OGH 2Ob672/86

OGH2Ob672/8625.8.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Kropfitsch, Dr. Huber und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans L***, Ministerialrat i.R., Auerspergstraße 2, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Liselotte Morent, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Christa S***, Angestellte, Auerspergstraße 2/5, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Hans Herndlhofer, Dr. Erich Kovar, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 27. Juni 1986, GZ 48 R 138/86-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 14. Dezember 1985, GZ 48 C 175/85-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat dem Kläger die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Feststellung, die Beklagte sei nicht Hauptmieterin der in seinem Hause 1010 Wien, Auerspergstraße 2/4/5, gelegenen Wohnung und bringt hiezu vor: Heinrich S***, der Vater der Beklagten und seit dem Jahre 1952 Hauptmieter der genannten Wohnung, sei "Mitte der 60-er Jahre" mit seiner Familie aus dieser Wohnung ausgezogen und lebe nunmehr in Ullrichskirchen, Münichsthal 48. Am 19. Juni 1968 sei es anläßlich eines zwischen ihm und dem Kläger geführten Kündigungsverfahrens zu einem Vergleich gekommen, wonach für die Wohnung ein höherer Mietzins zu bezahlen sei, wogegen auf die Kündigungsgründe des § 19 Abs 2 Z 10 und Z 13 MG verzichtet werde. In der Folge hätten in der Wohnung verschiedene Personen, meist jugendliche Untermieter, gewohnt, nunmehr wohne dort die Beklagte. Gegen diese Benützung durch andere Personen als den Hauptmieter werde wegen des abgegebenen Kündigungsverzichtes nichts unternommen. Mit Schreiben vom 25. September 1984 habe der Hauptmieter Heinrich S*** und die Beklagte mitgeteilt, daß die Hauptmietrechte an der gegenständlichen Wohnung auf die Beklagte übergegangen seien. Die Voraussetzungen des § 12 Abs 1 und 2 MRG lägen aber nicht vor. Bei Abtretung der Mietrechte habe kein gemeinsamer Haushalt der beiden Vorgenannten bestanden, weil der Hauptmieter beim Einzug der Beklagten schon längst ausgezogen gewesen sei. Diese geriere sich nun als Hauptmieterin, habe verschiedene Renovierungsarbeiten in Auftrag gegeben und vom Kläger auch verlangt, daß die Wohnung betreffende Korrespondenz usw. mit ihr zu führen sei. Der Kläger habe somit ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung. Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Ihr Vater bewohne nach wie vor ein Zimmer der Wohnung, sie selbst habe seit ihrer Geburt im Jahre 1953 mit einer Unterbrechung zwischen dem zwölften und fünfzehnten Lebensjahr sowie im Jahre 1978 immer in dieser Wohnung gewohnt. Bei Übertragung der Hauptmietrechte an sie sei ihr Vater aus der Wohnung ausgezogen. In der Folge berichtigte die Beklagte dieses Vorbringen dahin, daß der Vater der Beklagten bis etwa "Mitte der 70-er Jahre" gemeinsam mit der Beklagten in der gegenständlichen Wohnung gewohnt habe. Damals sei ihr Vater ausgezogen und die Anzeige vom 25. September 1984 beziehe sich auf die Überlassung der Wohnung zehn Jahre vorher. Im Hinblick auf den seinerzeitigen Kündigungsverzicht des Klägers habe sich der Mietrechtsübergang unter leichteren Voraussetzungen als jenen des § 19 Abs 4 MG vollzogen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteige.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt der Kläger eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Nach den erstgerichtlichen, vom Berufungsgericht übernommenen Feststellungen wurde die gegenständliche Wohnung etwa ab dem Jahre 1965 nicht mehr vom Hauptmieter Kommerzialrat Heinrich S*** und seiner Familie, also auch nicht von der Beklagten bewohnt. Der Haushalt der Familie wurde vielmehr in Münichsthal geführt. In dem von diesem Ort ca. 2 km entfernten Wolkersdorf betrieb Heinrich S*** damals eine Gipsplattenfabrik. Die gegenständliche Wohnung wurde an Untermieter, meist Studenten, weitergegeben. Im Jahre 1968 brachte der Kläger gegen Heinrich S*** hinsichtlich der Wohnung eine Kündigung wegen gänzlicher Untervermietung ein. Dagegen erhob der Gekündigte Einwendungen, in welchen er die regelmäßige Benützung der Wohnung durch ihn und seine Familie behauptete. Das Verfahren endete mit einem Vergleich dahin, daß sich Heinrich S*** bereiterklärte, einen höheren Hauptmietzins zu bezahlen, wogegen der Vermieter auf die Geltendmachung der Kündigungsgründe des § 19 Abs 2 Z 10 und Z 13 MG verzichtete. "Anfang der 70-er Jahre begann die Beklagte wiederrum die gegenständliche Wohnung zu benützen", und zwar ohne ihren Vater. Ab dem Jahre 1971 besuchte die - im Jahre 1953 geborene - Beklagte die Universität Wien. Gemeinsam mit ihr wohnten auch andere Studenten in der Wohnung. Im Zeitraum 1977/78 verbrachte sie über ein Jahr in Frankreich, in der Wohnung waren währenddessen weiterhin Studenten. Ungefähr ab Ende des Jahres 1978 bis zum Dezember 1984 bewohnte die Beklagte gemeinsam mit dem zu ihr gezogenen Michael L*** allein die Wohnung. Mit Datum 25. September 1984 teilten sie und ihr Vater dem Kläger mit, daß die Hauptmietrechte an der Wohnung an die Beklagte übergegangen seien. Heinrich S*** benutzt die gegenständliche Wohnung entgegen seiner Behauptung auch derzeit nicht mehr zu Wohnzwecken.

In seiner rechtlichen Beurteilung erklärte das Erstgericht, die Beklagte habe im Zeitpunkt der Überlassung der gegenständlichen Wohnung an sie durch den Hauptmieter mit diesem dort nicht im gemeinsamen Haushalt gelebt, weshalb es an den Voraussetzungen des § 12 Abs 1 MRG fehle. Da sie sich dennoch der Mietrechte berühme, sei das rechtliche Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung, daß sie nicht Hauptmieterin sei, zu bejahen. Das Berufungsgericht hielt weder die Rüge der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung noch die Rechtsrüge für gerechtfertigt. Zwar habe die Rechtsprechung zu § 19 Abs 4 MG den Standpunkt vertreten, das Verlassen einer Wohnung durch den bisherigen Mieter und das Überlassen an den nahen Angehörigen müßten zeitlich nicht zusammenfallen. Unter Überlassen nach der vorgenannten Gesetzesstelle wie ebenso nach § 12 Abs 1 MRG sei jedoch ein derartiger tatsächlicher Vorgang zu verstehen, daß der bisherige Mieter der Wohnung diese verläßt, somit ihre Benützung aufgibt und seine im gemeinsamen Haushalt lebenden, zurückbleibenden Angehörigen die Benützung übernehmen (vgl. MietSlg. 31.447). Im übrigen sei der Willensentschluß zur Überlassung und nicht das faktische Ausziehen maßgebend. Das von der Rechtsprechung als zulässig erklärte zeitliche Auseinanderfallen betreffe lediglich den Zeitraum zwischen dem faktischen Auszug und dem Willensentschluß der Überlassung, keinesfalls sei aber mit einem solchen zeitlichen Auseinanderfallen gemeint, daß die Wohnung jahrelang leerstehen und der Mieter erst dann seinen Überlassungswillen hinsichtlich eines nahen Angehörigen bilden könne, der erst dann wieder in die Wohnung einziehe. Durch die Neukonstruktion des § 12 Abs 1 MRG habe sich an diesen früheren Voraussetzungen inhaltlich nichts geändert, insbesonders sei zu fordern, daß der nahe Angehörige die Wohnung weiterhin benütze. Vorliegendenfalls habe die Beklagte aber nicht beweisen können, daß ihr Vater aus der Wohnung gezogen und sie zu diesem Zeitpunkt in dieser verblieben sei.

In der Revision wird der Standpunkt vertreten, die unterinstanzliche Ansicht, der Übernehmer müsse in der Wohnung zurückbleiben, finde im Gesetzeswortlaut keine Deckung. Bei der Frage des Mietrechtsüberganges sei auf den Zeitraum vor dem Verlassen der Wohnung abzustellen. Bei Auszug des Mieters stünden dem Vermieter die Kündigungsmöglichkeiten des § 30 Abs 1 Z 4 und 6 MRG zur Verfügung, welche ausreichend seien. Es erschiene daher nicht einsichtig, warum den nicht zurückbleibenden Angehörigen ein Eintrittsrecht verwehrt werden sollte. Auch ein "zurückbleibender" Übernehmer könne schon nach kürzester Zeit die Benützung der Wohnung unterlassen und es bestehe kein Anlaß, die Mindestzeit des Zurückbleibenden nach unten abzugrenzen. Vorliegendenfalls könnte der Beklagten das Eintrittsrecht allenfalls dann abgesprochen werden, wenn sie vor ihrem Vater ausgezogen oder der Vater ohne sie zurückgekehrt wäre. Die Beklagte habe im Alter von 12 Jahren gar keine Möglichkeit gehabt, allein in der Wohnung zu wohnen. Es könne nicht verlangt werden, daß ihr Vater wieder in die Wohnung hätte zurückkehren müssen, um diese sodann formell nach zwei Jahren wieder zu verlassen.

Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern:

Gemäß § 12 Abs 1 MRG kann der Hauptmieter einer Wohnung, der die Wohnung verläßt, die Hauptmietrechte an dieser an bestimmte Personen, u.a. seine Verwandten in gerader Linie, abtreten, falls diese mindestens die letzten zwei Jahre mit ihm im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben. Diese Abtretung und Übernahme der Hauptmietrechte an die genannten Personen ist dem Vermieter gemäß § 12 Abs 2 MRG anzuzeigen, ab dem folgenden Zinstermin gilt sodann der Übernehmer als Hauptmieter.

Nach dem klaren Wortlaut und dem offenkundigen Zweck dieser Bestimmungen ist für diese Übernahme der Hauptmietrechte durch einen Verwandten in gerader Linie Voraussetzung, daß dieser mit dem Hauptmieter in den letzten zwei Jahren in der Wohnung im gemeinsamen Haushalt gelebt hat und daß der Hauptmieter aus der Wohnung nunmehr auszieht, während die bisher mit ihm im Haushalt lebende begünstigte Person weiterhin dort verbleibt. Die Ansicht, eine Abtretung sei auch dann zulässig, wenn nicht nur der Hauptmieter, sondern auch die in der genannten Gesetzesstelle begünstigte Person die Wohnung verließ, ist demnach unzutreffend. Zweck der Bestimmung ist einzig und allein, den bis zum Auszug des Hauptmieters mit diesen in der Wohnung im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen weiterhin diese Bewohnung zu ermöglichen. Hiezu hat der Gesetzgeber des Mietrechtsgesetzes die Konstruktion einer Abtretung der Hauptmietrechte gewählt. Diese Regelung der Abtretung des Mietrechtes gemäß § 11 Abs 1 und 2 MRG knüpft an die Regelungen der §§ 19 Abs 4 MG bzw. § 19 Abs 2 Z 10 MG idF vor dem MRÄG 1967 an (siehe EB zur RV Blg 425, XV. GP. 38 zu § 9; 2 Ob 639/84, 8 Ob 619/84; Würth in Rummel, Rdz 3 zu § 12 MRG). Nach der vorgenannten Bestimmung des § 19 Abs 4 MG hatte die Rechtsprechung ebenso wie schon vorher nach § 19 Abs 2 Z 10 MG einen Rechtsübergang kraft Gesetzes angenommen. Im übrigen wurde schon damals ua. als Voraussetzung für diesen Übergang auch gefordert, daß die bisher mit dem Hauptmieter im gemeinsamen Haushalt lebenden begünstigten Personen nach dem Auszug des Hauptmieters die Wohnung weiterhin benützen (Würth aaO), denn der Zweck ging eben dahin, der begünstigten Person die Wohnung zu erhalten (7 Ob 616/79). Ein Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber auch Personen, welche die gemietete Wohnung beim Auszug des Hauptmieters nicht benützten, die Hauptmietrechte daran verschaffen wollte, ist entgegen der Ansicht des Revisionswerbers weder in der alten noch in der neuen gesetzlichen Regelung enthalten, eine derartige Auslegung verbietet sich vielmehr nach dem klaren Gesetzeswortlaut und offenkundigen Gesetzeszweck.

Wie schon nach der bisherigen Rechtslage muß das "Verlassen" der Wohnung durch den Hauptmieter auch im Sinne des § 12 MRG zwar nicht mit der Abtretung seiner Hauptmietrechte an die begünstigte(n) Person(en) zeitlich zusammenfallen (MietSlg. 29.384, 37.606/9; 3 Ob 193/78, 7 Ob 616/79, 6 Ob 686/80). Er kann sie aber in der Folge, also in der Zeit nach seinem Auszug, nur noch unter den vorgenannten Voraussetzungen an die begünstigten Personen abtreten. Darauf, ob an einen zunächst "zurückbleibenden Übernehmer", der später die Wohnung ebenfalls verließ, die Hauptmietrechte noch abgetreten werden können ist hier nicht einzugehen, da dieser Fall nicht vorliegt. Bei einer Rückkehr des Beklagten in die Wohnung und einem sodann mit der Tochter zwei Jahre geführten gemeinsamen Haushalt hätte er die Hauptmietrechte selbstverständlich wirksam an diese abtreten können, soferne sie sodann in der Wohnung verblieben wäre.

Somit erweist sich keines der Argumente des Revisionswerbers als

stichhältig.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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