OGH 4Ob595/87

OGH4Ob595/8712.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Helfried M***, Vorstandsdirektor, Wien 19., Peter Jordan-Straße 90/9, 2. Katrin M***, ebendort, beide vertreten durch Dr. Karl Zingher, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach dem am 12. November 1985 verstorbenen Josef L***, zuletzt wohnhaft gewesen in Wien 7., Hermanngasse 31, vertreten durch die erbserklärten Erben

  1. 1. Dipl.Ing. Edith L***, Wien 7., Hermanngasse 31, und
  2. 2. Dr. Georg L***, ebendort, diese vertreten durch Dr. Walter Scherlacher, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 96.414,50 s.A., infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Mai 1987, GZ 48 R 103/87-24, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 8. Dezember 1986, GZ 4 C 546/85-20 aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 20. Mai 1970 mieteten die Kläger die Wohnung top.Nr. 9 im Hause Wien 18., Hofstattgasse 24. Ing. Josef L*** war Hälfteeigentümer des Hauses und hatte die Fruchtnießung an der anderen, im Eigentum der Dipl.Ing. Edith L*** stehenden Liegenschaftshälfte. Beim Vertragsabschluß in einer Rechtsanwaltskanzlei wurden § 4 und § 5 des dabei verwendeten Vertragsformulars besprochen; diese lauten im wesentlichen wie folgt:

"§ 4: .... In einverständlicher Abänderung der dem § 1096 ABGB

entsprechenden Pflichten übernimmt der Mieter die Verpflichtung, den

Mietgegenstand auf seine Kosten ohne Anspruch auf Ersatz jederzeit

in gutem, brauchbarem Zustand zu erhalten.... .

§ 5 Z 2: Bauliche Veränderungen innerhalb des Bestandgegenstandes oder an der Außenseite dürfen nur mit Bewilligung des Vermieters erfolgen. Die in diesem Zusammenhang erfolgten Investitionen, Einbauten und dergleichen gehen sofort unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters über. Das gleiche gilt für Gas- und elektrische Leitungen.... ."

Die Kläger haben während der Dauer des Bestandverhältnisses die Gas-, Wasser- und Elektroleitungen sowie die Türen, Fenster und Fußböden im Bestandobjekt erneuert, eine Gasetagenheizung installiert und das Badezimmer neu eingerichtet und verfliest. Ing. Josef L*** ist am 12. November 1985 gestorben. Dipl.Ing. Edith L*** und Dr. Georg L*** haben auf Grund eines Testaments zu 2/3 bzw. 1/3 des Nachlasses unbedingte Erbserklärungen abgegeben. Das Verlassenschaftsgericht hat ihre Erbserklärungen am 28. November 1985 angenommen. Der Nachlaß wurde bisher nicht eingeantwortet.

Die Kläger begehren von der Verlassenschaft S 96.414,50 samt 4 % Zinsen seit 1. Juli 1985 zuzüglich 20 % Umsatzsteuer aus den Zinsen. Der Mietvertrag sei am 30. Juni 1985 einvernehmlich aufgelöst worden. Die von den Klägern für die Erneuerung der Gas-, Wasser- und Elektroleitungen sowie der Türen, Fenster und Fußböden gemachten Aufwendungen wirkten über die Mietdauer hinaus. Gemäß § 10 MRG hätten sie Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen in der Höhe von S 156.414,50; darauf seien insgesamt S 60.000,-- gezahlt worden. Der Nachmieter habe nur eine Ablöse für die Möbel gezahlt. Auf § 4 und § 5 des Mietvertrages seien die Kläger beim Vertragsabschluß nicht hingewiesen worden. Die Fälligkeit des Ersatzanspruches sei am 1. Juli 1985 eingetreten, weil die Kläger einen Nachmieter namhaft gemacht hätten, der das Objekt an diesem Tag gemietet habe. Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Kläger hätten ihre Investitionen von der Nachmieterin abgegolten erhalten. Die Aufwendungen auf das Bestandobjekt seien nicht notwendig gewesen; die Kläger hätten im Mietvertrag bestätigt, das Bestandobjekt in brauchbarem Zustand übernommen zu haben. Ing. Josef L*** hätte als Hälfteeigentümer nur für die Hälfte der geltend gemachten Forderung gehaftet. Als Fruchtnießer der anderen Liegenschaftshälfte hätte er nur für solche Forderungen einzustehen, die aus dem Ertrag hätten gedeckt werden können; das Haus habe aber keinen Ertrag erbracht. Die Kläger hätten überdies auf jeglichen Aufwandsersatz verzichtet; auf die entsprechenden Bestimmungen im Mietvertrag seien sie beim Vertragsabschluß hingewiesen worden. Das Erstgericht wies die Klage ab, weil die Kläger auf den Aufwandersatzanspruch wirksam verzichtet hätten.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts unter Rechtskraftvorbehalt auf. Vor dem Inkrafttreten des MRG habe der Mieter eines nicht den zinsrechtlichen Bestimmungen des MG unterliegenden Bestandobjektes auf seine Ersatzansprüche für seine Investitionen auf das Bestandobjekt im voraus verzichten können, dies insbesondere dann, wenn ihm bei Abschluß des Bestandvertrags die mangelnde Brauchbarkeit des Bestandgegenstandes bekannt war und er das Bestandobjekt übernommen habe, ohne vom Bestandgeber die Versetzung in einen gebrauchsfähigen Zustand zu verlangen. Ein solcher Verzicht sei immer dann angenommen worden, wenn der Bestandnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses des Bestandvertrages sämtliche Mängel des Bestandobjektes gekannt und sich vertraglich zur Tragung des Verbesserungsaufwandes verpflichtet habe. Soweit die von den Klägern getätigten Aufwendungen unter § 1097 ABGB fallen, sei daher von einem wirksamen Verzicht auszugehen. Auf die in § 10 MRG genannten Aufwendungen hätten jedoch die Kläger vor dem Inkrafttreten des MRG nicht wirksam verzichten können. § 10 Abs 6 MRG, wonach der Hauptmieter auf den Ersatz der in § 10 Abs 1 und 3 MRG genannten Aufwendungen im voraus nicht rechtswirksam verzichten könne, sei gemäß § 43 Abs 1 MRG auch auf vor dem Inkrafttreten des MRG abgeschlossene Mietverträge (sogenannte "Altverträge") anzuwenden. Dafür sei auch entscheidend, daß der Rechtsanspruch nach § 10 MRG überhaupt erst nach der Beendigung des Mietverhältnisses, also auch erst nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes habe entstehen können. Mit diesen grundsätzlichen Erwägungen folge das Berufungsgericht der in MietSlg 36.264/27 = JBl 1985, 236 veröffentlichten Entscheidung des 7. Senates des Obersten Gerichtshofes. Es entspreche der herrschenden Rechtsprechung, daß ein Verzicht auf künftig dem Mieter durch das Gesetz eingeräumte Rechte, deren Inhalt noch gar nicht zuverlässig abzusehen war, nicht zulässig und daher auch nicht wirksam sei. Der gegenteiligen, vom 8. Senat des Obersten Gerichtshofes in JBl 1986, 390 = RdW 1986, 17 vertretenen Auffassung habe das Berufungsgericht nicht beitreten können. Daher werde das Erstgericht die Kläger aufzufordern haben, im einzelnen darzulegen, welche ihrer Aufwendungen als wesentliche Verbesserungen im Sinn des § 9 MRG aufzufassen seien, weil nur diese einen Ersatzanspruch nach § 10 MRG begründen könnten. Erst dann könne verläßlich beurteilt werden, ob und in welcher Höhe den Klägern ein Aufwandersatzanspruch nach § 10 MRG zustehe. Das Erstgericht werde der Vollständigkeit halber auch festzustellen haben, wann der Nießbrauch des Ing. Josef L*** an der der Dipl.Ing. Edith L*** gehörenden Liegenschaftshälfte begründet worden sei.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, ihn im Sinn der Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern. Die Kläger beantragen, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Beklagte bekämpft die Auffassung des Rekursgerichts, der

beim Mietvertragsabschluß erklärte Vorausverzicht auf Aufwandersatz

sei gemäß § 10 Abs 6 MRG nicht wirksam. Gesetze wirkten mangels

entgegenstehender Anordnung nicht zurück; eine bereits vor dem

Inkrafttreten eines Gesetzes erloschene Verbindlichkeit könne nicht

mehr aufleben; Zweck des § 10 MRG sei es nur, die nach dem

Inkrafttreten des MRG neu entstandenen Sachverhalte zu erfassen. Die

Kläger hätten nicht bloß auf zukünftige Rechte verzichtet; aber auch

ein Verzicht auf zukünftige Rechte sei nicht schlechthin unzulässig.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden:

Die Kläger haben mit den in § 4 und § 5 des Mietvertrages vom

20. Mai 1970 enthaltenen vorformulierten Klauseln gegenüber dem

Vermieter auf den nach §§ 1097, 1036 ABGB bestehenden Ersatz des von ihnen gemachten Erhaltungsaufwandes, dessen Tragung sie entgegen § 1096 ABGB übernommen hatten, sowie der nützlichen Aufwendungen (§§ 1097, 1037 ABGB) verzichtet. Der in § 10 MRG vorgesehene Anspruch des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen zur wesentlichen Verbesserung der Wohnung wurde erst durch das am 1. Jänner 1982 in Kraft getretene MRG eingeführt. Nach § 10 Abs 6 MRG kann der Hauptmieter auf diesen Ersatzanspruch im voraus nicht wirksam verzichten. Diese Bestimmung ist mangels einer anderen Übergangsbestimmung gemäß § 43 MRG auch auf Mietverträge anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten des MRG geschlossen worden sind; sie sollte auch Investitionen, die vor dem 1. Jänner 1982 getätigt wurden, erfassen (Information der BReg zum MRG, herausgegeben vom BKA im Zusammenwirken mit dem BMJ 1982, 60). § 10 MRG unterscheidet sich von den Aufwandsersatzbestimmungen nach §§ 1097, 1036, 1037 ABGB: Für die Höhe des Anspruchs ist nach § 10 MRG der objektive Nutzen, nach § 1037 ABGB hingegen der vom Mieter zu beweisende klare überwiegende Vorteil für den Vermieter maßgebend (Rummel in Rummel, ABGB Rz 4 zu § 1037; Würth in Rummel aaO Rz 5 zu § 10 MRG). Unterschiede bestehen auch durch die Beschränkung auf die in § 10 Abs 3 MRG aufgezählten Aufwendungen, den Anspruchsverlust nach § 10 Abs 4 MRG und die Beschränkungen der gerichtlichen Geltendmachung nach § 10 Abs 5 MRG. Daher bestimmt § 10 Abs 7 MRG, daß weitergehende Ansprüche nach §§ 1097, 1036, 1037 ABGB durch § 10 MRG unberührt bleiben. Auf den erst später durch den Gesetzgeber neu geschaffenen Ersatzanspruch nach § 10 MRG, dessen Ausgestaltung bei einem weit vor dem Inkrafttreten des MRG liegenden Mietvertragsabschluß nicht vorhersehbar war, konnten die vertragsschließenden Teile nicht Bedacht nehmen. Dieser Ersatzanspruch, der die Beendigung des Bestandvertrags im zeitlichen Geltungsbereich des MRG voraussetzt, konnte vor dessen Wirksamwerden weder entstanden noch durch eine Verzichtserklärung erloschen sein. Auch beim Vorausverzicht auf Ansprüche, die erst künftig entstehen können, geht es um einen Dauersachverhalt (Iro in der Entscheidungsbesprechung RdW 1986, 175), der nach den im Zeitpunkt seines Entstehens geltenden gesetzlichen Bestimmungen zu beurteilen ist (Bydlinski in Rummel aaO Rz 1 und 2 zu § 5). Bei der Beurteilung eines vor dem Inkrafttreten des MRG vom Bestandnehmer erklärten Vorausverzichts auf Ersatz seiner Aufwendungen auf den Bestandgegenstand, geht es daher, soweit diese Aussprüche durch § 10 Abs 1 und 3 MRG geregelt werden, um Ansprüche, die erst nach dem Inkrafttreten des MRG entstanden sind, nicht aber um die Frage des Zurückwirkens von Gesetzen im Sinne des § 5 ABGB (3 Ob 519/87). Der Oberste Gerichtshof hat daher nicht nur in der mehrfach erwähnten Entscheidung JBl 1985, 236 = MietSlg 36.264/27, sondern seither auch in drei weiteren bisher nicht veröffentlichten Entscheidungen in Ablehnung der gegenteiligen, in JBl 1986, 390 = RdW 1986, 175 veröffentlichten Entscheidung ausgesprochen, daß ein solcher Vorausverzicht auf den in § 10 MRG vorgesehenen Anspruch des Mieters auf Ersatz seiner Aufwendungen zur wesentlichen Verbesserung der Wohnung nicht wirksam ist (3 Ob 519/87; 3 Ob 537/87; 1 Ob 645/87). Davon wieder abzugehen bieten die Rekursausführungen keinen Anlaß. Nach den unbekämpften Feststellungen hatte Ing. Josef L*** den Mietvertrag mit den Klägern in seiner Eigenschaft als Hälfteeigentümer des Hauses und Fruchtnießer der der Dipl.Ing. Edith L*** gehörenden weiteren Hälfte geschlossen. Daß das Fruchtgenußrecht seither erloschen wäre, ist nicht vorgetragen worden. Der Anspruch nach § 10 MRG besteht gegenüber dem Vermieter, nicht aber gegenüber dem Eigentümer, der an seinem Hause ein Fruchtgenußrecht eingeräumt hat und nicht als Bestandgeber anzusehen ist. Sollte dem Ing. Josef L*** das Fruchtgenußrecht an der ihm nicht gehörenden Hälfte des Hauses tatsächlich erst nach dem Abschluß des Mietvertrages mit den Klägern eingeräumt worden sein, wäre er damit - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - in den von Dipl.Ing. Edith L*** als Miteigentümerin gemeinsam mit ihm abgeschlossenen Mietvertrag zur Gänze als Vermieter eingetreten (Petrasch in Rummel aaO Rz 3 zu § 509; MietSlg 32.672). Der vom Berufungsgericht vermißten Feststellung, wann das Fruchtgenußrecht "des Beklagten" an der zweiten Liegenschaftshälfte begründet wurde, bedarf es daher nicht. Dem Rekurs war sohin ein Erfolg zu versagen. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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