Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die im Jahre 1977 geschlossene Ehe der Eltern des Minderjährigen wurde am 17.2.1982 aus dem überwiegenden Verschulden der beklagten Ehefrau geschieden. Seit Juni 1981 lebt die Mutter des Minderjährigen bei ihrem Lebensgefährten Dr.Fritz L***. Der Minderjährige befindet sich bei seiner Mutter, der auch die elterlichen Rechte und Pflichten allein übertragen wurden (Beschluß des Erstgerichtes vom 31.Mai 1983, ON 24 dA). Seit Mai 1982 führt die Mutter wieder ihren früheren Familiennamen.
Im Jahr 1986 beantragte die Mutter des Minderjährigen beim Magistrat der Stadt Wien die Änderung des Familiennamens des Minderjährigen in "M***". Kinder aus geschiedenen Ehen seien gegenüber solchen aus intakten Familien in der Schule nach wie vor benachteiligt; in der Schule werde ein Kind, dessen nicht intakte Familienverhältnisse aus der Verschiedenheit seines Namens zu demjenigen seiner Mutter hervorgingen, für den Lehrer "zu einem Sonderfall, zu einem Außenseiter", der Lehrer agiere einem solchen Kind gegenüber unbewußt nicht mehr objektiv. Auch seien Hänseleien von Seiten der Mitschüler zu befürchten. Das Kind bekomme Minderwertigkeitsgefühle, weil es anders sei als die anderen. Außerdem würde eine Namensgleichheit zwischen ihr und dem Minderjährigen administrative Vereinfachungen mit sich bringen. Die Notwendigkeit der Namensänderung ergäbe sich insbesondere daraus, daß der Minderjährige im Schuljahr 1987/88 in die Volksschule eintreten werde.
Mit dem am 3.Dezember 1986 beim Erstgericht eingebrachten Schriftsatz stellte der eheliche Vater Dr.Alfons B*** den Antrag, der Mutter zu untersagen, den Namen des Minderjährigen ändern zu lassen und den diesbezüglichen Antrag beim Magistrat aufrecht zu erhalten. Mit der beabsichtigten Namensänderung wolle die Mutter eine Entfremdung zwischen ihm und dem Minderjährigen herbeiführen. Bei Änderung des Familiennamens wäre ein Bruch in der Entwicklung des Minderjährigen, nämlich in seiner Selbstfindung, zu befürchten. Nach Einholung einer Stellungnahme des Jugendamtes, in der die beabsichtigte Namensänderung befürwortet wurde, wies das Erstgericht den Antrag des Vaters ab. Es traf - dem Befund und Gutachten des Sachverständigen Univ.Doz.Dr.med.Max H.F*** entsprechend - im wesentlichen folgenden, für die beantragte Namensänderung bedeutsamen Feststellungen:
Der fast sechsjährige Minderjährige ist somatisch und intellektuell altersgemäß gereift, emotional diesem Lebensalter typisch entsprechend stark an die Mutter gebunden und sozial, zum gegenwärtigen Zeitpunkt verunsichert. Die emotionale Bindung an die Mutter erklärt sich aus der eben ablaufenden Entwicklungsphase, in der sich ein Kind einerseits seiner Geschlechtsidentität bewußt wird und andererseits die Mutter ins Zentrum seiner Gefühle stellt. Somit ist jede von außen kommende emotionale Beziehungsperson ein Störfaktor. Zusätzlich wird in diesem Lebensalter die männliche Bezugsperson der Mutter als Rivale um die Gunst der Mutter angesehen. Michael nützt die Gelegenheit, die männlichen Bezugspersonen zu unterteilen. Der leibliche Vater wird zum bekämpfenswerten Mann gemacht, den man "erlaubterweise" ablehnen kann und unter Billigung der Mutter auch darf. Dem zweiten Mann der Mutter werden die positiven Gefühle, die in ambivalenter Haltung immer vorhanden sind, entgegengebracht. Auf diese Weise trennt Michael seine Gefühlswelt männlichen Bezugspersonen gegenüber und wird zumindest unbewußt von der Mutter in der Haltung bestärkt. Aus der zeitlichen Abfolge des Lebens des Kindes ergibt sich, daß dieser behutsam "den Vater wechselte". Beide Elternteile sind als hinreichend erziehungssuffizient einzustufen. Michael lehnt den Vater derzeit ab; dies ist als Entwicklungsphänomen einzustufen. Schon die nächste Entwicklungsphase wird dieses Verhalten wieder ändern, sodaß ein Besuchsrecht - worum es im Verfahren erster Instanz auch noch ging - auf etwa 2 Jahre ausgesetzt werden sollte. Bis dahin müßte die Mutter immer wieder ein positives Bild des leiblichen Vaters entwickeln. Der Vater müßte als existierende Person gelten und müßte regelmäßig, etwa 14tägig, seinem Sohn schreiben. Die Aussetzung des Besuchsrechtes könne nur eine vorübergehende Maßnahme darstellen, die jedoch im Hinblick auf das Kindeswohl sofort zu revidieren sei, wenn Michael reifer geworden ist. Unter diesen Voraussetzungen ist eine Namensänderung derzeit als störend zu betrachten. Mit dem väterlichen Namen ist eben verbunden, daß der leibliche Vater und der Stiefvater zwei verschiedene Personen sind. Aus klinischer und wissenschaftlicher Erfahrung kann abgeleitet werden, daß für die Entwicklung des Kindes kein Schaden entsteht, wenn die Herkunft durch den Namen klar gekennzeichnet ist. In einer sozialen Umgebung, in der rund 30 % aller geschlossenen Ehen wieder geschieden werden, ist die Unterschiedlichkeit des mütterlichen Namens von jenem des Kindes auch kein soziales Stigma mehr.
Bei seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß das Gericht lediglich zu prüfen habe, ob die von der Mutter beantragte Änderung des Familiennamens geeignet wäre, das Wohl des Kindes zu gefährden (§ 176 ABGB). Die hier beabsichtigte Namensänderung würde sich zwar störend auf das Kind auswirken, das Gericht habe jedoch keine Möglichkeit, sie zu untersagen und könne nur an das Verständnis der Mutter appellieren.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom Vater gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluß dahin ab, daß es der ehelichen Mutter untersagte, den Familiennamen des Minderjährigen auf "M***" ändern zu lassen und den diesbezüglichen Antrag beim Magistrat der Stadt Wien (MA 61/II-B 121/86) aufrecht zu erhalten. Bei der Änderung des Familiennamens des Kindes handle es sich um eine Maßnahme des § 154 Abs 2 ABGB, sodaß der Vater, auch wenn ihm die elterlichen Rechte und Pflichten nicht zustünden, davon rechtzeitig zu verständigen sei und sich hiezu in angemessener Frist äußern könne (§ 178 Abs 1 ABGB). Im allgemeinen sei davon auszugehen, daß der Familienname eines Kindes nicht einem willkürlichen Wechsel unterworfen sein solle. Änderungen von Familiennamen würden von dem die Elternrechte ausübenden Elternteil oft mit Bestrebungen im Zusammenhang gebracht, die darauf abzielten, den anderen Elternteil aus dem Gesichtskreis des Kindes vollständig zu eliminieren. Daß die Mutter im gegenständlichen Fall von derartigen Bestrebungen geleitet werde, könne im Hinblick auf ihre Haltung in der Besuchsrechtsfrage zumindest nicht ausgeschlossen werden. Der Umstand, daß die Mutter nach der Scheidung ihren Mädchennamen wieder angenommen habe, sei nicht Grund genug, um die Änderung des Namens des Kindes zu rechtfertigen. Ihre Behauptung, das Kind würde bei Namensverschiedenheit für die Lehrer zu einem Sonderfall, zu einem Außenseiter, es würde von den Lehrern nicht mehr objektiv beurteilt werden, gehe an der Realität des Lebens vollkommen vorbei. Wie der Sachverständige richtig aufgezeigt habe, könne in der heutigen gesellschaftlichen Situation, insbesondere in Wien, mit einem extrem hohen Anteil von Kindern aus geschiedenen Ehen, von einer sozialen Stigmatisierung im Falle der Verschiedenheit der Familiennamen von Mutter und Kind keine Rede mehr sein. Auch Hänseleien von seiten der Mitschüler seien aus diesen Gründen nicht mehr zu befürchten. Dazu komme, daß der Sachverständige im Hinblick auf die Identifikationsprobleme des Minderjährigen (hier Vater, hier Lebensgefährte der Mutter) eine Namensänderung als störend empfinde. Bei ein und demselben Kind werde oft hintereinander die Durchführung verschiedener Namenswechsel begehrt. Würden die für den ersten Namenswechsel angeführten Gründe zutreffen, so müßten sie folgerichtig auch für weitere Namenswechsel gebilligt werden. Im gegenständlichen Fall könne - insbesondere, wenn die Kindesmutter von ihrem derzeitigen Lebensgefährten ein Kind erwarten würde - die Wiederverehelichung der Mutter und somit ihre neuerliche Namensänderung nicht ausgeschlossen werden. In diesem Falle wäre wiederum eine Namensverschiedenheit zwischen Mutter und Kind gegeben, sodaß dann erneut um eine Namensänderung angesucht würde. Das Wohl des Kindes erfordere es, daß der Kontakt mit seinem Vater gepflogen werde und das Kind sich - so wie bisher - der biologischen Bindungen bewußt sei. Durch die angestrebte Namensänderung würde auch das letzte äußerliche Band zwischen Vater und Kind zerschnitten. Dies würde zwar offensichtlich den Interessen der Mutter entgegenkommen, zweifellos aber nicht dem Wohl des Kindes und den berechtigten Interessen des Vaters entsprechen.
Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der ehelichen Mutter mit dem Antrag, den Beschluß des Rekursgerichtes im Sinne der Wiederherstellung der diesbezüglichen Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. Insoweit sich die Revisionsrekurswerberin gegen die den Entscheidungen der Vorinstanzen zugrunde liegenden Feststellungen über die Frage der Bedeutung der Verschiedenheit des Familiennamens des Minderjährigen und seiner Mutter für die Identitätsfindung des Minderjährigen und die Übernahme von auch vom Sachverständigen erwähnten Erfahrungssätzen wendet und die neuerliche Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt, stellen sich die Rechtsmittelausführungen als unzulässiger Versuch der Bekämpfung der Beweiswürdigung und Feststellungen der Vorinstanzen dar, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz ist (EFSlg 47.129, 49.854 uva). Richtig ist wohl, daß im Beweisverfahren nicht hervorgekommen ist, die Rechtsmittelwerberin werde wieder heiraten; damit ist für sie aber nichts gewonnen, weil die diesbezüglichen Ausführungen des Rekursgerichtes im Rahmen der rechtlichen Beurteilung lediglich von der Annahme der Möglichkeit einer neuerlichen Verheiratung ausgehen und in einem solchen Fall aufgrund der bisherigen Aktenlage nicht auszuschließen ist, daß es dann abermals zu einer Verschiedenheit der Familiennamen von Mutter und Kind kommen könnte. Im übrigen handelt es sich dabei um eine gegen die Namensänderung sprechende Überlegung, die vom Rekursgericht bloß zusätzlich angestellt wurde, der an sich hier aber keine entscheidende Bedeutung zukommt. Schließlich vertritt die Revisionsrekurswerberin den Standpunkt, man käme auch - von den Feststellungen der zweiten Instanz ausgehend - bei richtiger rechtlicher Beurteilung zu dem Ergebnis, daß der Kindesmutter die Beantragung der Namensänderung nicht hätte untersagt werden dürfen. Auch hier kann der Revisionsrekurswerberin nicht gefolgt werden.
Wie das Rekursgericht zutreffend ausführte, konnte die für den Minderjährigen alleinvertretungsbefugte eheliche Mutter den Antrag auf Änderung des Familiennamens bei der Verwaltungsbehörde stellen und mußte sie nur dem Vater des Minderjährigen die Möglichkeit geben, von seinem Äußerungsrecht Gebrauch zu machen (EvBl 1978/170; EFSlg 33.553 ua). Zur Frage der Bedeutung einer ablehnenden Äußerung des Elternteils, dem die rein persönlichen Rechte und Pflichten aus dem Kindschaftsverhältnis nicht zustehen, hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt die Rechtsmeinung vertreten, daß Einwendungen des Vaters nur dann zu berücksichtigen sind, wenn die Beibehaltung des bisherigen Familiennamens dem Wohl des Kindes entspricht (EvBl 1978/170 = EFSlg 31.400; RZ 1979/28; EFSlg 33.553; EFSlg 38.315 ua). In seiner Entscheidung vom 1.10.1986, 3 Ob 593/86 (EvBl 1987/7) brachte der Oberste Gerichtshof zum Ausdruck, daß der in der Regel mit dem gemeinsamen Familiennamen der Eltern idente Familienname des ehelichen Kindes diesem trotz der Scheidung der Ehe der Eltern erhalten bleiben soll, weil es sich dabei um ein wichtiges, in den familienrechtlichen Bestimmungen festgelegtes Persönlichkeitsrecht des Kindes handelt, das den Namensträger einem bestimmten, durch eheliche Abstammung begründeten Eltern-Kinderverhältnis zuordnet und das durch § 43 ABGB auch allgemein geschützt wird und bei Minderjährigen iS des § 21 Abs 1 ABGB besonders sorgfältig gewahrt werden muß. Auch in dieser, die Frage der Änderung des Familiennamens eines unter Vormundschaft stehenden Minderjährigen betreffenden Entscheidung wurde auf das Kindeswohl abgestellt, und zwar darauf, ob die beabsichtigte Namensänderung dem Wohl des Kindes entspricht. Von dieser Rechtsansicht abzugehen besteht kein Anlaß. Eine Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden fall zeigt aber - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte -, daß die beabsichtigte Namensänderung nicht, die Beibehaltung des Namens hingegen durchaus dem Wohl des Minderjährigen entspricht. Nach der für die rechtliche Beurteilung hier maßgeblichen Sachverhaltsgrundlage befindet sich der Minderjährige in einer vorübergehenden Entwicklungsphase, in der er seinen ehelichen Vater zwar ablehnt, dieser aber auch weiterhin in seinem Bewußtsein existent sein sollte, in der daher beide Elternteile bemüht sein müssen, dem Minderjährigen zu helfen, ein positives Bild seines leiblichen Vaters aufzubauen. Wenn das Rekursgericht unter diesen Umständen - dem Sachverständigengutachten folgend - zur Ansicht kam, die Namensänderung und die damit auch verbundene Trennung des letzten äußeren Bandes zwischen Vater und Sohn entspräche nicht dem Wohl des Minderjährigen, so kann darin keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden. Dem Revisionsrekurs mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
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