OGH 15Os84/87

OGH15Os84/8724.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.Juli 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Swoboda als Schriftführer, in der Strafsache gegen Adolf B*** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10.März 1987, GZ 12 a Vr 5490/86-15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Angeklagten B*** und des Verteidigers Dr. Bernhauser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 2 1/2 (zweieinhalb) Jahre herabesetzt; im übrigen wird ihr nicht Folge gegeben.

Darauf wird die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Adolf B*** des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach liegt ihm zur Last, von Jahresbeginn 1978 bis 7. April 1986 in Wien als Geschäftsführer der E***-D*** Datenverarbeitungsdienst Ges.m.b.H. (vormals E***

Ges.m.b.H. & Co KG, Datenverarbeitungsdienst, Ges.m.b.H.) die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen und andere zu verpflichten, dadurch wissentlich mißbraucht zu haben, daß er dieser Gesellschaft wiederholt Bargeldbeträge im Gesamtausmaß von 6,616.448,30 S entzog und für sich verwendete (womit er jener einen Vermögensnachteil in der genannten Höhe zufügte).

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Schuldspruch gerichteten, auf Gründe der Z 9 lit. a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Der Einwand unter dem ersterwähnten Nichtigkeitsgrund, der Angeklagte sei in der Zeit von 1980 bis einschließlich 1.April 1986 zu 25 % an der Gesellschaft beteiligt gewesen, weshalb er nur in Ansehung von 3/4 des in dieser Zeit eigenmächtig entnommenen Gesamtbetrages der Untreue schuldig erkannt werden könne, geht fehl.

Denn bei einer zu Lasten einer Gesellschaft mit beschränkter

Haftung begangenen Untreue ist keineswegs der mittelbar die

Gesellschafter treffende Vermögensnachteil, sondern der unmittelbare

Schaden der Gesellschaft als eines eigenen Rechtssubjekts maßgebend

(SSt. 43/45 = EvBl. 1983/67 = ÖJZ-LSK 1983/6; siehe auch

SSt. 51/46 = ÖJZ-LSK 1981/10 sowie SSt. 51/28 = JBl. 1981, 105 =

EvBl. 1981/78 = ÖJZ-LSK 1980/156 uam). Eine Ausnahme käme nur dann

in Betracht, wenn der Täter nicht nur Geschäftsführer, sondern auch einziger Gesellschafter und damit wirtschaftlich gesehen nach Maßgabe der Haftungsbeschränkungen faktisch mit der Gesellschaft ident ist (siehe erneut SSt. 53/45).

Die erstgerichtlichen Feststellungen (US 7 f) betreffend die Wissentlichkeit des Befugnismißbrauches sowie in Ansehung des den Schadenseintritt in der vollen Höhe der Entnahmen erfassenden Vorsatzes des Angeklagten werden vom Beschwerdeführer gar nicht bekämpft.

Unbegründet ist auch die Subsumtionsrüge (Z 10), in der ausgeführt wird, die Tathandlungen des Angeklagten hätten Verfügungen faktischer Natur, nicht aber Rechtshandlungen dargestellt und seien daher als Veruntreuung zu beurteilen gewesen. Nach den Urteilsfeststellungen war der Angeklagte von Jänner 1974 bis März 1983 alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft, im März 1983 wurde eine weitere Person zum Geschäftsführer bestellt, doch blieb der Angeklagte alleinvertretungsbefugt. Einen Betrag von 5,562.554,30 S brachte er in der Weise an sich, daß er inkassierte Beträge für sich behielt, Geldbeträge von 307.894 S eignete er sich in der Form an, daß er Kundenschecks nicht abrechnete, jedoch einlöste, einen Betrag von 350.000 S entnahm er der Kasse und buchte ihn als Darlehen (an sich), das er nur mit Zustimmung der Mehrheit der Gesellschafter hätte gewähren dürfen.

Das Wesen der Untreue liegt zwar im Mißbrauch einer rechtlich - nicht allein faktisch - eingeräumten Verfügungsmacht über fremdes Vermögen. Diese Befugnis setzt im Gegensatz zur Verpflichtung dessen, dem ein Gut im Sinn des § 133 StGB anvertraut, das heißt mit einer Rückstellungs- oder Verwendungspflicht überlassen worden ist, einen - wenn auch

beschränkten - Ermessensspielraum des Machthabers voraus, dessen Tätigkeit über die bloße Verwahrung eines Gutes hinausgeht und daher zutreffend als Verwaltung bezeichnet werden kann. Die Befugnis erstreckt sich sohin nicht nur auf die zu den Dispositionen jeweils unerläßlichen eigentlichen Rechtshandlungen, sondern auch auf alle zu deren Verwirklichung dienenden und daher gleichfalls als Verfügung über fremdes Vermögen aufzufassenden tatsächlichen Maßnahmen. Läge schon in einer Teilphase eine allgemein strafbare Handlung, so wird diese durch die Untreue als Sonderdelikt verdrängt (SSt. 53/57 = JBl. 1983, 214 = EvBl. 1983/73 = ÖJZ-LSK 1983/5). Im Hinblick darauf, daß der Angeklagte nicht bloß Inkassomandatar war (vgl. EvBl. 1979/97), sondern ihm als allein vertretungsbefugtem (und nach der Aktenlage überdies sogar faktisch allein tätigem) Geschäftsführer die Disposition über die geschäftliche Gebarung und damit auch über die Geldgebarung oblag, hatte er keine bloß faktische Verfügungsmöglichkeit über die Gelder, sondern eine selbständige rechtliche Dispositionsbefugnis (SSt. 51/46 = ÖJZ-LSK 1981/9 und die dort angeführten Entscheidungen, insbesondere SSt. 38/4; siehe hiezu erneut auch SSt. 51/28; im gleichen Sinn jüngst 10 Os 47/86). Der vom Beschwerdeführer zitierten Entscheidung SSt. 36/26 hingegen liegt insoweit ein maßgeblich anderer Sachverhalt zugrunde, als der Täter in jenem Fall nicht allein vertretungsbefugt war, sondern nur gemeinsam mit dem zweiten Geschäftsführer oder einem Prokuristen und ihm daher eine rechtliche Dispositionsbefugnis an Geldern der Gesellschaft nicht zustand, sondern bloß eine faktische Zugriffsmöglichkeit bestand. Daß es sich schließlich beim Abschluß eines Darlehensvertrages, mag dieser auch entgegen einem unternehmensinternen "Selbstkontrahierungsverbot" erfolgt sein, um ein Rechtsgeschäft handelt, versteht sich von selbst.

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach dem zweiten Strafsatz des § 153 Abs. 2 StGB zu drei Jahren Freiheitsstrafe. Es wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die Höhe des Schadens, die das Unternehmen an den Rand der Insolvenz brachte und die Wiederholung der Angriffe durch längere Zeit, als mildernd dagegen den Umstand, daß der Angeklagte bisher einen ordentlichen Lebenswandel führte und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten im auffallenden Widerspruch steht, das umfassende und reumütige Geständnis des Angeklagten, das für die Aufklärung des Geschehens besondere Bedeutung erlangte, sowie eine teilweise Schadensgutmachung.

Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer Berufung die Erhöhung der Freiheitsstrafe an, der Angeklagte mit seiner dagegen eine Strafmilderung sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht. Nur der Berufung des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu. Finanzielle Schwierigkeiten sind im vorliegenden Fall allerdings entgegen der Meinung des Angeklagten nicht mildernd, denn sie wurden seinem eigenen Eingeständnis zufolge auch durch einen "überdimensionierten Lebensaufwand" verursacht (S 95). Zutreffend wurde vom Erstgericht auch neben der besonderen Schadenshöhe die Tatwiederholung erschwerend gewertet, denn ein mehrfacher Tatentschluß manifestiert - bei sonst gleicher Schadenshöhe - einen höheren Schuldgehalt.

Zu Recht wurde auch als erschwerend herangezogen, daß das geschädigte Unternehmen durch die strafbaren Handlungen an den Rand der Insolvenz gebracht wurde. Die Berücksichtigung derartiger Tatfolgen ist durch § 32 Abs. 3 StGB vorgezeichnet. Das Vorbringen im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung, der Angeklagte erwarte aus einer Umsatzbeteiligung einen Betrag von 1,6 Millionen S, den er zur Schadensgutmachung zu verwenden gedenke, stellt sich als ein Vorhaben zur künftigen (weiteren) Schadensgutmachung dar, das als solches jedoch noch nicht mildernd ist (vgl. Leukauf-Steininger, Komm. z. StGB2, RN 23 zu § 34); erst eine tatsächliche Schadensgutmachung könnte als (nachträglicher) Milderungsgrund (§ 410 Abs. 1 StPO) Beachtung finden. Allerdings kommt dem Hinweis des Berufungswerbers darauf, daß er de facto das Unternehmen (weitgehend) durch eigene erfolgreiche Tätigkeit aufgebaut hatte, Gewicht zu. Ein daraus hervorgehendes - nicht unglaubwürdig behauptetes - Gefühl der "Rolle eines Firmeneigentümers" (S 95) läßt die Handlungsweise des Angeklagten doch in einem etwas milderen Licht erscheinen. Dies und die wahrhaft rückhaltslose Darlegung der Verfehlungen (die Unterlagen waren vollzählig vorhanden und es konnte daraus der Schaden bis ins Detail ermittelt werden) sind von solchem Gewicht, daß die vom Schöffengericht verhängte Freiheitsstrafe doch etwas zu hoch gegriffen erscheint. Andererseits verbietet aber die ganz erhebliche Schadenssumme eine weitgehende Herabsetzung in dem vom Angeklagten angestrebten Umfang. Es war vielmehr mit einer mäßigen Strafreduzierung vorzugehen.

Angesichts der verbleibenden Höhe der Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren ist dem Begehren des Angeklagten um Gewährung bedingter Strafnachsicht der Boden entzogen. Die Staatsanwaltschaft war mit ihrer eine Straferhöhung begehrenden Berufung auf die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten zu verweisen.

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