OGH 4Ob585/87

OGH4Ob585/8720.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Maria S***, Pensionistin, Wien 3., Pfarrhofgasse 16/9, vertreten durch Dr. Peter Karl Wolf, Dr. Felix Weigert und Dr. Andreas Theiss, Rechtsanwälte in Wien, wider den Antragsgegner Dipl.Vw. Dr. Carl Ludwig S***, beeideter Buchprüfer und Steuerberater, Wien 3., Pfarrhofgasse 16/9, vertreten durch Dr. Eduard Lenz, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 26. Juni 1987, GZ 43 R 225/87-20, womit infolge Rekurses des Beteiligten Ing. Edmund B***, Pensionist, Wien 23., Franz Asenbauergasse 38, vertreten durch Dr. Herbert W***, Gebäudeverwalter in Wien, dieser vertreten durch Dr. Walter Prunbauer und Dr. Friedrich Prunbauer, Rechtsanwälte in Wien, der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30. Dezember 1986, 8 F 7/86-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 27. Jänner 1986, 53 Cg 230/85-3, wurde die Ehe der Parteien rechtskräftig nach § 55 EheG geschieden und ausgesprochen, daß den Antragsgegner das alleinige Verschulden an der Ehezerrüttung treffe. Die Ehewohnung war die vom Antragsgegner allein gemietete Wohnung top.Nr. 9 im Haus Wien 3., Pfarrhofgasse 16. Der Antragsgegner betreibt in einem Teil dieser Räumlichkeiten nach wie vor seine Wirtschaftstreuhänderkanzlei; die Antragstellerin benützt die übrigen Räume als Wohnung.

Die Antragstellerin begehrt die gerichtliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, und zwar der erwähnten Mietwohnung einschließlich der dort befindlichen Einrichtungs- und sonstigen Haushaltsgegenstände, der Eigentumswohnung im Haus Baden, Goethegasse 4, samt darin befindlichem Gebrauchsvermögen sowie der Pachtrechte an der in Neufeld, Weekendsiedlung-Straße 7, Nr. 13, gelegenen Parzelle und der darauf befindlichen Sachen jeder Art. Nach ihrem ursprünglichen Antrag sollten ihr die Mietrechte an der Ehewohnung allein zugewiesen werden, wobei sie dem Antragsgegner den Abschluß eines Untermietvertrages über bestimmte Räume zum Betrieb seiner Kanzlei zu im einzelnen aufgezählten Bedingungen anbot; die Eigentumswohnung in Baden sollte allein dem Antragsgegner, die Pachtrechte an der Parzelle in Neufeld allein der Antragstellerin verbleiben.

Der Antragsgegner schlug demgegenüber vor, daß der Antragstellerin Mithauptmietrechte an der Ehewohnung eingeräumt würden, wodurch die Möglichkeit eröffnet werde, daß sie im Fall seines Todes die Hauptmiete am gesamten Mietgegenstand allein fortsetzen könne. Käme ihm aber nur die Stellung eines Untermieters zu, so würde dies seine berechtigten Interessen an dem jahrzehntelangen Standort seiner Wirtschaftstreuhänderkanzlei erheblich beeinträchtigen.

In der Verhandlungstagsatzung vom 10. Dezember 1986 änderte die Antragstellerin ihr Aufteilungsbegehren in bezug auf die Ehewohnung dahin ab, daß sie nur noch die Begründung ihres Mitmietrechtes an dieser Wohnung beantragte; für den Fall der Abweisung dieses Antrages hielt sie jedoch ihr bisheriges Begehren aufrecht. Sodann schlossen die Parteien für den Fall der Rechtskraft eines Gerichtsbeschlusses im Sinne des nunmehrigen Hauptantrages einen Vergleich über die Aufteilung des Vermögens.

Das Erstgericht ordnete hierauf mit Beschluß vom 30. Dezember 1986 an, daß die Antragstellerin in den auf den Antragsgegner als Mieter lautenden Mietvertrag über die Wohnung in Wien 3., Pfarrhofgasse 16/9, als Mieterin eintrete, so daß nunmehr beide Parteien als Mitmieter aufschienen. Auch in Zukunft sei eine gemeinsame Benützung der Wohnung geplant; beide Parteien seien mit der angeordneten Regelung einverstanden. Nach § 87 EheG könne die Person des Berechtigten aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis verändert werden. Daß beiden Parteien an der weiterhin von ihnen benützten Wohnung Mietrechte zustünden, entspreche den Grundsätzen der Billigkeit.

Diesen Beschluß hob das Gericht zweiter Instanz infolge Rekurses des Vermieters auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; "die Revision" an den Obersten Gerichtshof sei zulässig. Nach § 229 AußStrG seien im Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens außer den Ehegatten auch Dritte, deren Rechte berührt werden, Beteiligte. Handle es sich um eine gemietete Ehewohnung, dann sei der Vermieter stets Beteiligter am Aufteilungsverfahren. Diese Beteiligtenstellung erlange er auf Grund des Gesetzes und nicht erst durch seine Beiziehung zum Verfahren; die Unterlassung seiner Beiziehung bedeute einen Verfahrensmangel, der durch die Zustellung der angefochtenen Entscheidung und die Möglichkeit, dazu im Rekurs Stellung zu nehmen, als geheilt anzusehen sei. Der Vermieter könne nur gegen unzulässige, über § 87 Abs 2 EheG hinausgehende Anordnungen Rekurs erheben.

Im Aufteilungsverfahren könne das Gericht, von den beiden in § 87 Abs 2 EheG vorgesehenen Fällen abgesehen, keine neuen Rechtsverhältnisse ohne Zustimmung des Vermieters schaffen. Die Begründung von Mitmietrechten für die Antragstellerin bei Aufrechterhaltung der bisherigen Hauptmietrechte des Antragsgegners sei im Gesetz nicht vorgesehen; sie wäre daher nur mit einer - hier nicht vorliegenden - Zustimmung des Hauseigentümers möglich. Das Erstgericht werde diese Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten zu erörtern und klarzustellen haben, ob eine Zustimmungserklärung des Vermieters erfolgen könne oder nicht. Sollte eine solche Zustimmung nicht zu erzielen sein, dann wäre der Hauptantrag abzuweisen und über den Eventualantrag zu entscheiden. Gegen diesen Beschluß wendet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses.

Der beteiligte Hauseigentümer beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach § 87 Abs 2 EheG kann das Gericht dann, wenn die Ehewohnung nicht kraft Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechtes eines oder beider Ehegatten benützt wird (§ 87 Abs 1 EheG), ohne Rücksicht auf eine Regelung durch Vertrag oder Satzung anordnen, daß ein Ehegatte anstelle des anderen in das der Benützung der Ehewohnung zugrunde liegende Rechtsverhältnis eintritt oder das bisher gemeinsame Rechtsverhältnis allein fortsetzt. Damit wollte der Gesetzgeber die Regelung des früher geltenden § 5 der

6. DVzEheG, die schon bisher dem Richter weitgehende Gestaltungsbefugnisse hinsichtlich der Ehewohnung eingeräumt hatte, weiter ausgestalten (916 BlgNR 14. GP 17). Nach § 86 Abs 2 EheG darf das Gericht dann, wenn eheliches Gebrauchsvermögen im Eigentum eines Dritten steht, die Übertragung von Rechten und Pflichten, die sich auf die Sache beziehen, nur mit Zustimmung des Eigentümers anordnen; für Ehewohnungen kann hingegen unter Eingriff in die Rechte Dritter ("ohne Rücksicht auf eine Regelung durch Vertrag oder Satzung") die Fortsetzung des sich auf die Ehewohnung beziehenden Rechtsverhältnisses durch einen der geschiedenen Ehegatten allein angeordnet werden. § 87 Abs 2 EheG bildet somit eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß das Gericht im Aufteilungsverfahren nicht in Rechte Dritter eingreifen darf. Als Ausnahmeregelung ist diese Bestimmung eng auszulegen (Palten, Die Regelung der Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und an anderen Wohnungen nach dem neuen Scheidungsfolgenrecht, ÖJZ 1979, 375 ff. 383; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 4 zu § 86 EheG). Nach dem Wortlaut des § 87 Abs 2 EheG kann aber das Gericht nur die Person des Alleinmieters durch Ersetzung des einen Ehegatten durch den anderen auswechseln oder die bisher beiden Eheleuten gemeinsam zustehenden Mietrechte an einen allein übertragen. Die hier von der Antragstellerin angestrebte Regelung, daß ein Ehegatte in das der Benützung der Ehewohnung zugrunde liegende Rechtsverhältnis neben dem anderen, bisher allein berechtigten Ehegatten eintritt, ist hingegen im Gesetz nicht vorgesehen. Die Befugnisse des Gerichtes im Aufteilungsverfahren über Ehewohnungen, die auf Grund Bestandrechtes, Genossenschaftsrechtes oder Leihe benützt wurden, sind in § 87 Abs 2 EheG abschließend geregelt (vgl. JBl 1982, 212; Pichler aaO Rz 2 zu §§ 87, 88 EheG). Die Rechtsansicht der Antragstellerin, daß der Bestimmung des § 87 EheG nur eine beispielhafte Bedeutung zukomme und auch jede andere, dort nicht ausdrücklich vorgesehene Regelung zulässig sei, sofern sie nur der Billigkeit (§ 83 Abs 1 EheG) entspreche, kann nicht geteilt werden, werden doch durch eine Regelung der Rechtsverhältnisse an einer derartigen Ehewohnung nicht nur die Interessen der geschiedenen Eheleute berührt, sondern auch die Rechte eines Dritten, nämlich des Vermieters.

Berücksichtigt man aber das Interesse des Vermieters, dann erweist sich der von der Antragstellerin vorgeschlagene Größenschluß - wenn es zulässig sei, das alleinige Mietrecht von einem auf den anderen Ehegatten ohne Zustimmung des Hauseigentümers zu übertragen, so müsse die Begründung von Mitmietrechten umso mehr zulässig sein - als nicht berechtigt. Er hätte nämlich zur Voraussetzung, daß die Übertragung der Mietrechte von einem Ehegatten auf den anderen als der gewichtigere Sachverhalt anzusehen wäre als die Einräumung eines Mitmietrechtes an den anderen Ehegatten (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 7). Dies trifft indes nicht zu: Für den Vermieter kann es durchaus von Nachteil sein, wenn ihm nicht mehr nur eine Person, sondern deren zwei als Mieter gegenüberstehen. Das gilt nicht nur wegen des vom Beteiligten in seinem Rekurs aufgezeigten Umstandes, daß bei Ableben des (früher alleinigen) Hauptmieters das Mietverhältnis nunmehr von dem bisherigen Mitmieter fortgesetzt wird, dem - im Hinblick auf die Scheidung - kein Eintrittsrecht nach § 14 MRG zustünde, sondern auch deshalb, weil sich möglicherweise die Zahl der Eintrittsberechtigten vermehrt; das Eintrittsrecht käme ja dann nicht nur den Personen zu, die zum früheren Mieter, sondern auch jenen, die zum Mitmieter in einem Verhältnis des § 14 Abs 3 MRG stehen. Auf diese Weise könnte aber der Zeitpunkt, zu dem die Wohnung frei wird, hinausgeschoben werden. Wenn aber der Gesetzgeber eine über die Fälle des § 87 EheG hinausgehende Beeinträchtigung der Rechte des Hauseigentümers nicht vorsieht, dann kann von einer planwidrigen Unvollständigkeit, die die Voraussetzung eines Analogieschlusses wäre (Bydlinski aaO Rz 2), keine Rede sein.

Die von der Antragstellerin in ihrer Rekursbeantwortung (ON 15) zitierten Ausführungen Paltens stehen zu der hier vertretenen Auffassung nicht im Gegensatz. Palten meint lediglich, daß aus dem Fehlen einer dem § 6 der 6. DVzEheG entsprechenden Regelung im neuen Recht nicht der Schluß gezogen werden müsse, eine Teilung der Wohnung sei nicht mehr zulässig; die Parteien wären auf Grund ihrer Privatautonomie zu einer Teilung der Ehewohnung zumindest so weit berechtigt, als darin kein Eingriff in die Rechte dritter Personen liege oder diese zustimmten (aaO 382). In den Fällen des § 87 Abs 2 EheG sei es jedoch zweifelhaft, ob eine Teilung der Wohnung gegen den Willen des Wohnungsgebers angeordnet werden könne; gehe man nämlich davon aus, daß die genannte Bestimmung wegen ihres Ausnahmecharakters einschränkend auszulegen sei, so müßte dem Dritten das Recht eingeräumt werden, sich der Zerlegung in Teilwohnungen zu widersetzen, sofern diese Teilwohnungen als aliud und nicht als minus gegenüber der ungeteilten Wohnung anzusehen seien (aaO 384). Wäre somit auch nach Palten die Teilung der Ehewohnung zwischen den Parteien dieses Verfahrens ohne Zustimmung des Hauseigentümers unzulässig, dann ist der Schlußfolgerung der Antragstellerin, die Begründung eines Mitmietrechtes müsse ebenso wie die Teilung zulässig sein, der Boden entzogen. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Problematik der Teilung von Ehewohnungen ist im übrigen entbehrlich, da eine solche Teilung hier weder begehrt noch angeordnet wurde.

Das Rekursgericht hat demnach zutreffend den mit § 87 Abs 2 EheG im Widerspruch stehenden Beschluß des Erstgerichtes aufgehoben. Der Revisionsrekurs der Antragstellerin mußte somit erfolglos bleiben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 234 AußStrG; die Billigkeitserwägungen nach dieser Gesetzesstelle können erst nach Abschluß des Verfahrens angestellt werden (SZ 53/48).

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