OGH 7Ob715/87

OGH7Ob715/8721.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner G. H***, Kaufmann, München 50, Netzerstraße 44, vertreten durch Dr. Max Dengg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien

1.) Ernst M***, Pensionist, 2.) Christian M***, Bauingenieur, beide Innsbruck, Reichenauerstraße 92, beide vertreten durch Dr. Kurt Zangerl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Anfechtung (Revisionsstreitwert DM 19.300,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 30. April 1987, GZ 2 R 387/86-45, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. September 1986, GZ 12 Cg 474/84-38, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird im Umfang der Anfechtung (Punkt 4. des Urteilsspruches) und im Kostenausspruch aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Unfang zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Erstgericht gab der auf den Anfechtungstatbestand des § 2 Z 3 AnfO gestützten Anfechtungsklage statt. Nach seinen für das Revisionsverfahren noch relevanten Feststellungen schuldet der Schuldner Ing. F*** V*** H*** dem Kläger unter anderem aus einem Darlehensvertrag vom 15. November 1982 DM 170.000,--, wovon der Kläger im vorliegenden Verfahren aber nur DM 44.000,-- geltend macht. Das Darlehen ist seit 28. April 1983 zur Zahlung fällig, Verzugszinsen wurden in Höhe von 16 % vereinbart.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß die Forderung des Klägers nach dem Vertrag vom 6. Juni 1959 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen, BGBl. 105/1960, vollstreckbar sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte den den Leistungsanspruch betreffenden Teil des Ersturteils im Sinne einer teilweisen Abweisung des Klagebegehrens ab. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision weder gegen den abändernden noch gegen den bestätigenden Teil seiner Entscheidung zulässig ist.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht, ging jedoch bei seiner rechtlichen Beurteilung davon aus, daß in den vom Kläger vorgelegten Urkunden lediglich eine vollstreckbare Forderung von DM 24.700,-- s.A. beurkundet sei. Ein Notariatsakt über eine vollstreckbare Forderung von DM 170.000,-- sei vom Kläger nie vorgelegt worden.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist zulässig und auch berechtigt.

Bei Beurteilung der Zulässigkeit ist davon auzugehen, daß der Streitwert bei einer Anfechtungsklage der Wert der erstrebten Beseitigung der aus der anfechtbaren Rechtshandlung erwachsenen Benachteiligung ist. Wenn der Anfechtungskläger - wie im vorliegenden Fall - im selben Verfahren sowohl die (rechtsgestaltende) Unwirksamerklärung der Rechtshandlung begehrt, als auch den aus dieser Rechtsgestaltung abgeleiteten Leistungsanspruch erhebt, so ist als Gesamtwert des Streitgegenstandes (nur) der Wert des Leistungsbegehrens anzusehen (1 Ob 635/84; 5 Ob 575/81). Der Wert des Leistungsbegehrens beträgt im vorliegenden Fall DM 44.000,-- und war auch der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht zu entscheiden hatte. Zutreffend weist der Revisionswerber darauf hin, daß bei der Vollrevision in vermögensrechtlichen Streitigkeiten das Gesetz ausdrücklich auf den Streitgegenstand abstellt, über den das Berufungsgericht entschieden hat. Übersteigt dieser den Schwellwert von S 300.000,--, wie im vorliegenden Fall, und liegt nicht ein Ausschluß nach § 502 Abs.2 Z 2 oder Abs.3 ZPO vor, was hier nicht der Fall ist, ist die Revision zulässig (vgl. Petrasch, Das neue Revisions-(Rekurs-)Recht in ÖJZ 1983, 175). Ist aber die Revision nach § 502 Abs.4 Z 2 ZPO wegen Überschreitung der oberen Wertgrenze jedenfalls zulässig, ist der unrichtige Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision als nicht beigesetzt anzusehen (EvBl. 1986/138).

Richtig ist, daß die Anfechtungsbefugnis gemäß § 8 AnfO nur einem Gläubiger zukommt, dessen Forderung vollstreckbar ist. Der Kläger hat letzteres behauptet und für diese Behauptung auch Beweise angeboten (ON 8, AS 28 f). Das Erstgericht hat lediglich das Bestehen der Forderung festgestellt, über die vom Kläger behaupteten Umstände, aus denen sich die Vollstreckbarkeit ergibt, aber keine Feststellungen getroffen. In Ansehung der Vollstreckbarkeit der Forderung liegt somit ein der rechtlichen Beurteilung zuzuordnender Feststellungsmangel vor. Ohne Ergänzung der mangelhaften Tatsachengrundlage kann bei der rechtlichen Beurteilung nicht davon ausgegangen werden, daß dem Kläger eine vollstreckbare Forderung nur im Umfang des bestätigten Teiles des Leistungsanspruches zusteht. Die Urteile der Untergerichte waren demnach aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuen Entscheidung zurückzuverweisen.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs.1 ZPO.

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