OGH 1Ob669/87

OGH1Ob669/8721.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** C***-I*** AG, Wien 1., Herrengasse 12, vertreten durch Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wilhelm H***, Bauspengler, Wien 22., Ziegelhofstraße 36/30/2/9, vertreten durch Dr. Raimund Mittag, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 605.762,-- s.A.

infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Mai 1987, GZ 14 R 47/86-68, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28. August 1984, GZ 12 Cg 192/84-3, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die für den Beklagten bestimmte Sendung mit der Klage und der Ladung zu der auf den 28. August 1984 anberaumten ersten Tagsatzung wurde am 12. Juli 1984 beim zuständigen Postamt 1225 Wien hinterlegt, nachdem die Sendung weder beim ersten Zustellversuch am 11. Juli 1984 noch beim zweiten Zustellversuch am 12. Juli 1984 dem Beklagten zugestellt werden hatte können. Da der Beklagte der ersten Tagsatzung fernblieb, erließ das Erstgericht auf Antrag der klagenden Partei ein dem auf Zahlung von S 605.762,-- s.A. gerichteten Klagebegehren stattgebendes Versäumungsurteil, dessen Ausfertigung einem Mitbewohner der Abgabestelle als Ersatzempfänger am 31. August 1984 zugestellt wurde. Dieser unterfertigte den Rückschein mit "Herm. H***".

Erst am 28. August 1985 überreichte der Beklagte beim Erstgericht seine gegen das Versäumungsurteil gerichtete, ausschließlich auf den Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs. 1 Z 4 ZPO gestützte Berufung, mit der er im wesentlichen vorbrachte, er halte sich schon seit Jahren mit seiner Familie in den Monaten Juli und August bis zum Schulbeginn nicht an der Abgabestelle, sondern auf seinem Gartengrundstück in Wien 19., Nußberggasse 18, auf. Die Sendung mit dem Versäumungsurteil habe sein Sohn aus erster Ehe Wilhelm H*** jun. entgegengenommen und auf dem Rückschein mit dem Namen seiner Ehegattin Hermine H*** unterschrieben. Sein Sohn habe ihm die Sendung vorenthalten und sie vernichtet; der Beklagte habe erst infolge der gegen ihn bewilligten Gehaltsexekution von der Tatsache Kenntnis erlangt, daß gegen ihn ein Versäumungsurteil ergangen sei. Das Berufungsgericht wies auch im zweiten Rechtsgang - der Verlauf des ersten Rechtsganges kann dem Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 1. Oktober 1986, 1 Ob 638/86, entnommen werden - die Berufung des Beklagten zurück. Es nahm als bescheinigt an, der Postzusteller Eduard G*** habe die Sendung mit der Ausfertigung des Versäumungsurteils am 31. August 1984 der Ehegattin des Beklagten Hermine H*** zugestellt, nachdem diese ihm mitgeteilt hatte, daß der Beklagte nicht anwesend sei. Hermine H*** habe den Rückschein eigenhändig unterschrieben und die Sendung übernommen. Eduard G*** habe in dieser Angelegenheit mit dem Sohn des Beklagten niemals gesprochen und diesem auch keine Gerichtssendungen ausgefolgt. Wilhelm H*** jun. habe sich am 31. August 1984 in Schleswig-Holstein (Bundesrepublik Deutschland) aufgehalten und sei von dort erst am 26. Oktober 1985 nach Österreich zurückgekehrt. Das mit "Wilhelm H***" unterzeichnete Schreiben (Beilage 13), mit welchem der Schreiber unter anderem eingestehe, daß er alle an den Beklagten gerichteten Schreiben selbst geöffnet, zerrissen und weggeworfen und an den Klagevertreter im Namen der Hermine H*** zwei Briefe mit der Bitte um Stundung geschrieben habe, sei von Hermine H*** handschriftlich verfaßt worden. Lediglich die Unterschrift auf dem Schreiben rühre von Wilhelm H*** jun. her. Er habe seiner Stiefmutter die Unterschrift deshalb geleistet, weil sie ihm mitgeteilt habe, daß sie diese Unterschrift für die "Z" (Zentralsparkasse) benötige.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, das Versäumungsurteil sei dem Beklagten am 31. August 1984 ordnungsgemäß zugestellt worden, so daß die erst am 28. August 1985 überreichte Berufung bei weitem verspätet erhoben worden und deshalb gemäß den §§ 471 Z 2 und 473 Abs. 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß erhobene Rekurs ist zwar zulässig (§ 519 Abs. 1 Z 1 ZPO), aber nicht berechtigt.

Als Verfahrensmangel rügt der Beklagte in erster Linie die Verwerfung seiner gegen den dem Berufungsverfahren beigezogenen Sachverständigen Alexander S*** vorgebrachten Ablehnungsgründe durch das Gericht zweiter Instanz. Mit Beschluß vom 28. Jänner 1987 wies es den Ablehnungsantrag des Beklagten und mit Beschluß vom 18. März 1987 den gegen diesen Beschluß vom Beklagten an den Obersten Gerichtshof erhobenen Rekurs zurück. Diesen dem Beklagten - wie sich aus seinem Vorbringen im vorliegenden Rechtsmittel ergibt - zugestellten Beschluß des Berufungsgerichtes ließ er in Rechtskraft erwachsen. Damit ist aber die Frage der Berechtigung der gegen den Sachverständigen geltend gemachten Ablehnungsgründe aus dem noch vom Obersten Gerichtshof zu prüfenden Verfahrensstoff endgültig ausgeschieden, so daß der Beklagte diese Umstände nicht neuerlich geltend machen kann. Auch die weiter geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, soweit der Beklagte mit diesen Ausführungen nicht überhaupt nur die nicht mehr bekämpfbare Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht anficht, nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 528 a ZPO). Als Rechtsrüge ist das Vorbringen des Beklagten anzusehen, das Berufungsgericht habe zu der vom Obersten Gerichtshof im ersten Rechtsgang für die Prüfung der Wirksamkeit der Zustellung des Versäumungsurteils als maßgebend bezeichneten Frage, ob der Zusteller Grund zur Annahme gehabt habe, daß sich der Beklagte zur fraglichen Zeit regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten habe, keine Erhebungen angestellt. Der Beklagte übersieht dabei jedoch, daß der Oberste Gerichtshof in seinem Beschluß vom 1. Oktober 1986 ausgesprochen hat, es sei Sache des Beklagten darzutun, weshalb die Zustellung unwirksam sei, weil die Annahme der Sendung durch den Ersatzempfänger für dessen Annahmeberechtigung spreche. Der Beklagte habe hiezu aber im zweiten Rechtsgang keinerlei Behauptung aufgestellt, so daß das Gericht zweiter Instanz keine Veranlassung hatte, von sich aus - über seine ergänzenden Erhebungen hinaus - nachzuforschen, ob der Zusteller nach den sich ihm bietenden Begleitumständen die Berechtigung des Ersatzempfängers zur Entgegennahme der Gerichtssendung annehmen durfte. Der Beklagte hat den ihm anheimgestellten Gegenbeweis nicht angetreten. Dem Rekurs ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.

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