OGH 1Ob645/87

OGH1Ob645/8723.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eva S***, Private, Stegersbach 14, vertreten durch Dr. Johann-Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Karoline S***, Hauseigentümerin, Wien 5., Kliebergasse 5, 2. Karl W***, Hauseigentümer, ebendort,

  1. 3. Aloisia S***, Hauseigentümerin, Neunkirchen, Thalgasse 3,
  2. 4. Maria S***, Hauseigentümerin, Wien 10., Muhrengasse 51/3,
  3. 5. Karin N***, Hauseigentümerin, Wien 10., Muhrhoferweg 2/6,
  4. 6. Josef N***, Hauseigentümer, Wien 10., Murhoferweg 2, und
  5. 7. Monika M***, Hauseigentümerin, Wien 5., Kliebergasse 7, sämtliche vertreten durch Willibald P***, Immobilienverwalter, Wien 2., Böcklinstraße 106/6, dieser vertreten durch Dr. Friedrich Fleischmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 70.000,-- s.A. infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 29. April 1987, GZ. 41 R 111/87-15, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 21. Oktober 1986, GZ. 43 C 453/86-6, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Mit Vertrag vom 10. Februar 1976 vermieteten die von ihrem Hausverwalter vertretenen Beklagten als Miteigentümer des Hauses Wien 5., Kliebergasse 7, der Klägerin ab 1. Februar 1976 die aus Küche, Zimmer und Kabinett bestehende Wohnung Nr. 18 zuzüglich Kellerabteil und zweiflammigem Gasherd gegen einen monatlichen wertgesicherten Hauptmietzins von S 600 zuzüglich Betriebskosten und öffentlicher Abgaben. Die für den Rechtsstreit bedeutsamen Vertragsbestimmungen haben nachstehenden Wortlaut:

"§ 4 Instandhaltung

Der Mieter bestätigt, den Mietgegenstand in gutem, brauchbarem Zustand übernommen zu haben. In einverständlicher Abänderung der dem § 1096 ABGB entsprechenden Pflichten übernimmt der Mieter die Verpflichtung, den Mietgegenstand auf seine Kosten, ohne Anspruch auf Ersatz, jederzeit in gutem, brauchbarem Zustand zu erhalten und nach Beendigung der Mietzeit in gutem, brauchbarem Zustand zurückzustellen.

§ 5 Benützung

............

2. Bauliche Veränderungen innerhalb des Bestandgegenstandes und

an der Außenseite dürfen nur mit Bewilligung des Vermieters

erfolgen. Die in diesem Zusammenhang erfolgten Investitionen,

Einbauten u.dgl. gehen sofort unentgeltlich in das Eigentum des

Vermieters über. Das gleiche gilt für Gas- und elektrische

Leitungen; diese dürfen nur unter Verputz verlegt werden......."

Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 70.000 s.A. Sie habe in der Wohnung eine Gaszentralheizung installieren, Wasser- und Ablaufleitungen verlegen und einen Gasherd anschließen lassen und hiefür insgesamt S 95.475,24 aufgewendet. Diese bei Zurückstellung der Wohnung mit S 70.000 zu bewertenden Investitionen hätten ihr die Beklagten gemäß § 10 MRG bzw. § 1097 ABGB zu ersetzen. Sie habe den Beklagten einen Nachmieter, der sich zur Befriedigung des Ersatzanspruches bereit gefunden habe, namhaft gemacht, doch sei dieser von den Beklagten nicht akzeptiert worden. Der Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen sei daher bereits fällig. Die Beklagten wendeten unter anderem ein, daß die Klägerin im Mietvertrag auf alle Ansprüche auf Ersatz von Investitionen verzichtet habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Klägerin habe im Mietvertrag - somit noch vor Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes - auf die Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen in der Wohnung verzichtet. Da das Mietrechtsgesetz in bezug auf seinen § 10 keine Übergangsregelung vorsehe, bleibe der Vorausverzicht auf Aufwandersatz auch nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes und auch, soweit es um die in dieser Gesetzesstelle umschriebenen Ansprüche gehe, wirksam. § 10 Abs 6 MRG berühre nur nach dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes geschlossene Mietverträge.

Das Gericht zweiter Instanz hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf. Ob der im § 5 Z 2 des Mietvertrages vereinbarte Vorausverzicht bei Vermietung der Wohnung (am 10. Februar 1976) wirksam gewesen sei, hänge davon ab, ob damals in der Wohnung ein WC und eine Wasserentnahmestelle vorhanden gewesen sei, da gemäß § 17 Abs 3 MG der Verzicht nur für Wohnungen, die nicht im Sinne des § 3 Z 10 StadterneuerungsG mangelhaft waren, zulässig gewesen sei. Das erstinstanzliche Verfahren sei schon deshalb mangelhaft, weil das Erstgericht über die in der genannten Gesetzesstelle festgelegten Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit des Vorausverzichtes keine Feststellungen getroffen habe. Überdies könne sich das Berufungsgericht der in der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 9. Jänner 1986, 8 Ob 628/85 (= JBl 1986, 390), vertretenen Rechtsansicht, der vor Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes vereinbarte Verzicht auf Aufwandersatz erstrecke sich auch auf Ansprüche nach § 10 MRG, nicht anschließen. § 43 Abs 1 MRG ordne die Anwendung des ersten Hauptstücks (§§ 1 bis 42) des Mietrechtsgesetzes auch auf vor dessen Inkrafttreten geschlossene Mietverträge an. Daher könnten Ersatzansprüche nach § 10 MRG auch bei Altverträgen nach Beendigung des Mietverhältnisses geltend gemacht werden. Entscheidend dafür, daß ein vorher erklärter Verzicht der Geltendmachung solcher Ansprüche nicht entgegenstehe, sei der Umstand, daß der Anspruch gemäß § 10 MRG erst nach Beendigung des Mietverhältnisses und somit erst nach Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes habe entstehen können. Es entspreche aber der Rechtsprechung, daß ein Verzicht auf dem Mieter erst künftig eingeräumte Rechte, deren Inhalt noch nicht zuverlässig abzusehen gewesen sei, nicht zulässig und wirksam sei. Das Berufungsgericht folge daher der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes MietSlg 36.264/27, wonach Bestimmungen in vor dem 1. Jänner 1982 geschlossenen Mietverträgen, daß alle künftigen Investitionen des Mieters unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergehen sollten, als Vorausverzicht gemäß § 10 Abs 6 MRG rechtsunwirksam seien. Das Erstgericht werde daher Feststellungen zu treffen haben, die eine verläßliche Prüfung des auf § 10 MRG gestützten Ersatzanspruchs ermöglichen. Sollten die Voraussetzungen hiefür nicht vorliegen, müsse immer noch geprüft werden, ob und inwieweit der Klagsanspruch auf § 1097 ABGB gestützt werden könne. Diese Bestimmung unterscheide zwischen dem Aufwand nach § 1036 und jenem nach § 1037 ABGB. Während der Ersatz des ersteren im § 4 des Mietvertrages tatsächlich ausgeschlossen worden sei, treffe dies auf den Aufwand nach § 1037 ABGB nicht ohne weiteres zu. Nicht alle von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen seien rein sprachlich als bauliche Veränderungen anzusehen. Das Erstgericht werde deshalb auf eine möglichst genaue Beschreibung der Aufwendungen zu dringen haben. Schließlich werde es nach Erörterung mit den Parteien in geeigneter Weise Feststellungen über den sprachlich nicht zweifelsfreien § 5 Z 2 des Mietvertrages zu treffen haben. Weiter bestehende Zweifel seien dann nach § 915 ABGB zu lösen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der beklagten Parteien ist nicht berechtigt. Der Mietvertrag wurde unter Verwendung eines vom Hausverwalter der Beklagten verwendeten Formblattes ausgefertigt. Auf Grund der darin vorformulierten Vertragsbestimmungen war die Klägerin einerseits - entgegen § 1096 ABGB - verpflichtet, den Mietgegenstand auf ihre Kosten ohne Anspruch auf Ersatz in gutem, brauchbarem Zustand zu erhalten bzw. zurückzustellen (§ 4); andererseits sollten alle im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen erfolgten Investitionen, Einbauten u.dgl. sowie Gas- und elektrische Leitungen sofort unentgeltlich in das Eigentum des Vermieters übergehen. Damit hat die Klägerin - wie das Berufungsgericht richtig erkannte - auf den Anspruch auf Ersatz der dem Bestandgeber obliegenden Aufwendungen (§§ 1097, 1036 ABGB; vgl. Würth in Rummel, ABGB, § 1097 Rz 3) und, soweit ihre Investitionen in der Wohnung bauliche Veränderungen betrafen, auch auf nützliche Aufwendungen auf die Wohnung (§§ 1097, 1037 ABGB) verzichtet. Im Vordergrund der Rekursausführungen steht die Frage, ob und inwieweit die Klägerin auf diese Ersatzansprüche im voraus wirksam verzichten konnte. Die Klägerin stützt das Klagebegehren sowohl auf § 10 MRG als auch auf § 1097 ABGB. Der im § 10 MRG vorgesehene Anspruch des Mieters auf Ersatz von Aufwendungen zur wesentlichen Verbesserung der Wohnung wurde erst durch das am 1. Jänner 1982, demnach erst nahezu sechs Jahre nach Abschluß des Mietvertrages in Kraft getretene Mietrechtsgesetz eingeführt (vgl. Würth aaO § 1097 Rz 8) und so gestaltet, daß der Hauptmieter auf den Ersatzanspruch im voraus nicht rechtswirksam verzichten kann (§ 10 Abs 6 MRG). Dennoch wurde in der Entscheidung JBl 1986, 390 = RdW 1986, 175 ausgesprochen, daß ein vor Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes nach der damals geltenden Rechtslage wirksamer Vorausverzicht auf Ersatzansprüche wegen Aufwendungen auf das Mietobjekt weiterhin auch für Ansprüche nach § 10 MRG mangels Rückwirkung dieser Bestimmung wirksam bleibe. Dieser Ansicht vermag der erkennende Senat nicht beizutreten. § 43 Abs 1 MRG ordnet die Anwendung der §§ 1 bis 42 MRG ab Inkrafttreten des Gesetzes auch auf vorher abgeschlossene Mietverträge an, so daß sich der durch § 10 MRG neu geschaffene Ersatzanspruch jedenfalls auf erst nach Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes getätigte Investitionen im Rahmen schon vor diesem Zeitpunkt begründeter Mietverhältnisse ("Altverträge") erstreckt, weil der Vorausverzicht der Klägerin ab diesem Zeitpunkt - soweit es um Ansprüche nach § 10 MRG geht - seiner Wirksamkeit entkleidet war. Fraglich könnte es lediglich sein, ob der vorher vereinbarte Verzicht Ansprüche der Klägerin auf Ersatz von ihr gleichfalls schon vorher getätigter Aufwendungen - der Zeitpunkt der Vornahme ihrer Investitionen steht nicht fest - gar nicht erst entstehen ließ und ihr daher bei Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes überhaupt keine Ersatzansprüche, die einer Beurteilung nach § 10 MRG zu unterziehen wären, zustanden. Diese Frage ist jedoch zu verneinen. Gemäß § 10 Abs 1 MRG hat der Hauptmieter einer Wohnung erst bei der Beendigung des Mietverhältnisses Anspruch auf Ersatz näher bezeichneter Aufwendungen, den er überdies erst unter den im Abs 5 umschriebenen Voraussetzungen gerichtlich geltend machen kann. Eine der Voraussetzungen der Entstehung des Ersatzanspruches ist damit die Auflösung des Mietverhältnisses (Würth aaO § 10 MRG Rz 4; vgl. zur Frage des Zeitpunkts des Entstehens des Anspruchs nach § 1097 ABGB SZ 47/98; MietSlg 28.135 ua.; Würth aaO § 1097 Rz 4). Ist das Mietverhältnis erst nach Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes aufgelöst worden (bei vorher beendeten Bestandverhältnissen konnte sich das Problem eines nach § 10 MRG zu beurteilenden Anspruchs nicht stellen), so ist gemäß § 43 Abs 1 MRG § 10 dieses Gesetzes auch auf vor dem 1. Jänner 1982 abgeschlossene Mietverträge und damit auf alle in den letzten 20 Kalenderjahren vor der Beendigung des Mietverhältnisses gemachten Aufwendungen anzuwenden; deshalb unterscheidet das Mietrechtsgesetz in bezug auf die Ersatzfähigkeit von Aufwendungen des Hauptmieters auch nicht, ob die Investitionen vor oder nach Inkrafttreten dieses Gesetzes getätigt wurden (Call-Tschütscher, MRG, 100 Fälle mit Lösungsvorschlägen, Fall 13, S. 53; ähnlich auch Iro in RdW 1986, 175 und, allerdings ohne nähere Begründung, Würth in ImmZ 1986, 253 und Entscheidung JBl 1985, 236 = MietSlg 36.264/27). Die Klägerin ist somit berechtigt, den im voraus unverzichtbaren Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen nach § 10 MRG unter den dort umschriebenen Voraussetzungen geltend zu machen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen - insbesondere ob die nach § 10 MRG zu beurteilenden Ansprüche der Klägerin rechtzeitig und wirksam geltend gemacht wurden bzw. der von der Klägerin namhaft gemachte Nachmieter eine dem § 10 Abs 5 Z 1 MRG entsprechende Erklärung abgegeben hat - wird das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben.

Auf die erst vom Berufungsgericht aufgeworfene Frage, inwieweit der Verzicht der Klägerin in bezug auf bestimmte Aufwendungen schon bei Abschluß des Mietvertrages gemäß § 17 Abs 3 MG unwirksam war, ist nicht weiter einzugehen, weil der dort vorgesehene besondere Aufwandersatzanspruch nach Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes (1. Jänner 1982) nicht mehr geltend gemacht werden kann. Auf den weitergehenden Ersatzanspruch nach den §§ 1097, 1037 ABGB konnte der Mieter aber auch im zeitlichen Geltungsbereich des Mietengesetzes wirksam verzichten (Zingher, MG18, 79).

Zu prüfen bleibt die weitere Frage, ob sich der im § 5 Z 2 des Mietvertrages enthaltene Verzicht auf Ersatz von Investitionen im Zuammenhang mit "baulichen Veränderungen" auf die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen (Installation einer Gaszentralheizung, Verlegung von Wasser- und Ablaufleitungen sowie Anschluß eines Gasherdes) erstreckt; bei Verneinung dieser Frage wären die eingeklagten Ersatzansprüche - soweit die besonderen Voraussetzungen des § 10 MRG nicht zutreffen sollten - auch nach den §§ 1097, 1037 ABGB auf ihre Berechtigung zu prüfen, weil § 10 Abs 7 MRG anordnet, daß weitergehende Ansprüche nach den genannten Gesetzesstellen unberührt bleiben (vgl. auch Würth aaO § 10 MRG Rz 2). Dem Berufungsgericht ist beizupflichten, daß die in der Klage nur undeutlich beschriebenen Aufwendungen nicht ohne weiteres dem Begriff "bauliche Veränderungen" unterstellt werden können. Dabei fällt auf, daß der Verfasser des vorformulierten Vertragstextes selbst die Verlegung von Leitungen nicht als bauliche Veränderungen verstanden hat und nur Gas- und elektrische Leitungen dem rechtlichen Schicksal von Investitionen im Zusammenhang mit baulichen Veränderungen gleichstellen wollte. Sollte die Erforschung des Parteiwillens (§ 914 ABGB) keinen Erfolg zeitigen, wird das Erstgericht bei der Auslegung dieses Vertragspunktes nicht bloß die Unklarheitenregel des § 915 ABGB, sondern auch den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, daß ein Verzicht einschränkend auszulegen ist (vgl. die Nachweise in Rummel, ABGB § 1444 Rz 5), in seine Erwägungen miteinbeziehen müssen. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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