Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der mj. Tina ist geschieden. Die Minderjährige lebt im Haushalt der Mutter, der alle aus den familienrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und mj. Kindern erfließenden rein persönlichen Rechte und Pflichten allein zustehen. Mit Beschluß des Rekursgerichtes vom 24. März 1986 wurde dem Vater ein Besuchsrecht an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat in der Zeit von 14 Uhr bis 18 Uhr eingeräumt.
Am 14. Jänner 1987 beantragte der Vater die Ausweitung des Besuchsrechtes dahin, daß ihm dieses für jeden ersten und dritten Sonntag im Monat in der Zeit von 9 Uhr bis 18 Uhr zugebilligt werde. Die Mutter sprach sich gegen eine Ausweitung des Besuchsrechtes aus. Nach Einholung des Gutachtens eines Kinderpsychologen wies das Erstgericht den Antrag des Vaters, ihm ein weiteres Besuchsrecht in der Zeit von 9 Uhr bis 14 Uhr an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat einzuräumen, ab.
Das Erstgericht stellte fest, daß die mj. Tina ein altersmäßig normal entwickeltes Kind sei, welches sprachlich gewandt und in den Belangen sich selbst zu vertreten geschickt sei. Die mj. Tina habe sowohl zum Lebensgefährten der Mutter als auch zum leiblichen Vater eine gut strukturierte Beziehung. Diese doppelte Beziehung sei im Gegensatz zu einer früheren Begutachtung inzwischen in die Persönlichkeit des Kindes integriert worden. Die Minderjährige könne beide Väter als männliche Bezugspersonen akzeptieren. Das von der Mutter geschilderte Verhalten des Kindes - Tina weigere sich beim Abholen, mit dem Vater mitzugehen, und sei nach dem Zurückbringen zurückgezogen - lasse sich auf das intrafamiliäre Klima und auf die interpsychische Situation des Kindes zurückführen. Die mj. Tina gerate in einen Loyalitätskonflikt zwischen der Mutter, die sie nicht kränken wolle, und dem Neugierverhalten, mit dem Vater zusammensein zu wollen. Bei der Rückkehr von den Besuchstagen müsse sich die Minderjährige wieder in ihre Familie integrieren und könne schöne Anteile an dem Kontakt mit dem leiblichen Vater nicht entsprechend darstellen, weil sie fürchten müsse, mit solchen Äußerungen nicht gerne gehört zu werden. Sowohl die Mutter als auch der leibliche Vater seien ausreichend erziehungstüchtig. In rechtlicher Hinsicht maß das Erstgericht bei der zu treffenden Entscheidung dem Kindeswohl vorrangige Bedeutung zu. Dies bedeute im vorliegenden Fall, daß aufgrund der angespannten Familiensituation eine Ausweitung des Besuchsrechtes in der vom Vater gewünschten Form dem Kindeswohl nicht entspräche. Die Besuchskontakte sollten dazu dienen, zwischen dem nicht erziehungsberechtigten Elternteil und dem Kind eine dem Eltern-Kind-Verhältnis entsprechende Beziehung aufzubauen. Eine solche Beziehung könne jedoch nur dann entstehen, wenn das Kind so wenig als möglich unter Zwang gesetzt werde. Wenn das Kind den leiblichen Vater als zwingend erlebe und in der Folge ablehne, könne eine derartige Beziehung kaum entstehen. Es werde vorher bei allen Beteiligten liegen, die Besuchstage so zu gestalten, daß die Abneigung der Minderjährigen gegen den leiblichen Vater möglichst gering gehalten oder sogar abgebaut werde. Erst wenn derartige Abneigungen praktisch verschwunden seien, könne einer Ausweitung des Besuchsrechtes nähergetreten werden.
Das Rekursgericht räumte dem Vater in Stattgebung des Rekurses an jedem ersten und dritten Sonntag im Monat in der Zeit von jeweils 9 Uhr bis 18 Uhr ein Besuchsrecht ein. Es führte aus:
Dem Erstgericht sei darin beizupflichten, daß oberster Grundsatz jeder Besuchsrechtsregelung im Sinne des § 148 ABGB das Wohl und Interesse des Kindes sei (EFSlg 43.222 uva). Allerdings dürfe der Anspruch des Vaters auf Gewährung eines Besuchsrechtes zur Herstellung und Vertiefung der Eltern-Kind-Beziehung nicht außer acht gelassen werden.
Nach dem vom Erstgericht eingeholten Sachverständigengutachten ON 77 sei die mj. Tina ihrem Lebensalter entsprechend entwickelt und habe sowohl zum Lebensgefährten der Mutter, der als realer Vater erlebt werde, als auch zu ihrem leiblichen Vater eine gut strukturierte Beziehung. Ihre altersgemäße Reifung erlaube daher ein ausgedehnteres Zusammensein des Mädchens mit seinem leiblichen Vater. Nach dem Inhalt dieses Gutachtens gebe es aus der Sicht des Kindeswohls somit keinerlei Bedenken gegen die Einräumung von zwei ganzen Besuchstagen im Monat, die auch von der Rechtsprechung im allgemeinen bei Kindern im Alter der mj. Tina als notwendig erachtet würden (EFSlg 45.750, 45.751).
Rechtliche Beurteilung
Die von der Mutter in erster Instanz gegen die vom Vater gewünschte Besuchsrechtsregelung vorgebrachten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Grundsätzlich sei es die Pflicht jedes Elternteils, der die Pflege und Erziehung ausübe, durch Einflußnahme auf das Kind darauf hinzuwirken, daß eine allenfalls vorhandene negative Einstellung des Kindes zum anderen Elternteil abgebaut werde. Der Vorschlag der Mutter, die Entscheidung über das Ausmaß des Besuchsrechtes dem Kind selbst zu überlassen, sei deshalb realitätsfremd, weil ein Kind im Alter der mj. Tina noch zu sehr unter dem Einfluß jener Menschen stehe, die es als Bezugspersonen ansehe, und daher zwangsläufig derartige Entscheidungen nicht nach seinem eigenen freien Willen, sondern nach den ihm bekannten Ansichten und Meinungen dieser Bezugspersonen treffen würde. Auch der vom Erstgericht vertretenen Auffassung, die angespannte Familiensituation hindere eine Ausweitung des Besuchsrechtes, die Abneigung der Minderjährigen gegen den leiblichen Vater müsse zunächst möglichst gering gehalten oder sogar ganz abgebaut werden, sei nicht zu folgen. Eine angespannte Familiensituation - gemeint sei offenbar das Verhältnis zwischen dem leiblichen Vater und der Mutter der mj. Tina - sei nur insoferne zu erkennen, als zwischen den Eltern eine gewissen Animosität vorhanden sei, die besonders bei der Übergabe des Kindes an den Vater und sodann bei der Übernahme des Kindes durch die Mutter zutage trete. Die Notwendigkeit, das Kind von der Mutter abzuholen und dieser wieder zurückzubringen, bestehe aber auch bei der von der Mutter gewünschten eingeschränkten Besuchsrechtsregelung.
Soweit das Erstgericht Bedenken gegen die Ausweitung des Besuchsrechtes infolge einer angeblichen Abneigung des Kindes gegen den leiblichen Vater hege, sei darauf zu verweisen, daß dem Gutachten ON 77 nicht zu entnehmen sei, daß das Kind einer Ausweitung des Besuchsrechtes ablehnend gegenüberstünde, zumal eine intakte Beziehung zwischen Vater und Kind vorhanden sei. Einer Festsetzung der Besuchszeiten nach dem Antrag des Vaters stehe somit nichts im Wege.
Gegen die vom Rekursgericht ausgesprochene Erweiterung des Besuchsrechtes richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Mutter hält in ihrem Revisionsrekurs den Standpunkt aufrecht, daß eine Ausdehnung des Besuchsrechtes des Vaters um 5 Stunden nicht dem Kindeswohl entspräche. Die mj. Tina wolle keinesfalls länger beim Vater bleiben, eher kürzer. (Dies bestätigte das Kind über informatives Befragen des Erstgerichtes: AS 342.) Am 9. August 1987 habe der Vater vom Angebot der Mutter, das Kind ein oder zwei Stunden später zurückzubringen, keinen Gebrauch gemacht. Am 23. August 1987 habe der Vater vor dem Kind den mütterlichen Großvater beschimpft, weil dieser sich darüber aufgeregt habe, daß der Vater das Kind etwa eine dreiviertel Stunde zu spät zurückgebracht habe. (Eine mit dem Rekursvorbringen der Mutter übereinstimmende Darstellung des Vorfalles vom 23. August 1987 gab der mütterliche Großvater dem Erstgericht: AS 345.)
Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.
Derjenige Elternteil, dem nicht die Pflege und Erziehung des mj. Kindes zusteht, darf bei der Regelung seines Rechtes auf persönlichen Verkehr mit dem Kind nicht in die Rolle eines gelegentlichen Besuchers gedrängt werden; die Regelung des Besuchsrechtes erfordert vielmehr eine solche Gestaltung, daß sie ihrem Zweck, ein echtes Naheverhältnis zwischen dem Kind und dem besuchsberechtigten Elternteil herzustellen und aufrecht zu erhalten, gerecht werden kann (7 Ob 593/87). Bei einem Kind im Alter zwischen 3 und 6 Jahren reichen zwei Besuchstage im Monat in der Regel aus, um den mit dem Besuchsrecht verbundenen Zweck zu erfüllen (EFSlg 43.242; 7 Ob 593/87 ua). Bei der Regelung des Besuchsrechtes hat stets das Kindeswohl im Vordergrund zu stehen (EFSlg 48.276; 7 Ob 593/87 ua). Im Konfliktsfall hat zwar der Besuchsrechtsanspruch gegenüber dem Kindeswohl zurückzutreten, doch muß der Konflikt die durch die Trennung der Eltern normalerweise entstehenden Schwierigkeiten überschreiten (EFSlg 45.722 ua). Sind mit der Ausübung des Besuchsrechtes Irritationen des Kindes verbunden, die allein auf Spannungen zurückzuführen sind, wie sie häufig nach dem Scheitern einer Ehe zu beobachten sind, dann ist es Pflicht und Aufgabe der Eltern, die Liebe und Zuneigung des Kindes zu beiden Elternteilen in gleicher Weise zu fördern. Das mag zwar den Eltern vielfach schwer fallen, doch ist dieses Verhaltensgebot gerade nach der Auflösung der Ehe für das richtig verstandene Kindeswohl, die Charakterbildung und das seelische Gleichgewicht des Kindes nach gesicherter Erkenntnis von besonderer Bedeutung (EFSlg 48.345; 5 Ob 536/87 ua).
Geht man von diesen Grundsätzen aus, dann ist der Auffassung des Rekursgerichtes beizutreten, daß im vorliegenden Fall einer Festsetzung der Besuchszeiten nach dem Antrag des Vaters nichts im Wege steht. Es ist die Pflicht und Aufgabe der Eltern des Kindes und der das Kind sonst betreuenden Personen, dafür zu sorgen, daß die Besuchsrechtsausübung durch den Vater reibungslos und dem Kindeswohl förderlich geschehen kann.
Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
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