Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Nach § 390 a StPO fallen dem Angeklagten Josef S*** die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem in Beschwerde (§ 345 Abs 1 Z. 6 und 9 StPO) gezogenen Teil des Ersturteils wurde Josef S*** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 3 (§ 81 Z. 1) StGB schuldig erkannt (B).
Die Geschwornen hatten die Hauptfrage VII nach versuchtem Mord (§§ 15, 75 StGB) und die Eventualfrage X nach schwerer Körperverletzung (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z. 1 StGB) verneint, die Eventualfragen IX nach schwerer Nötigung (§§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z. 2 StGB) sowie XI nach schwerer Sachbeschädigung (§§ 125, 126 Abs 1 Z. 7 StGB) ebenso wie die Zusatzfrage XII nach einem entschuldigenden Notstand (§ 10 StGB) bei Begehung der Taten und schließlich noch die zum Schuldspruch führende gesondert gestellte Eventualfrage XIII bejaht.
Rechtliche Beurteilung
In Ausführung des Nichtigkeitsgrunds des § 345 Abs 1 Z. 9 StPO erblickt der Beschwerdeführer einen Widerspruch im Wahrspruch der Geschwornen in der gleichzeitigen Bejahung der Zusatzfrage XII und der zum Schuldspruch führenden Eventualfrage XIII. Denn die Bejahung eines entschuldigenden Notstands schließe die Annahme einer fahrlässigen Begehung derselben Tat aus. Dieser Ansicht kann nicht beigepflichtet werden.
Gewiß kommt Notstand nach § 10 StGB nur bei Vorsatzdelikten in Betracht, wogegen bei Fahrlässigkeitsdelikten die Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens im Rahmen der Bestimmung des § 6 StGB zu prüfen ist; (Leukauf-Steininger2, RN 28, 29 zu § 10 StGB), freilich ist auch dabei im wesentlichen derselbe Maßstab anzulegen, wie bei Prüfung der Voraussetzungen des entschuldigenden Notstands (aaO, RN 20 zu § 6). Hieraus ergibt sich für den vorliegenden Fall allerdings nur vordergründig eine scheinbare Unvereinbarkeit der Bejahung sowohl der Zusatzfrage XII, als auch der bekämpften Eventualfrage XIII, weil der Rechtsmittelwerber die Bestimmung des § 10 Abs 2, letzter Satz, StGB außer Betracht läßt, wonach der Täter wegen fahrlässiger Begehung zu bestrafen ist, wenn er die Voraussetzungen, unter denen seine Handlung entschuldigt wäre, in einem Irrtum angenommen hat, der auf Fahrlässigkeit beruhte, und die fahrlässige Begehung seiner Tat mit Strafe bedroht ist. Auf diese Norm wurden die Geschwornen in der ihnen schriftlich erteilten Rechtsbelehrung (§ 321 StPO) wiederholt und nachdrücklich hingewiesen (S. 19 und 33 der Rechtsmittelbelehrung = Bd II/S. 371 und 385). Da im gegebenen Fall eine eigene Zusatzfrage nach einem auf Fahrlässigkeit beruhenden Putativnotstand nicht gestellt worden ist, haben die Geschwornen durch die gleichzeitige Bejahung der Zusatzfrage XII und der Eventualfrage XIII zum Ausdruck gebracht, daß sie dem Beschwerdeführer in Ansehung der Vorsatztaten einen derartigen (wenn auch von ihm fahrlässig zu Unrecht angenommenen Putativ-)Notstand zubilligen, welcher mangels korrespondierender Fahrlässigkeitstaten seine strafrechtliche Verantwortlichkeit wegen der Delikte nach § 12, dritter Fall StGB jeweils in bezug auf §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1, Z. 2 StGB und §§ 125, 126 Abs 1 Z. 7 StGB zwar zur Gänze aufhebt, wegen der von den Geschwornen angenommenen Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens die Strafbarkeit des Nichtigkeitswerbers wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 3 (§ 81 Z. 1) StGB ohne Widerspruch dazu jedoch bestehen läßt.
Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z. 6 StPO bemängelt der Beschwerdeführer "hilfsweise", daß der Schwurgerichtshof die von ihm beantragte weitere Eventualfrage bezüglich seines mitangeklagten Halbbruders Franz S*** in Richtung einer schweren Nötigung des Nichtigkeitswerbers zu dem die Fahrlässigkeitstat begründenden Verhalten abgelehnt hat (Band II/S. 341, 342).
Auch diese Rüge erweist sich als verfehlt, weil - wie das Erstgericht in Begründung seines abweisenden Beschlusses zutreffend ausgeführt hat - eine solche Fragestellung ein gesondertes Verhalten des Mitangeklagten, das von der Anklage nicht umfaßt war, betroffen, und daher eine Überschreitung der Anklage bedeutet hätte. Die Einschränkung oder Aufhebung der Schuld eines Angeklagten kann zudem nur durch eine ihn selbst, nicht aber durch eine einen Mitangeklagten betreffende (Zusatz-)Frage geklärt werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
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