OGH 2Ob23/87

OGH2Ob23/8712.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloisia K***, Pensionistin, 5020 Salzburg, Reiffensteinstraße 9, vertreten durch Dr. Walter Nimführ, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei S*** S***, Salzburger Stadtwerke Verkehrsbetriebe, Schloß Mirabell, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Utho Hosp, Dr. Wolfgang Weis, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 80.000,--, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 23. Dezember 1986, GZ 2 R 291/86-33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. August 1986, GZ 8 Cg 31/85-27, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache dahin erkannt, daß das erstgerichtliche Urteil wieder hergestellt wird. Die beklagte Partei hat der Klägerin die mit S 3.535,95 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 321,45 Umsatzsteuer) sowie die mit S 9.243,80 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten S 385,80 Umsatzsteuer und S 5.000,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 2. Jänner 1985 führten die Salzburger Verkehrsbetriebe, deren Rechtsträger die S*** S*** ist, in der Fadingerstraße im Stadtgebiet von Salzburg Bauarbeiten an der nicht unter Strom stehenden Obus-Oberleitung durch. Dabei verfing sich ein bei den Arbeiten gelockerter und zu tief herabhängender Fahrleitungsdraht am Aufbau eines vorbeifahrenden LKWs, fiel auf den Gehsteig und traf den dort stehenden Hermann K***, wodurch dieser verletzt wurde. Hermann K*** ist am 19. März 1985 an einem nicht unfallsbedingten Leiden gestorben. Sein Nachlaß wurde seiner Witwe eingeantwortet. In der am 31. Jänner 1985 eingebrachten Klage wird die Haftung der S*** S*** als beklagte Partei für alle Handlungen und Unterlassungen ihrer Bediensteten sowie für alle sonstigen schadenskausalen Ereignisse, ob schuldhaft oder ohne Verschulden herbeigeführt, aus allen in Frage kommenden Rechtsgründen, vor allem jenen des EKHG und der Haftung für gefährliche Betriebe, in Anspruch genommen und die Zahlung eines Schmerzengeldes von S 80.000,-- gefordert.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Das Herabreißen eines herabhängenden Spanndrahtes durch einen vorbeifahrenden LKW hänge mit dem Obus-Betrieb nicht zusammen, auch ein von der beklagten Partei zu vertretendes schuldhaftes Verhalten ihrer Bediensteten liege nicht vor und sei für den Unfall nicht ursächlich gewesen. Vorsichtshalber werde ein gleichteiliges Mitverschulden des Verletzten eingewendet, die behaupteten Verletzungen seien nicht unfallskausel.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht hob das erstgerichtliche Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Gegen den berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschluß erhebt die Klägerin einen auf unrichtige rechtliche Beurteilung gestützten Rekurs mit dem Antrage auf Aufhebung des Beschlusses und Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gerechtfertigt.

Nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen wurden vom 2. Jänner bis 6. Jänner 1985 an der Obus-Oberleitung Fadingerstraße in Salzburg Arbeiten durchgeführt, weshalb der Obus-Fahrbetrieb eingestellt und ein Autobusverkehr eingerichtet war. Am 2. Jänner 1985 um ca. 10.40 Uhr hing ein bei den Arbeiten gelockerter Fahrdraht so weit durch, daß er weniger als 3,4 m von der Fahrbahn entfernt war. Wegen eines bei den Arbeiten eingesetzten, in der Mitte der Fahrbahn stehenden Turmwagens und am rechten Fahrbahnrand abgestellter Fahrzeuge mußte der Lenker eines nachkommenden LKWs auf die linke Fahrbahnhälfte ausweichen, fuhr in einem Abstand von 20 bis 25 cm am Turmwagen vorbei und lenkte sodann wegen aus der Gegenrichtung kommender, dort angehaltener Fahrzeuge nach Passieren des Turmwagens knapp vor diesem wieder nach rechts. Dabei verfing sich der 3,4 m hohe Aufbau des LKWs an dem durchhängenden, von Erich K*** und zwei weiteren Bediensteten der beklagten Partei gehaltenen Fahrleitungsdraht, dieser fiel auf den Gehsteig und traf dabei den dort drei Meter von K*** entfernt stehenden Hermann K***. Zur Unfallszeit war der Gehsteig für Fußgänger nicht gesperrt gewesen. Nach Ansicht K***, des Dienstältesten der Arbeitsgruppe, war mit den Arbeiten für Passanten keine Gefahr verbunden. Durch den herabfallenden Draht erlitt der damals fast 89-jährige, an einer Hirnaderverkalkung leidende Hermann K*** ein Schädelhirntrauma I, das ist eine leichte Schädel-Hirn-Verletzung in Form einer Schädelprellung und eines flüchtigen Hirnerschütterungssyndroms, weiters auch Hautabschürfungen an der Stirn und an einem Außenknöchel sowie eine Seitenbandzerrung eines Daumens. In der Folge kam es bei ihm unfallsbedingt trotz Durchführung zweier Augenoperationen zu einer Erblindung des rechten Auges. Am 19. März 1985 starb Hermann K*** an einem Schlaganfall. Mit den Unfallsverletzungen waren durch neun Tagen starke Schmerzen, durch 24 Tage mittelstarke Schmerzen und durch 44 Tage leichte Schmerzen verbunden.

In seiner rechtlichen Beurteilung verneinte das Erstgericht eine Haftung der beklagten Partei nach den Bestimmungen des EKHG, weil der Unfall nicht beim Betrieb eines Oberleitungskraftfahrzeuges, sondern bei Reparaturen bzw. Arbeiten an einer stillgelegten Oberleitung eingetreten sei. Auch ein beim Betrieb einer Eisenbahn entstandener Unfall - nach den Bestimmungen der §§ 1 und 5 EisbG seien Oberleitungsomnibusbetriebe als Straßenbahnen und somit als Eisenbahnen zu qualifizieren, soferne es sich nicht um die Haftung für Schäden beim Betrieb eines Oberleitungs-Kraftfahrzeuges handle - liege nicht vor, weil der Unfall sich hier weder in Zusammenhang mit den besonderen Gefahren, die dem Bahnbetrieb im Verhältnis zu anderen Transportbetrieben anhafteten, noch in örtlichem oder zeitlichen oder ursächlichen Zusammenhang mit Betriebsvorgängen oder Betriebseinrichtungen dieser Bahn ereignet habe. Ein Unfall, der nur durch eine Betriebsanlage ohne Rücksicht auf den Betrieb verursacht werde, sei kein Betriebsunfall. Das Anfahren an einen in zu geringer Höhe gehaltenen Leitungsdraht sei also weder ein Unfall beim Betrieb der Eisenbahn noch ergebe sich der Unfall aus der eigentümlichen Gefahr eines Eisenbahnbetriebes, denn auch das Herabfallen eines zu niedrig gehaltenen anderen Kabels oder das Anfahren an einem Straßenschild vermöge dieselben Gefahren auszulösen. Somit sei eine Haftung nach dem EKHG in Verbindung mit dem Eisenbahngesetz nicht gegeben. Auf die Haftungsgründe der §§ 1315 und 1313 a ABGB sei mangels entsprechender Behauptungen bzw. Vorliegens der erforderlichen Voraussetzungen nicht näher einzugehen. Eine juristische Person hafte aber für Überwachungs- und Organisationsverschulden. Nach § 90 StVO sei für Arbeiten auf der Straße, welche den Straßenverkehr beeinträchtigen, eine behördliche Bewilligung erforderlich. Eine derartige Bewilligung habe die beklagte Partei nicht behauptet. Tatsächlich sei durch die Arbeiten unter Verwendung eines Turmwagens eine Verengung der Fadingerstraße und solcherart eine starke Beeinträchtigung der Sicherheit des Verkehrs erfolgt. Die beklagte Partei hätte daher entweder selbst oder durch Polizeiorgane eine Verkehrsregelung durchführen müssen. Das Unterbleiben einer derartigen Regelung erscheine vorliegendenfalls auch unfallskausal, weil in diesem Falle das Durchhängen des Leitungsdrahtes bemerkt und der LKW angehalten oder der Gegenverkehr in einer derartigen Entfernung von diesem zum Stillstand gebracht worden wäre, daß der LKW-Lenker nicht so nahe dem Turmwagen eine Rechtslenkung habe vornehmen müssen. Diese Unterlassung einer Verkehrsregelung stelle ein Verschulden der Repräsentanten der beklagten Partei dar, sodaß ihre Haftung für die Körperverletzung des Hermann K*** gegeben sei. Das vom Klagebegehren umfaßte Schmerzengeld erscheine der Höhe nach gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht war der Rechtsansicht, mangels eines Sachvorbringens der klagenden Partei zur Frage der Bewilligung der gegenständlichen Arbeiten im Sinne des § 90 StVO hätte das Erstgericht die beklagte Partei nicht mit diesem Haftungsgrund überraschen, sondern diese Frage vorher mit den Parteien erörtern müssen. Mangels einer solchen Erörterung sei der beklagten Partei die Möglichkeit zu diesbezüglichen Gegenbehauptungen und Beweisanboten genommen worden. Somit seien erheblich scheinende Tatsachen nicht erörtert worden, was die Urteilsaufhebung zur Folge habe. Im übrigen sei der Rechtsansicht des Erstgerichtes beizutreten. Da der Unfall nur durch eine Betriebsanlage ohne unmittelbaren Zusammenhang mit einem Beförderungsvorgang verursacht worden sei, sei der Schaden nicht im Sinne des § 1 EKHG "beim Betrieb" entstanden, sodaß eine Haftung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht bestehe. Das Herabreißen eines Leitungsdrahtes durch einen vorbeifahrenden LKW stelle keine eigentümliche Gefahr beim Betrieb eines Omnibusses dar. Soweit ein Unfall nicht auf die besondere Gefährlichkeit der Fortbewegung zurückgeführt werden könne, treffe daher den Eisenbahnunternehmer nur die Verschuldenshaftung.

In ihrem Rekurs bringt die klagende Partei vor, der Zeuge K*** habe ohnedies ausgesagt, daß die Verkehrsbetriebe niemanden zur Verkehrsregelung an die Baustelle abgestellt gehabt hätten und auch keine polizeiliche Verkehrsregelung veranlaßt worden sei. Somit wäre es Sache der beklagten Partei gewesen, das Vorliegen einer Bewilligung nach § 90 StVO dennoch zu behaupten und zu beweisen. Im übrigen sei die Klage "auf ein Verhalten der beklagten Partei mit und ohne Verschulden" gestützt und daher ohnehin eine hinreichende Konkretisierung erfolgt. In der Berufung gehe die beklagte Partei selbst von einem Fehlen einer Bewilligung nach § 90 StVO aus und behaupte nur, und zwar unrichtigerweise, daß es sich um kurzfristige dringende Reparaturen gehandelt habe, für welche gemäß § 90 Abs 2 StVO keine Bewilligungspflicht bestanden habe. Somit liege kein die Urteilsaufhebung rechtfertigender Mangel vor. Zu Unrecht werde im übrigen von beiden Unterinstanzen die eisenbahnrechtliche Gefährdungshaftung der beklagten Partei verneint. Unter Omnibusbetrieb sei nicht nur der Fahrbetrieb, sondern auch der Betrieb als Unternehmen, Organisation, Anlage und Einrichtung zu verstehen. Das Herabhängen und Herabfallen eines Fahrdrahtes sei typisch für einen Omnibusbetrieb, die Oberleitung bedeute solcherart auch eine zusätzliche über das normale Maß hinausgehende Gefahrenquelle. Im übrigen müßte die beklagte Partei nach den Grundsätzen der Repräsentantenhaftung dafür einstehen, daß ihre Organe es schuldhaft unterlassen hätten, für eine hinreichende Absperrung und eine entsprechende Verkehrsregelung zu sorgen. Auch bestehe ein Quasi-Vertragsverhältnis der S*** S***

gegenüber ihren Bürgern, sodaß sie für deren Sicherheit sorgen müsse, woraus eine Haftung nach § 1313 a ABGB folge. Schließlich bestehe auch noch eine verschuldensunabhängige Haftung nach den §§ 1318 und 1319 ABGB.

Zu diesen Ausführungen war zu erwägen:

Nach ständiger Judikatur sind die Gerichte berechtigt, über das Parteivorbringen hinausgehende Beweisergebnisse zu berücksichtigen, soferne diese in den Rahmen eines geltend gemachten Klagsgrundes oder einer bestimmten Einwendung fallen (5 Ob 217/75, 7 Ob 501/87 u.a.). Die einzelnen Haftungsgründe z.B. auch eines Überwachungs- oder Organisationsverschuldens, müssen demnach ebenso wie ein angebliches Zuwiderhandeln gegen bestimmte Schutzvorschriften schon in erster Instanz behauptet und unter Beweis gestellt werden (SZ 41/43; ZVR 1983/53; 2 Ob 1/71, 2 Ob 186/83 u.a.). Ein nicht in erheblicher Weise geltend gemachten Haftungsgrund darf vom Erstgericht somit nicht berücksichtigt werden und das Berufungsgericht hat von der Berufung gerügte diesbezügliche Verstöße wahrzunehmen. Ob vorliegendenfalls im Hinblick auf die offenbar lediglich eine Verletzung der Anleitungspflicht nach § 182 ZPO geltend machenden Berufungsausführungen die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles zu dem vom Berufungsgericht genannten Zwecke der Erörterung des nicht gehörig erhobenen und die Parteien somit überraschenden Haftungsgrundes zulässig war - grundsätzlich darf das Berufungsgericht das erstgerichtliche Urteil nicht zum Zwecke der Nachholung eines bisher versäumten Vorbringens und des Anbotes diesbezüglicher Beweise aufheben -, kann jedoch dahingestellt bleiben, weil die Frage des Vorliegens dieses Haftungsgrundes nicht entscheidungserheblich ist. Auch darauf, ob zu den von der Klägerin im Rekurs weiters behaupteten Haftungsgründen erforderliches Sachvorbringen in erster Instanz jeweils erstattet wurde, muß nicht eingegangen werden. Entgegen der Rechtsansicht der Unterinstanzen ist nämlich die von der Klägerin ausdrücklich geltend gemachte Haftung der beklagten Partei für den gegenständlichen Unfall nach den Bestimmungen des EKHG zu bejahen.

Nach § 1 EisenbahnG gehören zu den Eisenbahnen auch die Straßenbahnen. Gemäß § 5 Abs 2 EisenbahnG gelten Oberleitungsomnibusbetriebe als Straßenbahnen, soferne es sich nicht um die Haftung für Schäden beim Betrieb eines Oberleitungskraftfahrzeuges handelt. Oberleitungsomnibusse selbst sind, soweit es um die Haftung nach dem EKHG geht, daher als Kraftfahrzeuge und nicht als Eisenbahnen anzusehen, wie dies auch aus § 2 Z 1 KFG hervorgeht (vgl. Koziol Haftpflichtrecht2 II 521). Im Sinne des § 1 EKHG sind u.a. Schäden aus Körperverletzungen, die durch einen Unfall beim Betrieb einer Eisenbahn oder beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstehen, gemäß den Bestimmungen dieses Gesetzes zu ersetzen. In den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Gesetzesstelle wird die in dieser erfolgte zweifache Verwendung des Ausdruckes "beim Betrieb" damit erklärt, der Betrieb der Eisenbahn meine die gesamte technische Organisation, dagegen der Betrieb des Kraftfahrzeuges entweder die tatsächliche Fortbewegung im Verkehr oder doch die technische Bereitschaft zur Fortbewegung. Von der herrschenden Lehre und Rechtsprechung wird demgemäß bei einem Eisenbahnbetrieb in Übereinstimmung auch mit der deutschen und schweizerischen Auffassung über einen erweiterten Betriebsbegriff angenommen, daß ein Betriebsunfall nicht nur dann vorliegt, wenn ein innerer Zusammenhang mit einer dem Eisenbahnbetrieb eigentümlichen Gefahr oder ein äußerer, das ist örtlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang selbst besteht, sondern auch dann, wenn ein solcher örtlicher oder zeitlicher Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung gegeben ist (Koziol aaO 517 ff; Veit EKHG4 14; Schlegelmilch in Geigel, Der Haftpflichtprozeß19 559, Anm. 17 bis 19; 8 Ob 10/80, 7 Ob 657/80; ZVR 1981/220, ZVR 1985/158). Die besonderen Haftungsregeln des EKHG erfassen bei Eisenbahnen eben nicht bloß die Betriebsmittel, sondern den gesamten technischen Betrieb. Dabei reicht es aus, daß der Bahnbetrieb einer der mitwirkenden Ursachen des Unfalles ist (Schlegelmilch aaO 559 Anm. 18; Veit aaO 14).

Unfälle, die nur durch Anlagen ohne Bezug auf den Betrieb der Eisenbahn verursacht werden, scheiden allerdings als Betriebsunfälle grundsätzlich aus (Veit aaO, Koziol aaO 518; Schlegelmilch aaO 560, Anm. 20; Wussow Unfallhaftpflichtrecht13 Rz 636; 8 Ob 10/80, 8 Ob 287/79, 7 Ob 657/80). Dies gilt aber dann nicht, wenn der Unfall auf einen Fehler in der Beschaffenheit der Anlage oder einem Versagen ihrer Verrichtungen beruht (Wussow aaO). Demgemäß wurde z. B. die Beeinträchtigung der Erkennbarkeit der Warnbakken durch angewehten Schnee der Betriebsgefahr der Eisenbahn zugerechnet (BGH VersR 66, 65; Schlegelmilch aaO 561; Anm. 21). Auch das Herabhängen eines Fahrleitungsdrahtes stellt einen Mangel in der Beschaffenheit der Anlage dar und ist somit aber der Betriebsgefahr der Eisenbahn zuzuzählen. Der Unfall steht solcherart in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebseinrichtung und wurde nicht durch das bloße Vorhandensein der technischen Eisenbahnanlage (vgl. Schlegelmilch aaO 560, Anm. 20), sondern eben durch ihre mangelhafte Beschaffenheit mitverursacht. Der vorliegende Fall läßt sich nicht mit jenem der von den Unterinstanzen zitierten, zum Sachschadenhaftpflichtgesetz ergangenen Entscheidung ZVR 1960/207 vergleichen, weil dort nach der Urteilsbegründung wegen des zwischen dem Abschluß von Gleisreparaturarbeiten und dem Unfall liegenden Zeitraumes von vielen Monaten ein zeitlicher, darüber hinaus wegen der räumlichen Entfernung des den Unfall auslösenden "Holzstückes" von der Bahnanlage auch ein örtlicher Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb nicht vorlag. Entgegen der vorgenannten und auch der weiters angeführten, einen Sturz wegen Eisglätte betreffenden Entscheidung ZVR 1981/220 kann hier auch nicht gesagt werden, daß sich dieser Unfall in gleicher Weise auch an jedem beliebigen anderen Ort oder an jeder anderen Baustelle hätte ereignen können, weil Fahrdrähte eben nur im Zusammenhang mit Eisenbahn-(Straßenbahn = Oberleitungsomnibus-)anlagen vorhanden sind. Im Hinblick auf den von Lehre und Judikatur geforderten und hier auch gegebenen äußereren, das ist örtlichen und zeitlichen Zusammenhang des Unfalles mit der Betriebseinrichtung der Verkehrsbetriebe der beklagten Partei ist deren Haftung nach den Regeln des EKHG über die Gefährdungshaftung der Eisenbahn daher zu bejahen.

Einen Befreiungsbeweis im Sinne des § 9 Abs 2 EKHG hat die beklagte Partei nicht angeboten, ein solcher könnte beim gegebenen Sachverhalt im Hinblick auf das festgestellte Verhalten ihrer Leute auch nicht erbracht werden.

Die erstgerichtliche Verneinung des behaupteten Mitverschuldens des Hermann K*** am Unfall sowie die Höhe des vom Erstgericht zuerkannten Schmerzengeldes wurden in der Berufung der beklagten Partei nicht bekämpft, so daß eine diesbezügliche Überprüfung in dritter Instanz nicht zu erfolgen hat.

Im Sinne des § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO war somit vom Obersten Gerichtshof durch Urteil in der Sache selbst zu erkennen und in Stattgebung des Rekurses der Klägerin das erstgerichtliche Urteil wieder herzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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