European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00536.87.0929.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und in der Sache selbst mit Teil- und Teilzwischenurteil zu Recht erkannt:
„Der eingeklagte Anspruch besteht zu einem Drittel dem Grunde nach zu Recht.
Das Klagebegehren in Höhe von S 120.900 samt 4 % Zinsen seit 1. Dezember 1983 wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.“
Auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Rekursverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Am 16. Dezember 1981 ging die Klägerin mit ihrem Begleiter Franz D* von der Nördlinger Hütte zum Solsteinhaus auf dem südlichen Weg über die Kuhljochscharte. Etwa 4 Gehminuten westlich der Kuhljochscharte mußte sie einen 3 m hohen, steilen und kaminähnlichen Abstieg überwinden; dabei benützte sie den dort mit einem Drahtseil gesicherten Steig. Als sie sich an der Seilsicherung festhielt, riß das Stahlseil und sie stürzte ca. 20 m über steiles, felsiges Gelände ab, wo sie schwer verletzt liegenblieb. Die Beklagte ist für die Erhaltung des Weges im Unfallsbereich zuständig. Die Klägerin begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 181.350 sA und die Feststellung, daß die Beklagte für künftige Schäden und Nachteile aus dem Unfall hafte. Die Seilsicherung habe sich an der Absturzstelle in einem äußerst schlechten, ja als desolat zu bezeichnenden Zustand befunden. Die beklagte Wegehalterin sei ihrer Pflicht zur Behebung der Schäden und zur Instandhaltung der Seilsicherung sowie zu deren Kontrolle nicht nachgekommen. Obwohl ihr bekannt gewesen sei, daß der von ihr bestellte Wegewart Rasso Z* seit dem 29. Juni 1980 seiner Aufgabe nicht mehr habe nachkommen können, habe sie erst am 15. Jänner 1982 einen neuen Wegewart bestellt und in der Zwischenzeit auch nicht in anderer Weise für die Überwachung der Wege und der Seilsicherungen Sorge getragen. Der Klägerin stehe ein angemessenes Schmerzengeld in der Höhe von S 180.000 und der Ersatz der beim Unfall völlig beschädigten Gegenstände im Gesamtbetrag von S 1.350 zu. Folgeschäden seien zu erwarten (ON 1). Da die Beklagte von der Klägerin einen Hütten- und Wegegroschen eingehoben habe, hafte sie auch auf Grund eines Vertrages für die Erhaltung der Wege (ON 10 S 69).
Die Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Weder sie selbst noch ihre Organe treffe ein grobes Verschulden. Nach dem Unfall des Wegewartes Rasso Z* hätten ihre Organe zunächst damit gerechnet, daß er ab Sommer 1981 seine Funktion wieder werde ausüben können. Als sich dies im Sommer 1981 als unrichtig herausgestellt habe, sei es in der kurzen Zeit bis zum 16. September 1981 nicht mehr möglich gewesen, einen neuen Wegewart zu bestellen. Die Organe der Beklagten und zahlreiche ihrer Mitglieder seien durch den Ausbau der Nördlinger Hütte zeitlich angespannt gewesen. Sie hätten im Sommer 1981 mehrere andere Wege kontrolliert und instandgesetzt. Der „Solsteinweg“, auf dem die Klägerin verunglückt sei, werde jährlich in beiden Richtungen von höchstens 150 Personen begangen; für Bergsteiger, die von der Nördlinger Hütte aus gehen, sei auf einer Tafel der Hinweis angebracht: „Nur für Geübte“. Weder der zweite Vorsitzende der Beklagten noch der Wirt der Nördlinger Hütte hätten je eine Mitteilung erhalten, daß dieser Weg nicht in Ordnung sei. Im Sommer 1981 habe der Sohn des zweiten Vorsitzenden nach mehrmaliger Begehung des Weges bekanntgegeben, daß der Weg in Ordnung sei. Neben dem alten Seil, an dem sich die Klägerin angehalten habe, verlaufe ein 4 bis 5 m langes Seil, das in einwandfreiem Zustand gewesen sei und von der Klägerin hätte benützt werden können. Ein geübter Bergsteiger hätte im Unfallbereich für die Bewältigung des Kamins keine Seilhilfe benötigt. Die Klägerin sei aber keine geübte Bergsteigerin. Sie habe sich völlig unalpin verhalten, so daß sie ein Mitverschulden von zumindest 75 % treffe (ON 3). Der Anspruch sei, soweit er auf Vertragshaftung gegründet werde, verjährt, im übrigen aber nicht berechtigt, weil von der Klägerin kein Wege- und Hüttengroschen eingehoben worden sei (ON 10 S 69 f). Durch das Schild mit der Aufschrift: „Höhenweg zum Solsteinhaus nur für Geübte“ sei die widmungsgemäße Benützung des Weges auf geübte Bergsteiger, zu denen die Klägerin nicht zähle, beschränkt worden. Die Klägerin könne sich daher nicht auf einen allenfalls vorhandenen mangelhaften Zustand des Weges berufen (ON 23 und 25). Der Kleiderschaden werde mit S 1.000 (ON 3), das Schmerzengeld mit S 1 (ON 25 S 84) der Höhe nach außer Streit gestellt.
Der Erstrichter sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Ansprüche der Klägerin aus dem Unfall dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht und zur anderen Hälfte nicht zu Recht bestünden. Er traf zusätzlich zu dem eingangs wiedergegebenen, unbestrittenen Sachverhalt noch folgende Feststellungen:
Von der Nördlinger Hütte, die von der Beklagten unterhalten wird, führen zwei Wege in Richtung Solsteinhaus, einer über die Eppzirler Scharte, ein anderer, schwierigerer, über die Kuhljochscharte. Im Karwendelführer, 11. Auflage 1978, wird der Weg wie folgt beschrieben: „4 1/2, in der Gegenrichtung 3 1/2 bis 4 Stunden, 1934 bis 1936 erbauter, ungemein aussichtsreicher und lohnender Höhenweg über die Freiungspitzen, der vom Kreuzjöchl (1 Stunde vom Solsteinhaus) an ständig über 2000 m mit geringen Höhenverlusten zum Ursprungsattel und zur Nördlinger Hütte führt, Drahtseilsicherung (teilweise ausbesserungsbedürftig), gut bez. Trittsicherheit und Schwindelfreiheit erforderlich, sonst Führer ....“ An einzelnen ausgesetzten Stellen sind von der Beklagten Seilversicherungen angebracht worden, die bereits zum Unfallszeitpunkt älteren Datums waren. Auf einer Tafel am Ursprungsattel wird darauf hingewiesen, daß der Weg nur für Geübte geeignet ist. Dieser Weg wird jedoch nicht nur von der Jungmannschaft der Beklagten begangen, sondern auch von Familien mit Kindern. Die Beklagte bestellte zur regelmäßigen Überprüfung der Wege Rasso Z* als Wegewart. Dieser brach sich am 28. Juni 1980 das Fußgelenk und befand sich bis November 1983 im Krankenstand. Obwohl der Beklagten bekannt war, daß Z* seine Aufgabe nicht erfüllen konnte, bestellte sie erst am 15. Jänner 1982 einen neuen Wegewart, weil sie hoffte, daß Z* seine Aufgabe in relativ kurzer Zeit wieder werde erfüllen können. In den Jahren 1977 bis 1981 setzte die Beklagte die Nördlinger Hütte instand. Auf Grund des Arbeitseinsatzes ihrer Mitglieder für diesen Zweck kam es teilweise zu Vernachlässigungen bei der Wartung der Wege. Die Beklagte verließ sich darauf, daß allfällige Mängel von jenen gemeldet würden, die die einzelnen Wege begehen. Die Meldung spezieller Mängel, insbesondere an der Drahtseilversicherung, durch Bergsteiger ist nicht feststellbar. Eigene Kontrollgänge hat die Beklagte nicht durchgeführt. Sie plante jedoch, daß eine ihrer Jungmannschaften im Sommer 1981 den Weg über die Kuhljochscharte begehe, um dessen Zustand festzustellen; dazu ist es jedoch wegen Schlechtwetters an verschiedenen Wochenenden nicht gekommen. Dem Hüttenwirt des Solsteinhauses, Albert P*, war bekannt, daß sich der Weg über die Kuhljochscharte im Wartungsbereich der Beklagten in schlechtem Zustand befand. Ob er dem Hüttenwirt der Nördlinger Hütte oder Leuten der Bergwacht vor dem Unfall hievon Mitteilung gemacht hat, kann nicht festgestellt werden.
Am Montag, dem 14. September 1981, befanden sich die Klägerin und ihr Begleiter Franz D* auf der Nördlinger Hütte. Sie beabsichtigten, zum Solsteinhaus weiterzugehen; wegen Schlechtwetters war jedoch an eine Fortsetzung der Tour nicht zu denken. Aus diesem Grund mußten sie die Nächte vom 14. auf den 15. und vom 15. auf den 16. September 1981 auf der Nördlinger Hütte verbringen. Im allgemeinen hebt die Beklagte von Tagesgästen einen Hütten- und Wegegroschen im Betrag von S 4 ein; davon werden 80 Groschen als Bergrettungskosten an den Gesamtverein (DAV München) abgeführt. Die restlichen S 3,20 verbleiben im Hüttenetat der beklagten Sektion; sie dienen als kleine Beihilfe für den Unterhalt der Wege und der Hütte. Von den Besuchern, die auch in der Hütte nächtigen, werden lediglich die Bergrettungskosten von 80 Groschen und eine Reisegepäckversicherungsprämie von 20 Groschen eingehoben. Daß von der Klägerin bei der Einnahme der Mahlzeiten ein Wege- und Hüttengroschen eingehoben worden wäre, ist nicht feststellbar. Am Abend des 14. oder 15. September 1981 sprach die Klägerin mit dem zweiten Sektionsvorsitzenden der Beklagten, Hermann S*, unter anderem über den Weg zum Solsteinhaus. S* teilte ihr mit, daß der südliche Weg zwar schöner, aber schwieriger und nur für trittsichere Leute geeignet sei. Am Morgen des 16. September 1981 beabsichtigten die Klägerin und ihr Begleiter, den Weg in Richtung Solsteinhaus fortzusetzen. Ihnen wurde mitgeteilt, daß es nicht ratsam sei, den südlichen Weg über die Kuhljochscharte zu nehmen, zumal es noch den anderen Weg über die Eppzirler Scharte gebe. Daß der Zustand des südlichen Weges schlecht und die Drahtseilversicherungen mangelhaft seien, hat die Klägerin nicht erfahren. Gegen 8.00 Uhr brach sie mit ihrem Begleiter von der Nördlinger Hütte auf. Bei der Weggabelung entschied sie sich auf Grund der eingetretenen Wetterbesserung für den schöneren, südlichen Höhenweg zum Solsteinhaus mit der Tafel „Nur für Geübte“. Die Klägerin hatte in den vergangenen 17 Jahren rund 30 Berg- und Höhenwanderungen unternommen, nicht jedoch Klettertouren mit Seil. Der - eingangs erwähnte - kaminähnliche Abstieg im Zuge des Weges wird im allgemeinen von Bergsteigern bezwungen, ohne daß sich diese bei den von der Beklagten angebrachten Seilversicherungen festhalten. Auch Franz D* konnte diese etwas ausgesetzte Stelle ohne Schwierigkeiten überwinden. Ihm folgte die Klägerin, die beabsichtigte, gleich nach Beginn des Kamins in östliche Richtung über den dort befindlichen Steig weiterzugehen, da sich an dieser Stelle auch Drahtseilversicherungen befanden. In diesem Bereich waren etwa in Hüfthöhe der Klägerin zwei Drahtseile angebracht, die beide nicht straff gespannt waren. Die Klägerin ergriff das noch etwas straffer gespannte Drahtseil mit der linken Hand und blickte dabei talwärts. Sie beabsichtigte, eine halbe Körperdrehung um die eigene Achse durchzuführen und gleichzeitig mit dem rechten Bein einen etwas tiefer liegenden Halt zu finden. Mit der rechten Hand hielt sie sich weder am Fels noch am Seil fest. Zur Durchführung dieser Drehung lehnte sie sich nach außen (vom Fels weg) und zog auf diese Art mit der linken Hand am Drahtseil. Noch bevor sie die beabsichtigte Drehung machen konnte, riß das Drahtseil; sie stürzte etwa 20 m ab und wurde dabei schwer verletzt. Die Absturz ist darauf zurückzuführen, daß das Seil, an dem sie sich festhielt und welches sie durch das Hinauslehnen des Körpers vom Hang weg belastete, gerissen war. Bevor die Klägerin das Seil ergriffen hatte, konnte sie feststellen, daß es nicht straff gespannt und überdies dünn und abgemergelt war; sie überprüfte es aber nicht auf seine Haltbarkeit. Das Seil, an dem sie sich festgehalten hatte, bestand aus mehreren zusammengedrehten Drahtfasern; diese waren im Laufe der Jahre durch Witterungseinflüsse bis auf eine einzige Faser angerostet und konnten deshalb der Belastung nicht mehr standhalten. Auch das zweite in diesem Bereich angebrachte Drahtseil war bereits verwittert.
Rechtlich führte das Erstgericht aus:
Der vorliegende Steig unterliege dem Wegebegriff des § 1319 a ABGB. Dafür, daß die Klägerin über die für einen „Nur für Geübte“ vorgesehenen Weg erforderliche Trittsicherheit und Schwindelfreiheit nicht verfügt hätte, liege kein Hinweis vor. Durch das Schild sei nicht erkennbar gemacht worden, daß das Benützen des Weges für die Klägerin unerlaubt wäre. Daß der freien Natur über Jahre ausgesetzte Drahtseile unter den Witterungseinflüssen oder Naturgewalten leiden, sei offenkundig; daraus ergebe sich das Erfordernis der regelmäßigen Kontrolle solcher Versicherungen. Eine alljährliche Überprüfung liege im Bereich des Zumutbaren. Unzureichend sei es, sich auf allfällige Meldungen durch Begeher des Weges zu verlassen. Daß sich die Beklagte über eine lange Zeit hin nicht um den Zustand der Seilversicherungen gekümmert hatte, obwohl ihr bekannt gewesen sei, daß diese Seile schon älteren Datums waren, sei als grobes Verschulden zu werten. Da die Klägerin das von ihr selbst als dünn ausgemergelt und locker bezeichnete Seil nicht selbst überprüft habe, trage auch sie ein Verschulden am Zustandekommen des Unfalles. Außerdem hätte sie sich nicht einfach dem Seil anvertrauen und ihren Schwerpunkt so verlegen dürfen, daß sie bei einem Riß den Absturz nicht mehr habe verhindern können. Ein Mitverschulden der Klägerin im Ausmaß von 50 % erscheine daher angemessen.
Da die entgeltliche Benützung des Weges durch die Klägerin unbewiesen geblieben sei, liege eine vertragliche Haftung der Beklagten nicht vor.
Das Gericht zweiter Instanz hob dieses Urteil infolge Berufung beider Parteien unter Rechtskraftvorbehalt auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf. Es übernahm die Feststellungen des Erstrichters als das Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung, hielt jedoch die Rechtssache auf Grund folgender rechtlicher Erwägungen für noch nicht spruchreif:
Auf Grund des Hinweisschildes „Nur für Geübte“ stehe fest, daß der von der Klägerin benützte Weg, der zweifelsohne den Bestimmungen des § 1319 a ABGB zu unterstellen sei, nur für geübte Bergsteiger gewidmet war. Habe die Klägerin nicht zu diesem Personenkreis gezählt, so habe sie auf eigene Gefahr gehandelt und könne aus der Mangelhaftigkeit des Weges keine Ansprüche ableiten. Ob die Klägerin eine geübte Bergsteigerin war, könne aber auf Grund der Feststellungen des Erstrichters nicht beantwortet werden. Dieser habe weder die üblicherweise vorhandenen Eigenschaften eines Bergweges festgestellt, der als „Nur für Geübte“ gekennzeichnet ist, noch, ob die Klägerin Übung in der Begehung solcher Wege gehabt und welchen Umfang diese Übung erreicht habe. Hiezu sei eine Erweiterung der Beweisgrundlage erforderlich. Erst wenn sich herausstellen sollte, daß die Klägerin den Weg widmungsgemäß benützt habe, erhebe sich die Frage der Haftung der Beklagten für den mangelhaften Zustand des Weges.
Auf Grund der besonderen Bedingungen im Hochgebirge sei es fast ausgeschlossen, einen Bergweg stets in völlig gefahrlosem Zustand zu halten; dies müsse jedem Benützer bekannt sein, könnten doch Steinschlag und Witterungseinflüsse sowohl den Weg selbst wie auch Sicherungsanlagen jederzeit beschädigen. Bei Prüfung der Zumutbarkeit von Maßnahmen sei zu berücksichtigen, was für die Anlage und die Betreuung nach allgemeinen und billigen Grundsätzen erwartet werden könne, ob also der Halter eines Weges diesen in einer Weise abgesichert habe, wie es dem Vorgehen der Halter ähnlicher Wege entspreche. Feststellungen darüber, ob die vom Erstrichter als zumutbar bezeichnete alljährliche Überprüfung der Wege der Vorgangsweise anderer Halter ähnlicher Wege entspreche, lägen nicht vor. Das Sachverständigengutachten sei insbesondere zur Frage der üblichen Häufigkeit von Kontrollen bei ähnlichen Wegehaltern zu ergänzen; hiebei sei auf den Schwierigkeitsgrad des Weges und die Frequenz seiner Begehung - worüber gleichfalls Feststellungen zu treffen wären - Bedacht zu nehmen. Stehe die übliche Vorgangsweise ähnlicher Wegehalter fest, so wäre zu überprüfen, wie weit das Verhalten der Beklagten der Übung vergleichbarer Wegehalter entsprochen habe. Aus dem Akteninhalt ergebe sich nicht, wann der Weg letztmalig kontrolliert und wann letztmalig Ausbesserungen vorgenommen worden seien. Die - hiefür beweispflichtige - Beklagte habe dazu bislang kein Vorbringen erstattet. Auch zur Frage, ob sich die Beklagte des Sohnes ihres zweiten Vorsitzenden im Sommer 1981 zur Kontrolle des Weges bedient habe, fehlten Feststellungen. Bejahendenfalls wäre aufklärungsbedürftig, ob dieser tatsächlich der Beklagten gemeldet hatte, daß der Weg in Ordnung sei, obwohl die Beschädigungen des Sicherungsseiles offenbar älteren Datums gewesen seien (Rosten im Laufe der Jahre durch Witterungseinflüsse bis auf eine einzige Faser).
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit seien auch die besonderen Verhältnisse der Beklagten zu prüfen und hiebei auf ihre personellen und finanziellen Möglichkeiten sowie auf die Größe des betreuten Wegenetzes abzustellen. Nach dem derzeitigen Verfahrensstand könne nämlich nicht gesagt werden, wie weit die Beklagte in der Lage gewesen wäre, Funktionäre, freiwillige Helfer oder bezahlte Kräfte für die Betreuung des Weges zu stellen; dies hätte mit den Parteien erörtert werden müssen. Der Erstrichter habe sich auch nicht mit dem Einwand der Beklagten auseinandergesetzt; sie habe zunächst erwarten können, daß der Wegewart Z* den Weg zeitgerecht werde betreuen können. Sollte sich diese Behauptung als richtig erweisen, dann wäre noch zu überprüfen, wie weit die Beklagte zu dem Zeitpunkt, wo ihr der weitere Ausfall des Wegewartes Z* bekannt geworden sei, in der Lage gewesen wäre, für eine Betreuung des Weges auf andere Weise zu sorgen. Diese Umstände wären bei Ermittlung des Verschuldensausmaßes und zur Beantwortung der wesentlichen Frage, ob der Beklagten grobes Verschulden anzulasten sei, mitzuberücksichtigen. Der Umstand, daß die Beklagte durch den Hüttenausbau in einer zeitlich angespannten Lage war, spiele für sich allein für ihre Haftung keine Rolle. Allerdings könnten andere besondere Umstände berücksichtigungswürdig sein, etwa ein vor dem Unfall des Wegewartes bereits begonnener Bau, der wegen der Witterungsverhältnisse im Hochgebirge unbedingt rasch abgeschlossen werden mußte. Ähnlich liege der Fall, wenn Bauarbeiten wegen witterungsbedingter Beschädigungen notwendig geworden wären, die gleichfalls wegen der ausgesetzten Lage der Hütte rasch hätten durchgeführt werden müssen. Sollte die Beklagte aber die Betreuung der von ihr in der Klagebeantwortung erwähnten (anderen) Wege dem Wirt der Nördlinger Hütte mit Pachtvertrag übertragen haben, so hätte sie, sofern sie nicht noch Halter weiterer Wege gewesen sein sollte, selbst nur für den Weg zu sorgen gehabt, auf dem die Klägerin verunglückt sei. Die Bewältigung dieser Aufgabe wäre aber auch bei Ausfall des bestellten Wegewarts und bei Durchführung von Bauarbeiten organisatorisch möglich gewesen. Auch diese Umstände seien noch erörterungsbedürftig.
Allerdings werde man nicht sagen können, daß sich die Beklagte damit hätte behelfen können, den Weg, wenn sie ihn schon nicht kontrolliert habe, wenigstens zu sperren, um ihren Verpflichtungen auf diese Weise leicht nachzukommen. Müßte man nämlich jeden Bergweg sperren, bei dem mangels Kontrolle der einwandfreie Zustand nicht mit Sicherheit feststehe, dann würde dies zu untragbaren Ergebnissen führen. In diesem Fall müßte man in jedem Frühjahr sämtliche Bergwege sperren, bis sie kontrolliert und instandgesetzt wären. Dies hätte zur Folge, daß eine ganze Reihe von Wegen erst im Herbst oder während der ganzen schneefreien Jahreszeit nicht freigegeben werden könnten.
Da jedem Benützer bekannt sein müsse, daß sich alpine Wege nicht stets in einwandfreiem Zustand befinden könnten, müsse sich jeder Benützer selbst über den Zustand des Weges und der Sicherungseinrichtungen überzeugen. Da die Klägerin das Seil nicht überprüft habe, falle ihr zumindest ein beträchtliches Mitverschulden zur Last. Mit welchem Bruchteil es auszumessen sein werde, könne endgültig erst gesagt werden, wenn die Frage eines groben Verschuldens der Beklagten geklärt sei. Schon jetzt könne aber gesagt werden, daß ein solches Mitverschulden der Klägerin keineswegs zu vernachlässigen sei. Die Unterlassung einer Prüfung, ob das Seil Gewicht und allenfalls ausgeübten Zug aushält, widerspreche grundlegenden Regeln des Bergsteigens. Der Berufung der Beklagten sei zuzugeben, daß sich das Erstgericht mit der Frage, ob sich die Klägerin mit vollem Gewicht am Drahtseil angehalten habe, nicht auseinandergesetzt hat; der Erstrichter werde Gegelegenheit haben, eine Tatsachenfeststellung hierüber nachzuholen.
Den Ausspruch des Rechtskraftvorbehaltes begründete das Berufungsgericht damit, daß, soweit bekannt, eine Rechtsprechung zum Umfang der Haftung von Bergwegehaltern nicht vorliege.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der Revisionsrekurs (richtig: Rekurs) der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Klage stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Der Klägerin ist darin beizupflichten, daß die vom Gericht zweiter Instanz aufgetragenen Verfahrensergänzungen entbehrlich sind, weil schon die Feststellungen des Erstgerichtes zur Lösung der Rechtsfrage - wenngleich nicht ganz im Sinne der Klägerin - ausreichen.
Die von der Klägerin geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt allerdings nicht vor. Soweit das Berufungsgericht ausgeführt hat, der Erstrichter werde noch eine Feststellung darüber zu treffen haben, ob sich die Klägerin mit vollem Gewicht am Drahtseil angehalten habe, hat es - entgegen der Meinung der Klägerin - keineswegs die Beweiswürdigung der ersten Instanz ohne Beweiswiederholung geändert, hat doch Erstgericht zu dieser Frage überhaupt keine Feststellung getroffen. Mängel des Verfahrens erster Instanz können im Revisionsverfahren - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen - nicht mehr gerügt und wahrgenommen werden (JBl. 1972, 469 uva). Die Frage, ob der Erstrichter zu Unrecht den Beweisantrag der Klägerin auf Vornahme eines Ortsaugenscheines abgelehnt hat, ist daher der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen. Den Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes kann indes nicht zur Gänze beigepflichtet werden:
Zutreffend sind die Vorinstanzen ebenso wie die Prozeßparteien davon ausgegangen, daß alle angelegten Wanderwege, alpinen Steige und versicherte Klettersteige Wege im Sinne des § 1319 a ABGB sind (EB 856 BlgNR 13. GP 5; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 197). Weiters unterliegt es keinem Zweifel, daß der beklagte alpine Verein, der den von der Klägerin begangenen Weg angelegt und instandzuhalten hat, Wegehalter ist (Koziol aaO 198 f).
Die bei einem Klettersteig oder -weg angebrachten
Versicherungen - wie die Drahtseile am Solsteinweg - gehören als dem „Verkehr dienende Anlagen“ zum Weg (§ 1319 a Abs. 2 Satz 1 ABGB). Daß die Seile am Solsteinweg jedenfalls an der Stelle, an der sich die Klägerin angehalten hatte und abgestürzt ist, mangelhaft, weil für die vorgesehene Benützung ungeeignet, waren (§ 1319 a Abs. 2 Satz 2 ABGB; Koziol aaO 199), bedarf keiner Begründung. Zunächst ist auf Grund des von der Beklagten erhobenen Einwandes (ON 23 und 25) zu prüfen, ob die Klägerin den geltend gemachten Schaden bei einer unerlaubten, besonders auch widmungswidrigen, Benützung des Weges erlitten hat und ob ihr diese Unerlaubtheit entweder nach der Art des Weges oder durch entsprechende Verbotszeichen - nämlich durch die Tafel mit der Aufschrift „Nur für Geübte“ - erkennbar gewesen war. Sollte dies nämlich zutreffen, dann könnte sich die Klägerin auf den mangelhaften Zustand des Weges nicht berufen (§ 1319 a Abs. 1, letzter Satz, ABGB). Diese Frage ist - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - schon auf Grund der Aktenlage zu verneinen, ohne daß es weiterer Erhebungen bedürfte. Die erwähnte Aufschrift beim Eingang des Solsteinweges ist ihrem Inhalt nach als bloße Warnung zu verstehen, nicht aber als Verbot für eine bestimmte Personengruppe, den Weg zu benützen, fehlt doch jede eindeutige Abgrenzung zwischen „Geübten“ und „Ungeübten“. Für die Bewältigung eines Weges ist jeweils ein unterschiedliches Ausmaß an Übung erforderlich; welcher Grad der Übung gerade beim vorliegenden Weg erforderlich wäre, hat die Beklagte auf ihrer Tafel nicht zum Ausdruck gebracht. Für die Klägerin, die sich jedenfalls nicht als völlig ungeübte Bergwandererin ansehen mußte, war demnach nicht zu erkennen, daß ihr die Benützung des Weges untersagt werden sollte. Sie hat den Weg auch widmungsgemäß zum Gehen und Klettern benützt. Die Tafel der Beklagten enthält keinen Hinweis darauf, daß die am Weg vorhandene Versicherung längere Zeit nicht kontrolliert worden, oder gar, daß sie schadhaft sei. Die Beklagte kann sich daher nicht mit Erfolg darauf berufen, daß die Klägerin - im Sinne des § 1319 a Abs. 1 Satz 2 ABGB - auf eigene Gefahr gehandelt habe (Koziol aaO 207). Maßgebend ist eben, ob der Klägerin erkennbar war, daß sie den Weg nicht zu benützen habe, nicht aber, ob sie im Sinne irgendeiner, der erwähnten Tafelaufschrift nicht entnehmbaren Definition als „Geübte“ anzusehen wäre. Die vom Berufungsgericht vermißten Feststellungen sind daher rechtlich unerheblich. Dem Gericht zweiter Instanz ist darin zuzustimmen, daß es auf Grund der besonderen Bedingungen im Hochgebirge so gut wie ausgeschlossen ist einen Weg stets in völlig gefahrlosem Zustand zu halten, und daß dies jedem Benützer bekannt sein muß (Koziol aaO 202; EvBl. 1979/61). Welche Maßnahmen der Wegehalter im einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich gemäß § 1319 a Abs. 2, letzter Satz, ABGB danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist. Daraus folgt, daß der Umfang der Sorgfaltspflicht eines Halters nicht allgemein bestimmt werden kann. Demjenigen, der aus reiner Gefälligkeit den Verkehr über sein Grundstück zuläßt, sind nur in sehr geringem Umfang Maßnahmen zur Instandhaltung des Weges zumutbar. Auch die Verkehrssicherungspflichten alpiner Vereine dürfen gewiß nicht allzu weit gespannt werden. Von ihnen eine ständige Überwachung und Instandhaltung zu fordern, wäre unzumutbar, zumal sich auf Grund der besonderen Bedingungen im Gebirge (Lawinen, Erdrutsch, Steinschlag udgl.) ständig neue Beeinträchtigungen der Wege ergeben können. Zum zweiten ist zu beachten, daß die Anlage der Wege durch solche alpinen Vereine vielfach im Interesse der Allgemeinheit erfolgt und nicht in dem des ausführenden Vereins (Koziol aaO 202).
Daraus ist aber nicht abzuleiten, daß alpinen Vereinen wie der Beklagten überhaupt keine Verpflichtung zur Kontrolle ihrer Wege und der dort angebrachten Versicherungen obläge. Gewiß kann ihnen nicht zugemutet werden, diese Wege ständig zu überwachen und nötigenfalls instandzusetzen, würde dies doch geradezu eine tägliche Begehung der Wege erfordern. In welchen Zeitabständen Kontrollen nötig sind, muß hier nicht entschieden werden; nach Meinung des erkennenden Senates ist jedoch zumindest eine alljährliche Überprüfung aller Weganlagen geboten. Aus den Feststellungen des Ersturteils geht aber zweifelsfrei hervor, daß die Beklagte, deren Wegewart im Unfallszeitpunkt bereits seit mehr als einem Jahr seinen Aufgaben nicht mehr nachkommen konnte, zumindest seit diesem Ausfall keine Kontrolle mehr durchgeführt hat. Die Beklagte hat nichts Gegenteiliges behauptet, sondern selbst vorgebracht, sie habe sich deshalb auf Mitteilungen ihrer Mitglieder oder anderer Bergsteiger verlassen. Zu welchem Zeitpunkt die Beklagte das letzte Mal Wartungsarbeiten auf dem Solsteinweg durchgeführt hat, ist unerheblich; es bedarf daher insoweit keiner Ergänzung des erstgerichtlichen Verfahrens.
Aus der Art der festgestellten Schäden am Drahtseil ergibt sich, daß dessen starke Durchrostung schon geraume Zeit, mindestens aber ein Jahr vor dem Unfall, erkennbar war, sollte tatsächlich jemand im Auftrag der Beklagten den Weg begangen und danach gemeldet haben, daß keine Schäden bestünden, dann könnte dies die Beklagte nicht entschuldigen; ihr fiele dann eben das Verschulden dieses Beauftragten zur Last, das - angesichts der Erkennbarkeit der Schäden und der Notwendigkeit, alle Gefahrenstellen insbesondere die Sicherungsseile, genau zu prüfen - als grob fahrlässig einzustufen wäre. Die vom Berufungsgericht aufgetragene Klärung, ob sich die Beklagte des Sohnes ihres zweiten Vorsitzenden zur Kontrolle des Weges bedient hatte, ist somit unerheblich.
Bei der Prüfung, welche Maßnahmen zumutbar sind, mag der Frage, wie die Halter ähnlicher Wege vorgehen, eine gewisse Bedeutung zukommen (vgl. EB 856 BlgNR 13. GP 7). Dennoch bedarf es - entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes - auch hier keiner Ergänzung der Feststellungen des Erstgerichtes. Die Beklagte hat in erster Instanz nicht behauptet, daß andere Halter vergleichbarer Wege mehr als ein Jahr oder noch länger die Kontrolle und Instandsetzung dieser Wege unterlassen; sie hat vielmehr besondere Gründe dafür vorgebracht, daß sie aus bestimmten Gründen entgegen ihren ursprünglichen Absichten eine solche Kontrolle durch längere Zeit unterlassen hatte. Es besteht auch keinerlei Anhaltspunkt für die Annahme, daß ähnliche Wege im Hochgebirge von den dafür verantwortlichen Haltern im allgemeinen jahrelang vernachlässigt würden. Ob die Haftung der Beklagten tatsächlich zu verneinen wäre, wenn festgestellt werden könnte, daß die anderen Wegehalter die Kontrolle ihrer Wege durch längere Zeit unterlassen, bedarf daher hier keiner Erörterung. Auch die vom Gericht zweiter Instanz geforderte Klärung der besonderen Verhältnisse der Beklagten, deretwegen der Schaden an der Seilsicherung nicht entdeckt, geschweige denn behoben wurde, kann unterbleiben. Sollte es nämlich der Beklagten tatsächlich völlig unmöglich gewesen sein, den Solsteinweg im letzten Jahr vor dem Unfall der Klägerin zu kontrollieren und den dort schon vorhandenen Seilschaden zu beseitigen, dann hätte sie eben den Weg - im Sinne des § 1319 a Abs. 1 Satz 2 ABGB - sperren oder an seinem Eingang zumindest ein Warnschild aufstellen müssen, auf dem sie darauf hinzuweisen gehabt hätte, daß der Weg schon seit einer bestimmten Zeit nicht mehr kontrolliert und daher, insbesondere auch in Ansehung der dort vorhandenen Sicherungen, schadhaft sei (oder sein könne). Das Aufstellen eines solchen Warnschildes befreit den Halter nur dann nicht, wenn ihm die Beseitigung der Gefahr zumutbar ist (Koziol aaO 201 und 208; vgl. SZ 41/146).
Sollte der Beklagten die Instandsetzung der Seilschäden zumutbar gewesen sein, dann wäre ihre Haftung wegen Unterlassung dieser Maßnahme zu bejahen; sofern ihr aber eine Behebung des Schadens unzumutbar gewesen sein sollte, hätte sie dafür einzustehen, daß sie den Weg dennoch weder abgesperrt noch ein Warnschild des genannten Inhaltes - sondern nur eines mit dem unbestimmten Hinweis, daß der Weg „Nur für Geübte geeignet“ sei - aufgestellt hat. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang geäußerten Bedenken können nicht geteilt werden. Weist ein Wegehalter darauf hin, daß er den Weg nicht geprüft und gewartet hat, so nimmt er dem Bergsteiger nicht die Möglichkeit, ihn zu benützen, sondern er schließt nur seine Haftung aus. Der Bergsteiger wurde damit rechtlich so gestellt, wie in einem Gelände, in dem überhaupt keine Wege errichtet sind, die einen Halter haben; er wäre sich also bewußt, daß er auf eigenes Risiko handelt. Wird aber ein Weg eröffnet und unter anderem mit Seilsicherungen versehen, so wird - sofern nicht später ein entsprechendes Warnschild angebracht er eine Sperre verfügt wird - das Vertrauen erzeugt, daß dieser Weg mehr Sicherheit biete als das freie Gelände im Ödland. Als Wegehalter haftet die Beklagte nur für grobe Fahrlässigkeit. Darunter ist eine auffallende Sorglosigkeit zu verstehen, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falles in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist (ZVR 1984/176 mwN; ZVR 1986/11 uva). Der Beklagten liegt ein derartiger grober Verstoß zur Last. Daß sie in dem - nach ihrem eigenen Vorbringen vorhandenen - Bewußtsein, daß Wege im gebirgigen Gelände und die dort angebrachte Versicherung immer wieder schadhaft werden, den Solsteinweg durch mehr als ein Jahr überhaupt nicht gewartet, aber auch kein entsprechendes Warnschild oder eine Absperrung angebracht hat, muß als ungewöhnlicher Verstoß gegen ihre Pflichten als Wegehalterin gewertet werden. Ihre Haftung ist daher grundsätzlich zu bejahen.
Die Klägerin trifft jedoch ein erhebliches Mitverschulden: Bevor sie sich in ein gebirgiges Gelände - wie es auf dem Solsteinweg anzutreffen war - begab, mußte sie sich zumindest die grundlegenden Kenntnisse aneignen, die für die Überwindung solcher Strecken erforderlich sind. Tatsächlich hat sie sich aber gänzlich alpinunkundig verhalten: Sie hatte - nach den Feststellungen - erkannt, daß das Seil, das sie ergreifen wollte, nicht straff gespannt, dünn und abgemergelt war; dennoch hat sie eine weitere Überprüfung des Seils auf seine Haltbarkeit unterlassen und sich daran festgehalten, um eine halbe Körperdrehung um die eigene Achse durchzuführen. Dabei benützte sie nur die linke Hand, hielt sich aber mit der rechten Hand nirgendwo fest. Bei einiger Aufmerksamkeit hätte sie den Unfall vermeiden können. Sie hätte wahrnehmen können, daß das von ihr angefaßte Drahtseil weitgehend durchgerostet war, und hätte bei einer entsprechenden Probe auch dessen Brüchigkeit erkennen können. Im übrigen hätte sie den Unfall wohl auch dann vermieden, wenn sie die zweite Hand zu Hilfe genommen hätte.
Einer ergänzenden Feststellung darüber, ob sich die Klägerin mit vollem Gewicht am Drahtseil angehalten hat, bedarf es nicht, weil dieser Frage für das Ausmaß ihres Verschuldens keine entscheidende Bedeutung zukommt.
Bei Abwägung der beiden Streitteilen unterlaufenen Verfehlungen überwiegt das Verschulden der Klägerin; ihr Verschuldensanteil war mit zwei Dritteln, jener der Beklagten mit einem Drittel auszumessen. Demgemäß war dem Rekurs der Klägerin Folge zu geben, der angefochtene Beschluß aufzuheben und mit Teilzwischenurteil auszusprechen, daß der eingeklagte Zahlungsanspruch zu einem Drittel zu Recht besteht (- das Feststellungsbegehren war noch nicht Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanzen). Soweit die Haftung der Beklagten dem Grunde nach verneint wurde, war - entgegen der Vorgangsweise des Erstrichters - das entsprechende Leistungsbegehren mit Teilurteil abzuweisen.
Der Kostenvorbehalt für alle drei Instanzen gründet sich auf § 52 Abs. 2, § 393 Abs. 4 ZPO.
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