OGH 8Ob641/87

OGH8Ob641/875.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Markus L***, geboren am 10. Juli 1939 in Stall, Maurer, Latzendorf 41, 9832 Stall im Mölltal, vertreten durch Dr. Robert Gasser, Rechtsanwalt in Lienz, wider die beklagte Partei Edith L***, geboren am 19.Februar 1932 in Harburg-Wilhelmsburg, Hausfrau, Gussnigberg 8, 9832 Stall im Mölltal, vertreten durch Dr. Peter Rohracher, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7. Juli 1987, GZ 5 R 170/86-31, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18.August 1986, GZ 26 Cg 169/84-22, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 308,85, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 20.5.1979 vor dem Standesamt Stall im Mölltal die Ehe geschlossen. Es handelte sich beim Kläger um die erste, bei der Beklagten um die vierte Ehe. Ihre erste Ehe wurde durch den Tod des Ehemannes, die zweite und dritte Ehe durch Scheidung aufgelöst. Der Ehe der Streitteile entstammen keine Kinder. Beide Streitteile sind österreichische Staatsangehörige; sie hatten ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Latzendorf.

Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Beklagten im Sinne des § 49 EheG. Er lastete ihr als schwere Eheverfehlungen im wesentlichen an, daß sie ihn nicht über ihre Vorehen informiert habe, daß sie die Haushaltsführung vernachlässigt und ihre Zeit mit dem Genuß von Alkohol und Kaffee und dem Lesen von Schundromanen verbracht habe, daß sie ihn - auch

schriftlich - beleidigt und beschimpft habe und daß sie letztlich die eheliche Wohnung grundlos verlassen habe. Durch dieses ehewidrige Verhalten der Beklagten sei die Ehe unheilbar zerrüttet worden.

Die Beklagte bestritt die ihr zur Last gelegten Eheverfehlungen und beantragte die Abweisung der Scheidungsklage. Für den Fall der Scheidung der Ehe beantragte sie den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers im wesentlichen mit der Begründung, der Kläger habe übermäßig Alkohol konsumiert und sie in betrunkenem Zustand wiederholt mißhandelt. Er habe der Beklagten keinen Unterhalt geleistet und sie grundlos aus dem Haus gewiesen und ihr den Zutritt zur Ehewohnung verboten, weshalb sie zum Auszug genötigt gewesen sei. Im übrigen habe der Kläger der Beklagten allfällige Eheverfehlungen verziehen; die Streitteile hätten sich in der Nacht vom 1. auf den 2.9.1984 vollkommen ausgesöhnt.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG aus beiderseitigem gleichteiligem Verschulden.

Die Wiedergabe der vom Erstgericht getroffenen Feststellungen kann unterbleiben, weil das Berufungsgericht zu teilweise abweichenden Feststellungen gelangte.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß beide Streitteile schuldhaft ein zur Zerrüttung ihrer Ehe führendes Fehlverhalten gesetzt hätten, das als annähernd gleich schwerwiegend zu beurteilen sei. Die Ehe sei daher aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile zu scheiden.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Scheidung der Ehe der Streitteile aus beiderseitigem Verschulden, jedoch aus überwiegendem Verschulden des Klägers ab. Das Berufungsgericht stellte nach teilweiser Beweiswiederholung unter Einbeziehung der unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Vor der Eheschließung haben die Streitteile zusammen mit der aus der zweiten Ehe stammenden Tochter der Beklagten, Ingrid S***, schon ungefähr fünf Jahre im gemeinsamen Haushalt gelebt. Seit dem Jahr 1981 kam es wiederholt zu Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen. Einer der Hauptgründe dafür war, daß die Beklagte von den in unmittelbarer Nachbarschaft wohnenden Verwandten ihres Ehemannes von Anfang an nicht akzeptiert wurde. Sie wurde von diesen als Erbschleicherin und Hure beschimpft, ebenso vom Kläger, der sich von seinen Verwandten beeinflussen ließ und die Beklagte nicht in Schutz nahm. Der Kläger wiederum war der Meinung, die Beklagte wolle ihn von seiner Verwandtschaft fernhalten.

Ein weiterer Anlaß für Auseinandersetzungen war der übermäßige Alkoholkonsum des Klägers. Schon in der Zeit vor der Eheschließung hatte sich die Beklagte immer wieder bemüht, diesbezüglich auf den Kläger positiv einzuwirken, wobei sie zuletzt sogar damit drohte, die Gendarmerie zu holen. Die Bemühungen der Beklagten, ihren Ehemann vom Trinken abzuhalten, da dieser im betrunkenen Zustand aggressiv war und zu Gewalttätigkeiten neigte, hatten letztlich keinen Erfolg. Der Kläger, der in der Zeit nach der Eheschließung noch auswärts als Maurer arbeitete und nur zu den Wochenenden bzw. nach den Arbeitsdekaden für einige Tage nach Hause kam, provozierte häufig einen Streit mit der Beklagten, um diesen als Anlaß für das Verlassen des Hauses nehmen zu können. Er suchte dann regelmäßig entweder eines der Gasthäuser im Dorf oder seinen Bruder auf, wo er meistens etwa 10 Biere konsumierte und erst spät in der Nacht alkoholisiert in die eheliche Wohnung zurückging.

Am Weihnachtsabend des Jahres 1981 kam der Kläger erst später am Abend im betrunkenen Zustand - er hatte bei seinem Bruder gefeiert - nach Hause. Die Beklagte hatte den Abend bis dahin mit ihrer Tochter Ingrid verbracht. Beide überreichten dem Kläger ihre Weihnachtsgeschenke. Der Kläger entschuldigte sich dafür, daß er für sie keine Geschenke habe. Die Beklagte verließ darauf das Zimmer, um ihm das Abendessen zu bereiten. Der Kläger folgte ihr in die Küche nach und begann auf einmal völlig unvermutet und ohne einen besonderen Grund zu haben, die Beklagte zu beschimpfen und sie zu schlagen.

Auch im darauffolgenden Jahr kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, wenn der Kläger alkoholisiert entweder nach einem Gasthausbesuch oder von seinem Bruder kommend in sein Haus zurückkehrte. Er forderte die Beklagte dabei des öfteren auf, sie solle verschwinden, er werde sie sonst (sinngemäß) "kaputtmachen". Diese ständigen Auseinandersetzungen führten zunehmend zu einer Verschlechterung der Beziehung zwischen den Streitteilen und schließlich auch dazu, daß der Kläger der Beklagten den Zugriff auf sein Konto verwehrte und diese - sie war vor der Eheschließung berufstätig gewesen - mit ihrer Pension von S 2.000,-- monatlich, unterstützt auch durch ihre Tochter Ingrid, ihren Lebensunterhalt bestreiten mußte.

Im Laufe des Jahres 1981 zog auch der Freund und spätere Gatte der Tochter der Beklagten in das Haus der Streitteile, doch war dies nur vorübergehend, da die Eheleute G*** beabsichtigten, einen Bauernhof zu pachten und wegzuziehen.

Noch vor deren Wegzug, Anfang des Jahres 1982, kam es zu einer weiteren besonders heftigen Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen. Anlaß war eine im Keller stehende Kiste mit Äpfeln. Die Beklagte hatte über Aufforderung des Klägers die faulen Äpfel aussortiert, die Kiste mit dem faulen Obst aber nicht hinausgebracht, sondern noch im Haus stehen gelassen. Als der Kläger damals wieder im betrunkenen Zustand spät in der Nacht nach Hause kam, stürzte er über diese Kiste und begann, dadurch in Wut gebracht, die Beklagte, die bereits im Bett lag und geschlafen hatte, zu beschimpfen, schien sich jedoch dann zu beruhigen und legte sich ebenfalls zu Bett. Plötzlich stand er jedoch auf, zog die Wolldecke aus dem Bett der Beklagten heraus, drehte sie zusammen und versuchte sie der Beklagten um den Hals zu legen. Der Beklagten gelang es rechtzeitig, aus dem Bett herauszuspringen und das Schlafzimmer zu verlassen. Der Kläger warf darauf Kleidungsstücke der Beklagten vom Kasten heraus auf den Fußboden des Flures. Als die Beklagte, die darauf zur Gendarmerie gelaufen war, mit den Gendarmeriebeamten zurückkehrte, saß der Kläger angezogen am Tisch in der Küche und behauptete gegenüber den Gendarmeriebeamten, die Beklagte hätte ins Bett gemacht. Um seine Behauptung zu unterstreichen, hatte er vor dem Eintreffen der Beamten die faulen Äpfel ins Bett geleert. Eine Anzeige wurde damals nicht aufgenommen, da Verletzungen der Beklagten nicht festzustellen waren. Die Beklagte blieb auch nach diesem Vorfall zunächst noch weiter in der ehelichen Wohnung, da sie keine Zufluchtsmöglichkeit wußte. Ihr Zustand war ihr jedoch auf Grund der ständigen Streitigkeiten und der Mißhandlungen durch den Kläger so unerträglich geworden, daß sie ihre Tochter und deren Mann bat, sie möchten sie bei sich nach Übernahme der gepachteten Landwirtschaft wohnen lassen, wobei sie, im Hinblick auf deren anfängliche Vorbehalte, geradezu darum "betteln" mußte; als diese schließlich auf die von ihnen gepachtete Landwirtschaft zogen, nahmen sie die Beklagte doch mit, nachdem sich der Kläger noch unmittelbar vorher dahin geäußert hatte, die Beklagte könne gleich mit ihrer Tochter mitgehen.

Nicht festgestellt werden kann, daß die Beklagte bei irgendeiner der tätlichen Auseinandersetzungen ernstlich Verletzungen erlitt. Über den Sommer 1982 war die Beklagte auf der Alm als Sennerin tätig. Sie besuchte in dieser Zeit, sowie auch im darauffolgenden Herbst und Winter, den Kläger einige Male in der früheren Ehewohnung, wobei sie jedoch immer nur die Nacht über im Haus blieb und dieses in der Früh wieder verließ, um die Wiederaufnahme des Kontaktes vor den Verwandten des Klägers geheimzuhalten. Auch der Kläger hat die Beklagte ein oder zwei Mal in seiner Almhütte getroffen. zu einer Wiederaufnahme der ordentlichen ehelichen Lebensgemeinschaft ist es jedoch nicht gekommen.

Die Beklagte, die unter diesem Zustand litt, hat dem Kläger einige Male geschrieben, wobei sie ihn in einem der Briefe zwar als armselige Kreatur, Heuchler und Feigling, der durch den Alkohol schon impotent geworden sei und an Verfolgungswahn leide, bezeichnete, jedoch andererseits bat, er solle doch den Mut haben, sich zu ihrer Beziehung zu bekennen.

Schließlich stellte die Beklagte auch die besuchsweisen Kontakte zum Kläger ein, da dieser offenbar nicht bereit war, die eheliche Lebensgemeinschaft mit ihr wieder aufzunehmen und sich zu ihr zu bekennen.

Denn seitdem die Beklagte gegen ihn im Jänner 1984 eine Unterhaltsklage (zu 3 C 29/84 des Bezirksgerichtes Spittal/Drau) eingebracht hatte und der Beklagte sich in einem in diesem Verfahren geschlossenen Vergleich zu einer monatlichen Unterhaltszahlung von S 2.000,-- verpflichtete, verwehrte er der Beklagten überhaupt den Zutritt zu seinem Haus. Die Beklagte suchte den Kläger danach noch einmal auf, wurde von diesem jedoch nur in die Küche gelassen und schließlich des Hauses verwiesen.

Daß sich die Streitteile in der Nacht vom 1. auf den 2.September 1984 vollkommen ausgesöhnt haben, kann nicht festgestellt werden. Rechtlich beurteilte das Berufungsgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß ein Verschulden der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe zu verneinen sei; die zur Zerrüttung der Ehe führenden Umstände seien allein auf Seiten des Klägers zu finden. Einerseits sei der Kläger an den Wochenenden bzw. den arbeitsfreien Tagen nach Gasthausbesuchen oder von seinem Bruder kommend regelmäßig stark alkoholisiert erst spät in der Nacht nach Hause gekommen und habe seine durch die Alkoholisierung hervorgerufene Aggressivität immer wieder Auseinandersetzungen zur Folge gehabt, in deren Verlauf er gegen die Beklagte tätlich geworden sei. Andererseits habe sich der Kläger durch die von seiner Verwandtschaft der Beklagten entgegengebrachte Abneigung beeinflussen lassen, seine Ehegattin gegenüber seinen Verwandten nicht in Schutz genommen und damit seine Beistandspflicht verletzt. Die Beklagte habe sich durch dieses Verhalten des Klägers verletzt und im Stich gelassen gefühlt. Im Hinblick auf dieses Verhalten des Klägers, auf Grund der ständigen Auseinandersetzungen und des Umstandes, daß der Kläger auch seiner Unterhaltsverpflichtung nicht nachgekommen sei, sei die Verzweiflung der Beklagten begreiflicherweise immer größer geworden, bis es letztlich auch noch zum Vorfall mit der Apfelkiste gekommen sei.

Es könne der Beklagten unter diesen Umständen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß sie schließlich den Entschluß gefaßt habe, mit ihrer Tochter die eheliche Wohnung zu verlassen und bei ihrer Tochter Aufenthalt zu nehmen. Auch in diesem Zeitpunkt habe der Kläger wenig Einsicht gezeigt und die Beklagte sogar noch aufgefordert, sie solle nur mit ihrer Tochter mitgehen. Es könne daher nicht die Rede davon sein, daß die Beklagte die eheliche Lebensgemeinschaft ohne besonderen Grund aufgehoben hätte, sodaß darin kein Verschulden der Beklagten an der Zerrüttung der Ehe gesehen werden könne.

Auch eine Verletzung ihrer Pflicht zur anständigen Begegnung sei nicht anzunehmen. Die Schreiben der Beklagten an den Kläger, in denen dieser als Feigling, Heuchler und armselige Kreatur bezeichnet werde, dürften nicht herausgerissen aus der damaligen Situation, sondern könnten nur im Zusammenhang mit den gesamten Umständen gesehen werden. Die Beklagte habe im selben Schreiben die angeführten Beleidigungsausdrücke gebraucht und gleich darauf den Beklagten gebeten, zu ihr zu halten und sich zu ihrer Beziehung zu bekennen. Aus der verwendeten Wortwahl könne durchaus auf einen Zustand der Beklagten geschlossen werden, der durch ein Schwanken zwischen Wut und Verzweiflung charakterisiert sei. Eine bewußte Verletzung der Pflicht zur anständigen Begegnung könne daher aus diesem Schreiben nicht abgeleitet werden.

Als weitere Eheverfehlungen seien dem Kläger die (unbestrittene) Verletzung seiner Unterhaltspflicht und der Umstand, daß er seiner Gattin die Rückkehr verweigerte, zu werten.

Es habe daher nur der Kläger Gründe gesetzt, die zur Zerrüttung der Ehe geführt hätten; der Beklagten könne keine Verletzung der ihr obliegenden ehelichen Pflichten angelastet werden.

Der Berufungsantrag der Beklagten, der auf eine Abänderung der Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers gerichtet sei, sei verfehlt. Hätte die Beklagte die Scheidung aus dem alleinigen Verschulden ihres Ehemannes erreichen wollen, hätte sie eine Widerklage erheben müssen. Da dies nicht der Fall sei, die Beklagte aber andererseits den Ausspruch der Scheidung nicht bekämpfe, sei ihrem Eventualantrag auf Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers stattzugeben.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; hilfsweise beantragt er die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes.

Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision des Klägers keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der im Rechtsmittel des Klägers erhobene Vorwurf, das Berufungsgericht sei von unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes abgegangen, ist dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zuzuordnen, sachlich aber nicht begründet. Denn daß sich die Beklagte mit der in unmittelbarer Nachbarschaft lebenden Verwandtschaft des Klägers nicht verstand, ergibt sich auch aus der Sachverhaltsdarstellung des Berufungsgerichtes (S 6 des Berufungsurteiles); im übrigen wurde der Sachverhaltskomplex der Beziehungen zwischen der Beklagten und den Verwandten des Klägers und ihrer Folgen auf die Ehe der Streitteile sehr wohl von der in der Berufung der Beklagten ausgeführten Tatsachenrüge betroffen.

Soweit der Kläger in seiner Rechtsrüge versucht, die Richtigkeit der vom Berufungsgericht als feststehend angenommenen tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen zu bekämpfen, ist sein Rechtsmittel nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt; auf die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen ist nicht weiter einzugehen. Geht man von den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen aus, dann erweist sich die Rechtsrüge des Klägers als unbegründet. Es kann dahingestellt bleiben, ob es der Beklagten nicht als Eheverfehlung im Sinne des § 49 EheG anzulasten ist, wenn sie in einem ihrer Briefe an den Kläger diesen als armselige Kreatur, Heuchler und Feigling bezeichnete, der durch den Alkohol schon impotent geworden sei und an Verfolgungswahn leide; es kann auch dahingestellt bleiben, ob dieses Verhalten der Beklagten für die bestehende unheilbare Zerrüttung der Ehe kausal war. Denn selbst wenn man all dies bejaht, ergibt sich daraus keine Änderung des Verschuldensausspruches des Berufungsgerichtes.

Bei der Beurteilung eines Mitverschuldens im Sinne des § 60 Abs 3 EheG müssen nämlich die beiderseitigen Eheverfehlungen in ihrem Zusammenhang gesehen werden, wobei es nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Ehewidrigkeiten ankommt, sondern auch darauf, wie weit sie einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten. Maßgebend ist das Gesamtverhalten der Ehegatten und nicht die Zahl, sondern das Gewicht ihrer Eheverfehlungen, ihre Reihenfolge und ihr Beitrag zur Zerrüttung der Ehe (EFSlg.46.235; EFSlg.48.824; 5 Ob 544/87 ua). Das überwiegende Verschulden eines Ehegatten ist nur auszusprechen, wenn die Schuld des einen Gatten erheblich schwerer ist und das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund tritt (EFSlg.46.242; EFSlg.48.832 uva).

Gerade letzteres trifft aber nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hinsichtlich des dem Kläger angelasteten Mitverschuldens jedenfalls zu. Selbst wenn man nämlich der Beklagten im Sinne der Revisionsausführungen des Klägers die in einem ihrer Schreiben enthaltenen Schmähungen als schwere Eheverfehlungen anlastet - für die Annahme weiterer Eheverfehlungen der Beklagten fehlt in den Feststellungen des Berufungsgerichtes jedes sachliche Substrat - , ist nicht zu übersehen, daß dem ein die Zerrüttung der Ehe einleitendes grob ehewidriges Verhalten des Klägers gegenübersteht, das als erheblich schwerwiegender zu beurteilen ist als ein derartiges Fehlverhalten der Beklagten; dieses Fehlverhalten der Beklagten tritt gegenüber dem dem Kläger anzulastenden grob ehewidrigen Verhalten fast völlig in den Hintergrund. Im Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers durch das Berufungsgericht ist daher ein Rechtsirrtum nicht zu erkennen. Der Revision des Klägers muß unter diesen Umständen ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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