Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die 10., 12. und 13. beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit S 18.245,10 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.920 Barauslagen und S 1.484,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 28. Dezember 1981 verstorbene Theresia D*** setzte in einem Testament vom 25. April 1974 Stefanie M*** als Erbin ein. Mit Kodizill vom 22. Dezember 1981 vermachte sie eine Grundparzelle samt Haus und Waldanteil den beiden Klägern. Stefanie M*** ist am 31. Dezember 1981 verstorben, ihr Nachlaß wurde den Beklagten aufgrund des Gesetzes eingeantwortet.
Die Kläger begehrten, die Beklagten schuldig zu erkennen, gegenüber dem Bezirksgericht Zistersdorf ihre Zustimmung zur Ausstellung folgender Amtsbestätigung zu erklären: "In der Verlassenschaft nach der am 28. Dezember 1981 verstorbenen Theresia D***, Pensionistin, zuletzt wohnhaft gewesen in 2265 Drösing, Hauptstraße 19, wird aufgrund des erblasserischen Kodizils vom 22. Dezember 1981 bestätigt, daß ob der der Erblasserin Theresia D***, geboren 22. März 1887, allein gehörigen Parzelle Nr. 89 Baufläche, Haus Nr. 11, mit welchem Haus der Waldanteil (Halblehner-Anteil der Agrargemeinschaft Drösing) untrennbar verbunden ist, inneliegend in EZ 11 des Grundbuches der KG Drösing, das Eigentumsrecht für Johann A***, geboren am 17. August 1910, und Hedwig A***, geboren 12. Oktober 1921, je zur Hälfte einverleibt werden kann."
Die Beklagten wendeten ein, das Kodizill sei infolge Handlungs- und Testierunfähigkeit der Theresia D*** rechtsunwirksam.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Aus seinen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:
Die am 22. März 1887 geborene Theresia D*** sagte zu den Klägern, die sie seit Anfang 1977 betreuten, öfters, daß ihnen einmal ihr Haus gehören solle. Theresia D*** war seit November 1977 praktisch blind und litt im Jahre 1981 an Hypertonie und Kardialdekompensation. Im Dezember 1981 besserte sich ihr Zustand aber insofern, als sie nicht akut bedroht war. In den Monaten September bis Dezember 1981 unterschrieb Theresia D*** die Pensionsüberweisungen der Sozialversicherungsanstalt, allerdings nicht auf der vorgesehenen Unterschriftslinie. In der Nacht vom 20. zum 21. Dezember 1981 stürzte sie vor dem Schlafengehen in der Küche ihres Hauses, konnte sich nicht mehr erheben und blieb auf dem Fußboden liegen. Als Ursache dafür ist ein frischer Vorderwandinfarkt nicht auszuschließen, mit der für dieses Verfahren notwendigen Sicherheit aber nicht feststellbar. Als die Kläger am nächsten Morgen zum Haus von Theresia D*** kamen, wurde ihnen nicht geöffnet. Die Tür war verschlossen, der Schlüssel steckte von innen. Nach Aufdrücken der Tür trugen die Kläger Theresia D*** ins Bett und verständigten den Arzt. Dieser stellte nach seinem Eintreffen fest, daß Theresia D*** wohl körperlich schwach, aber "geistig noch voll da" war. Er wollte Theresia D*** ins Spital einweisen, was diese aber ablehnte. Als er um 14 Uhr neuerlich kam, mußte er feststellen, daß sich der körperliche Zustand der Patientin nicht gebessert hatte, worauf er eine Einweisung ins Krankenhaus schrieb. Einen geistigen Abbau konnte er damals nicht wahrnehmen. In der folgenden Nacht und am nächsten Morgen sagte Theresia D*** zu den Klägern, man müsse jetzt doch etwas aufschreiben, damit die Kläger in den Besitz des Hauses samt Waldanteil gelangten. Nach einem Anruf in einer Notariatskanzlei erschien der Notariatskandidat Dr. Walter F*** gemeinsam mit Johanna R***, die eine Schreibmaschine mitbrachte, am 22. Dezember 1981 zwischen 9.00 Uhr und 10.00 Uhr im Haus der Theresia D***. Dr. F*** ersuchte die beiden Kläger, den Raum, in welchem Theresia D*** im Bett lag, zu verlassen, und blieb dort allein mit Theresia D*** und Johanna R***. Er führte ein ausführliches Gespräch mit Theresia D***, in dessen Verlauf diese ihm verschiedene Fragen beantwortete und erklärte, die Kläger seien die einzigen, die sich um sie kümmerten, sie wolle, daß den Klägern das Haus samt Inventar und Waldanteil zukomme. Als Dr. Walter F*** Theresia D*** fragte, was mit ihrem übrigen Vermögen geschehen solle, gab diese zur Antwort, daß sie diesbezüglich keine Verfügung treffen wolle, das solle so bleiben, wie es sei. Trotz ihres wahrnehmbar körperlich schwachen Zustandes machte Theresia D*** während dieses ungefähr eine halbe Stunde dauernden Gespräches in Abwesenheit der Kläger auf Dr. Walter F*** einen geistig regen Eindruck, den gleichen Eindruck machte sie auf Johanna R***. Theresia D*** sprach zunächst
zusammenhängend, im Laufe des Gesprächs zeigten sich jedoch schon Ermüdungserscheinungen bei ihr. Um aber sicher zu gehen, daß Theresia D***, die offensichtlich der Fremdpflege bedurfte, nicht aus einer gewissen Notsituation heraus agierte, ging Dr. Walter F*** besonders vorsichtig vor und fragte Theresia D*** immer wieder, ob es tatsächlich ihr Wille sei, den Ehegatten A*** Haus samt Waldanteil zukommen zu lassen, was von Theresia D*** nicht nur durch Kopfnicken, sondern ausdrücklich bejaht wurde. Nachdem sowohl Dr. Walter F*** als auch Johanna R*** sicher waren, daß Theresia D*** ein Kodizill in der Form abfassen wollte, daß ihr Haus samt Waldanteil den Ehegatten A*** vermacht werde, schrieb Johanna R*** auf der
mitgebrachten Maschine nachstehendes
"Kodizill!
Nach reiflicher Überlegung sowie frei von jeder Beeinflussung treffe ich, gefertigte Theresia D***, geboren am 22. März 1887, Pensionistin, 2265 Drösing, Hauptstraße 19, folgende letztwillige Anordnungen:
I. Das Haus Hauptstraße Nr. 19 in Drösing vermache ich samt Nebengebäuden, Hof und Garten sowie sämtlichen an meinem Todestag vorhandenen Einrichtungsgegenständen und den mit dem Haus verbundenen Waldanteil zu gleichen Teilen den Ehegatten Herrn Johann und Frau Hedwig A***, geboren 17. August 1910 bzw. 12. Oktober 1921, Pensionisten, 2265 Drösing, Hauptstraße 21. Dieses Vermächtnis ordne ich in Anerkennung der mir von den Ehegatten Johann und Hedwig A*** geleisteten Dienste an.
II. Sämtliche von mir früher errichteten letztwilligen Anordnungen, welche mit dieser Vermächtnisanordnung in Widerspruch stehen, erkläre ich hiemit für aufgehoben. Dieser Aufsatz wurde mir in gleichzeitiger und ununterbrochener Gegenwart dreier erbetener Zeugen von einem derselben, welcher nicht Schreiber dieses letzten Willens ist, klar und deutlich vorgelesen. Ich habe somit diese Schrift vor den gleichzeitig anwesenden drei Zeugen als meinen wahren letzten Willen vollkommen entsprechend erklärt und bekräftigt, sodann mit meinem Handzeichen versehen und von den drei Zeugen mitfertigen lassen, welche unter einem bestätigen, daß sie den Inhalt dieser Schrift eingesehen haben. Drösing, am 22. Dezember 1981."
Während als dritter Testamentszeuge der Bürgermeister geholt wurde, las Dr. Walter F*** Theresia D*** das Kodizill nochmals vor, diese war damit einverstanden. Als der Bürgermeister eintraf, wurde er über die Tatsache der Kodizillserrichtung und darüber belehrt, daß er als Zeuge fungieren sollte. Dies erklärte ihm Dr. Walter F***. Der Bürgermeister war sich in der Folge auch dessen voll bewußt, daß ein letzter Wille der Theresia D***, die ihm vorher persönlich nicht bekannt gewesen war, errichtet werden sollte. Dr. Walter F*** las nunmehr in Anwesenheit des Bürgermeisters und der Johanna R*** und der Ehegatten A*** das bereits aufgesetzte Kodizill nochmals vor und erklärte mehrfach der Theresia D*** die Bedeutung und nochmals den genauen Inhalt des Kodizills, diese nickte dabei nicht nur mit dem Kopf, sondern sagte, wenn auch leise, so doch verständlich mehrfach ausdrücklich "ja", dies auch auf die Frage des Dr. Walter F***, ob sie das so wolle. Im Laufe des vorangegangenen Gesprächs unter sechs Augen und im Anschluß daran war Theresia D*** körperlich zusehend erschöpfter geworden. Als es nun in Gegenwart der Zeugen Johanna R***, Dr. Walter F*** und des Bürgermeisters zum Unterschreiben kam, war Theresia D*** derart erschöpft, daß sie den Kugelschreiber nur noch schwer halten konnte, weshalb ihr Dr. Walter F*** erklärte, sie brauche, wenn sie es nicht könne, nicht mit dem Namen zu unterschreiben, sie könne auch drei Kreuze als Handzeichen unter das Kodizill setzen. Daß Theresia D*** nur schwer unterschreiben konnte und deshalb mit Handzeichen unterfertigen werde, hatte sich gegenüber Dr. Walter F*** schon im Zuge des vorher stattgefundenen Gespräches dargestellt, deshalb war auch die Formulierung "mit meinem Handzeichen" in das Kodizill aufgenommen worden. In Gegenwart der drei Zeugen setzte nunmehr Theresia D*** drei Kreuze links unten auf das ihr vorgelegte Kodizill. Als erster Zeuge und in Kenntnis dessen, einen erklärten letzten Willen zu bezeugen, setzte nun der Bürgermeister seine Unterschrift und zwar rechts unter den Text mit "D*** Josef als Zeuge", als zweite unterschrieb sodann darunter Johanna R*** als Zeugin. Zuletzt setzte Dr. Walter F*** unter die drei Kreuze der Theresia D*** den Vermerk "Das ist das Handzeichen von Frau Theresia D***" und darunter "durch mich als Zeugen und Namensschreiber Dr. Walter F***". Auch für den Bürgermeister zeigten sich keinerlei Anzeichen einer geistigen Störung oder Minderleistung der Theresia D***. Um 12.10 Uhr desselben Tages wurde Theresia D*** in das Krankenhaus eingeliefert. Eine gezielte Anamnese durch Befragung der Patientin war nicht möglich. Ob dies wegen des geistigen oder körperlichen Zustandes der Fall war, konnte nicht festgestellt werden, desgleichen nicht, ob die Patientin nicht oder nicht sinnvoll antwortete. Das EKG ergab einen frischen Vorderwandinfarkt. Ein solcher muß nicht testierunfähig machen, kann jedoch zu einer cerebralen Dekompensation führen, die durch mangelnde Durchblutung des Gehirns dann zu einem Schlaganfall führen kann. Nicht festgestellt werden konnte, daß Theresia D*** bei Erklärung und Abfassung des Kodizills aufgrund eines Herzinfarktes einer geistigen Minderleistung unterlag. Keinesfalls konnte mit Sicherheit festgestellt werden, daß zu diesem Zeitpunkt auch schon ein Schlaganfall stattgefunden hatte, ebensowenig, daß Theresia D*** im Stadium prodromaler Symptome eines Schlaganfalles nicht mehr gewußt hätte, sie erkläre einen letzten Willen, sie wolle die Kläger bedenken und sie unterschreibe einen letzten Willen. Daß ein Zustand einer mangelnden Versorgung lebensnotwendiger Gefäße im Hirn bereits im Zeitpunkt der Errichtung des Kodizills eingetreten war, konnte nicht festgestellt werden.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, den Formerfordernissen der §§ 579 bis 581 ABGB sei entsprochen worden. Die Beklagten hätten den von ihnen zu führenden Beweis der Testierunfähigkeit der Theresia D*** nicht erbracht.
Das Berufungsgericht gab der nur von den 10., 12. und 13. beklagten Parteien erhobenen Berufung nicht Folge. Es erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei und die Beweiswürdigung für unbedenklich, übernahm den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt und führte in rechtlicher Hinsicht aus, nach herrschender Rechtsprechung (SZ 52/173; NZ 1984, 104 u.a.) sei Testierunfähigkeit nur dann anzunehmen, wenn die Freiheit der Willensentscheidung völlig fehle und der Testator nicht wisse, was der Inhalt der letztwilligen Verfügung sei. Die Fähigkeit, eine gültige letztwillige Verfügung zu errichten, sei nicht nach den allgemeinen Regeln über die Geschäftsfähigkeit, sondern ausschließlich nach den Bestimmungen der §§ 565 f ABGB zu beurteilen. Demnach seien an die Testierfähigkeit wesentlich geringere Anforderungen zu stellen als an die allgemeine Geschäftsfähigkeit. Nur wenn anzunehmen sei, daß der Testator nicht einmal das Bewußtsein habe, eine letztwillige Anordnung zu treffen und was ihr Inhalt sei, sei die Verfügung ungültig (Weiß in Klang2 III 263; JBl 1957, 239; JBl 1961, 322 u.a.). Bei dem hier vorliegenden Sachverhalt gingen aber die geistigen Kräfte des Testators jedenfalls über diese von der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Mindesterfordernisse hinaus. Auch eine die Nichtigkeit der Anordnung bewirkende Verletzung der Formerfordernisse des § 581 ABGB sei nicht gegeben. Das Gesetz verlange, daß jene zwei Zeugen, "welche den Aufsatz nicht verlesen, den Inhalt eingesehen haben." Nach Rechtsprechung und Lehre habe diese Bestimmung nur den Zweck, die mangelnde Überprüfungsmöglichkeit durch den hiezu nicht befähigten Erblasser zu ersetzen und Unterschiebungen oder Fälschungen zu verhüten. Die Unerläßlichkeit dieser Förmlichkeit sei daher mit Rücksicht auf den erwähnten Zweck zu beurteilen. Wenn nach den konkreten Umständen volle Gewißheit darüber vorhanden sei, daß im Testamentsaufsatz der wahre Wille des Erblassers zum Ausdruck gekommen und der Verdacht der Fälschung oder Unterschiebung ausgeschlossen sei, bewirke eine nicht ganz genaue Beobachtung dieser Förmlichkeit für sich allein nicht die Ungültigkeit der letztwilligen Erklärung. Seien die Zeugen in solcher Nähe des Vorlesenden gewesen, daß sie den Inhalt hätten einsehen können, und täten sie dies nur wegen der besonderen Vertrauenswürdigkeit des Schreibers oder Vorlesenden nicht - dies könne für das von einem öffentlichen Notar verfaßte und überdies mehrfach von ihm vorgelesene und erklärte Kodizill jedenfalls unterstellt werden - dann bewirke die mangelnde "Einsicht" keine Ungültigkeit (vgl. GlU 3277, 7536, 13.133; Weiß in Klang2 III 317 f). Die Förmlichkeit des § 581 ABGB sei daher im vorliegenden Fall nach der Absicht des Gesetzes ebenfalls als erfüllt anzusehen. Auch bei strengerer Auslegung verlange das Gesetz jedenfalls nur das "Einsehen" nicht aber ein Mitlesen. Ein solches Einsehen aber sei dem Bürgermeister anläßlich seiner Unterschriftsleistung jedenfalls ohne jede Schwierigkeit möglich gewesen. Das Kodizill umfasse nur eine einzige Seite, das Vermächtnis selbst nur einen kurzen Absatz und alle Zeugen hätten auf der ersten Seite unmittelbar nach dem Text unterschrieben. Nach der genauen Verlesung und Erläuterung durch den Notar habe daher ein kurzer Blick auf das Schriftstück genügt, um dessen Übereinstimmung mit dem Verlesenen "einzusehen". Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erheben die 10., 12. und 13. beklagten Parteien Revision, machen die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahren und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen, hilfsweise im klagsstattgebenden Sinne zu erkennen. Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Soweit die Beklagten als Verfahrensmangel rügen, daß sie nicht als Partei vernommen wurden, machen sie Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend, die das Berufungsgericht als nicht gegeben ansah. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung kann der behauptete Mangel in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden. Im übrigen handelt es sich bei den weitwendigen Ausführungen zum Anfechtungsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO zur Gänze um den unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung zur Frage der Testierfähigkeit der Theresia D*** zu bekämpfen. Es ist nicht erforderlich, auf diese Revisionsausführungen im einzelnen einzugehen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Im Rahmen der Rechtsrüge wenden sich die Beklagten zunächst gegen die der ständigen Rechtsprechung entsprechenden Ausführungen des Berufungsgerichtes, Testierunfähigkeit sei nur anzunehmen, wenn der Testator nicht einmal das Bewußtsein habe, eine letztwillige Anordnung zu treffen und was ihr Inhalt sei. Die Revisionswerber verweisen auf Lehrmeinungen, nach welchen Personen, deren Bewußtsein gestört sei, keine letztwilligen Anordnungen treffen könnten. Zu dieser Frage braucht jedoch nicht Stellung genommen zu werden, weil nach den Feststelungen von einer Störung des Bewußtseins nicht ausgegangen werden kann. Einen Beweis für eine geistig abnorme Verfassung der Theresia D*** hätten die Beklagten, die sich darauf beriefen, zu erbringen gehabt (Welser in Rummel, ABGB, Rdz 12 zu den §§ 566 bis 569 mwN). Ein derartiger Beweis ist nicht gelungen. Es bleibt daher nur mehr die Frage zu erörtern, ob das Kodizill den gesetzlichen Formvorschriften entsprach, wobei im vorliegenden Fall nur ein Verstoß gegen die Vorschrift des § 581 ABGB in Frage kommen könnte. Die Beklagten versuchen darzutun, daß der Bürgermeister als Testamentszeuge den Inhalt der letztwilligen Verfügung nicht eingesehen habe, und wollen daraus eine Ungültigkeit des Testamentes ableiten. Damit, was unter "den Inhalt eingesehen haben" zu verstehen ist, hatte sich der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - in letzter Zeit nicht zu befassen. Die ältere Judikatur war in diesem Punkt wenig streng. Sie erachtete in unverdächtigen Fällen dieses Formerfordernis als erfüllt, wenn die Zeugen Gelegenheit hatten, in das Schriftstück Einsicht zu nehmen (vgl. Weiß in Klang2 III 317 und Ehrenzweig, System2, Familien- und Erbrecht 435 mwN). Daran hat die Lehre zwar Kritik geübt (Welser in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 581; Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht 136, Anm. 59), doch ist im vorliegenden Fall eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Frage nicht erforderlich. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es jedenfalls nicht erforderlich, daß die Zeugen das Testament lesen, also Wort für Wort kontrollieren (Welser a. a.O., Weiß a.a.O.). Wie schon das Berufungsgericht hervorgehoben hat, besteht das Kodizill nur aus einer Seite, auf der auch die Zeugen unterschrieben haben. Auch der Bürgermeister hatte daher den gesamten Text der letztwilligen Verfügung vor Augen, als er unterschrieb, es genügte ein kurzer Blick, um den wesentlichen Inhalt kontrollieren zu können. Daher ist das Erfordernis, in den Inhalt Einsicht genommen zu haben, jedenfalls erfüllt. Aus Anlaß der gesetzmäßig ausgeführten Rechtsrüge war noch folgendes zu erwägen:
Gemäß § 581 zweiter Satz ABGB ist der Schreiber von der Vorlesung ausgeschlossen. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 29. April 1965, 5 Ob 57/65, ausgesprochen, Schreiber eines Testaments sei derjenige, der den erklärten Willen des Erblassers in der entsprechenden Form zu Papier gebracht habe, das sei nicht die auf Diktat des Notars mehr oder minder mechanisch die Schreibmaschine bedienende Schreibkraft, sondern der diktierende Notar. Im vorliegenden Fall wurde zwar nicht festgestellt, daß Dr. Walter F*** die letztwillige Verfügung diktierte, es muß dies aber wohl angenommen werden. Trotzdem sind die Formerfordernisse des § 581 ABGB erfüllt, weil die in 5 Ob 57/65 vertretene Ansicht nicht aufrechterhalten werden kann. Schon die Bezeichnung "Schreiber" spricht dafür, daß darunter derjenige zu verstehen ist, der den tatsächlichen Schreibvorgang vorgenommen hat. Nimmt man überdies auf den mit dieser durch die dritte Teilnovelle eingeführten Vorschrift verfolgten Zweck Bedacht, dann kann an der Richtigkeit dieser Auslegung kein Zweifel bestehen. Der Zweck besteht nämlich in der Verhütung von Täuschungen (Weiß a.a.O.; Herrenhaus-Bericht zur dritten Teilnovelle, § 581 ABGB, 78 Blg. HH XXI. Sess, 207). Eine Täuschung kann aber nicht derjenige vornehmen, der die letztwillige Verfügung diktiert, sondern derjenige, der sie schreibt. Nur dieser wäre in der Lage, durch Schreiben eines Textes, der dem ihm diktierten und von ihm in der Folge vorgelesenen nicht entspricht, einen Mißbrauch zu begehen, der dem Erblasser und den übrigen Zeugen, falls diese das Schriftstück nicht genau lesen, nicht auffallen muß.
Aus allen diesen Gründen haben die Kläger Anspruch auf das ihnen zugedachte Legat, weshalb ihr Begehren auf Zustimmung zur Ausstellung der Amtsbestätigung berechtigt ist, zumal die Zulässigkeit eines derartigen Begehrens der Rechtsprechung entspricht (7 Ob 731/83 = EFSlg. 44.770) und auch der Umstand, daß nicht die ganze Liegenschaft vermacht wurde, kein Hindernis für die Ausstellung der Amtsbestätigung ist (EvBl 1975/279). Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Entgegen der von den Klägern in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht waren nur 20 % Einheitssatz zuzuerkennen und nur die Beklagten, die die Revision erhoben haben, zum Kostenersatz zu verpflichten. Die vom Vermächtnisnehmer auf Einwilligung zur Ausstellung einer Amtsbestätigung nach § 178 AußStrG geklagten Erben bilden nämlich keine einheitliche Streitpartei (5 Ob 232/75).
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