OGH 2Ob24/87

OGH2Ob24/878.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Kropfitsch, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred B***, geboren am 14. Februar 1954, Kraftfahrer, vertreten durch den Kurator Wolfgang B***, 6060 Hall i.T., Weinfeldgasse 16, dieser vertreten durch Dr. Günter Zeindl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1) Hans-Peter S***, Hilfsarbeiter, 6091 Götzens, Mittelgasse 2, 2) E*** A*** Versicherungs-AG, 1010 Wien, Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr. Heinz Bauer, Dr. Harald Hummel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. Jänner 1987, GZ. 2 R 282/86-22, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 19. Juni 1986, GZ. 16 Cg 21/85-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 9.969,80 (darin keine Barauslagen und S 906,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 4.9.1983 gegen 20,50 Uhr ereignete sich in der Ortsmitte von Mutters auf der Neugötzner-Landesstraße Nr.304 ein Verkehrsunfall, bei dem Markus R*** und der bei ihm mitfahrende Kläger mit dem Motorrad Kennzeichen T 42.989 auf das vor R*** fahrende Motorrad des Andreas J***, Kennzeichen T 52.610, auffuhren und zu Sturz kamen. In der Folge wurde der auf der Fahrbahn liegende Kläger durch das unmittelbar diesen beiden Motorrädern folgende, vom Erstkläger gelenkte Motorrad, Kennzeichen T 62.983, das bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war, überfahren. Am Unfallstag unternahmen der Erstbeklagte, Andreas J*** und Markus R*** mit ihren Motorrädern einen Motorradausflug. Als die Gruppe gegen 20,50 Uhr mit 60 bis 70 km/h durch das Ortsgebiet von Mutters fuhr, überholten sie auf der Geraden in Richtung Nockhofweg den PKW des Klaus E***. Dabei fuhr die Gruppe im Pulk mit einem Tiefenabstand der Fahrzeuge von je 2 bis 3 m. Etwa 500 m weiter, bei Haus Dorfstraße 48, wollte R*** J*** überholen, fuhr dabei jedoch auf dessen Motorrad auf, kam zu Sturz und rutschte ebenso wie der bei ihm mitfahrende Kläger etwa 30 m über die Fahrbahn. Der nachkommende Erstbeklagte, der zu diesem Zeitpunkt einen Tiefenabstand von höchstens 10 m hatte, konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen, fuhr dem am Boden schlitternden Kläger gegen den Rücken und kam dadurch ebenfalls zu Sturz. Dabei erlitt u.a. der Kläger schwere Verletzungen.

Laut rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck zu 12 C 1238/84 haben der Versicherer des Motorrades des Markus R*** und dieser selbst dem Kläger für alle Folgen und Schäden aus dem Verkehrsunfall bis zur Höhe der Versicherungssumme zu haften. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 16.1.1985, 10 U 1945/84-23, und des Landesgerichtes Innsbruck vom 18.6.1985, Bl 159/85, wurde der Erstbeklagte rechtskräftig des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Laut Urteilsspruch wurde dem Erstbeklagten zur Last gelegt, er habe am 4.9.1983 in Mutters auf der Götzener Landesstraße als Motorradlenker durch mangelnde Aufmerksamkeit und Einhalten einer im Ortsgebiet absolut überhöhten Geschwindigkeit sowie eines zu kurzen Tiefenabstandes, wodurch er auf den vor ihm bei einem Auffahrunfall zu Sturz gekommenen und auf der Fahrbahn liegenden Manfred B*** auffuhr und ebenfalls zu Sturz kam, wobei Manfred B*** eine Bulbär-Hirnsymptomatik I, eine otobasale Fraktur beidseitig links offen sowie eine beidseitige Schulterblattfraktur (rechts Stückfraktur) ... erlitten hat, den Genannten fahrlässig am Körper verletzt, wobei die Tat eine schwere Körperverletzung zur Folge hatte. Das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht stellte im oben genannten Berufungsurteil nach teilweiser Beweiswiederholung fest, daß die schweren Kopfverletzungen primär nicht durch den Angeklagten verursacht seien: "Es ist aber nicht ausgeschlossen, sondern wahrscheinlich, daß ein Teil der Kopfverletzungen im Sinne einer Verstärkerwirkung beim Anfahren durch den Angeklagten entstanden ist, auch wenn die Haupteinwirkung auf den Schädel sicher beim Sturz erfolgte und damit der Großteil der Schädelverletzung primär nicht vom Angeklagten verursacht wurde....". In rechtlicher Hinsicht führte das Landesgericht Innsbruck dazu u.a. aus: "Da die Verletzungen im Schädelbereich nur mit Wahrscheinlichkeit teilweise dem Auffahren des Angeklagten auf B*** zugerechnet werden können, eine Verstärkerwirkung also nur wahrscheinlich und nicht sicher ist, können diese Verletzungen strafrechtlich dem Angeklagten S*** nicht zugerechnet werden, weil eine strafrechtliche Zurechnung nur in dem Rahmen möglich ist, in dem im Beweisverfahren ein einen Schuldspruch rechtfertigender Grad von Sicherheit erreicht werden kann." Hiezu reiche eine Wahrscheinlichkeit nicht aus, weshalb die Schädel- und Hirnverletzung dem Angeklagten strafrechtlich nicht anzulasten seien. Die dem Angeklagten jedoch zurechenbaren Schulterblattverletzungen genügten zu einer Verurteilung im Sinne des § 88 Abs 4 erster Fall StGB. Nach ständiger Rechtsprechung des Berufungsgerichtes sei aber eine Ausscheidung aus dem Spruch des Erstgerichtes in dieser Hinsicht rechtlich nicht möglich, weil sich am Tatbild dadurch nichts ändere und hinsichtlich der Kopfverletzungen auch kein Teilfreispruch möglich sei. Ein hiezu notwendiger Wegfall eines von mehreren Fakten liege nicht vor. Hinsichtlich Markus R*** ist zu 10 U 1507/83 des Bezirksgerichtes Innsbruck ebenfalls ein Schuldspruch ergangen, dem dieser Sachverhalt zugrunde liegt.

Bei den vom Kläger bei dem Unfall erlittenen angeführten Verletzungen handelt es sich im einzelnen neben Schulterblatt- und Schlüsselbeinfrakturen um ein schweres Schädel-Hirn-Trauma, das einen hochgradigen Defektzustand zur Folge hat, wobei ein schweres organisches Psychosyndrom mit superponierter apathischer und praktischer Störung, eine Bulbär-Paralyse sowie eine höhergradige Beeinträchtigung der Motorik bestehen. Der Kläger kann zwar mit Hilfe gehen, die Motorik der Hände ist jedoch beeinträchtigt. Schlucken und spontanes Sprechen sind ihm nicht möglich. Er muß über eine Nasensonde ständig ernährt werden. Es besteht Vollinvalidität und Pflegebedürftigkeit, an der sich grundsätzlich in Zukunft nichts ändern wird. Spätschäden sind hinsichtlich des Schädeltraumas möglich. Insbesondere ist an die Möglichkeit eines posttraumatischen Anfallsleidens oder an allfällige pulmonale Komplikationen im Rahmen der Bulbärparalyse zu denken. Bei den beim Unfall erlittenen Rückenverletzungen des Klägers handelt es sich um Weichteilverletzungen und einen Bruch beider Schulterblätter. Diese Verletzungen heilten im oberen Rückendrittel ohne besondere zusätzliche Behandlung komplikationsfrei aus. Allfällige zu erwartende Narbenbildungen in den Weichteilen und hier insbesondere im Bereiche der Muskulatur führen zwar zu einer gewissen Schwächung des muskulären Schultergürtels. Diese Veränderung ist jedoch in Anbetracht des Defektzustandes des Klägers auf Grund der Kopfverletzungen ohne praktische Bedeutung. Daraus ergeben sich für die jetzige praktische Lebensführung des Klägers keine relevanten Dauerfolgen. Die Rückenverletzungen, insbesondere der Schulterblatt-Trümmerbruch rechts und der Schulterblattbruch links, sind eindeutig eine direkte Anfahrverletzung durch das Motorrad des Erstbeklagten und damit kausal auf dessen Fahrverhalten zurückzuführen. Demgegenüber sind die schweren Kopfverletzungen typische Sturz-Aufschlag-Verletzungen aus einem Sturz mit hoher Geschwindigkeit und damit primär nicht durch das Beklagtenfahrzeug verursacht. Insbesondere die durch den vorhergegangenen Sturz des Klägers entstandenen Knochenbrüche des Schädels haben aber zu einer Instabilität und zu einem verminderten Schutz des Gehirns im Hinblick auf traumatische Nachfolgeeinwirkungen geführt. Durch das Anfahrgeschehen mit dem vom Erstbeklagten gelenkten Motorrad ist es zwangsläufig zu einer zusätzlichen Schleudertraumatisierung des Kopfes gekommen. Da zudem zu diesem Zeitpunkt bereits eine Bewußtlosigkeit des Klägers vorlag und deshalb eine reaktive Anspannung der Muskulatur nicht möglich war, ist dem Anfahrgeschehen eine Verstärkerwirkung hinsichtlich der Gehirntraumatisierung zuzuordnen. Das Ausmaß dieser Verletzungsverstärkung anzugeben, ist konkret nicht möglich und kann medizinisch nur abgeschätzt werden, wobei vielleicht ein Umfang von 20 bis 30 % anzunehmen ist. Eine exakte Objektivierung, welche der hirnorganischen Dauerfolgen ausschließlich der einen oder der anderen Gewalteinwirkung zuzuordnen ist, ist nicht möglich.

Dieser Sachverhalt ist im Revisionsverfahren unbestritten. Der Kläger stellte mit der am 24.1.1985 beim Landesgericht Innsbruck überreichten und mit S 250.000 bewerteten Klage das Begehren auf Feststellung, daß die Beklagten dem Kläger für alle Folgen und Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 4.9.1983 auf der Götzener Landesstraße 304 zu haften haben und ersatzpflichtig sind, wobei die Haftung der Zweitbeklagten auf die am 4.9.1983 für das Motorrad des Erstbeklagten, Kennzeichen T 62.983, aufrechte Versicherungssumme beschränkt ist. Zur Begründung brachte der Kläger vor, daß den Erstbeklagten wie auch Markus R*** am Zustandekommen des gegenständlichen Unfalles ein Verschulden treffe, das im Einhalten einer überhöhten Geschwindigkeit und eines zu geringen Sicherheitsabstandes bzw. einer verspäteten Reaktion gelegen sei. Auf Grund der erlittenen Verletzungen müsse der Kläger mit der Möglichkeit einer weiteren Verschlechterung des Gesundheitszustandes rechnen, weshalb sein rechtliches Interesse am Feststellungsbegehren begründet sei.

Die Beklagten bestritten das Klagebegehren, beantragten kostenpflichtige Klagsabweisung und wendeten, soweit dies im Revisionsverfahren noch entscheidungswesentlich ist, ein, daß auf Grund des rechtskräftigen verurteilenden Straferkenntnisses zu 10 U 1507/83 des Bezirksgerichtes Innsbruck gegen Markus R*** der Kläger bezüglich sämtlicher künftiger Ansprüche abgesichert sei und er auch alle bisher ihm erwachsenen Ansprüche von Markus R*** bzw. dessen Haftpflichtversicherung erhalten habe. Darüber hinaus seien die dem Erstbeklagten allein zuzuordnenden Verletzungen längst abgeheilt und es seien hieraus keine weiteren Ansprüche zu erwarten. Hinsichtlich der Kopfverletzungen sei im Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht zu 10 U 1954/84 des Bezirksgerichtes Innsbruck ausdrücklich festgestellt worden, daß diese Verletzungen des Klägers strafrechtlich dem Erstbeklagten nicht zugerechnet werden könnte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es im wesentlichen von den eingangs wiedergegebenen Feststellungen ausging. Zur Rechtsfrage meinte das Erstgericht, der Umstand, daß das Landesgericht Innsbruck als Berufungsgericht im Strafverfahren gegen den Erstbeklagten zu 10 U 1945/84 des Bezirksgerichtes Innsbruck im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausgeführt habe, die Kopfverletzungen könnten dem - hier - Erstbeklagten nicht zugerechnet werden, da eine Verstärkerwirkung nur wahrscheinlich, jedoch nicht sicher und eine Ausscheidung in diesem Umfang aus dem Spruch des Erstgerichtes aus rechtlichen Erwägungen nicht möglich sei, ändere nichts an der sich aus § 268 ZPO ergebenden Bindung des Zivilrichters im vorliegenden Falle an das verurteilende Erkenntnis des Strafgerichtes, da eine Bindung im Tatsachenbereich immer bestehe, nicht jedoch für die rechtliche Qualifikation. Darüber hinaus könne der Zivilrichter trotz Bindung an das Strafurteil ein über die vom Strafgericht angenommene Schuld hinausgehendes Verschulden annehmen; § 268 ZPO hindere nicht, zu Lasten eines vom Strafgericht Verurteilten weitere Umstände als das Strafgericht anzunehmen. Davon abgesehen habe das Strafberufungsgericht bei seiner Entscheidung aber festgestellt, daß nicht ausgeschlossen werden könne, sondern es wahrscheinlich sei, daß ein Teil der Kopfverletzungen im Sinne der Verstärkerwirkung beim Auffahren durch den Angeklagten entstanden sei und es habe lediglich in seinen rechtlichen Erwägungen ausgeführt, daß dies im Strafverfahren nicht ausreiche, um diese Verletzungen dem Beschuldigten zuzurechnen. An diese rechtlichen Erwägungen sei aber der Zivilrichter nicht gebunden. Das rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung sei auf Grund der gegebenen Verletzungen und Verletzungsfolgen zu bejahen und daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen, unbeschadet der Tatsache, daß der Kläger bereits den anderen Unfallslenker als Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung in Anspruch genommen und von diesen volle Deckung seiner Ansprüche zu erwarten habe. Die Berufung der Beklagten blieb erfolglos; das Berufungsgericht billigte, ausgehend von den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichtes auch dessen rechtliche Beurteilung der Streitfrage; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteigt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagten führen in ihrem Rechtsmittel aus, das Berufungsgericht habe auch die Feststellung des Erstgerichtes, wonach das Ausmaß der Verletzungsverstärkung, welche durch das Anfahren des Motorrades des Erstbeklagten verursacht wurde, nicht konkret angegeben werden könne und medizinisch nur in etwa je einem Umfang von 20 bis 30 % anzunehmen sei, es sei auch nicht exakt objektivierbar, welche der hirnorganischen Dauerfolgen ausschließlich der einen oder anderen Gewalteinwirkung zuzuordnen seien, übernommen. Somit habe auch das Berufungsgericht keine eindeutige Klarstellung dahin vorgenommen, ob nun tatsächlich ein Teil der Kopfverletzung im Sinne einer Verstärkerwirkung beim Anfahren durch den Erstbeklagten entstanden sei oder nicht, weshalb davon ausgegangen werden müsse, daß der Kausalzusammenhang nicht als erwiesen feststehe. Im gegenständlichen Fall stehe nun eindeutig fest, daß die schweren Kopfverletzungen und die damit verbundene dauernde Invalidität des Klägers durch dessen Sturz vom Motorrad des Markus R*** eingetreten seien, wobei dieser Sturz nachweislich von Markus R*** und nicht vom Erstbeklagten verursacht und verschuldet worden sei. Folglich habe daher Markus R*** bzw. dessen Haftpflichtversicherer für sämtliche eingetretenen bzw. noch in Zukunft entstehenden Schadenersatzansprüche einzustehen. Hingegen stünden die Beklagten nur in einem Kausalitätsverdacht im Sinne einer Verstärkerwirkung, welcher jedoch nicht geeignet sei, eine Haftung zu begründen. Auch aus der sogenannten alternativen Kausalität könne eine Haftung der Beklagten nicht abgeleitet werden, da diese Art der Gesamthaftung mehrerer Beteiligter nur dann in Betracht kommen könne, wenn ein adäquater Zusammenhang der Verhaltensweise des Schädigers mit dem Eintritt des Schadens erwiesen sei und die Schadensanteile sich nicht bestimmen ließen. Im vorliegenden Fall gebe es aber keinen erwiesenen Schadensanteil, für den der Erstbeklagte als Unfallsbeteiligter zusammen mit dem Lenker des Motorrades, auf dem sich der Kläger befand, haften könne, denn der medizinische Sachbefund habe Folgen aus diesem Schadensanteil nur als möglich bestätigt. Der Kläger habe gegenüber dem Versicherer des Markus R***, der WIENER A*** Versicherungs-AG, ein Feststellungsurteil erwirkt, auf Grund dessen dieser voll zu haften habe. Die dort bestehende Versicherungssumme (S 20 Millionen) decke den Schadenersatzanspruch des Klägers ausreichend ab. Es fehle daher in diesem Fall an jedem Kausalzusammenhang einer Haftungsbeteiligung der Beklagten, weil diese zur Voraussetzung haben müßte, daß überhaupt durch die erwiesene, wenn auch nur geringfügigste Steigerung der Verletzungsfolge zusätzliche Ansprüche zu erwarten seien.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Gemäß § 1295 Abs 1 ABGB ist jedermann berechtigt, vom Beschädiger Ersatz des Schadens zu fordern, welchen dieser ihm aus Verschulden zugefügt hat. Ein Schadenersatzanspruch setzt somit eine Verursachung des Schadens durch den Schädiger voraus, wobei den Kläger grundsätzlich die Beweislast für die Verursachung des Schadens durch den von ihm in Anspruch Genommenen trifft. Diese Regel könnte in jenen Fällen zu dem unbilligen Ergebnis führen, daß der Geschädigte ersatzlos bleibt, in denen mehrere schuldhaft handelnde Personen als Verursacher in Betracht kommen, aber nicht feststellbar ist, wer von ihnen der wirkliche Täter ist. Aus diesem Grund wurde die Lehre von der alternativen Kausalität entwickelt (in Österreich durch analoge Anwendung aus § 1302 ABGB abgeleitet, in der Bundesrepublik Deutschland aus § 830 Abs 2 BGB). Entgegen einer früher sowohl in der Begründung als auch im Ergebnis unterschiedlichen Lehre und Rechtsprechung (im einzelnen siehe Bydlinski, Haftung bei alternativer Kausalität, JBl 1959, 1 ff) hat die neuere Lehre unter Nachweis der klaren Absicht des historischen Gesetzgebers überzeugend dargelegt, daß eine analoge Anwendung des § 1302 ABGB zu dem wertungsmäßig richtigen Ergebnis führen muß, daß beim Zusammentreffen mehrerer Täter das Unaufklärbarkeitsrisiko jeder von ihnen und nicht der Geschädigte zu tragen hat. Für die Schadenersatzpflicht genügt also die mögliche Kausalität einer konkret gefährlichen unerlaubten Handlung, soferne nur der Ersatzanspruch des Verletzten an sich feststeht und ihm daher nicht unberechtigte Vorteile zukommen können (SZ 54/63 u.a., Bydlinski aaO; derselbe, Probleme der Schadensverursachung 70 ff; derselbe, Aktuelle Streitfragen um die alternative Kausalität, in FS Beitzke 3 ff; zustimmend Wahle, Die überholende Kausalität, "Karlsruher Forum" 1959, 58, 64, Welser, Zur solidarischen Schadenshaftung bei ungeklärter Verursachung, ZfRV, 1968 38 FN 6; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht I2 66 ff u.a.). Allerdings wird auch die Auffassung vertreten, bei Haftung eines Beteiligten wegen nachgewiesener Kausalität für den ganzen Schaden komme eine Haftung der übrigen, nur möglicherweise kausalen Schädiger nicht in Betracht (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 12 zu § 1302, Gernhuber, DJZ 1961, 148; Heinze, VersR 1973, 1086; Mertens, Münchner Kommentar, Rdz 28 zu § 830 BGB ua). Dieser Ansicht schlossen sich auch der Oberste Gerichtshof (vgl. JBl 1986, 787) und der Deutsche Bundesgerichtshof (VersR 1976, 992) in neuerer Rechtsprechung an. Der vorliegende Fall ist jedoch insoferne anders gelagert, als es nach den vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes durch das Anfahrgeschehen mit dem vom Erstbeklagten gelenkten Motorrad zwangsläufig zu einer zusätzlichen Schleudertraumatisierung des Kopfes kam und diesem Anfahrgeschehen eine Verstärkerwirkung hinsichtlich der Gehirntraumatisierung zuzuordnen ist. Wenn auch das Ausmaß dieser Verstärkerwirkung konkret anzugeben nicht möglich war, konnte doch medizinisch ein Umfang von 20 bis 30 % angenommen werden. Eine exakte Objektivierung war aber insoweit nicht möglich, welche der hirnorganischen Dauerfolgen ausschließlich der einen oder der anderen Gewalteinwirkung zuzuordnen sind. Daraus ergibt sich jedoch entgegen der Auffassung der Revision, daß das Verhalten des Erstbeklagten ebenso wie jenes des Markus R*** auch für die Kopfverletzungen des Klägers und die daraus entstandenen Folgen mitursächlich und lediglich eine exakte Objektivierung in der Richtung, welche der hirnorganischen Dauerfolgen ausschließlich dem Sturz vom Motorrad und welche dem Auffahrgeschehen zuzuordnen sind, nicht möglich war. Der geschädigte Kläger konnte im vorliegenden Fall daher die Mitverursachung der Schädelverletzung und der dadurch entstandenen Dauerfolgen durch den von ihm in Anspruch genommenen Erstbeklagten beweisen. Ein Fall der echten alternativen Kausalität liegt daher gar nicht vor, sondern vielmehr die nachgewiesene Einwirkung mehrerer Schädiger, nämlich des Markus R*** und des Erstbeklagten, auf das Rechtsgut der körperlichen Integrität des Klägers, wobei sich lediglich die Schadensanteile nicht mehr exakt bestimmen lassen. Nach § 1302 ABGB besteht aber Solidarhaftung nicht nur im Falle vorsätzlichen Handelns, sondern immer schon dann, wenn ein Schade durch mehrere verursacht wurde und jeder einzelne zum ganzen Schaden in irgendeiner Form beigetragen hat, ohne daß bestimmte Schadenskomponenten den einzelnen Schädigern anzulasten wären (EvBl 1980/112; SZ 45/5 ua.). Ein einverständliches Handeln ist nicht erforderlich (EvBl 1980/112; SZ 20/253 ua; Wolff in Klang2 VI 66; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 295 f). Das Berufungsgericht hat daher ohne Rechtsirrtum die Haftung der Beklagten bejaht und das Feststellungsbegehren des Klägers für gerechtfertigt erkannt.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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