OGH 7Ob558/80

OGH7Ob558/8020.3.1980

SZ 53/48

Normen

ABGB §97
AußstrG §9
AußstrG §229 Abs1
EheG §81
EheG §88
EheG §96
6. DVzEheG §1d
ABGB §97
AußstrG §9
AußstrG §229 Abs1
EheG §81
EheG §88
EheG §96
6. DVzEheG §1d

 

Spruch:

Als der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens unterliegende Ehewohnung gilt auch eine Wohnung, die von den Ehegatten nicht gemeinsam bewohnt wurde, wenn sie nur seinerzeit als Ehewohnung bestimmt war oder gegen eine als Ehewohnung bestimmt gewesene Wohnung getauscht wurde

Wer einem Ehegatten eine Wohnung im Hinblick auf das bestehende oder frühere Dienstverhältnis überlassen hat, ist Beteiligter des Verfahrens über die Aufteilung des die Ehewohnung betreffenden ehelichen Gebrauchsvermögens

OGH 20. März 1980, 7 Ob 558/80 (LGZ Wien 43 R 1189/79; BG Hernals, F 10/79)

Text

Die Ehe zwischen den Streitteilen wurde mit Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 13. März 1979, 9 Cg 42/79-11, gemäß § 55 Abs. 3 EheG rechtskräftig aus dem Alleinverschulden des Antragsgegners geschieden. Dieser hatte die Antragstellerin bereits im Jahre 1964 verlassen und wohnt seither mit einer anderen Frau in T in Lebensgemeinschaft. Er hatte seinerzeit als Polizeibeamter die Wohnung Nr. 28 im Hause P-Gasse 57 vom Unterstützungsinstitut der Bundessicherheitswache "zugewiesen" erhalten. Im Jahre 1970 wurde ihm dann die Wohnung Nr. 11 vermietet.

Die Antragstellerin begehrt nach den Bestimmungen der §§ 81 ff. EheG die Zuweisung der Wohnung.

Der Antragsgegner sprach sich nicht gegen diesen Antrag aus, wohl aber das Unterstützungsinstitut der Bundessicherheitswache, das geltend machte, die Wohnung sei dem Antragsgegner nur in seiner Eigenschaft als pensionierter Polizeibeamter vermietet worden und sei für die Wohnversorgung von Angehörigen der Polizei bestimmt.

Das Erstgericht hat dem Antrag der Antragstellerin stattgegeben und den Standpunkt vertreten, es handle sich zwar um eine Wohnung, die dem Antragsgegner nur im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis überlassen worden sei, doch sei der Widerspruch des seinerzeitigen Dienstgebers unbeachtlich, weil es sich um eine zum üblichen Mietzins vermietete Wohnung handle, die Wohnung nicht als Teil des Entgelts zur Verfügung gestellt werde, die Zuweisung der Wohnung nicht überwiegend der Erfüllung der Dienstpflicht gedient habe und wesentliche Interessen des Dienstgebers durch die Überlassung der Wohnung an die Antragstellerin nicht berührt werden könnten.

Auf Grund eines Rekurses des beteiligten Unterstützungsinstituts der Bundessicherheitswache wies das Rekursgericht den Antrag der Antragstellerin mit der Begründung ab, die Wohnung sei nie von den Ehegatten gemeinsam benützt worden, weshalb sie auch nicht als Ehewohnung anzusehen sei. Demnach könne über sie nach den Bestimmungen der §§ 81 ff. EheG nicht verfügt werden.

Der Oberste Gerichtshof gab den Revisionsrekursen beider Ehegatten Folge, hob die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Vorerst war die Rechtsmittellegitimation des Unterstützungsinstitutes der Bundessicherheitswache zu prüfen. Diese ist zu bejahen, weil nach § 229 Abs. 1 AußstrG im Verfahren nach den §§ 81 bis 96 EheG außer den Ehegatten auch Dritte, deren Rechte berührt werden, Beteiligte sind. Daß eine Person, die als Dienstgeber oder ehemaliger Dienstgeber einem Ehegatten eine Wohnung im Hinblick auf das bestehende oder bestandene Dienstverhältnis überlassen hat, in dem erwähnten Verfahren entsprechend berücksichtigt werden muß, ergibt sich insbesondere aus den Bestimmungen des § 88 EheG. Mithin ist diese Person, soweit ihre Rechte durch eine Entscheidung beeinträchtigt werden, Beteiligte am betreffenden Verfahren und als solche auch zur Erhebung eines Rechtsmittels legitimiert.

Im vorliegenden Fall steht fest, daß die streitverfangene Wohnung an Stelle einer anderen, vom selben Wohnungsgeber zur Verfügung gestellten hingegeben worden ist. Die seinerzeitige Wohnung entsprach auch nach der österreichischen Judikatur bis zum Jahre 1975 sämtlichen Kriterien einer Ehewohnung. Da der Antragsgegner zum Zeitpunkt der Hingabe der streitverfangenen Wohnung bereits jahrelang Pensionist war, konnte die Pensionierung nicht der Grund für einen Austausch der Wohnungen gewesen sein. Wird aber eine Wohnung im Einvernehmen der Ehegatten als Ehewohnung oder von einem Ehegatten als bisherige Ehewohnung benützt und erfolgt im allseitigen Einvernehmen sämtlicher Beteiligter lediglich ein Tausch dieser Wohnung gegen eine andere desselben Wohnungsgebers, so muß man im allgemeinen davon ausgehen, daß die neue Wohnung nach dem Willen sämtlicher Beteiligter in allen Belangen an die Stelle der aufgegebenen treten, also ebenso wie diese als Ehewohnung behandelt werden soll. Ob es sich im vorliegenden Fall um einen derartigen Tausch gehandelt hat, kann erst nach Feststellung der näheren Umstände, die zum Ersatz der Wohnung durch eine andere geführt haben und bei Vergleich der jeweiligen Bedingungen der Überlassung beurteilt werden. In diesem Punkte ist daher das Verfahren ergänzungsbedürftig. Sollte sich ein bloßer Wohnungstausch nach den aufgezeigten Grundsätzen herausstellen, unterläge die jetzige Wohnung einer Regelung nach den §§ 81 ff. EheG.

Aber auch bei Verneinung dieser Frage wäre die Sache noch nicht spruchreif. Bei Nichtannahme eines Tausches hätte die Entscheidung des Rekursgerichtes der Rechtslage bis zum Inkrafttreten der Änderung des § 97 ABGB durch das Bundesgesetz über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. 412/1975, entsprochen. Bis zu dieser Änderung wurde der in der 6. DVzEheG verwendete Begriff der "Ehewohnung" nur dahin verstanden, daß es sich hiebei um eine Wohnung handeln muß, die von den Ehegatten tatsächlich gemeinsam benützt wurde. Diese Voraussetzung trifft auf die vorliegende Wohnung nicht zu. Würde man daher den Grundsätzen der seinerzeitigen Judikatur, die allerdings nicht vom OGH, sondern von den Gerichten zweiter Instanz entwickelt worden ist, folgen, käme im vorliegenden Fall eine Qualifikation der Wohnung als Ehewohnung nicht in Frage, was eine Zuweisung an die Antragstellerin nach den Bestimmungen der §§ 81 ff. EheG unmöglich machen würde. Die deutsche Lehre und Rechtsprechung faßte allerdings, im Gegensatz zur österreichischen, den Begriff Ehewohnung nach der 6. DVzEheG schon seinerzeit weiter, indem sie anerkannte, daß in besonderen Fällen eine Wohnung auch dann als Ehewohnung anzusehen sei, wenn sie von den Ehegatten nie gemeinsam bewohnt wurde; dies zum Beispiel dann, wenn die Ehegatten (oder einer von ihnen) eine Wohnung gemietet haben, um nach deren Freiwerden gemeinsam in diese einzuziehen, und einer von ihnen auch die Wohnung bezogen hat, der geplante Einzug des anderen Ehegatten jedoch nicht stattgefunden hat, weil es zwischen den Ehegatten zum Zerwürfnis gekommen ist (RG Komm. IV/3, 927). Der OGH ist der Ansicht, daß nach dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Neuordnung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, BGBl. 412/1975, dieser weitere Ehewohnungsbegriff zugrunde zu legen ist. Die Bestimmung des § 97 ABGB i. d. F. dieses Bundesgesetzes gilt nämlich, wie sich aus den EB zur RV (915 BlgNR, XIII. GP, 23) ergibt, nicht nur für eine von beiden Ehegatten bewohnte Ehewohnung, sondern auch für eine Wohnung, die von den Ehegatten nicht mehr gemeinsam bewohnt wird, ja selbst für eine Wohnung, die von den Ehegatten niemals gemeinsam bewohnt wurde, wenn sie nur seinerzeit als Ehewohnung bestimmt wurde und nur von einem Ehegatten, der nicht über sie verfügen kann, dringend benötigt wird (Ent, Die Neuordung der persönlichen Rechtswirkungen der Ehe, NZ 1975, 149). Daß durch die Ehegesetznovelle 1978, BGBl. 303/1978, am Begriff der Ehewohnung nichts geändert werden sollte, hat das Rekursgericht richtig erkannt (Koziol - Welser[5] II, 198).

Auch wenn ein Wohnungstausch nicht vorläge, wäre sohin die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, daß es sich um keine Ehewohnung handle und daher eine Zuweisung an die Antragstellerin nach den §§ 81 ff. EheG nicht in Frage komme, nur unter der Voraussetzung richtig, daß bei Hingabe der Wohnung die Ehegemeinschaft schon endgültig aufgehoben war und ihre Wiederaufnahme auch vom Antragsgegner für alle Zukunft ausgeschlossen worden ist. Hätten dagegen beide Ehegatten, wofür es bei der gegebenen Aktenlage allerdings an Anhaltspunkten fehlt, die Absicht gehabt, die Ehegemeinschaft irgendwann in der strittigen Wohnung wieder aufzunehmen, und wäre die Trennung auch seitens des Antragsgegners nur als eine vorübergehende angesehen worden, müßte der Wohnung der Charakter als Ehewohnung zugebilligt werden. Hätte die Absicht der Wiederaufnahme der Ehegemeinschaft zum Zeitpunkt der Vermietung der Wohnung an den Antragsgegner bestanden, so würde der spätere Wegfall dieser Absicht an der Qualifikation dieser Wohnung nichts ändern. Selbst wenn nämlich ein Ehegatte infolge ehelicher Zerwürfnisse die Ehegemeinschaft in der Absicht aufgibt, nie mehr zum anderen Ehegatten zurückzukehren, unterliegt die bis dahin der ehelichen Gemeinschaft zur Verfügung gestandene Ehewohnung der Aufteilung nach den §§ 81 ff. EheG.

Im fortgesetzten Verfahren wird daher zu prüfen sein, ob die Wohnung nach den aufgezeigten Grundsätzen als Ehewohnung zu beurteilen ist. Sollte diese Beurteilung im Sinne der Bejahung dieser Eigenschaft der Wohnung ausfallen, wäre die vom Erstgericht vertretene Rechtsansicht bezüglich der Wirkungslosigkeit des Widerspruches des Unterstützungsinstitutes der Bundessicherheitswache zu billigen. Nach § 88 Abs. 1 EheG darf nämlich die Ehewohnung, falls sie im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis übergeben worden ist, nur dann nicht jenem Ehegatten zugewiesen werden, der in keiner dienstlichen Beziehung zu dem Übergeber der Wohnung stand, wenn 1. die Zuweisung der Wohnung deswegen, weil sie überwiegend der Erfüllung der Dienstpflicht dient, wesentliche Interessen des Dienstgebers verletzen könnte, oder 2. die Wohnung unentgeltlich oder gegen ein bloß geringfügiges, wesentlich unter dem ortsüblichen Maß liegendes Entgelt benützt wird oder 3. die Wohnung vom Dienstgeber als Teil des Entgelts für die geleisteten Dienste zur Verfügung gestellt wird.

Als Teil des Entgeltes wurde die Wohnung dem Antragsgegner nicht zur Verfügung gestellt. Sie wurde ihm gegen Zahlung eines Mietzinses in Bestand gegeben, wobei das Unterstützungsinstitut nicht einmal behauptet hat, es hätte sich hiebei um ein wesentlich unter dem ortsüblichen Maß liegendes Entgelt gehandelt. Da die Wohnung dem Antragsgegner bereits als Pensionisten überlassen wurde, konnte die Überlassung nicht überwiegend der Erfüllung der Dienstpflicht dienen, sodaß durch die Zuweisung an die Antragstellerin wesentliche Interessen des Dienstgebers nicht verletzt werden könnten, zumal gemäß § 88 Abs. 2 EheG das Wohnrecht der Antragstellerin nur so lange bestunde, als sie sich nicht wieder verheiratet und dieses Recht nicht auf andere Personen übergehen könnte.

Sollte das Erstgericht nach Verfahrensergänzung zu dem Ergebnis gelangen, daß es sich bei der Wohnung um eine Ehewohnung im Sinne der §§ 81 ff. EheG handelt, hätte es bei der Zuweisung an die Antragstellerin zu verbleiben.

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