OGH 8Ob89/87

OGH8Ob89/879.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kresimir S***, Basketballtrainer, Radnicki Dol 41, YU-41000 Zagreb, Jugoslawien, vertreten durch Dr. Kuno Ther und Dr. Reinhard Köffler, Rechtsanwälte in Villach, wider die beklagte Partei BAD K*** B***-, SPORT- UND K*** Gesellschaft mbH

& Co KG, 9546 Bad Kleinkirchheim, vertreten durch Dr. Anton Gradischnig, Dr. Peter Gradischnig und Dr. Gerhard Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, wegen 560.000 S sA und Feststellung (100.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 12. Oktober 1987, GZ 6 R 177/87-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 9. Juni 1987, GZ 22 Cg 21/85-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 16.270,65 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von 1.479,15 S, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 27. Jänner 1979 in Bad Kleinkirchheim bei Benützung der von der Beklagten betriebenen Schleppliftanlage "Lärchegglift" verletzt, als er infolge eines Schleppbügelbruches zu Sturz kam.

Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger mit seiner am 18. November 1983 beim Erstgericht eingelangten Klage aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 560.000 S sA; überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten für alle seine künftigen Unfallschäden im Rahmen der im EKHG normierten Haftungshöchstbeträge gerichtetes Feststellungsbegehren. Das Leistungsbegehren des Klägers umfaßt 200.000 S an Schmerzengeld und 360.000 S an Verdienstentgang für die Zeit vom 1. Dezember 1980 bis 30. November 1983. Der Kläger brachte dazu im wesentlichen vor, daß ihm die Beklagte nach den Bestimmungen des EKHG für die Unfallsfolgen hafte. Der Kläger habe durch seinen Sturz eine Gehirnerschütterung, eine Prellung im Lendenwirbelbereich und eine Distorsion im Halswirbelbereich erlitten. Nach seiner Entlassung aus der ärztlichen Behandlung im Landeskrankenhaus Villach am 29. Jänner 1979 sei in Zagreb die Mobilisierung des Halses zwei Monate lang fortgesetzt und in weiterer Folge auch eine physikalische Behandlung durchgeführt worden. Der Kläger habe versucht, seine Tätigkeit als Basketballtrainer wieder aufzunehmen, was jedoch Kopfschmerzen, allgemeinen Schwindel, Übelkeit, Gleichgewichtsstörungen und Reizerscheinungen in den Händen zur Folge gehabt habe. Der Kläger habe deswegen am 9.März 1982 zwei Gerichtssachverständige in Zagreb aufgesucht. Seine Untersuchung durch diese Sachverständigen habe ergeben, daß er bei dem Unfall auch eine Gehirnquetschung erlitten habe, die zu erheblichen psychoorganischen und psychischen Veränderungen geführt habe, die als Dauerfolgen zu betrachten seien und eine Invalidität des Klägers von 45 bis 50 % auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und eine solche von 100 % auf dem Fachgebiet als Basketballtrainer zur Folge hätten. In weiterer Folge sei durch den Unfall eine Deformierung der Wirbelsäule mit daraus resultierenden Beschwerden eingetreten. Es seien lediglich die Verdienstentgangsansprüche des Klägers zwischen Jänner 1979 und November 1980 und die in diesem Zeitraum aufgetretenen Unkosten und Sachschäden verjährt. Alle übrigen Schäden seien nicht verjährt, da der Kläger erst durch die Begutachtung durch die Gerichtssachverständigen im März 1982 von der Gehirnquetschung, der degenerativen Veränderung der Wirbelsäule und von den Dauerfolgen Kenntnis erhalten habe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe er geglaubt, daß seine Beschwerden bald abklingen würden und er dann wieder in seinem Beruf voll arbeitsfähig sein werde. Der Kläger habe durch den Unfall eine Gehirnschädigung mit erheblichen Störungen von Gedächtnis und Intelligenz erlitten, die es ihm unmöglich gemacht hätten, die Schadensfolgen vor 1982 zu erkennen. Der Arbeitsversuch des Klägers als Basketballtrainer sei im Jahr 1981 gescheitert.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete Verjährung ein.

Das Erstgericht wies - im zweiten Rechtsgang - das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Der Kläger stürzte bei dem Schleppliftunfall am 27. Jänner 1979 auf einem Steilstück der Schlepptrasse nach rückwärts. Er stieg in der Folge bis zur Bergstation auf und wurde von dort durch die Bergrettung zu Tal und zum praktischen Arzt Dr. K*** gebracht, der ihn ins Landeskrankenhaus Villach einwies. Dort war der Kläger bis 29. Jänner 1979 in stationärer Behandlung. Es wurde eine Gehirnerschütterung, eine Prellung der Lendenwirbelsäule und eine Distorsion der Halswirbelsäule diagnostiziert. Dem Kläger wurde eine Schanzkrawatte angelegt. Am 29. Jänner 1979 wurde er nach Jugoslawien entlassen.

Der Kläger erlitt durch den Unfall eine leichteste Gehirnerschütterung, eine Prellung der Lendenwirbelsäule und eine Distorsion der Halswirbelsäule mit leichten radiculären Irritationen. Diese Verletzungen hatten drei Tage mittelstarke Schmerzen und über einen Zeitraum von 6 Monaten fallweise auftretende leichte Schmerzen und Beschwerden zur Folge, die zusammengerafft 30 Tagen leichten Schmerzen entsprechen. Bei der Zerrung der Halswirbelsäule handelte es sich um eine leichte Zerrung (sogenannter "Erdmann I"). Eine traumatische Hirnschädigung in Form einer Gehirnquetschung oder andere hirnorganische Veränderungen hat der Kläger durch den Unfall nicht erlitten, ebenso keine Hirnatrophie.

Der Kläger leidet an latenter Tetanie. Dabei handelt es sich um einen interzellulären Kalkmangelzustand, der nicht traumatisch entstehen kann. Ein Großteil der subjektiv angegebenen glaubhaften Schmerzen und Beschwerden sind zum Teil Folge dieser latenten Tetanie.

Etwa 1981/82 entwicklete sich ein neues Beschwerdesyndrom, das den Charakter einer endoreaktiven Dysthymie zeigt. Darunter versteht man einen Zustand von Stimmungsabfall, also eine Verstimmung. Keinesfalls handelt es sich dabei um ein progredientes psychoorganisches Syndrom. Eine Kausalität dieses neuen Beschwerdesyndroms mit dem Unfall läßt sich nicht feststellen. Es hat seine Ursachen in der Persönlichkeit des Klägers selbst. Bei der gegebenen leichten Halswirbelzerrung ist eine vorzeitige Entwicklung von degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule nicht zu erwarten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt besteht beim Kläger keine objektivierbare und meßbare Minderung der Erwerbsfähigkeit. Der Kläger vermochte seinen Beruf als Basketballtrainer infolge der erlittenenen Verletzungen durch ein halbes Jahr nach dem Unfall nicht auszuüben. Normalerweise würden die Verletzungen, die der Kläger erlitt, eine Arbeitsunfähigkeit von wenigen Tagen bis zu einigen Wochen bedingen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Kläger nur durch ein halbes Jahr nach dem Unfall an unfallskausalen Schmerzen und Folgen gelitten habe und daß er während dieses halben Jahres auch unfallsbedingt seine Tätigkeit als Basketballtrainer nicht ausüben habe können. Seine daraus resultierenden Ansprüche an Schmerzengeld und Verdienstentgang seien aber verjährt, da es sich um mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung zurückliegende Ansprüche handle und diesbezüglich die Verjährungsfrist vom Unfallstag an zu rechnen sei. Das weitere Klagebegehren sei abzuweisen, weil nicht feststehe, daß der Kläger durch den Unfall eine Hirnschädigung erlitten habe und daß das neue psychopathologische Krankheitsbild unfallskausal sei. Selbst wenn man die endoreaktive Dysthymie als durch den Unfall ausgelöst ansehen würde, sei im Bereich der Gefährdungshaftung, die im vorliegenden Fall unzweifelhaft gegeben sei, prinzipiell davon auszugehen, daß nur adäquate Schäden vom Normzweck umfaßt sein sollten. Es sei nach objektiven Kriterien zu prüfen, ob die Folgen nicht ganz ungewöhnlich seien. Da es ganz außergewöhnlich und unwahrscheinlich sei, daß auf Grund eines Bagatelltraumas eine endoreaktive Dysthymie in dem im vorliegenden Fall gegebenen Ausmaß entstehe, wäre daher hinsichtlich dieser endoreaktiven Dysthymie auch die Kausalität im rechtlichen Sinn nicht gegeben. Der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung des Klägers gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge.

Das Berufungsgericht verneinte das Vorliegen vom Kläger behaupteter Verfahrensmängel und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich.

Rechtlich führte es im wesentlichen aus, soweit das Schmerzengeld für Schmerzen und Beschwerden begehrt werde, die länger als drei Jahre vor der Klagseinbringung aufgetreten seien, sei es verjährt. Die übrigen Ansprüche seien mangels erwiesenen natürlichen Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfall und den später aufgetretenen Beschwerden bzw. deshalb, weil der Kläger beim Unfall entgegen seinen Behauptungen kein - erst später diagnostiziertes - organisches Hirntrauma erlitten habe, nicht begründet. Da bereits der natürliche Kausalzusammenhang der Beschwerden des Klägers mit dem Unfallsereignis nicht gegeben sei, seien Fragen der juristischen Kausalität (Adäquanz), die stets enger sei als die natürliche Kausalität, nicht zu erörtern. Soweit der Kläger geltend mache, daß durch den Unfall eine bei ihm bestehende krankhafte Anlage, die in absehbarer Zeit nicht von selbst zum gleichen Gesundheitsschaden geführt hätte, aktiviert worden sei, sei ihm entgegenzuhalten, daß es sich hiebei um einen rechtlichen Gesichtspunkt handle, dem kein derartiges Vorbringen in erster Instanz zugrundeliege, zumal der Kläger in der Klage ausschließlich das Vorliegen einer Gehirnquetschung und einer degenerativen Veränderung der Wirbelsäule, wovon er erst am 9. März 1982 Kenntnis erlangt habe, behauptet habe. Insbesondere sei es nie der Prozeßstandpunkt des Klägers in erster Instanz gewesen, daß etwa die festgestellte latente Tetanie durch den Unfall manifest geworden sei, ja er bekämpfe sogar die Feststellungen des Erstgerichtes bezüglich des Vorliegens einer latenten Tetanie. Daher vermisse der Kläger auch zu Unrecht eine Feststellung des Inhaltes, daß der Unfall die auslösende Ursache des bei ihm aufgetretenen Beschwerdesyndroms sei. Feststellungsmängel könnten nur im Rahmen des vom Beweispflichtigen in erster Instanz behaupteten Sachverhaltes releviert werden.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil "seinem ganzen Inhalt nach abzuändern, das erstgerichtliche Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen".

Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Soweit sich der Kläger in seinen Rechtsmittelausführungen dadurch für beschwert erachtet, daß die Vorschrift des § 182 ZPO nicht angewendet worden sei, macht er inhaltlich den Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO geltend. Dieser Revisionsgrund liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Im übrigen ist die Frage, ob zwischen einem bestimmten Ereignis und später aufgetretenen angeblichen Folgen der natürliche Kausalzusammenhang gegeben ist, nach ständiger Rechtsprechung eine reine Tatsachenfrage, deren Lösung durch die Vorinstanzen im Revisionsverfahren nicht mehr bekämpft werden kann (SZ 51/66 mit weiteren Literatur- und Judikaturhinweisen uva; zuletzt 8 Ob 67/86; 8 Ob 505/86; ZVR 1987/36). Die vom Kläger in seinem Rechtsmittel relevierte Frage, ob sein Unfall vom 27. Jänner 1979 die auslösende Ursache für das später aufgetretene Beschwerdesyndrom gewesen sei, betrifft nur die natürliche Kausalität des Unfalles für die später aufgetretene endoreaktive Dysthymie, die von den Vorinstanzen auf Grund der von ihnen getroffenen Tatsachenfeststellungen verneint wurde. Der Kläger zeigt somit mit seinen Revisionsausführungen keinesfalls einen dem Berufungsgericht unterlaufenen, dem Gebiet der rechtlichen Beurteilung zuzuordnenden Feststellungsmangel auf, sondern versucht in Wahrheit nur in im Revisionsverfahren unzulässiger Weise, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen.

Seiner Revision muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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