OGH 8Ob73/87

OGH8Ob73/875.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter G***, Angestellter, 5411 Oberalm 487, vertreten durch Dr.Wolfgang Hochsteger, Rechtsanwalt in Hallein, wider die beklagten Parteien

1. L*** K*** reg.Genossenschaft mbH,

5431 Kuchl 268, 2. W*** A*** Versicherungs AG, 1130 Wien, Hietzinger Kai 101-105, 3. Helmut R***, Maurergeselle, 5431 Kuchl, Markt 18, alle vertreten durch Dr.Friedrich Oedl und Dr.Rudolf Forstenlechner, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen S 70.000,-- s.A. und Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 12.Mai 1987, GZ. 3 R 48/87-16, womit infolge Berufungen der klagenden und der zweitbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 6.November 1986, GZ. 14 Cg 80/86-6, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles insgesamt wie folgt zu lauten hat:

"Das Klagebegehren

1.) es wird den beklagten Parteien gegenüber festgestellt, daß diese dem Kläger für alle kausalen Schäden aus dem Unfall vom 30.10.1984 zur ungeteilten Hand zu haften haben, die zweitbeklagte Partei jedoch nur bis zur Höhe der Haftungssumme auf Grund des Versicherungsvertrages,

2.) die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger den Betrag von S 70.000,-- samt 4 % Zinsen seit 1.11.1984 zu Handen des Klagevertreters zu bezahlen und die Prozeßkosten zu ersetzen, dies alles binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 11.281,27 (darin keine Barauslagen und S 1.025,57 Umsatzsteuer) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz sowie die mit S 10.583,97 (darin S 4.500,-- Barauslagen und S 553,09 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Der Kläger ist weiters schuldig, den beklagten Parteien die mit S 8.906,94 (darin S 5.000,-- Barauslagen und S 355,17 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte S 70.000,-- s.A. an Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung der Beklagten für seine künftigen Schäden aus dem Unfall vom 30.10.1984 und brachte vor:

Der Drittbeklagte sei am 30.10.1984 mit einem von der Erstbeklagten gehaltenen und bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten LKW vor dem Hause Oberalm 487 vorgefahren, um Material abzuladen. Er habe den Kläger aufgefordert, die hintere Bordwand des LKW herunterzuklappen, weil er die Position des LKW habe verändern wollen. Der Kläger habe dem Ersuchen entsprochen. Plötzlich sei der Drittbeklagte vorwärts gefahren, obwohl er gewußt habe, daß der Kläger an der Bordwand hantierte. Durch das Vorwärtsfahren sei der linke Daumen des Klägers zwischen einer Betonmauer und der Bordwand des LKW im Bereich des Endgliedes zerquetscht worden. Zur Abgeltung aller Unbilden sei ein Schmerzengeld von S 70.000,-- angemessen. Künftige Schäden seien nicht auszuschließen, zumal weitere operative Eingriffe zur Versorgung des Daumenstumpfes notwendig seien.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, beantragten Klagsabweisung und wendeten ein:

Der Kläger sei im Rahmen des Betriebes der Erstbeklagten tätig geworden. Der Drittbeklagte als verantwortlicher Lenker des LKW sei gegenüber dem Kläger weisungsbefugt und daher Aufseher im Betrieb gewesen. Der Unfall sei im übrigen vom Kläger allein verschuldet worden, weil dieser die Bordwand nicht am Rand, sondern in der Mitte hätte halten sollen.

Das Erstgericht gab dem gegen die Zweitbeklagte gerichteten Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt, während es das gegen die Erst- und den Drittbeklagten gerichtete Begehren abwies; das Erstgericht ging hiebei von folgenden Feststellungen aus:

Am 30.10.1984 lieferte der Drittbeklagte mit einem schweren LKW der Erstbeklagten (Nutzlast 16 t) Baumaterialien an den Kläger, welche dieser bei der Erstbeklagten bestellt hatte. Einen Beifahrer hatte er nicht mit, weil ihm bei zwei früheren Lieferungen die Empfänger, unter ihnen der Kläger, beim Entladen geholfen hatten, und der Drittbeklagte auch diesmal wieder mit einer solchen Hilfe rechnete. Vereinbart war eine Mithilfe jedoch nicht. Das Abladen des Baumaterials durch den Drittbeklagten allein hätte etwa 40 Minuten und mit Hilfe der Empfänger etwa 20 Minuten gedauert. Der Drittbeklagte fuhr mit dem LKW rückwärts auf den leicht ansteigenden Grund des Klägers. Danach öffnete er den rückwärtigen Teil der linken Ladebordwand. Diese ist in zwei Teile von je etwa 2,70 m Länge geteilt und ca. 1,5 m hoch. Die Scharniere an der Unterseite der Bordwände befinden sich ca. 1,3 m über dem Boden. Über einen großen Außenspiegel an der linken Seite des Fahrerhauses des LKW ist der gesamte dahinter liegende Bereich in einer Breite von mehreren Metern vom Fahrersitz aus mühelos und einwandfrei zu überblicken. Wegen eines Betonpfostens konnte die Ladebordwand nur etwa bis zur Waagrechten geöffnet werden. Der Drittbeklagte ersuchte daraufhin den Kläger, die Ladebordwand zu übernehmen. Er hätte die Bordwand auch wieder schließen, zurückfahren und sie danach

wieder - vollständig - öffnen können. Der Kläger stellte sich ca. 0,5 bis 1 m hinter den vorderen Rand der auf dem Betonpfosten aufliegenden Ladebordwand und hob sie mit beiden Händen etwas an, sodaß der Drittbeklagte mit dem LKW etwas rückwärts fahren konnte. Dabei hatte der Kläger die vier Finger der linken Hand unter der Bordwand und den linken Daumen neben deren Vorderkante. Auf einen Zuruf des Klägers oder dessen Vaters, daß es schon reiche, hielt der Drittbeklagte den LKW an und betätigte die Fußbremse. Die vom Kläger gehaltene Bordwand befand sich dabei etwa 10 bis 20 cm vom Betonpfosten entfernt; diese Entfernung konnte der Drittbeklagte im Rückspiegel nicht feststellen. Der Kläger stand, mit der Bordwand in den Händen, mit den Fersen knapp außerhalb einer etwa 40 cm tiefen Vertiefung am Rand der Baugrube. Er wollte hinabsteigen, um danach die Bordwand vollständig zu öffnen. In diesem Augenblick löste der Drittbeklagte, nachdem er die Handbremse angezogen hatte, die Fußbremse. Dadurch setzte sich der samt Ladung etwa 13 t schwere LKW ruckartig ein Stück vorwärts in Bewegung. Diese Eigenschaft des Fahrzeuges war dem Drittbeklagten von früheren Fahrten bekannt. Durch die Vorwärtsbewegung wurde der linke Daumen des Klägers zwischen Betonpfosten und Vorderseite der Bordwand zerquetscht. Der Kläger erlitt eine Zerquetschung des linken Daumenendgliedes. In Lokalbetäubung wurde das Grundglied im körperfernen Bereich gekürzt. Der weitere Heilungsverlauf war komplikationslos. Eine Knochenhöckerung im Stumpfbereich, die für den Kläger äußerst unangenehm ist, wird in absehbarer Zeit einen Korrektureingriff erforderlich machen. Dieser wird mit Schmerzen und Unannehmlichkeiten und 2 bis 3 Wochen Krankenstand verbunden sein. Die Schmerzen des Klägers einschließlich dieser Korrekturoperation lassen sich wie folgt zusammenfassen:

3 Tage starke Schmerzen;

1 Woche mittelstarke Schmerzen;

6 Wochen leichte Schmerzen.

Der Kläger ist mit der linken Hand stark griffbehindert. Die Stumpfkuppe ist noch empfindlich. Es besteht eine Beweglichkeitseinschränkung im Grund- und Sattelgelenk des Daumenreststrahles. Eine zumindest leichte Beweglichkeitseinschränkung und die Griffbehinderung werden als Dauerschaden verbleiben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit und Beeinträchtigung im Beruf des Klägers als Computerfachmann sowie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und im Rahmen einer durchschnittlichen Freizeitgestaltung sind gegenüber einer gesunden Vergleichsperson mit etwa 10 % anzusetzen.

In der rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß der Erstbeklagten als Dienstgeberin des Klägers und dem Drittbeklagten als Aufseher im Betriebe das Haftungsprivileg nach den §§ 333, 176 Abs 1 Z 6 ASVG zugute komme. Gegen die Zweitbeklagte könne der Kläger jedoch seinen Anspruch im Umfang der die beiden übrigen Beklagten als Mitversicherte treffenden Haftung geltend machen. Das begehrte Schmerzengeld sei den Umständen nach angemessen. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Zweitbeklagten nicht Folge; hingegen wurde der Berufung des Klägers Folge gegeben und das Urteil des Erstgerichtes unter Einbeziehung der unbekämpft gebliebenen und der bestätigten Teile dahin abgeändert, daß die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig erkannt wurden, dem Kläger S 70.000,-- s.A. zu bezahlen und die Prozeßkosten zu ersetzen sowie die Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand gegenüber dem Kläger für alle künftigen Unfallsschäden, hinsichtlich der Zweitbeklagten nur im Rahmen des Versicherungsvertrages, festgestellt wurde. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,-- übersteigt; es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, gelangte aber zu einer abweichenden rechtlichen Beurteilung.

Ein Anspruch des Klägers gegen die Zweitbeklagte habe zur Voraussetzung, daß ihm eine versicherte oder mitversicherte Person für seine Schäden hafte. Wenn demgegenüber das Erstgericht die Haftung der Erst- und des Drittbeklagten verneint habe, so hätte es auch die Zweitbeklagte mangels eines gesonderten Anspruches nicht verurteilen dürfen. Daraus lasse sich für die Zweitbeklagte aber nichts gewinnen, weil nach Ansicht des Berufungsgerichtes der Erst- und dem Drittbeklagten das Haftungsprivileg des § 333 ASVG nicht zugute komme. Eine Anwendung des § 333 ASVG, der die Haftung des Dienstgebers und des ihm gleichgestellten Aufsehers im Betrieb auf Vorsatz beschränke, hänge davon ab, daß der Verletzte eine betriebliche Tätigkeit nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG entfaltet habe. Eine solche betriebliche Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübe, setze einen gewissen Zusammenhang der Tätigkeit des Verunglückten mit dem betreffenden Betrieb, eine Eingliederung des tätig Gewordenen in den Betrieb und eine Unterordnung unter Anordnungsbefugte oder betriebliche Notwendigkeiten voraus. Diese Voraussetzungen lägen dann nicht vor, wenn der Verunglückte aus uneigennützigen Beweggründen und bloß aus Gefälligkeit eine einmalige, nur ganz kurze Zeit in Anspruch nehmende Hilfe leiste, wie etwa im Falle der sogenannten Straßenkameradschaft oder dann, wenn sich Unternehmer und Verletzter als Vertragspartner gegenüberstehen und die Hilfeleistung des Verletzten im Rahmen der Abwicklung des Geschäftes erfolge. Das kurze Halten der Ladebordwand durch den Kläger sei eine reine Gefälligkeit gegenüber dem Drittbeklagten gewesen, der allem Anschein nach zu bequem gewesen sei, die Bordwand vor dem Rückwärtsfahren nochmals zu schließen. Es habe sich damit um keine typische Tätigkeit im Interesse des Erstbeklagten gehandelt, wie sie üblicherweise von Versicherten im Sinn des § 4 ASVG ausgeübt werde. Da mit der vom Drittbeklagten gewählten Vorgangsweise die Gefahr verbunden gewesen sei, daß die Ladebordwand dem Kläger entgleiten und durch Aufschlagen auf dem LKW-Fahrgestell oder dem Betonpfosten beschädigt werden würde, könne der Erstbeklagten auch nicht unterstellt werden, daß die Tätigkeit des Klägers ihrem Willen entsprochen hätte. Schließlich seien sich die Erstbeklagte und der Kläger als Vertragspartner gegenübergestanden, und es könne nicht gesagt werden, daß sich der Kläger durch die kurze Handreichung in den Aufgabenbereich der Erstbeklagten eingeordnet hätte. Soweit die Beklagten auf Ladetätigkeiten verwiesen, entfernten sie sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach am Unfallstag eine Mithilfe des Klägers beim Entladen nicht vereinbart gewesen sei. Zusammenfassend sei die Haftung der Erst- und des Drittbeklagten mangels einer betrieblichen Tätigkeit des Klägers im Sinne des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG durch § 333 ASVG nicht beschränkt. Der Drittbeklagte könnte sich auf diese Bestimmung auch deshalb nicht berufen, weil er nach dem festgestellten Sachverhalt keinerlei Leitungsbefugnisse ausgeübt und dem Kläger keine Weisungen erteilt habe. Der Drittbeklagte hafte daher dem Kläger für den gesamten Schaden. Sein Verschulden bestehe darin, daß er den Kläger zur Übernahme der gefährlichen Tätigkeit veranlaßt und die ihm bekannte Tatsache nicht berücksichtigt habe, daß der LKW auf dem abschüssigen Gelände zwischen Lösen der Fußbremse und Wirksamwerden der Handbremse ein Stück vorwärts rollen würde. Auf den Zuruf, daß er bereits weit genug rückwärts gefahren sei, hätte sich der Drittbeklagte nicht verlassen dürfen, weil er den Bereich hinter dem Betonpfosten nicht einsehen konnte und keinen Einfluß darauf hatte, wie und wo der Kläger die Bordwand hielt. Die Erstbeklagte habe für das Verschulden des Drittbeklagten gemäß den §§ 1313 a ABGB, 19 Abs 2 EKHG einzustehen, während die Zweitbeklagte als Haftpflichtversicherer des LKW im Umfang der die Erst- und den Drittbeklagten treffenden Haftung, beschränkt auf die Versicherungssumme, dem Kläger gemäß § 63 KFG hafte. Das begehrte Schmerzengeld von S 70.000,-- sei angemessen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der gänzlichen Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 3 ZPO liegt nicht vor, was keiner näheren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO). In der Rechtsrüge vertreten die Beklagten die Auffassung, der Erst- und dem Drittbeklagten komme das Haftungsprivileg des § 333 ASVG zugute; damit scheide auch eine Haftung der Zweitbeklagten aus.

Diesen Ausführungen kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Nach § 333 Abs 1 ASVG ist der Dienstgeber dem Versicherten zum Ersatze des Schadens, der diesem durch eine Verletzung am Körper infolge eines Arbeitsunfalles (Berufskrankheit) entstanden ist, nur verpflichtet, wenn er den Arbeitsunfall (Berufskrankheit) vorsätzlich verursacht hat. Diese Haftungsbeschränkung gilt gemäß Abs 4 dieser Gesetzesstelle auch für Ersatzansprüche des Versicherten gegen gesetzliche oder bevollmächtigte Vertreter des Unternehmers und gegen Aufseher im Betriebe. Voraussetzung ist somit, daß der Verletzte auf Grund seiner Tätigkeit versichert war. Versichert im Sinne der Bestimmungen der §§ 332 bis 334 ASVG ist nicht nur jemand, für den Beiträge zur Sozialversicherung geleistet werden, sondern jeder, dem Ansprüche auf eine Leistung nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz zustehen. Ob diese Ansprüche wegen des Bestehens eines versicherungspflichtigen Verhältnisses oder wegen einer davon losgelösten Gleichstellung mit einem Arbeitsunfall bestehen, ist nicht entscheidend (ZVR 1979/268 ua.). Den Arbeitsunfällen gleichgestellt sind nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG Unfälle, die sich bei einer betrieblichen Tätigkeit, wie sie sonst ein nach § 4 ASVG Versicherter ausübt, auch wenn diese nur vorübergehend ausgeübt wird, ereignen. Durch die 9.Novelle zum ASVG, BGBl. Nr.13/1962, sollte der Versicherungsschutz für die Personengruppe, die von der bis dahin bestehenden Teilversicherung nach § 8 Abs 1 Z 3 lit e ASVG erfaßt wurde, nicht aufgehoben, sondern nur insoferne geändert werden, als der Versicherungsschutz, der bis dahin von der in diesem Belange in der Praxis nicht bewährten Versicherungspflicht abhängig war, nunmehr unabhängig vom Bestehen einer Beitragspflicht dadurch bewirkt werden sollte, daß Unfälle, die dieser Personengruppe zustoßen, im § 176 Abs 1 Z 6 ASVG den Arbeitsunfällen gleichgestellt werden, wobei nach § 176 Abs 2 ASVG die Leistungen der Unfallversicherung auch dann gewährt werden sollen, wenn die tätig werdenden Personen nicht unfallversichert sind (vgl. Begründung des Initiativantrages betreffend die 9.ASVG-Novelle, 517 der Beilagen zu den sten.Protokollen des NR IX.GP; 8 Ob 35/78 ua.). Für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG ist ein Verhältnis persönlicher und beruflicher Abhängigkeit des Tätigen zum Unternehmer nicht erforderlich. Sie muß nur nach ihrer Art sonst von Personen verrichtet werden können, die zum Unternehmer in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit stehen, und der Verletzte muß in dem fremden Betriebe wie ein Arbeitnehmer eingegliedert sein (vgl. SZ 42/39; SZ 48/123; BSG-VersR 1958, 337 ua.). Dienstgeber, dem die Haftungsbefreiung nach § 333 Abs 1 ASVG zugute kommt, ist nach der Definition des § 35 Abs 1 ASVG nicht nur der Partner des Dienstvertrages. Es kommt vielmehr entscheidend auf die Einordnung in den Betrieb an. Die Haftungsbegünstigung gilt auch dann, wenn den Unfall nicht ein auf Grund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigter, sondern eine Person erlitten hat, die wie ein solcher Beschäftigter, wenn auch nur vorübergehend, tätig geworden ist (vgl. ZVR 1979/268, EvBl 1979/102 ua.). Der Versicherungsschutz nach § 176 Abs 1 Z 6 ASVG ist von der Eingliederung des vorübergehenden Tätigen in dem Unternehmen wie ein Arbeitnehmer und dessen Bereitschaft, den Weisungen des fremden Unternehmers Folge zu leisten, abhängig. Für das Vorliegen einer betrieblichen Tätigkeit im Sinne der genannten Gesetzesstelle ist es wesentlich, daß es sich um eine - wenn auch nur

kurzfristige - ernstliche, dem in Frage stehenden Unternehmen dienliche Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Dienstgebers (Unternehmers) entspricht, die ihrer Art sowie den Umständen nach sonst von Personen verrichtet zu werden pflegt, die auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses von dem Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängig sind (§ 4 ASVG) und, daß durch diese Tätigkeit ein enger innerer ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen hergestellt wird (SZ 42/39, SZ 48/123, SZ 50/156, SZ 52/66 ua.).

Werden diese Grundsätze auf den im vorliegenden Fall festgestellten Sachverhalt angewendet, kann der Ansicht des Berufungsgerichtes, das kurze Halten der Ladebordwand durch den Kläger sei eine reine Gefälligkeit gegenüber dem Drittbeklagten gewesen, es habe sich dabei um keine typische Tätigkeit im Interesse der Erstbeklagten gehandelt, wie sie üblicherweise von Versicherten im Sinne des § 4 ASVG ausgeübt werde, es könne der Erstbeklagten auch nicht unterstellt werden, daß die Tätigkeit des Klägers ihrem Willen entsprochen habe, die Haftung der Erst- und des Drittbeklagten sei mangels einer betrieblichen Tätigkeit des Klägers im Sinn des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG durch § 333 ASVG nicht beschränkt, nicht gefolgt werden. Nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes lieferte der Drittbeklagte, ein Dienstnehmer der Erstbeklagten, am Unfallstag mit einem LKW der Erstbeklagten Baumaterialien an den Kläger, die dieser bei der Erstbeklagten bestellt hatte, wobei deshalb kein Beifahrer mitfuhr, weil bei zwei früheren Lieferungen der Empfänger, unter ihnen auch der Kläger, beim Entladen geholfen hatten und der Drittbeklagte auch diesmal mit einer solchen Hilfe, die allerdings nicht ausdrücklich vereinbart worden war, und durch die der Entladevorgang von 40 auf 20 Minuten verkürzt worden wäre, rechnete. Der Drittbeklagte fuhr mit dem LKW rückwärts auf den leicht ansteigenden Grund des Klägers. Danach öffnete er den rückwärtigen Teil der linken Ladebordwand. Wegen eines Betonpfostens konnte die Ladebordwand nur etwa bis zur Waagrechten geöffnet werden. Der Drittbeklagte ersuchte daraufhin den Kläger, die Ladebordwand zu übernehmen. Der Kläger stellte sich ca. 0,5 bis 1 m hinter den vorderen Rand der auf dem Betonpfosten aufliegenden Ladebordwand und hob sie mit beiden Händen etwas an, sodaß der Drittbeklagte mit dem LKW etwas rückwärts fahren konnte. Dabei hatte der Kläger die vier Finger der linken Hand unter der Bordwand und den linken Daumen neben deren Vorderkante. Auf einen Zuruf des Klägers oder dessen Vaters, daß es schon reiche, hielt der Drittbeklagte den LKW an und betätigte die Fußbremse. Die vom Kläger gehaltene Bordwand befand sich dabei etwa 10 bis 20 cm vom Betonpfosten entfernt; diese Entfernung konnte der Drittbeklagte im Rückspiegel nicht feststellen. Der Kläger stand, mit der Bordwand in den Händen, mit den Fersen knapp außerhalb einer etwa 40 cm tiefen Vertiefung am Rand der Baugrube. Er wollte hinabsteigen, um danach die Bordwand vollständig zu öffnen. In diesem Augenblick löste der Drittbeklagte, nachdem er die Handbremse angezogen hatte, die Fußbremse. Dadurch setzte sich der samt Ladung etwa 13 t schwere LKW ruckartig ein Stück vorwärts in Bewegung. Diese Eigenschaft des Fahrzeuges war dem Drittbeklagten von früheren Fahrten bekannt. Durch die Vorwärtsbewegung wurde der linke Daumen des Klägers zwischen Betonpfosten und Vorderseite der Bordwand zerquetscht. Wird dieser Geschehensablauf in seiner Gesamtheit betrachtet, kann es nicht zweifelhaft sein, daß sich der Unfall am Beginn des Entladevorganges ereignete und der Kläger, selbst wenn tatsächlich seine weitere Mithilfe beim Entladen zum Unterschied von den beiden früheren Lieferungen nicht beabsichtigt gewesen sein sollte, jedenfalls während der Zeitspanne, in welcher er über Ersuchen des Drittbeklagten die Ladebordwand hielt, eine betriebliche Tätigkeit im Sinne des § 176 Abs 1 Z 6 ASVG ausübte, nämlich eine - wenn auch nur kurzfristige - ernstliche, dem Unternehmen der Erstbeklagten dienliche Tätigkeit, die deren Willen entsprach und die ihrer Art sowie den Umständen nach sonst von Personen verrichtet zu werden pflegt, die auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses von dem Unternehmer persönlich oder wirtschaftlich abhängig sind (§ 4 ASVG) und durch diese Tätigkeit ein enger innerer, ursächlicher Zusammenhang mit dem Unternehmen der Erstbeklagten hergestellt wurde. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kam aber dem Drittbeklagten gegenüber dem Kläger während dessen Mithilfe die Stellung eines Aufsehers im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG zu. Aufseher im Betrieb ist derjenige, der für das Zusammenwirken mehrerer Betriebsangehöriger oder von Betriebseinrichtungen zu sorgen hat und dafür verantwortlich ist, der andere Betriebsangehörige oder wenigstens einen Teil des Betriebes überwacht und den ganzen Arbeitsgang einer bestimmten Arbeitspartie leitet und der damit eine mit einem gewissen Pflichtenkreis und mit Selbständigkeit verbundenen Stellung zur Zeit des Unfalles tatsächlich innehatte. Es ist dabei nicht erforderlich, daß die Aufsehertätigkeit als Dauerfunktion ausgeübt wird, oder daß der Aufseher im Betrieb gemäß § 333 Abs 4 ASVG eine Person ist, der in der Betriebshierarchie an und für sich eine gehobene Stellung zukommt (vgl. Arb.7520, EvBl 1980, 24 ua.). Bei einer Zwei-Mann-Arbeitspartie ist derjenige, der nur bezüglich einer bestimmten ihm aufgetragenen Arbeit entscheidungsbefugt ist, in diesem Umfang Aufseher im Betrieb (vgl. SZ 52/66 ua.). Der Kläger hatte über Ersuchen des Drittbeklagten das Halten der Bordwand übnernommen und der Drittbeklagte war bezüglich dieser Tätigkeit unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Falles dem Kläger gegenüber als Aufseher im Betrieb anzusehen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes kam daher der Erstbeklagten das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 ASVG und dem Drittbeklagten jenes nach § 333 Abs 4 ASVG zugute. Da aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, ein Anspruch des Klägers gegen die Zweitbeklagte zur Voraussetzung hatte, daß ihm eine versicherte oder mitversicherte Person für seinen Schaden zu haften hatte, was, wie dargelegt, hier nicht der Fall war, entfiel auch eine Haftung der Zweitbeklagten.

Der Revision war daher Folge zu geben und das Klagebegehren gegen alle Beklagten abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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