OGH 1Ob682/87

OGH1Ob682/8711.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika M***, geboren am 7.Mai 1947 in Mistelbach, Angestellte, Wien 3., Baumgasse 49/2c, vertreten durch Dr. Guido Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Heinz M***, geboren am 11.Mai 1944 in Angern an der March, Baustellenleiter, Angern an der March, Dammgasse 11, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Ehescheidung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3.Juli 1987, GZ 13 R 87/87-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 26.Jänner 1987, GZ 15 Cg 63/86-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das berufungsgerichtliche Urteil dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.556,85 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin S 823,35 Umsatzsteuer und S 1.500,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 7.1.1967 vor dem Standesamt Gänserndorf die beiderseits erste Ehe geschlossen; der Ehe entstammt der am 14.6.1971 geborene Christian.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Die schon seit etwa zwei Jahren währenden Auseinandersetzungen hätten im letzten halben Jahr unzumutbare Formen angenommen. Der Beklagte nörgle an ihr herum und suche bei jeder Gelegenheit Streit. Am 25.4.1986 habe er ein Telefongespräch belauscht und ihr dabei zu Unrecht vorgeworfen, daß sie einen Freund habe; gleichzeitig habe er angekündigt, daß er sich scheiden lassen werde. Durch sein eigenbrötlerisches und nörglerisches Verhalten habe er die Ehe vollständig zerrüttet. Überdies habe er ihr zu wenig Wirtschaftsgeld überlassen.

Der Beklagte widersprach dem Scheidungsbegehren und beantragte nur für den Fall dessen Stattgebung den Ausspruch, daß das Verschulden der Klägerin überwiege. Bis zu dem schon erwähnten Telefongespräch habe die Ehe funktioniert und sei erst dadurch zerrüttet worden, daß die Klägerin geleugnet habe, mit einem Mann gesprochen zu haben. Sie habe eine Freundin vorgegeben, dann aber doch zugeben müssen, daß sie seit einigen Wochen einen Bekannten habe. Sie sei darauf aus dem gemeinsamen Schlafzimmer und schließlich am 4.7.1986 überhaupt aus der Ehewohnung ausgezogen. Sie habe den Beklagten und den gemeinsamen Sohn beschimpft und zuletzt beiden kein warmes Essen mehr gereicht. Auch habe sie den Beklagten zu Unrecht eines Verhältnisses mit einer anderen Frau bezichtigt. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden der Streitteile. Es stellte fest, trotz überdurchschnittlicher Sparsamkeit des Beklagten sei die Ehe zunächst glücklich verlaufen. Der Beklagte habe in seiner Freizeit ein Einfamilienhaus errichtet, das die Eheleute als Ehewohnung benützten. 1980 habe die Ehe eine erste Trübung erfahren, als der Beklagte habe beobachten müssen, wie die Klägerin von einem Gast geküßt worden sei. Der Beklagte habe sie damals beschimpft, sie aus dem Haus weisen wollen und sie danach derart mißhandelt, daß sie blaue Flecken davongetragen habe. Die Klägerin habe sich schon damals scheiden lassen wollen, doch habe sie der Beklagte zur Fortsetzung der Ehe bewegen können. Der im Baugewerbe tätige Beklagte habe monatlich etwa 19.000,-- S netto verdient, der Klägerin davon jedoch nur S 3.000,-- monatlich an Wirtschaftsgeld überlassen. Damit habe sie sämtliche Lebensmittel anschaffen und die Telefonrechnung begleichen müssen. Allerdings habe der Beklagte daneben die Kosten für Rauchfangkehrer, elektrischen Strom und Grundsteuer, den Kirchenbeitrag und die Prämien einer Lebensversicherung für beide Teile (jährlich 28.900,-- S) sowie die Rückzahlungsraten eines Wohnbaudarlehens (jährlich S 29.700,--) bestritten, die Benzinrechnungen, die Haftpflichtversicherungsprämie für den vorwiegend von der Klägerin benützten PKW bezahlt und die Kosten sämtlicher Urlaubsaufenthalte übernommen. Die Klägerin habe teilweise in einem Friseurladen unangemeldet ausgeholfen, teilweise aber auch Privatkunden in deren Wohnung frisiert und dabei monatlich zwischen S 3.000,-- und S 7.000,-- verdient. Sie habe wiederholt eine Erhöhung des Wirtschaftsgeldes gefordert; der Beklagte habe das Ansinnen jedoch mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit sparsamer Haushaltsführung abgelehnt. Die Klägerin habe zum gemeinsamen Sparbuch und zum Gehaltskonto des Beklagten Zugang gehabt, habe es aber nicht gewagt, davon zusätzliche Beträge abzuheben. Die Streitteile hätten miteinander noch im Winter 1985/86 drei Schiurlaube verbracht und mehrere Ballveranstaltungen besucht. Bis zuletzt habe sich der Beklagte in der Haushaltsführung kleinlich gezeigt, jede Lebensmittelbevorratung kritisiert und der Klägerin Vorwürfe gemacht, wenn sie für sich oder ihren Sohn Kleidungsstücke angeschafft habe. Im März 1985 habe sich die Klägerin einer Unterleibsoperation unterziehen müssen und danach einen 14-tägigen Genesungsurlaub in Diex zugebracht. In dem Erholungsheim seien 35 Frauen und zwei Männer - darunter Mag. Reinhard

T*** - untergebracht gewesen. Von einer der Frauen animiert habe sich etwa die Hälfte der Heiminsassen zu geselligem Kontakt enger zusammengeschlossen und einander das Du-Wort angetragen; zu diesem Kreis habe auch Mag. Reinhard T*** gehört. Dieser habe Fitnessläufe der Gruppe veranstaltet, an welchen sich neben anderen Kurgästen auch die Klägerin beteiligt habe. Zu geschlechtlichen Kontakten zwischen Mag. Reinhard T*** und der Klägerin sei es weder damals noch je danach gekommen. Im Juli 1985 habe eine der Frauen ein Heurigentreffen der Gruppe veranstaltet, an dem auch die Streitteile teilgenommen hätten. Dabei seien Fotos herumgereicht worden, doch habe man dem Beklagten über Veranlassung der Klägerin jene Bilder vorenthalten, die diese mit einer Zigarette zeigten. Mag. Reinhard T*** sei zu diesem Treffen erst verspätet erschienen. An weiteren Treffen habe der Beklagte trotz Einladung durch die Klägerin nicht mehr teilgenommen, weil sie ihm erzählt habe, daß er von einer Teilnehmerin als eifersüchtig bezeichnet worden sei. Wenige Tage vor dem 24.4.1986 habe der Beklagte der Klägerin Vorhaltungen über deren Verbleib gemacht und ihr minutenweise vorgerechnet, daß ihre Erklärungen - Einkäufe und Tanken - unrichtig seien. Am 24.4.1986 habe Mag. Reinhard T*** die Klägerin angerufen, um den Termin des nächsten Treffens in Erfahrung zu bringen, habe aber nur den Sohn der Streitteile erreicht. Er habe deshalb am nächsten Tag wieder angerufen; nun sei zwar die Klägerin am Apparat gewesen, habe aber verhalten, ja geradezu flüsternd gesprochen, weil der Beklagte zu Hause gewesen und mit Handwerkern Instandsetzungsarbeiten vorgenommen habe. Als sie Mag. Reinhard T*** über den Grund ihres Verhaltens befragt habe, habe sie ihm lediglich bedeutet, sie habe Handwerker im Haus, die nicht alles hören müßten. Da sie ihm nicht habe sagen können, wer sein Erscheinen zum geplanten Treffen zugesagt habe, habe sie ihm geraten, noch einmal anzurufen; da ihr Ehemann allerdings die nächsten 14 Tage zu Hause sein werde, solle er auflegen, wenn sich dieser melden sollte. Auf den Einwand, er habe auch mit ihrem Sohn gesprochen, habe sie ausweichend geantwortet. Mag. Reinhard T*** habe übertriebene Eifersucht des Beklagten vermutet. Dieser habe die Klägerin beim Telefongespräch hinter einer geöffneten Tür belauscht und dabei gehört, wie die Klägerin gesagt habe: "Wenn mein Mann abhebt, dann legst du auf!" Die Klägerin habe dies deshalb gesagt, weil sie mit der Eifersucht des Beklagten gerechnet habe und den Ehefrieden nicht habe belasten wollen. Als sie der Beklagte nach Beendigung des Telefongesprächs mit der Frage konfrontiert habe, mit wem sie gesprochen habe, habe die Beklagte zunächst geantwortet, mit einer Freundin, nach Vorhaltungen aber dann schließlich zugegeben, daß es ein Bekannter gewesen sei. Darauf habe der Beklagte erklärt, er lasse sich scheiden, er nehme den "Dr. Stern"; den könne er sich leisten, sie dagegen nicht, und dann sei es mit ihrem luxuriösen Leben aus. Dem habe die Klägerin als Trotzreaktion und ohne realen Hintergrund entgegnet, der Beklagte habe zu früh gelauscht, er hätte noch einen Scheidungsgrund gehabt, wenn er länger zugehört hätte. Die Absicht, sich scheiden zu lassen, habe der Beklagte sodann auch dem Sohn und in der Folge auch Bekannten mitgeteilt. Noch am Abend des 25.4.1986 sei die Klägerin aus dem gemeinsamen Schlafzimmer in das Gästezimmer übersiedelt und habe nach und nach ihre Fahrnisse aus der Wohnung verbracht. Am 1.6.1986 habe sie eine Beschäftigung in der Vorstandsküche der Firma P*** angenommen, das Essen aus der Betriebsküche nach Hause gebracht und es für den Beklagten und den Sohn im Kühlschrank verwahrt. Der Beklagte habe aber frisch gekochtes Essen gewünscht. In der Folge habe die Klägerin auch am Wochenende nicht mehr für die Familie gekocht, weil ohnehin noch Vorräte im Kühlschrank vorhanden gewesen seien. Dem Beklagten habe sie einmal bedeutet, wenn er nicht esse, dann habe er beim "Arsch weniger". Am 4.7.1986 sei die Klägerin endgültig aus der Ehewohnung ausgezogen und wohne seither bei einer Freundin. Seit Dezember 1986 arbeite sie in einer Chemiefabrik. Die Ehe sei derart tiefgreifend zerrüttet, daß ihre Wiederherstellung nicht mehr erwartet werden könne.

In rechtlicher Hinsicht lastete das Erstgericht dem Beklagten die kleinliche Behandlung von Wirtschaftsangelegenheiten, das penible Nachprüfen von Erklärungen der Klägerin über ihren Verbleib sowie eine geringfügige Verletzung seiner Unterhaltspflicht in ihrer Gesamtheit als schwere Eheverfehlung an. Die Klägerin habe die Eifersucht des Beklagten geschürt, das Schlafzimmer verlassen und sei schließlich überhaupt aus dem Haus ausgezogen. Die Verfehlungen seien nicht bloß Reaktion auf das Verhalten des Beklagten gewesen; vielmehr habe es sich umgekehrt verhalten, sodaß sich die Klägerin auf § 49 zweiter Satz EheG nicht berufen könne. Beide Teile hätten durch ihr Verhalten die Zerrüttung der Ehe bewirkt. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und sprach aus, daß das Verschulden der Klägerin überwiege, bestätigte das erstinstanzliche Urteil aber im Ausspruch über die Scheidung. Dem Beklagten falle sein kleinliches Verhalten und Nörgeln zur Last. Die schwerwiegende Trübung der ehelichen Beziehung habe er jedoch erst dadurch veranlaßt, daß er nach Belauschung eines mißverständlichen, letztlich aber harmlosen Telefongesprächs die Scheidung angekündigt und seine Absicht auch sogleich dem Sohn mitgeteilt habe. Somit habe er entgegen seinem Standpunkt keineswegs nur im ersten Moment auf Scheidung bestanden, ohne eine Aussprache seiner Frau herbeizuführen. Auch später habe er sich nicht um eine Aussöhnung bemüht. Er habe hiedurch die Klägerin in ihrer Persönlichkeit gravierend verletzt und in ihr den Eindruck erweckt, daß er sie nur für die Haushaltsführung benötige. Dieses Verhalten, das wahre eheliche Gesinnung vermissen lasse, sei daher als schwere Eheverfehlung, die entscheidend zur Zerrüttung beigetragen habe, zu beurteilen. Eine Unterhaltsverletzung sei dem Beklagten nicht vorzuwerfen, weil es der von den Streitteilen gestalteten Ehe entsprochen habe, daß der Beklagte aus seinem wesentlich höheren Einkommen die Fixkosten bestritt und die gemeinsamen Unternehmungen finanzierte, wogegen die Klägerin für die Kosten der laufenden Haushaltsführung aufkam. Die Klägerin habe sich letztlich mit dem geringen Wirtschaftsgeld abgefunden, sodaß nicht nachträglich mit Hilfe naturgemäß unvollständiger Berechnungen eine Unterhaltsverletzung konstruiert werden könne. Der Klägerin sei vorzuwerfen, daß sie die ihr ohnehin bekannte Eifersucht des Beklagten durch eine Trotzreaktion förderte, sogleich aus dem Schlafzimmer auszog, die Haushaltsführung für ihre Familie einschränkte und den Beklagten beschimpfte, sodaß das Verhältnis zwischen den Streitteilen weiter verschlechtert und die Möglichkeit einer Versöhnung erschwert worden sei. Schließlich sei sie überhaupt weggezogen, ohne hiezu genötigt gewesen zu sein; das sei ein entscheidender Beitrag für das Scheitern der Ehe gewesen. Ihr vorwiegend durch Kränkung und Trotz bestimmtes Verhalten habe ehelicher Gesinnung widersprochen, weil der Ehegatte nach 20-jähriger Ehe einen Weg zur Aussprache, Streitbeilegung und Versöhnung finden und hiezu auch bereit sein müsse. Die Eheverfehlung des Beklagten rechtfertige zwar das Scheidungsbegehren, doch trete sie gegenüber jener der Klägerin derart zurück, daß deren überwiegendes Verschulden auszusprechen sei. Die Klägerin habe durch den Auszug aus dem Schlafzimmer, die Vernachlässigung der Haushaltsführung und das Verlassen der Ehewohnung jeden Ehewillen aufgegeben, dadurch die Zerrüttung im wesentlichen Teil herbeigeführt und sie letztlich unheilbar gemacht. Das Verschulden der Klägerin trete somit offenkundig hervor.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin erhobene Revision ist berechtigt. Sie strebt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Verschuldensausspruches an. Bei der Beurteilung der Mitverschuldensanteile der Ehegatten am Scheitern der Ehe ist deren Gesamtverhalten während der Ehe zu berücksichtigen. Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten setzt voraus, daß das Verschulden des einen Ehegatten erheblich schwerer wiegt als das des anderen; der Unterschied der Verschuldensanteile muß augenscheinlich hervortreten. Es muß also ein sehr erheblicher gradueller Unterschied des beiderseitigen Verschuldens gegeben sein (EFSlg.48.832 ff, 46.242 ff, 43.691 f, 41.281 ff uva; Schwind, EheG2 251). Dabei kommt es nicht nur auf das Maß der Verwerflichkeit der einzelnen Eheverfehlungen, sondern auch darauf an, wie weit sie einander bedingen und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (EFSlg.48.824, 46.235, 43.676 ua). Es ist nicht nur darauf Bedacht zu nehmen, wer mit der schuldhaften Zerrüttung der Ehe begonnen, sondern auch wer den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet hat (EFSlg.48.821, 46.236, 43.679, 41.269 ua).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze hat das Berufungsgericht zu Unrecht das überwiegende Verschulden der Klägerin angenommen. Der Beklagte hatte die Ehe durch seine Eifersucht, aber auch durch sein nörglerisches und durch übertriebene, an Geiz gemahnende Sparsamkeit gekennzeichnetes Verhalten gerade in den letzten Jahren ohnehin sehr belastet; durch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Telefongespräch der Klägerin am 25.4.1986 - dessen Belauschung, die inquisitorische Befragung der Klägerin nach dessen Beendigung, die sofortige Drohung mit Scheidung und die Einbeziehung des gemeinsamen Sohnes in die Auseinandersetzung - hat er die Klägerin zu einer Überreaktion gereizt, indem sie sich zu Äußerungen hinreißen ließ, die sie sonst wohl, da ohne jeden realen Hintergrund, nicht von sich gegeben hätte. Das Berufungsgericht hat an sich richtig erkannt, daß dem Beklagten seine als Drohung aufzufassende Ankündigung, wie er das Scheidungsverfahren zu führen gedenke, und sein konsequentes Verhalten nach diesem Vorfall ebenso als Eheverfehlung anzulasten ist wie der Klägerin deren unüberlegte, kränkende Äußerung und der Auszug aus dem gemeinsamen Schlafzimmer. Von beiden Teilen wäre nach bald 20-jähriger Ehe, die angesichts der gemeinsamen Ballbesuche und Schiurlaube noch im Winter 1985/86 kaum tiefgreifend zerrüttet gewesen sein konnte, der ernstliche Versuch, eine klärende Aussprache zu suchen und die Versöhnung anzustreben, zu erwarten gewesen. Erst durch das konsequente ehezerstörende Verhalten beider Teile wurde die Kluft, die sich im Zusammenhang mit dem schon mehrfach erwähnten Telefongespräch aufgetan hatte, derart vertieft, daß die Ehe binnen weniger Wochen schließlich doch unheilbar zerrüttet wurde; daß die Klägerin sodann aus der Ehewohnung auszog, war nur mehr der Schlußstrich unter diese Entwicklung. Bei Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte kann nicht gesagt werden, daß der Zerrüttungsbeitrag des Beklagten gegenüber der Eheverfehlung der Klägerin fast völlig in den Hintergrund tritt (vgl. Pichler in Rummel, ABGB, § 60 EheG Rz 2 mwN). An diesem Ergebnis kann auch nichts ändern, daß dem Beklagten eine Verletzung der Unterhaltspflicht, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, nicht vorgeworfen werden kann, weil die Streitteile ihre eheliche Lebensgemeinschaft stets in der vom Erstgericht festgestellten Weise gestaltet haben und es bei der von den Streitteilen gehandhabten Haushaltsgestaltung nicht auf im Gesetz nicht vorgezeichnete starre Berechnungsregeln, die überdies vor allem für die Bemessung von Unterhaltsansprüchen bei Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft entwickelt wurden, ankommen kann.

Hat der Beklagte durch sein kleinliches Verhalten vor dem genannten Vorfall die Grundlagen für die Zerrüttung gelegt und auch nach dem Vorfall keineswegs wahrer ehelicher Gesinnung gemäß gehandelt, so können die gewiß provokative Äußerung der Klägerin am 25.4.1986 und der Auszug aus dem Schlafzimmer sowie letztlich aus der Wohnung überhaupt nicht als jener Zerrüttungsbeitrag beurteilt werden, durch den allein die Zerrüttung unheilbar wurde. Mangels augenscheinlichen graduellen Unterschieds des beiderseitigen Verschuldens ist das erstgerichtliche Urteil in Stattgebung der Revision der Klägerin wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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