Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die Ladung zu der vom Erstgericht auf den 9.10.1986 anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung wurde dem Kläger am 22.9.1986 selbst zugestellt.
Am 8.10.1986 langte beim Erstgericht eine Ausfertigung dieser Ladung (vermutlich die dem Kläger zugestellte) ein, an die eine Bestätigung eines praktischen Arztes vom 7.10.1986 angeheftet war, wonach sein Patient Rudolf C*** an Epilepsie, Polyneuropathie und Hepatopathie leide, dauernder Medikation bedürfe und deshalb nicht persönlich erscheinen könne.
Weil der Kläger zur Tagsatzung trotz ausgewiesener Ladung nicht erschien, wurden die vom Erstgericht als "Entschuldigungsschreiben des Klägers" angesehenen beschriebenen Schriftstücke verlesen und die Verhandlung in Abwesenheit des Klägers durchgeführt. Das Erstgericht wies das auf einen Hilflosenzuschuß gerichtete Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung, in der trotz der nach § 101 Abs.2 ASGG noch geltenden, die Berufungsgründe beschränkenden Vorschrift des § 400 Abs.2 ASVG unzulässigerweise Feststellungen und zulässigerweise die rechtliche Beurteilung angefochten wurden und die Abänderung des angefochtenen Urteils im klagestattgebenden Sinn begehrt wurde, nicht Folge. Aus Anlaß der Berufung prüfte das Berufungsgericht von Amts wegen auch, ob das Urteil oder das diesem vorangegangene Verfahren deshalb an einer vom Berufungswerber nicht geltend gemachten Nichtigkeit leide, weil die Tagsatzung vom 9.10.1986 ungeachtet der am Vortag eingelangten, oben beschriebenen Schriftstücke in Abwesenheit des Klägers durchgeführt und geschlossen wurde. Das Berufungsgericht verneinte dies in den Gründen seiner Entscheidung mit der Begründung, das Erstgericht habe aus der (der zurückgeschickten Ladung angehefteten) ärztlichen Bestätigung den zutreffenden Schluß gezogen, daß der Kläger keine Erstreckung der Tagsatzung erreichen wollte, sonst hätte er bekanntgegeben, wann er (wieder) an einer Tagsatzung teilnehmen könne.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers "gemäß § 503 Abs.1 Z 1 ZPO (§ 477 Abs.1 Z 4 ZPO)" mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen wegen Nichtigkeit aufzuheben, das Verfahren bis zur Verhandlung vom 9.10.1986 für nichtig zu erklären und die Sache an das "Erstgericht" zurückzuverweisen.
Der Revisionswerber vertritt die Rechtsansicht, dadurch, daß das Erstgericht in Kenntnis der am 8.9.1986 zurückgeschickten Ladung samt angehefteter ärztlicher Bestätigung die Verhandlung in Abwesenheit des Klägers durchgeführt und geschlossen habe, habe es ihm die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch ungesetzlichen Vorgang entzogen.
Rechtliche Beurteilung
Weil die Revision in einem Verfahren über wiederkehrende Leistungen in einer Sozialrechtssache erhoben wurde, wäre sie nach § 46 Abs.4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs.2 dieser Gesetzesstelle an sich zulässig.
Sie stützt sich jedoch nur auf einen im konkreten Fall nicht zulässigen Revisionsgrund.
Nach § 503 Abs.1 Z 1 ZPO kann die Revision begehrt werden, "weil das Urteil des Berufungsgerichtes wegen eines der im § 477 (ZPO) bezeichneten Mängel nichtig ist."
Obwohl die erstzitierte Gesetzesstelle nur von Nichtigkeiten des Berufungsurteils spricht, können auch Nichtigkeiten des diesem vorangegangenen Berufungsverfahrens als Revisionsgrund geltend gemacht werden. Auch Nichtigkeitsgründe, die dem Urteil und dem Verfahren erster Instanz anhaften, sind im Revisionsverfahren nicht unbeachtlich oder unbekämpfbar, allerdings nur dann, wenn sie auch auf das Urteil oder das Verfahren des Berufungsgerichtes wirken und wenn dieser Nichtigkeitsgrund nicht bereits vom Berufungsgericht oder durch eine bindende Entscheidung über ein Prozeßhindernis oder eine Prozeßvoraussetzung verneint wurde (arg.: § 42 Abs.3 JN, §§ 6 a, 7 und 510 Abs.2 ZPO; Jud.63 neu; Fasching, ZPR Rz 1905; derselbe, Komm. IV 299 f; Holzhammer, Österreichisches Zivilprozeßrecht2 336).
§ 510 Abs.2 ZPO ermöglicht dem Revisionsgericht zwar auch die Wahrnehmung von in erster Instanz unterlaufenen Nichtigkeiten, gestattet aber nicht die Durchbrechung der Rechtskraft einer schon bindenden Entscheidung über einen Nichtigkeitsgrund. Soweit die Frage der Nichtigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens bereits vom Berufungsgericht von Amts wegen oder aufgrund einer Nichtigkeitsberufung ausdrücklich erörtert und verneint wurde, liegt inhaltlich ein nach § 519 ZPO unanfechtbarer und damit rechtskräftig gewordener Beschluß des Berufungsgerichtes vor, und zwar auch dann, wenn das Berufungsgericht seinen diesbezüglichen Entscheidungswillen nicht im Spruch, sondern nur in den Gründen der Berufungsentscheidung dargelegt hat (Fasching, ZPR Rz 1905 und 1979; derselbe, Komm.IV 299 f, 366, 409 f; SZ 54/190; RZ 1976/110 ua.). Das unzulässige Rechtsmittel war daher zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG.
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