 dem Vertreter der Beklagten zugestellt. Eine Zustellung der Auflösungserklärung an die Beklagte selbst erfolgte nicht.
In einem am 19. Dezember 1983 eingelangten Schriftsatz, ON 7, bestritt die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin, da ihr deren Rechtsnachfolge bisher nicht nachgewiesen worden sei. Sie anerkannte aber die Höhe des Mietzinsrückstandes. Dieser sei aufgelaufen, weil für die Beklagte nach dem Tod des vormaligen Vermieters keine Gewähr gegeben gewesen sei, daß weitere Zahlungen dem tatsächlichen Berechtigten zufließen, so daß sie die fälligen Beträge über anwaltlichen Rat treuhändig - durch Einzahlung auf ein Sparbuch - verwahrt habe.
In der Tagsatzung vom 27. Dezember 1983 trug die Klägerin den Schriftsatz ON 6 vor und schränkte die Klage um das Zahlungsbegehren ein, weil die Beklagte den Betrag von S 65.000,-- samt Anhang am 23. Dezember 1983 bezahlt habe. Die Beklagte habe den Mietzins grob schuldhaft nicht rechtzeitig bezahlt, zumal sie sich wiederholt berühmt habe, seit dem Tod des früheren Vermieters selbst Wohnungseigentümerin zu sein.
Die Klagsausdehnung um das Räumungsbegehren wurde rechtskräftig zugelassen.
In der Tagsatzung vom 28. Juni 1984 brachte die Klägerin vor, sie habe schon vor der Klagseinbringung den Mietzinsrückstand eingemahnt und die Beklagte zur Räumung aufgefordert. Die Beklagte bestritt dies und wendete ein, die ihrem Vertreter erteilte Prozeßvollmacht gemäß § 31 ZPO umfasse nicht die Entgegennahme rechtsgeschäftlicher Erklärungen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren im ersten Rechtsgang ab. Die Klägerin sei, wie sich aus der Einantwortungsurkunde und dem Grundbuchsauszug ergebe, aktiv legitimiert. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Klage - in der die Höhe des Mietzinsrückstandes noch nicht konkretisiert worden sei - die Mahnung zu ersetzen vermöge; denn die Auflösungserklärung ON 6 stütze sich auf einen Mietzinsrückstand von S 65.000,--, der erst mit eben diesem Schriftsatz als eingemahnt angesehen werden könne. Es müsse der gesamte, der Räumungsklage zugrundegelegte Mietzinsrückstand eingemahnt sein. Sei auch die Zustellung der Auflösungserklärung an den Vertreter der Beklagten wirksam erfolgt, habe doch zu jenem Zeitpunkt mangels Einmahnung des gesamten Rückstandes ein qualifizierter Mietzinsrückstand nicht bestanden. Der vorhandene Rückstand aber sei vor dem nächsten Zinstermin beglichen worden. Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf. Die Ansicht, eine Auflösungserklärung sei dann nicht wirksam, wenn sie auch auf solche Zinsrückstandsanteile gestützt werde, deren Einmahnung nicht erfolgt sei, finde in § 1118 ABGB keine Deckung. Die Auflösungserklärung sei jedoch der Beklagten nicht wirksam zugegangen. Die Einwendung der Beklagten, die erteilte Prozeßvollmacht umfasse nicht auch die Bevollmächtigung zur Entgegennahme dieser rechtsgeschäftlichen Erklärung, sei berechtigt. Die für das Zahlungsbegehren erteilte Prozeßvollmacht reiche zur Entgegennahme einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung über ein vom ursprünglichen Prozeßgegenstand völlig verschiedenes Begehren nicht aus. Die Klägerin habe ihr Räumungsbegehren jedoch auch auf eine Mahnung und Vertragsauflösung vor Prozeßanhängigkeit gestützt. Das Erstgericht werde dieses Vorbringen im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Es traf folgende weitere Feststellungen:
In einem Schreiben vom 26. April 1983 forderte die Klägerin die Beklagte auf, "den seit Oktober 1981 aufgelaufenen Mietzinsrückstand bis 15. Mai 1983 zu bezahlen", und drohte ihr für den Fall der Nichtzahlung des Mietzinses die Einbringung einer Aufkündigung ihrer Mietrechte an. In der Folge wurden tatsächlich drei Aufkündigungen, und zwar am 15. Juli 1983, 6. Dezember 1983 und 11. Jänner 1984, eingebracht. Die Aufkündigungen vom 15. Juli 1983 und 6. Dezember 1983 erfolgten unter anderem gemäß § 30 Abs 2 Z 1 MRG, wurden jedoch wieder zurückgezogen. Die Aufkündigung vom 11. Jänner 1984 erfolgte nicht wegen eines Mietzinsrückstandes. Bei Einbringung der vorliegenden Klage am 12. September 1983 haftete ein Mietzinsrückstand von S 57.500,-- aus. Eine Mahnung der Mietzinsschuld für das 4. Quartal 1983 erfolgte vor dem Schriftsatz ON 6 nicht.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, dem Schreiben vom 26. April 1983 sei eine Erklärung, den Mietvertrag ohne Einhaltung einer Frist aufzuheben, nicht zu entnehmen. Dies gelte auch für die danach eingebrachten gerichtlichen Aufkündigungen.
Die zweite Instanz bestätigte diese Entscheidung. Sie sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt, und daß die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht schloß sich der Meinung des Erstgerichtes an, daß die nach der Einmahnung des Mietzinsrückstandes mit dem Schreiben vom 26. April 1983 eingebrachten gerichtlichen Aufkündigungen nicht als Vertragsauflösungserklärungen im Sinne des § 1118 ABGB zu werten seien. Im übrigen blieb die zweite Instanz dabei, daß die dem Beklagtenvertreter erteilte Prozeßvollmacht im Verfahren wegen Zahlung des Mietzinses nicht auch eine Bevollmächtigung zur Entgegennahme der Erklärung der Aufhebung des Vertrages umfasse. Die Zulassungsvoraussetzungen lägen nicht vor, weil der Umfang der Prozeßvollmacht gesetzlich festgelegt sei. Die Klägerin bekämpt das Urteil des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision und beantragt, es im Sinn der Klage abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte, der die Beantwortung der Revision gemäß § 508 a Abs 2 ZPO freigestellt wurde, hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichthofes zu der Frage fehlt, ob eine Prozeßvollmacht zur Entgegennahme materiellrechtlicher Erklärungen berechtigt, die den Rechtsstreit, für den sie erteilt wurde, nicht unmittelbar betreffen. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
Die Prozeßvollmacht, deren Umfang in § 31 Abs 1 ZPO umschrieben wird, ist grundsätzlich eine Einzelvollmacht, die nur zur Führung eines bestimmten Rechtsstreites erteilt wird (Fasching, Komm II 266). Zwar wird die Erteilung von Generalprozeßvollmachten für zulässig erachtet; doch bedeutet dies nicht, daß sich jedermann auch gegen den Willen des Generalbevollmächtigten auf diese Vollmacht berufen könne (Fasching aaO, SpR 226); das Vorliegen einer Generalvollmacht des Beklagtenvertreters wird hier überdies nicht behauptet. Ebenso darf daraus, daß in einer bestimmten Rechtssache Prozeßvollmacht erteilt wurde, nicht gefolgert werden, daß gegen den Willen des Rechtsanwaltes auch in anderen Rechtssachen Zustellungen für den Vollmachtgeber wirksam an ihn vorgenommen werden können (SpR 226; SZ 13/14 ua).
Die einem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht zur Prozeßführung (Prozeßvollmacht) ermächtigt kraft Gesetzes (§ 31 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO) zur Anbringung und Empfangnahme der Klage und zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen einschließlich derjenigen, die durch eine Wiederaufnahme des Verfahrens, durch eine Widerklage, durch den Antrag auf einstweilige Verfügung...veranlaßt werden, zum Abschluß von Vergleichen über den Gegenstand des Rechtsstreites, zu Anerkenntnissen der vom Gegner behaupteten Ansprüche, sowie zu Verzichtleistungen auf die von der bevollmächtigenden Partei geltend gemachten Ansprüche. Dies entspricht in den hier maßgebenden Punkten fast wörtlich dem § 81 dZPO, so daß auch Lehre und Rechtsprechung hiezu berücksichtigt werden können. Die Vollmacht erstreckt sich demnach auf den Prozeß in allen seinen Stadien, wie sie durch Klageänderung, Zwischenantrag auf Feststellung und anderes veranlaßt werden (Fasching II 268 f; SZ 43/116; Rosenberg-Schwab, Zivilprozeßrecht14 312). Der Prozeßbevollmächtigte wird durch die Prozeßvollmacht zu allen Handlungen ermächtigt, die im Prozeß dem Angriff oder der Verteidigung gegen den dort erhobenen Anspruch dienen, auch wenn sie zugleich Rechtshandlungen des materiellen Rechtes sind (RGZ 49, 392 ff; RGZ 53/213), wie etwa Aufrechung, Rücktritt vom Vertrag, Wandlung, Minderung und andere empfangsbedürftige Willenserklärungen. Ist dies der Fall, so sind sie mit dem Zugehen an den Prozeßbevollmächtigten (etwa mit der Zustellung an diesen) zivilrechtlich vollendet, und ihre zivilrechtlichen Wirkungen sind unabhängig vom weiteren Schicksal des Prozesses (Rosenberg-Schwab aaO 313, Stein-Jonas, ZPO20 I, Rz 10 zu § 81; RGZ 63, 413; BGHZ 31, 209 f).
Nun ist es zwar Voraussetzung für eine frühere Aufhebung des Bestandvertrages durch den Bestandgeber gemäß § 1118 zweiter Fall ABGB, daß der Bestandnehmer mit der Bezahlung des Zinses säumig ist, so daß ein Zusammenhang zwischen der Säumnis in der Zinszahlung und der Vertragsaufhebung nicht in Abrede zu stellen ist. Doch hängt ein auf Grund einer vorzeitigen Vertragsauflösung gestelltes Räumungsbegehren deshalb noch keineswegs mit der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einen Rechtsstreit wegen der Bezahlung des Zinses eng zusammen, es stellt vielmehr ein weiteres Begehren dar. Die in dem vorbereitenden Schriftsatz ON 6 enthaltene Prozeßerklärung der Klageausdehnung beinhaltete zugleich die materiellrechtliche Auflösungserklärung. Daß die Wirkung materiellrechtlicher, in einem Schriftsatz vorgebrachter Erklärungen, soweit sie den schon erhobenen Anspruch betreffen, schon mit der Zustellung des Schriftsatzes an den Prozeßbevollmächtigten wirksam werden, ist hier aber ohne Bedeutung, weil es sich bei der Auflösungserklärung um einen anderen als den bereits geltend gemachten Anspruch handelte, der noch nicht prozeßverfangen war und erst mit dem Vortrag in der Verhandlung wirksam wurde. Die Klagsausdehnung wurde daher zwar (erst) mit dem Vortrag in der Tagsatzung vom 27. Dezember 1983 wirksam (SZ 56/157, ÖBl 1986, 131), doch hat die am 20. Dezember 1983 (nur) an den Beklagtenvertreter erfolgte Zustellung dieses Schriftsatzes nicht die Folge, daß die Vertragsauflösung - als eine empfangsbedürftige Willenserklärung (Würth in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 1118 mwN) - bereits an diesem Tag der Beklagten zugegangen und ihr gegenüber wirksam geworden wäre. Am 27. Dezember 1983 aber hat ein Zinsrückstand der Beklagten nicht mehr bestanden, so daß das Räumungsbegehren mangels Erfüllung eines Aufhebungstatbestandes unberechtigt war (Würth aaO Rz 18; MietSlg 37.185). Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41 und 50 ZPO.
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