OGH 8Ob86/68

OGH8Ob86/689.4.1968

SZ 41/43

Normen

ABGB §1311
ABGB §1315
ZPO §482
ABGB §1311
ABGB §1315
ZPO §482

 

Spruch:

Das Zuwiderhandeln gegen bestimmte Schutzvorschriften muß schon in erster Instanz behauptet werden.

Dem Hersteller schon ihrem Wesen nach gefährlicher Gegenstände trifft bei Beschädigungen in Auswirkung bloß dieser Gefährlichkeit keine besondere Haftung.

Entscheidung vom 9. April 1968, 8 Ob 86/68.

I. Instanz: Landesgericht Klagenfurt; II. Instanz: Oberlandesgericht Graz.

Text

Am Abend des 11. September 1962 wollte bei einer Feuerwehrübung der Kläger als Feuerwehrmann auf dem Glockenturm der Kirche in I. eine Rauchpatrone entzunden. Beim Reiben des Zundkopfes an der Reibfläche einer Streichholzschachtel kam es zu einer starken Explosion, durch die der Kläger Verbrennungen am Gesicht, an beiden Händen und am linken Unterarm erlitt. Diese Rauchpatrone war zusammen mit zwei anderen vom Kläger bei der Firma D. erworben worden. Sie stammt aus einer vom Beklagten an D. am 23. Dezember 1961 getätigten Lieferung. Im Betriebe des Beklagten werden Rauchpatronen gewöhnlich erst auf Bestellung zu etwa 100 Stück erzeugt. Im Betrieb lagern sie höchstens zwei bis drei Monate. Eine Verwechslung von Böllersatz und Zundsatz im Betrieb des Beklagten ist nicht anzunehmen. Die Lagerung der Rauchpatronen war dort sachgemäß.

Der Kläger begehrt als Verdienstentgang 19.880 S und ein Schmerzensgeld von 10.000 S mit der Begründung, die Ursache der Explosion sei entweder in einem Erzeugungsfehler oder in der Tatsache gelegen gewesen, daß die Rauchpatrone infolge zu langer Lagerung zersetzt worden sei. In beiden Fällen treffe die beklagte Partei ein Verschulden, die entweder für die richtige Zusammensetzung der Patrone nicht gesorgt oder diese trotz eingetretener Zersetzung an den Händler veräußert oder es unterlassen habe, auf die beschränkte Gebrauchsfähigkeit hinzuweisen.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, ein Verschulden des Beklagten sei nicht erwiesen, zumal eine hohe Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges zwischen dem Unfall des Klägers und einem Erzeugungsfehler des Beklagten nicht gegeben sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es ging von folgenden rechtlichen Erwägungen aus:

Der Kläger hätte den Nachweis für den Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten des Beklagten und den Schadenseintritt zunächst insoweit zu erbringen gehabt, daß nach den Umständen des Falles und nach allgemeiner menschlicher Erfahrung die Schadenszufügung durch den Schädiger überwiegend wahrscheinlich wäre. Erst wenn dem Kläger dieser Beweis gelungen wäre, wäre es Sache des Beklagten nachzuweisen, daß nicht dessen Verhalten, sondern eine andere Ursache den Schaden ausgelöst habe. Von den in Betracht kommenden Explosionsursachen seien die Zundung in einem geschlossenen Raum, ein unsachgemäßes Hantieren des Klägers beim Entzunden der Patrone, eine zu lange Lagerung der Patrone, deren unrichtige Lagerung im Betrieb des Beklagten, bei der Firma D. oder beim Kläger, ein Fehler im Zundsatz und eine Änderung der Füllmengen auszuschließen. Die Verwendung eines Aluminium-Perchloratsatzes (Böllersatzes) als Zundsatzes oder von schlechtem Rohmaterial sei äußerst unwahrscheinlich. Es verbleibe nur das Feuchtwerden der ordnungsgemäß hergestellten Rauchpatrone und das spätere Trocknen der Füllmenge. Es fehle ein Anhaltspunkt dafür, daß die gegenständliche Rauchpatronensendung aus dem Betrieb des Beklagten feucht ausgeliefert worden sei. Es bestehe aber die Möglichkeit, daß die Patronensendung oder nur eine oder mehrere Patronen während des Bahntransportes vom Beklagten zur Firma D. trotz vorschriftsgemäßer Verpackung feucht geworden seien. Die Wahrscheinlichkeit spreche dafür, daß während des Bahntransportes nur die eine Rauchpatrone feucht geworden sei, weil nur die eine Explosion bekannt geworden sei, obwohl auch die übrigen Patronen aus dem gleichen Produktionsgang veräußert und verwendet, aber keine Beanstandungen bekannt geworden seien. Der Kläger habe keine Beweise dafür angeboten, daß ein Feuchtwerden der Patronen während des Transportes unmöglich gewesen wäre. Es zeige sich sohin, daß der Beklagte die Explosion, sei es durch einen Erzeugungsfehler, sei es durch eine unrichtige oder zu lange Lagerung, nicht überwiegend wahrscheinlich verursacht habe. Es sei vielmehr das Gegenteil erwiesen. Es komme auch eine Gefährdungshaftung der beklagten Partei für Schäden aus einem gefährlichen Betrieb nicht in Betracht, weil sich der Unfall nicht im Zusammenhang mit der bei der Erzeugung von pyrotechnischen Artikeln verbundenen Betriebsgefahr, sondern bei der Verwendung eines an einen Dritten verkauften Produktes des gefährlichen Betriebes ereignet habe. Da dem Kläger der Nachweis des ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Explosion und einem mangelhaften Betriebsvorgang bei der Erzeugung des Feuerwerkskörpers mißlungen sei, sei die Klagsabweisung begrundet.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision vermeint, die Untergerichte hätten außer acht gelassen, daß der Beklagte in seinem Herstellungsbetrieb die anzuwendenden Schutzvorschriften nicht eingehalten habe, die es verbieten, Geräte und Gefäße für Chlorate und Chloratsätze für andere Zwecke zu verwenden, und anordnen, daß besondere Räume für das Einfüllen des Satzes, das Pressen und Schlagen von Sätzen und das Abstellen von Sätzen und Zwischenerzeugnissen vorhanden sein müssen. Beim Beklagten werde hingegen die Erzeugung bloß in einzelne Kojen aufgeteilt und die jeweiligen Mischungen würden vom Werkmeister in die Kojen gebracht.

Wenn der Kläger damit die Haftung der beklagten Partei nach § 1311 ABGB. begrunden will, von der sich der Beklagte nur dann befreien könnte, wenn er nachwiese, daß der Schaden auch ohne sein verbotswidriges Verhalten eingetreten wäre, so kann der Rüge deshalb nicht gefolgt werden, weil der Kläger im Verfahren erster Instanz die Tatsache des Zuwiderhandelns gegen bestimmte Schutzvorschriften nicht behauptet und auch keine Beweise dafür angeboten hat (vgl. JBl. 1930 S. 478 u. a.). Es kann daher im Rechtsmittelverfahren unerörtert bleiben, ob der Beklagte bei der Erzeugung der gegenständlichen Rauchpatrone schädigenden Explosionen vorbeugende Schutzvorschriften nicht eingehalten hat.

Die Meinung des Klägers, der Beklagte habe die Explosion auf jeden Fall zu verantworten, gleichgültig, ob die Explosion auf die Einwirkung von Feuchtigkeit oder auf die Beimengung von Perchlorat zurückzuführen sei, kann nicht überzeugen. Die bloße Vermutung der Materialverwechslung, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes im vorliegenden Fall als unwahrscheinlich anzunehmen ist, kann nämlich nicht zur Annahme der Verursachung des Schadens durch die beklagte Partei führen. Die Feuchtigkeitseinwirkungen, falls sie Ursache der Explosion gewesen sein sollten, sind aber nicht von der beklagten Partei zu verantworten, da nach der Sachverhaltsdarstellung des Berufungsgerichtes die Verpackung ordnungsgemäß war.

Der Kläger leitet die Haftung der beklagten Partei davon ab, daß der Betrieb des Beklagten ein "gefährlicher Betrieb" sei und deshalb der Beklagte auch bei Nichtverschulden für den Schaden einzustehen habe.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Betrieb des Beklagten als gefährlicher Betrieb zu werten ist. Jedenfalls kann die Haftung aus dem gefährlichen Betrieb sich nur auf Schäden beziehen, die durch den Unternehmer oder einen Betriebsgehilfen verschuldet wurden, ohne daß die Gehilfenhaftung nur bei Untüchtigkeit des Gehilfen einträte. Eine Haftung bloß aus der Gefährlichkeit eines Produktes, das bereits in den Verkehr gelangt war, besteht nicht. Es kommt sohin eine bloße

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