OGH 12Os86/87

OGH12Os86/873.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.September 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Friedrich und Dr. Hörburger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Levnaic-Iwanski als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl D*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 129 Z 1, 15 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 27.März 1987, GZ 5 b Vr 14.775/86-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Preslmayr zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf

1 (ein) Jahr

herabgesetzt.

Die Berufung der Staatsanwaltschaft wird auf diese Entscheidung

verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 20.Oktober 1935 geborene, zuletzt beschäftigungslos gewesene Karl D*** des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs 1, 129 Z 1 und 15 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien

I./ fremde bewegliche Sachen anderen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern

1./ weggenommen, nämlich am 8.Oktober 1986 eine Taschenlampe geringen Wertes der Aloisia N*** durch Einbruch in ein Kellerabteil;

2./ wegzunehmen versucht, nämlich

a/ am 8.Oktober 1986 im einzelnen nicht feststellbare Sachwerte dem Helmut R*** durch Einbruch in dessen Lebensmittelgeschäft, in dem er die Türverglasung einschlug;

b/ am 31.Oktober 1986 Lebensmittel (Suppenwürfel, Suppenpackung, Salami, Schulterspeck, Sardinen) im Gesamtwert von 204,-- S Verfügungsberechtigten der Firma B*** (Filiale Wien 5., Einsiedlerplatz);

II./ am 1.Jänner 1985 durch Einschlagen einer Doppelscheibe der Fensterverglasung der Wohnung Wien 10., Hintere Liesingbachstraße 25/4, mit einer Bierflasche fremde Sachen vorsätzlich zerstört, wobei der zum Nachteil der Wohnungsinhaberin Martha L*** an der Sache herbeigeführte Schaden 5.000 S nicht überstieg.

Ersichtlich nur die Punkte I./ 2./ a/ und b/ dieses Schuldspruchs bekämpft der Angeklagte Karl D*** mit einer von ihm auf die Gründe der Ziffern 4 sowie 10 in Verbindung mit 9 lit b (sachlich nur Z 9 lit b) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Dem zur Verfahrensrüge (Z 4) vertretenen Standpunkt zuwider bedeutete die Abweisung des in der Hauptverhandlung zum Faktum I./ 2./ a/ des Schuldspruchs gestellten Antrags auf zeugenschaftliche Vernehmung der mit den Erhebungen befaßt gewesenen Polizeibeamten (AS 86) keine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten. Der (sinngemäß) unter Beweis zu stellende Umstand, daß der Angeklagte anläßlich seiner Festnahme am Tatort im Gegensatz zu den Behauptungen der Zeugin Silvia N*** keinen weißen Pullover getragen habe, war nämlich nach Lage des Falles vorweg nicht geeignet, die dem Gericht durch die Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern. Die Zeugin Silvia N*** hat den Angeklagten anläßlich der unmittelbar nach dessen Festnahme durchgeführten Gegenüberstellung vor allem deshalb "eindeutig" (S 14, 24, 27, 80, 81) als Täter wiedererkannt, weil sie ihn nicht nur bei der Tatausführung, sondern auch nach Verständigung der Polizei bis zu deren Eintreffen am Tatort als einzige Person beobachtet hatte, die sich in der Nähe des Geschäftslokals aufhielt. Das Schöffengericht hat deutlich zum Ausdruck gebracht, daß hiefür die Gestalt, die Körpergröße, das Alter und die Haarfarbe sowie der Umstand maßgeblich waren, daß beim Angeklagten auch eine Brille vorgefunden wurde, die er nach der Aussage dieser Zeugin zur Tatzeit getragen hat. Demgegenüber hat es einen allfälligen Irrtum der genannten Zeugin über die Oberbekleidung des Angeklagten keine Bedeutung beigemessen und einen solchen somit in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen (vgl S 100/101).

Mit der sachlich auf Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Rechtsrüge wird in Ansehung des Faktums I./ 2./ b/ des Schuldspruchs (versuchter Diebstahl von Lebensmitteln im Wert von 204,-- S zum Nachteil Verfügungsberechtigter der Firma B***) eine Beurteilung der Tathandlung als (versuchte) Entwendung angestrebt und davon ausgehend das Fehlen einer entsprechenden Ermächtigung als materiellrechtliches Verfolgungshindernis mit der Behauptung geltend gemacht, daß der Angeklagte nur aus Not eine Sache geringen Wertes entzogen und sich zugeeignet habe. Die in diesem Zusammenhang relevierte tatrichterliche Konstatierung, wonach es dem Angeklagten "auf Grund seines geringfügigen Einkommens auf Bereicherung ankam" (US 12 = AS 104), vermag der Beschwerdeauffassung zuwider dieses privilegierende Tatbestandsmerkmal der Not nicht zu begründen. Besteht doch deren Wesen nicht schon in einer infolge geringfügigen Einkommens latent ungünstigen Vermögenslage, sondern vielmehr in einem als quälend empfundenen Mangel an notwendigsten Bedarfsgegenständen, mithin in einer qualitativ an Notstand heranreichenden Zwangslage (vgl Leukauf-Steininger, StGB2, RN 11 und 12 zu § 141). Mangels Vorliegens des behaupteten Subsumtionsirrtums geht mithin auch der Einwand des Verfolgungshindernisses fehlender Ermächtigung nach § 141 Abs 2 StGB ins Leere.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28, 129 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten. Bei deren Bemessung waren erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, mildernd hingegen ein Teilgeständnis hinsichtlich der objektiven Tatseite des Ladendiebstahls.

Mit den Berufungen streben die Staatsanwaltschaft eine Straferhöhung, der Angeklagte hingegen eine Strafminderung an. Nur der Berufung des Angeklagten kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Bei der Strafbemessung fällt zwar die - auf Grund der Vorstrafen und der Erfolglosigkeit der vorangegangenen Abstrafungen augenscheinliche - gleichgültige Einstellung des Berufungswerbers gegenüber den rechtlich geschützten Werten (§ 32 Abs 2 StGB) erheblich ins Gewicht. Die vom Erstgericht verhängte Strafe liegt jedoch außerhalb einer noch vertretbaren Relation zum objektiven Gewicht der verschuldeten Taten und war daher auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß zu reduzieren.

Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer somit erfolglos gebliebenen Berufung auf diese Entscheidung zu verweisen.

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