OGH 2Ob639/84

OGH2Ob639/8430.10.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ulrike G*****, vertreten durch Dr. Max Villgrattner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei D*****AG, *****, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichts vom 14. Juni 1984, GZ 41 R 499/84-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 2. März 1984, GZ 48 C 459/83-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der Klägerin die mit 2.940,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 223,65 S Umsatzsteuer und 480 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrt die Fällung eines Feststellungsurteils, wonach ihr aufgrund des zwischen der beklagten Partei und ihrem Vater, Dr. Theodor G*****, am 5. 6. 1968 abgeschlossenen Mietvertrags die Mietrechte an der Wohnung Nr ***** des Hauses *****, zustehen und bringt vor: Ihr Vater habe aufgrund einer besonderen Klausel im Mietvertrag seinen Anwaltsberuf in der vorgenannten Wohnung ausgeübt und zwar lediglich in einem Raum. Die übrige Wohnung sei überwiegend als solche möbliert und werde auch demgemäß benützt. Im Jahre 1978 habe die Klägerin im Alter von 20 Jahren ein Zimmer dieser Wohnung bezogen, einige Zeit später im Dezember 1978 sei auch der Vater mit Zustimmung seiner Ehefrau, der Mutter der Klägerin, privat in diese Wohnung eingezogen, da ihm die täglichen Fahrten von D***** in die L*****, insbesondere wegen der täglichen Parkschwierigkeiten, zu beschwerlich geworden seien. Als Studentin habe die Klägerin sodann für sich und ihren Vater in der Wohnung den Haushalt geführt. Im März 1983 habe Letzterer auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet und sei, nachdem er ihr die Mietrechte an der Wohnung überlassen hatte und dies der klagenden Partei gemäß § 12 Abs 3 MRG angezeigt worden sei, in sein und ihrer Mutter Haus in D*****, das als Alterssitz bestimmt gewesen sei, gezogen. Mangels Zinsvorschreibung habe die Klägerin im Juni 1983 a conto Miete den Betrag von 20.000 S an die beklagte Partei überwiesen. Von dieser sei die Zahlung zunächst angenommen, in der Folge jedoch gegen die Klägerin eine inzwischen abgewiesene Räumungsklage erhoben worden. Im Hinblick auf die Bestreitung der Mietrechte der Klägerin durch die beklagte Partei sei die Klägerin zur Erhebung der Feststellungsklage genötigt.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Die streitgegenständliche Wohnung sei an den Vater der Klägerin als Geschäftsräumlichkeit zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs vermietet und bis März 1983 auch als solche verwendet worden. Ein gemeinsamer Haushalt dieser beiden Personen hätte keinesfalls 2 Jahre lang bestanden. Die von der Klägerin genannte Räumungsklage sei gegen ihren Vater wegen Mietzinsrückstands eingebracht worden, die Beschlussfassung nach § 21 MG stehe noch aus.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt; es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S nicht übersteige und erklärte die Revision für zulässig.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erhebt die beklagte Partei eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Nach dem erstgerichtlichen Urteil liegt folgender Sachverhalt vor: Nach dem Inhalt des im Jahre 1968 geschlossenen Mietvertrags durfte Dr. Theodor G*****, der Vater der Klägerin, die auf unbestimmte Zeit gemietete Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Vorzimmer, Bad, WC und Speisekammer als Rechtsanwaltskanzlei benützen. Er wohnte damals gemeinsam mit seiner Ehefrau und der Klägerin, seiner Tochter, in *****. Im August 1979 bezog die damals 20-jährige Klägerin ein Zimmer der streitgegenständlichen Wohnung, von deren drei Zimmern zwei als Wohn- und Schlafräume und eines als vom Gang aus gesondert zu betretende Rechtsanwaltskanzlei verwendet wurden. Einige Monate später, im Dezember 1979, zog der Vater der Klägerin ebenfalls in die streitgegenständliche Wohnung, die Ehefrau und Mutter blieb allein in der Wohnung N*****. Bei seinem Einzug erklärte Dr. G***** der Klägerin ausdrücklich, dass er 1982 in Pension gehe, da er dann 68 Jahre alt sein werde. Er ging davon aus, dass Voraussetzung für eine Übertragung der Mietrechte an die Klägerin eine zwischen ihnen bestehende 3-jährige Haushaltsgemeinschaft sei und erklärte demgemäß auch ausdrücklich, diese Frist solle genau eingehalten sein und er werde sodann wieder ausziehen, die Mietrechte an die Klägerin übertragen und seinen Alterssitz in D***** aufsuchen. In der Folge wohnte er im zweiten Wohn- und Schlafraumzimmer und übte im dritten Zimmer in eingeschränktem Maße seine Anwaltstätigkeit aus. Die Klägerin besorgte mit dem Geld des Vaters die nötigen Lebensmitteleinkäufe und kochte für beide. Ab 1980 war auch zweimal wöchentlich, zuletzt nur noch einmal wöchentlich, eine Haushaltshilfe mittätig. Wie vereinbart ging der Vater der Klägerin schließlich in Pension, verließ die streitgegenständliche Wohnung und erklärte im März 1983 die Übertragung seiner Mietrechte an die Klägerin. Eine gegen diese von der beklagten Partei wegen titelloser Benützung erhobene Räumungsklage wurde inzwischen rechtskräftig abgewiesen. Über die von der beklagten Partei gegen den Vater der Klägerin wegen unzulässiger Weitergabe der Wohnung eingebrachte Aufkündigung ist noch nicht rechtskräftig entschieden.

In seiner rechtlichen Beurteilung bejahte das Erstgericht im Hinblick auf die von der beklagten Partei verweigerte Zustimmung zur Mietrechtsübertragung das rechtliche Interesse der Klägerin an der begehrten Feststellung. Es hielt das Klagebegehren aber nicht für gerechtfertigt. Wohl liege die im § 12 Abs 1 MRG normierte Voraussetzung einer zweijährigen gemeinsamen Haushaltsführung des Mieters mit einem Verwandten in gerader Linie vor, doch müsse diese Haushaltsführung auf Dauer gerichtet gewesen sein. Im streitgegenständlichen Falle habe der Vater der Klägerin vor seinem Einzug in die Mietwohnung überhaupt nicht in dieser gewohnt und deren Benützung als Wohnung gemeinsam mit der Klägerin sodann lediglich im Hinblick auf den bereits geplanten Auszug und die Übertragung der Mietrechte auf die Klägerin aufgenommen. Eine solche Mietrechtsübertragung zu ermöglichen sei aber nicht der Zweck der Regelung des § 19 Abs 4 MG bzw des § 12 Abs 1 und 2 MRG. Diese Regelungen dienten vielmehr dazu, dem nahen Angehörigen, der schon bisher mit dem Hauptmieter im gemeinsamen Haushalt gewohnt hatte, das Obdach und als Voraussetzung hiefür die Mietrechte zu erhalten, wenn der Hauptmieter die Wohnung verlasse. Im Hinblick darauf, dass Dr. G***** die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit der Klägerin von Anfang an nur so lang geplant gehabt habe, als dies seiner Ansicht nach die Einhaltung der gesetzlichen Frist erforderte, könne aber nicht davon gesprochen werden, dass es sich hier um eine auf Dauer angelegte Haushaltsgemeinschaft gehandelt habe. Mangelte es aber an einer solchen so sei die Klägerin nicht eintrittsberechtigt. Die Übertragung der Mietrechte an sie durch die einseitige Willenserklärung ihres Vaters als Hauptmieters ohne Zustimmung des Vermieters sei letzterem gegenüber aber wirkungslos. Somit sei die Klägerin nicht Hauptmieterin und das Klagebegehren abzuweisen.

Das Berufungsgericht hielt die erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen entgegen der Beweisrüge der Klägerin für unbedenklich, deren Rechtsrüge jedoch für gerechtfertigt. Voraussetzung für die Zulässigkeit der Abtretung der Mietrechte gemäß § 12 Abs 1 MRG sei, wie schon bisher für die Zulässigkeit der Überlassung der Wohnung gemäß § 19 Abs 4 MG, ein gemeinsamer Haushalt bestimmter naher Angehöriger für die vom Gesetz bestimmte Dauer. Der gemeinsame Haushalt sei eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, die eine gewisse Dauer hindurch ununterbrochen bestanden haben müsse und auf Dauer berechnet gewesen sei. Dieses Erfordernis eines auf Dauer gerichteten Haushalts lasse sich zwar nicht dem Gesetz entnehmen, doch habe es die Judikatur zu § 19 Abs 2 Z 10 MG aufgestellt um nicht einen bloß vorübergehenden gemeinsamen Haushalt mit dem Eintrittsrecht zu belohnen. Ebenso sei es auch der Bestimmung des § 19 Abs 4 MG zugrundegelegen. Die Notwendigkeit der Absicht eines auf Dauer eingerichteten gemeinsamen Haushalts entfalle aber mit dem Zeitpunkt, in dem der Mieter bereits von seiner bevorstehenden Übersiedlung in eine andere Wohnung wisse, zumal ja dann naturgemäß die Haushaltsgemeinschaft bis zum Zeitpunkt des Übersiedelns beschränkt sein müsse. Vorliegendenfalls habe die Klägerin mit dem Mieter, ihrem Vater, während der gesetzlichen Mindestdauer im gemeinsamen Haushalt gelebt. Somit sei die Übertragung der Mietrechte an sie aber wirksam geworden, sodass sie nunmehr Mieterin sei.

In der Revision wird vorgebracht, der Unterschied der Bestimmungen des § 19 Abs 4 MG zu jener des § 12 Abs 1 MRG bzw auch des § 14 Abs 3 MRG liege nur darin, dass Letzterer die Abtretung als Rechtsgeschäft zwischen dem Mieter und seinem Angehörigen definiere, die Voraussetzungen für die Abtretung seien jedoch die gleichen wie beim früheren Mietrechtseintritt geblieben. Demgemäß müsse aber im Sinne der Judikatur zu § 19 Abs 4 MG bzw § 19 Abs 2 Z 10 MG ein nach der Absicht beider Parteien auf Dauer berechneter gemeinsamer Haushalt vorgelegen sein. An diesem Merkmal fehle es vorliegendenfalls, weil die Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft der Klägerin und ihres Vaters von Anfang an nicht auf Dauer sondern lediglich auf bestimmte Zeit berechnet gewesen seien. Wäre lediglich der Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Mindestfrist erforderlich, so erschiene das Wort „mindestens“ im § 12 Abs 1 MRG überflüssig.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Richtig ist, dass die Regelung der Abtretung des Mietrechts gemäß § 12 Abs 1 und 2 MRG grundsätzlich an die vorangegangenen Regelungen des § 19 Abs 4 MG bzw § 19 Abs 2 Z 10 MG idF vor dem MRÄG 1967 anknüpft (siehe die EB zu § 12 MRG, 425 BlgNR XV. GP, 38 und die EB zu § 19 Abs 4 MG, 500 BlgNR 11. GP, 19). Auch trifft es zu, dass Erfordernis für die Mietrechtsübertragung nach der Judikatur zur vorangegangenen Rechtslage die auf Dauer gerichtete Führung eines gemeinsamen Haushalts des Mieters und der eintrittsberechtigten Person war. Diese Voraussetzung diente dem Zweck, der im Gesetz genannten Person den Eintritt in die Mietrechte nur dann zu ermöglichen, wenn sie nicht bloß einen vorübergehenden sondern einen dauernden Bedarf an der Wohnung hatte, welchem durch Einräumung eines Eintrittsrechts abgeholfen werden sollte. Demgemäß musste die eintrittsberechtigte Person auch ihren Lebensschwerpunkt in der Wohnung des Mieters gehabt haben. Insgesamt war sonach darzutun, dass der Wohnbedarf der eintrittsberechtigten Person auf Dauer in dieser Wohnung befriedigt werden sollte. Schließlich musste dieser Zustand einer gemeinsamen Haushaltsführung schon immer durch eine vom Gesetzgeber normierte Mindestfrist gegeben sein.

Dass aber auch der Mieter die Absicht haben müsse, weiterhin auf unbestimmte Zeit in der Wohnung zu verbleiben und den mit den eintrittsberechtigten Personen begründeten gemeinsamen Haushalt aufrecht zu erhalten, wurde von der Judikatur nicht gefordert und es ist eine solche Voraussetzung auch der nunmehr geltenden Bestimmung des § 12 Abs 1 MRG nicht zu entnehmen. Nach dieser Gesetzesstelle darf der Mieter seine Hauptmietrechte zB an seine Kinder dann abtreten, wenn sie ua mindestens die letzten zwei Jahre, dh während dieser Mindestfrist, mit ihm im gemeinsamen Haushalt in der Wohnung gewohnt haben. Seine eigene, nach außen hin in der Regel nicht in Erscheinung tretende und daher auch gar nicht überprüfbare Absicht, die Wohnung nach Ablauf dieser Frist selbst zu verlassen, steht der Abtretung der Mietrechte demgemäß nicht entgegen.

Somit kann aber vorliegendenfalls der Umstand, dass Dr. Theodor G***** von Anfang an beabsichtigte, nach seiner Pensionierung an seinen Alterssitz zu ziehen und die Wohnung der Klägerin zu überlassen, der von ihm erklärten Abtretung der Mietrechte an diese nicht entgegenstehen. Da die übrigen gesetzlichen Voraussetzungen hiefür beim gegebenen Sachverhalt unbestritten vorliegen, erweist sich die berufungsgerichtliche Entscheidung frei von Rechtsirrtum.

Der ungerechtfertigten Revision war demgemäß ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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