Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Über die Berufungen wird bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut H*** (neben anderen strafbaren Handlungen auch) des Verbrechens nach § 12 Abs 1 SGG nF und § 15 StGB in der Form der Bestimmungs- und Beitragstäterschaft nach § 12 StGB schuldig erkannt (Punkt A des Urteilssatzes). Darnach hat er vorsätzlich den bestehenden Vorschriften zuwider insgesamt 3,85 kg Cannabisharz, sohin eine große Menge Suchtgift ausgeführt und einzuführen versucht, und zwar im Juli 1984 in Vorarlberg dadurch, daß er zur Straftat der abgesondert verfolgten Armin S*** und Gerhard S*** - welche am 20. Juli 1984 2,85 kg Cannabisharz und 38 g Cannabiskraut von Holland ausführten und nach Frankreich einzuführen versuchten - dadurch beigetragen hat, daß er ihnen zum Ankauf des Cannabisharzes 42.000 S und seinen PKW zum Suchtgifttransport übergab, mit den Verkäufern in Holland telefonisch Kontakt aufnahm und den Verkauf des geschmuggelten Suchtgiftes in St.Gallen übernehmen sollte (Punkt A I des Urteilssatzes), im August 1984 in Vorarlberg und Holland zur Straftat des Helmut M***, der am 19.August 1984 etwa 1 kg Cannabisharz aus Holland ausführte und nach Österreich einzuführen versuchte, daß er das Fahrzeug VW Polo für den Suchtgifttransport bereitstellte und gemeinsam mit diesem das Suchtgift in den PKW einbaute (Punkt A II).
Der Sache nach nur diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 3, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO rügt der Beschwerdeführer die trotz des Widerspruchs seines Verteidigers erfolgte Verlesung der Aussagen der (im Vorverfahren vernommenen) Zeugen Gerhard S*** (ON 40) und Helmut M*** (ON 29 und 49) sowie die Verlesung der Angaben der Irmgard G*** als Verdächtige vor der Gendarmerie und als Beschuldigte vor Gericht.
Rechtliche Beurteilung
Die Verlesung dieser Aussagen begründete jedoch keine Nichtigkeit im Sinne dieser angeführten Gesetzesstelle, weil § 252 StPO nicht zu den Vorschriften gehört, deren Beobachtung unter Nichtigkeitsdrohung steht (Mayerhofer-Rieder, StPO2 § 252, ENr 124 und 125).
Soweit sich der Beschwerdeführer durch die Verlesung der Aussagen der Zeugen Gerhard S*** und Irmgard G*** in seinen Verteidigungsrechten verletzt erachtet, fehlt es zur Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO an den formellen Voraussetzungen, nämlich an einem gegen seinen Antrag gefällten Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes. Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls wurden diese Aussagen zwar gegen den Widerspruch des Verteidigers verlesen (S 451 f); zur Erlangung der Beschwerdelegitimation hätte der Verteidiger aber sofort die Entscheidung des Senats über die Zulässigkeit der von ihm unerwünschten Verlesung begehren müssen; nur die Entscheidung des Gerichtshofes, nicht aber (wie hier) eine prozeßleitende Verfügung des Vorsitzenden (§ 232 StPO), ist eine Zwischenerkenntnis im Sinne der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO (vgl Mayerhofer-Rieder, StPO2 § 281 Z 4 ENr 6 und 7).
Im übrigen wurde die (im Urteil verwertete, vgl S 460) Zeugenaussage des Gerhard S*** (ON 40) zu Recht gemäß § 252 Abs 1 Z 1 StPO verlesen. Der Vorsitzende hat in diesem Zusammenhang auf die aktenkundige Tatsache (vgl S 437 und 446) hingewiesen, daß sich der Genannte derzeit in Holland in Haft befinde (S 440). Weil der im Ausland befindliche Zeuge S*** nicht vor Gericht gestellt werden konnte, war sowohl die Verlesung der im Vorverfahren abgelegten Aussage dieses Zeugen als auch - weil somit kein Beweiserhebungsverbot gegeben war, das als Beweisverwertungsverbot wirkte - deren Verwertung zulässig.
Die Zeugen Irmgard G*** hat sich gemäß § 152 Abs 1 Z 1 StPO als Lebensgefährtin (§ 72 Abs 2 StGB) des Angeklagten in der Hauptverhandlung der Aussage entschlagen (S 449); ihre Aussage vor der Gendarmerie als Verdächtige (ON 4) war in der Hauptverhandlung gegen den Widerspruch des Verteidigers verlesen (S 451 f) und im Urteil zur Begründung des Schuldspruchs zu A I und II des Urteilssatzes verwertet worden (vgl S 460 und 461). Selbst ein Zwischenerkenntnis des Gerichtshofs, mit welchem die Verlesung der im sicherheitsbehördlichen Ermittlungsverfahren (§§ 24, 88 StPO) abgelegten Aussage dieser Zeugin zugelassen worden wäre, hätte zu einer Nichtigkeit im Sinne der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO nicht führen können, weil die Verlesung derartiger Aussagen nach geltendem Recht dem Gesetz (§ 252 Abs 2 StPO) entspricht und auch mit Art 6 (Abs 1 iVm) Abs 3 lit d MRK zu vereinbaren ist (RZ 1987/62 II; 15 Os 160/87). Daß diese Aussage in unzulässiger Weise verwertet wurde (weil die Verteidigungsrechte beeinträchtigt und nicht auf Antrag oder von Amts wegen sinnvolle und rechtlich zulässige Beweise durchgeführt worden sind, die geeignet waren, die Beweiskraft dieser Aussage abzuschwächen oder zu widerlegen, vgl RZ 1987/62/II) und damit das angefochtene Urteil nur offenbar unzureichend begründet wäre (§ 281 Abs 1 Z 5 StPO), wird in den Beschwerdeausführungen nicht behauptet. Eine solche liegt im Ergebnis auch nicht vor, weil das Gericht seine Feststellungen zum Faktum A I vor allem auf die ersten Angaben der Zeugen S*** und S*** im Vorverfahren stützte und nur deren Darstellung durch die Aussagen des Angeklagten und der Zeugin G*** vor der Gendarmerie über die Beschlagnahme des Fahrzeuges für erhärtet hielt (vgl S 460/461); die Annahme der Täterschaft des Beschwerdeführers zum Faktum A II gründete das Gericht in erster Linie auf das teilweise Geständnis des Angeklagten und die Zeugenaussage des Helmut M*** und erst in weiterer Linie auf diese Aussage der Irmgard G*** vor der Gendarmerie, ferner insbesondere auch auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichtes Kempten vom 13. Dezember 1984, AZ 37 Js 13.098/84 (vgl S 461).
Gegen die Verlesung der Verantwortung der Irmgard G*** als Beschuldigte (im Rahmen der zunächst auch gegen sie geführten Voruntersuchung, vgl ON 38) hat sich der Angeklagte nicht ausgesprochen; diese Aussage wurde im Urteil auch nicht verwertet. Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) die Ablehnung des Antrages des Verteidigers auf Einvernahme der Zeugen Werner S*** und Helmut M*** bekämpft, ist sie unbegründet.
Nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolls hatte sich der Verteidiger dem Antrag des öffentlichen Anklägers, "den Zeugen Werner S*** vor Gericht zu stellen", angeschlossen (S 452). Diesen Antrag hat das Gericht deshalb mit Recht abgewiesen, weil der Gegenstand des Beweises nicht näher konkretisiert wurde, im Antrag also nicht näher angeführt wurde, welcher den Angeklagten entlastende Umstand durch das Beweismittel nachgewiesen werden sollte. Ein solcher Beweisantrag ist auf seine Berechtigung unüberprüfbar und daher unbeachtlich (SSt 52/61). Abgesehen davon sollte seine Vernehmung nur zum Schuldspruch A II des Urteilssatzes erfolgen (vgl die Aussage des Werner S***, ON 7); in diesem Falle hat der Angeklagte jedoch ohnedies eine Beitragshandlung zugegeben (vgl S 443), sodaß der Beweisantrag im Ergebnis keine entscheidende Tatsache beträfe.
Das Protokoll über die vor dem Amtsgericht Kempten (ON 29) und im Vorverfahren abgelegte Zeugenaussage (ON 49) des Helmut M*** wurde in der Hauptverhandlung verlesen (S 452) und im Urteil damit begründet, daß sich der Genannte "derzeit unbekannt wo in Haft" befinde und damit die Voraussetzungen des § 252 Abs 1 Z 1 StPO für die Verlesung der Zeugenaussagen vorlägen (S 461). Dieser Umstand ist jedoch nicht aktenkundig; der Verteidiger hat vielmehr in einem anderen Zusammenhang vorgebracht, daß sich dieser Zeuge seines Wissens in Innsbruck in Haft befinde (S 452 f). Die Rüge betrifft hier jedoch keine entscheidende Tatsache im Sinne des angeführten Nichtigkeitsgrundes. Denn der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung zu diesem Faktum A II des Schuldspruchs - wie bereits ausgeführt - ein Geständnis abgelegt und zugegeben, daß er vom beabsichtigten Suchtgiftgeschäft des M*** in Holland Kenntnis hatte und diesem das Fahrzeug VW Polo für den Suchtgifttransport zur Verfügung stellte; er hat lediglich die Behauptung des M*** bestritten, mit diesem gemeinsam auch das Suchtgift im Fahrzeug versteckt zu haben (vgl S 443). Schon im Hinblick auf diese geständige Aussage des Angeklagten findet die vom Schöffengericht als erwiesen angenommene Beitragstäterschaft (§ 12 StGB) des Angeklagten ihre Deckung, sodaß die zusätzlich dafür gegebene, auf die Aussage des M*** gestützte Begründung der Mithilfe beim Einbau des Suchtgifts, nicht entscheidungswesentlich war. Auch die Ausführungen der Mängelrüge (Z 5) sind nicht zielführend.
Nach den Urteilsfeststellungen zu A I des Urteilssatzes übergab der Angeklagte dem Armin S*** und Gerhard S*** einen Geldbetrag von 52.000 S zum Ankauf von Suchtgift und erhielt "als Sicherstellung für den Geldbetrag" von S*** einen PKW der Marke Mercedes 350. Entgegen den Beschwerdeausführungen steht die weitere Urteilsannahme, der Angeklagte sollte für das in Pfand gegebene Auto noch weitere 50.000 S beisteuern, nach den Gesetzen logischen Denkens zur erstgenannten Feststellung nicht in Widerspruch. Auch hier beträfe ein solcher Mangel im Hinblick auf den festgestellten Tatbeitrag des Beschwerdeführers - Beistellung von 42.000 S zum Suchtgiftankauf und eines PKWs zum Suchtgifttransport, telefonische Kontaktaufnahme mit den Verkäufern in Holland, Übernahme des Suchtgiftverkaufs in St.Gallen - aber keine entscheidenden Tatsachen im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO.
Das Vorbringen unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 3 des § 281 Abs 1 StPO, daß das Erstgericht den (den Angeklagten entlastenden) Angaben des Zeugen Armin S*** in der Hauptverhandlung nicht gefolgt ist (vgl dazu die im Urteil dafür gegebene Begründung, S 461) stellt sich nur als eine unzulässige Bekämpfung der Beweiswürdigung dar.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) geht nicht von den Urteilsfeststellungen aus, sondern versucht lediglich nach Art einer Schuldberufung die Beweisergebnisse anders, und zwar in einem für den Angeklagten günstigeren Sinne umzuwerten und entbehrt damit einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war darum teils gemäß § 285 d Abs 2 Z 2 StPO, teils gemäß § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Zur Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und des öffentlichen Anklägers wird ein Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung angeordnet werden.
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