OGH 15Os153/87

OGH15Os153/876.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Bachinger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Eduard Ö*** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SGG über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 22.Mai 1987, GZ 6 d Vr 12.597/85-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Verfahren zum AZ 6 d Vr 12.597/85 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wurde durch den Beschluß dieses Gerichtes vom 22. Mai 1987 (ON 27) das Gesetz in der Bestimmung des § 115 StVG verletzt.

Text

Gründe:

Im oben angeführten Verfahren hat der Verurteilte Eduard Ö*** die über ihn verhängte Freiheitsstrafe am 17.April 1987 in der Sonderanstalt Wien-Favoriten verbüßt (ON 25). Im Anschluß daran wurden bis zum 15.Juli dJ zwei weitere Freiheitsstrafen an ihm vollzogen (S 141). Während dieses Vollzuges wurde er am 28.April dJ an das Gefangenenhaus des Kreisgerichtes Krems an der Donau überstellt (S 142).

Am 8.Mai 1987 stellte der Leiter der eingangs bezeichneten Sonderanstalt beim Landesgericht für Strafsachen Wien "als Vollzugsgericht" den - am 12. dM hier eingelangten, entsprechend P 8

(4) VDB, BGBl. 1969/144 idgF, zu den Strafakten genommenen - Antrag auf Nichteinrechnung einer vom Strafgefangenen teils vor und teils nach dem 17.April 1987 in jener Anstalt im Hausarrest zugebrachten Zeit in die Strafzeit (ON 26).

Mit dem im Spruch angeführten Beschluß wurde der Antrag abgewiesen, weil "die Freiheitsstrafe, in welche der Hausarrest nicht eingerechnet werden sollte", bereits verbüßt und der Antrag damit gegenstandslos geworden sei (ON 27).

Rechtliche Beurteilung

Diese Entscheidung steht mit dem Gesetz nicht im Einklang. Eine im Hausarrest zugebrachte Zeit ist nämlich nach § 115 StVG (unter den dort bezeichneten Voraussetzungen) nicht - wie das Gericht annahm - notwendigerweise nur von der Anrechnung in gerade jene "Freiheitsstrafe" (ganz oder teilweise) auszuschließen, während deren Vollzuges die betreffende Ordnungsstrafe vollstreckt wurde, sondern vielmehr von der Einrechnung in "die Strafzeit"; letztere umfaßt aber dann, wenn am Verurteilten unmittelbar nacheinander mehrere Strafurteile zu vollziehen sind, den gesamten Zeitraum, den er darnach in Strafhaft zuzubringen hat (§ 1 Z 5 StVG). In solchen Fällen ist demnach die Nichteinrechnung der im Hausarrest zugebrachten Zeit auch dann anzuordnen, wenn der Strafgefangene inzwischen eine Anschluß-Haft verbüßt; maßgebend ist ausschließlich die Einheit des Vollzuges.

Dementsprechend war es - wie die Generalprokuratur zutreffend bemängelt - im Hinblick darauf, daß Eduard Ö*** zur Zeit der Beschlußfassung noch nicht die gesamte Strafzeit verbüßt hatte, jedenfalls verfehlt, die beantragte Anordnung der Nichteinrechnung der von ihm im Hausarrest zugebrachten Zeit in diese Strafzeit deswegen abzulehnen, weil zur Zeit der Beschlußfassung speziell jene Strafhaft, die dem Vollzug des im vorliegenden Verfahren ergangenen Urteils gedient hatte, bereits vollstreckt war. Die mit dem gerügten Beschluß insoweit - allerdings nur in bezug auf § 115 (und nicht auch auf § 1 Z 5) StVG - unterlaufene materiellrechtliche Gesetzesverletzung war daher in Stattgebung der darauf abzielenden Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes wie im Tenor festzustellen.

Daraus, daß es beim unmittelbar aufeinanderfolgenden Vollzug mehrerer Strafurteile nicht darauf ankommt, auf welches von ihnen gerade jene Strafhaft entfällt, während der ein - in die (gesamte) Strafzeit nicht einzurechnender - Hausarrest vollstreckt wurde, erhellt aber außerdem, daß auch für die örtliche Zuständigkeit als Vollzugsgericht (§ 16 Abs. 1 StVG) nicht dieser Umstand maßgebend ist, sondern ausschließlich der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens nach § 16 Abs. 2 Z 6 StVG, also der Antragstellung nach § 115 StVG durch den Anstaltsleiter (vgl. EvBl. 1977/158; Kunst, StVG, Anm. 1 zu § 16): zu jener Zeit wurden im vorliegenden Fall die vom Strafgefangenen noch nicht verbüßten Freiheitsstrafen im Sprengel des Kreisgerichtes Krems an der Donau vollzogen; der in der Wahrungsbeschwerde (ohne Erwähnung der Strafvollzugsortsänderung) vertretenen Ansicht zuwider war daher das Landesgericht für Strafsachen Wien zur Entscheidung über den in Rede stehenden Antrag zudem gar nicht kompetent.

Nicht anzuschließen vermag sich der Oberste Gerichtshof ferner der Beschwerdeauffassung, daß überdies grundsätzlich auch dann "nach § 115 StVG vorzugehen" sei, wenn die Beschlußfassung "nicht zeitgerecht vor Strafende" möglich ist.

Denn bei der Nichteinrechnung einer im Hausarrest zugebrachten Zeit in die Strafzeit (§ 115 StVG) handelt es sich um eine (unter bestimmten Voraussetzungen zulässige, bei deren Vorliegen zwingend vorgeschriebene) Verschärfung dieser Sanktion (vgl. Kunst a.a.O. Anm. 5 zu § 114), also ihrerseits um eine Ordnungsstrafe (§ 109 Z 5 StVG): als solche kann sie aber wesensmäßig nur während jener Strafzeit angeordnet werden, in deren Verlauf die damit zu bestrafende Ordnungswidrigkeit begangen wurde; daraus, daß die Wirksamkeit einer Ordnungsstrafe (§ 109 StVG) auf die betreffende Strafzeit beschränkt ist (vgl. etwa § 116 Abs. 6 zweiter Satz StVG, wonach eine dem Strafgefangenen gewährte Probezeit spätestens mit der Entlassung aus der Strafhaft endet), ergibt sich folgerichtig, daß auch ihre Verhängung nach deren Ablauf nicht mehr in Betracht kommt.

Ist demnach die Strafzeit (§ 1 Z 5 StVG) - zu der bis zur allfälligen Anordnung der Nichteinrechnung einer im Hausarrest zugebrachten Zeit (§ 115 StVG) auch jener Zeitraum zu zählen ist (vgl. abermals EvBl. 1977/158) - bereits verstrichen, dann darf diese (verschärfende) Ordnungsstrafe nicht mehr verhängt werden. Die antragsgemäß ausgesprochene Feststellung, daß durch den im Spruch bezeichneten Beschluß das Gesetz in der Bestimmung des § 115 StVG verletzt wurde, konnte daher nur auf die eingangs dargestellten Erwägungen gestützt werden.

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