OGH 1Ob624/87

OGH1Ob624/8715.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rita D***, Hausfrau, Lavamünd, Pudlach 40, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Marianne C***, Gastwirtin, Mühlbach 9, vertreten durch Dr. Gunther Stemberger und Dr. Peter Zumtobel, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Anfechtung eines Vertrages (Streitwert S 2,000.000) infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 2. Februar 1987, GZ 1 R 243/86-121, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 30. Mai 1986, GZ 12 Cg 259/83-114, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.587,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 1.780,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 11. Jänner 1960 als uneheliches Kind der Beklagten geborene Klägerin wuchs bei ihren Zieheltern Ferdinand und Katharina N*** in Mühlbach auf. Ferdinand N*** verstarb am 17. November 1971, Katharina N*** am 23. Dezember 1975. Sie setzte die Klägerin in einem mündlichen Testament zur Alleinerbin ein. Der Vertreter des Jugendamtes Zell am See gab als Amtsvormund der Klägerin im Verlassenschaftsverfahren A 10/76 des Bezirksgerichtes Mittersill namens der Klägerin die bedingte Erbserklärung ab. Die Beklagte meldete im Verlassenschaftsverfahren eine Forderung von S 170.421,11, resultierend aus mehreren Katharina N*** gewährten Darlehen als Forderung an. Zum Nachlaß gehörten die Liegenschaften

a) EZ 44 "der Hauser-Einfang", bestehend aus dem Grundstück Nr. 945 Wiese;

b) EZ 125 "das Obermühl-Aufeld", bestehend aus den Grundstücken Nr. 603/1, 604/1 und 605 je Acker, 1036 Feldweg und 603/3 Flurstück;

c) EZ 126 "das Untermühl-Aufeld", bestehend aus dem Grundstück Nr. 606 Acker;

d) EZ 194 "der Radler-Einfang", bestehend aus den Grundstücken Nr. 943/1 Acker und 944/1 Wiese;

e) EZ 204 "das Beckenwirtshaus in Mühlbach", bestehend aus dem Grundstück Nr. 75 Baufläche, Wohnhaus Nr. 9;

f) EZ 209 "das Kastenpoint", bestehend aus den Grundstücken Nr. 76/2 Baufläche, Stall, 594 Wiese, 597/1 Acker und 592 Wiese;

g) EZ 206 "ein Hausgarten", bestehend aus den Grundstücken Nr. 598/1 Wiese und 598/3 Garten.

Mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Mittersill vom 10. Juni 1976 wurde der Nachlaß der Katharina N*** der Klägerin zur Gänze eingeantwortet. Mit Notariatsakt vom 12. Jänner 1979, abgeschlossen vor dem öffentlichen Notar Dr. Egon D***, Salzburg, übergab die Klägerin die vorgenannten Liegenschaften der Beklagten. Als Entgelt wurde die Übernahme der pfandrechtlich sichergestellten Forderung der Markt-Sparkasse Mittersill im Betrag von S 177.000 sowie die Darlehensforderung der Beklagten in Höhe von S 107.366 bestimmt. Der Klägerin wurde weiters die Dienstbarkeit des lebenslänglichen und unentgeltlichen Fruchtgenußrechtes an einem Zimmer im Ausmaß von etwa 35 m2 eingeräumt und der Wert dieses Fruchtgenußrechtes einvernehmlich mit S 102.000 kapitalisiert. In Punkt 14 des Vertrages wurde für den Fall, daß der Wert des Übergabeobjektes den Wert des Entgelts übersteigt, festgehalten, daß die Übergabe insoweit eine Schenkung darstelle, die von der Klägerin als solche ausdrücklich bestätigt und von der Beklagten ausdrücklich und dankbar angenommen werde.

Die Klägerin stellt das Begehren, den am 12. Jänner 1979 abgeschlossenen Übergabsvertrag als nichtig aufzuheben und die Beklagte schuldig zu erkennen, darin einzuwilligen, daß das Eigentum ob den genannten Liegenschaften für die Klägerin einverleibt werde. Die Klägerin machte geltend, die Beklagte habe ihr nach dem Tod der Katharina N*** wiederholt vorgehalten, daß sie unfähig sei, den Landwirtschafts- und Gastgewerbebetrieb zu führen und die auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Forderung zu bezahlen. Die Beklagte habe auch angedroht, sie werde sofort ihre Forderung fälligstellen und das Testament der Katharina N*** anfechten. Mit diesen Erklärungen habe sie die Beklagte dazu gedrängt, ihr die Liegenschaften zu schenken. Im Dezember 1978, als sie im fünften Monat schwanger gewesen und sich in einem schlechten seelischen Zustand befunden habe, habe ihr die Beklagte mit einer strafgerichtlichen Verfolgung gedroht, wenn sie den Übergabsvertrag nicht unterschreibe. So sei es am 12. Jänner 1979, einen Tag nach Erreichen der Volljährigkeit, zur Unterfertigung des Notariatsaktes gekommen. Sie habe auf Grund ihres Geisteszustandes die Tragweite des Geschäftes nicht beurteilen können; darüber hinaus habe sie die Beklagte durch List und Drohung zur Unterfertigung veranlaßt. Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin selbst habe ihr die Übertragung der Liegenschaften angeboten. Sie sei durchaus in der Lage gewesen, ihre Rechte wahrzunehmen; von einer Geistesschwäche könne ebensowenig die Rede sein, wie von einer Drohung oder Irreführung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es sei der Klägerin nicht gelungen, eine Geistesschwäche auch nur minderen Grades nachzuweisen. Der Klägerin sei auch der Beweis, die Beklagte habe den Vertragsabschluß durch List bzw. Zwang bewirkt, nicht gelungen. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung Folge und änderte es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt.

Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung fest:

Nach Beendigung der Pflichtschule sei die Klägerin als Kochlehrling in Neukirchen am Großvenediger tätig gewesen; sie habe während dieser Zeit zur Beklagten nur eine sehr lose Beziehung unterhalten. Der Kontakt zur Beklagten habe sich verstärkt, als die Klägerin zum Zwecke der Absolvierung der Berufsschule nach Salzburg gekommen sei. Die Klägerin habe in Salzburg in einem Internat gewohnt, jedoch die Beklagte öfters besucht. Auch der Freund und Lebensgefährte der Klägerin Siegfried S*** habe im Herbst 1978

während einer längeren Krankheit bei der Beklagten gewohnt und sei von ihr und der Klägerin gepflegt worden. Im Frühherbst 1978 sei die Klägerin schwanger geworden, das Kind sei im Mai 1979 zur Welt gekommen. Die sehr labile und unsichere Klägerin habe erhebliche Bedenken gehabt, ob sie nach Erreichung der Volljährigkeit den zu den geerbten Liegenschaften gehörenden Gastwirtschaftsbetrieb weiterführen werde können. In einem Brief vom 22. Februar 1978 habe sie dem nunmehrigen Gatten ihrer Schwester mitgeteilt, daß sie zum Entschluß gekommen sei, "das Haus und etwas vom Grund der Hilde zu schenken", weil sie und ihr Freund nicht allzuviel Geschäftssinn besäßen. Sie habe angekündigt, mit ihrem Freund in dessen Heimat nach Kärnten zu ziehen. Als sich im Herbst 1978 der Kontakt der Klägerin zur Beklagten verstärkt hatte, sei auch über das von der Klägerin geerbte Vermögen gesprochen worden. Die Streitteile seien schließlich übereingekommen, daß die Klägerin der Beklagten sämtliche Liegenschaften samt Gastwirtschaftsbetrieb übertragen solle. Ob die Initiative hiezu von der Klägerin ausgegangen sei, könne nicht mehr geklärt werden. Die Beklagte habe jedenfalls auf verschiedenste Weise versucht, ihrer Tochter klar zu machen, daß es keinen Sinn hätte, wenn sie die Liegenschaften behalte und den Gastwirtschaftsbetrieb führe, weil sie dazu unfähig sei und keine Konzession bekäme. Sie habe auch erklärt, sie werde das Testament anfechten und das der Erblasserin geborgte Geld von der Klägerin sofort zurückfordern. Die Klägerin habe daher Angst gehabt, die Liegenschaften zu behalten, weil sie nicht gewußt habe, wie sie die Schulden zurückzahlen solle. Anfang September 1978 habe in der Kanzlei des öffentlichen Notars Dr. Egon D*** ein erstes etwa 1 1/2 bis 2 Stunden dauerndes Gespräch zwischen den Streitteilen und dem Notariatssubstitut Dr. Herbert F*** stattgefunden.

Gegenstand der Unterredung sei die Übertragung des Liegenschaftsbesitzes an die Beklagte gewesen. Dr. Herbert F*** habe die Parteien dahingehend aufgeklärt, daß infolge der damals noch bestandenen Minderjährigkeit der Klägerin für die Übertragung der Liegenschaften eine pflegschaftsbehördliche Genehmigung notwendig sei. Falls die Übertragung nicht dringlich sei, wäre es angezeigt, bis zur Volljährigkeit der Klägerin zuzuwarten. Ende November 1978 habe ein zweites Gespräch mit Dr. Herbert F*** stattgefunden, der dabei den Eindruck gehabt habe, daß der Klägerin klar sei, worum es bei dem Vertragsabschluß gehe. Nach dem Grund für die Übertragung gefragt, habe die Klägerin Dr. Herbert F*** erklärt, sie habe keine Ambitionen, ein Gasthaus zu führen. Auch über ausdrücklichen Hinweis Dris. Herbert F***, daß sie einen beträchtlichen Vermögenswert übergebe, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten, habe sich die Klägerin mit der Übergabe einverstanden erklärt. Mit ihrem Lebensgefährten und mit Käthe G*** vom Jugendamt Zell am See, die die Minderjährige betreuen sollte, habe die Klägerin nicht gesprochen. Ihre Schwester Hildegard S***, geborene D***, habe die Klägerin aufgefordert, sich zunächst zu erkundigen, bevor sie etwas unterschreibe. Die Klägerin habe ihr darauf erklärt, es sei bereits alles abgesprochen und es bleibe ihr nichts anderes übrig; dabei habe sie einen nervösen und aufgeregten Eindruck gemacht. Am 12. Jänner 1979, einen Tag nach erreichter Volljährigkeit, habe die Vertragsunterzeichnung in der Notariatskanzlei Dris. Egon D*** stattgefunden. Bevor die Streitteile zum Notar fuhren, habe die Klägerin gemeint, daß sie nicht unterschreiben werde, weil sie sich nicht mehr sicher gewesen sei, ob die Übereignung an die Beklagte das Richtige sei. Die Beklagte habe daraufhin erklärt, daß die Verweigerung der Unterschrift ein Betrug an der Behörde sei, strafrechtliche Folgen hätte und man ins Gefängnis kommen könne. Diese Vorhalte und Drohungen der Beklagten hätten eine Verunsicherung der Klägerin bewirkt und dazu geführt, daß die Klägerin ihre Situation als ausweglos angesehen und den Vertrag unterfertigt habe. Da die Unterschriftsleistung am 12. Jänner 1979 nur vor dem Substituten Dr. Herbert F*** erfolgte, habe Notar Dr. Egon D*** die Streitteile für den 22. Jänner 1979 in seine Kanzlei vorgeladen; die Klägerin habe wiederum erklärt, mit dem Inhalt des Vertrages einverstanden zu sein. Sie habe nun aber gewollt, daß ihrer Schwester Hildegard ein Wohnrecht eingeräumt werde, was von der Beklagten abgelehnt worden sei. Man sei schließlich übereingekommen, daß die Beklagte in einem formlosen Schreiben festhalte bereit zu sein, der Tochter Hildegard für ihre eigene Person und ihr Kind die von ihr bisher benützten Räumlichkeiten im Haus Mühlbach Nr. 9 zur unentgeltlichen Benützung zu überlassen. In einem am 22. Jänner 1979

errichteten öffentlichen Testament setzte die Beklagte die Klägerin zur Universalerbin ein. Die Klägerin, die bei der Vertragsunterfertigung im vierten oder fünften Monat schwanger gewesen sei, habe bei den Gesprächen mit dem Notar einen ruhigen und besonnenen Eindruck hinterlassen. Es habe den Anschein gehabt, daß sie den Inhalt und die Bedeutung des Vertrages verstehe. Nach dem Beweggrund für die Übertragung befragt habe sie mehrmals erklärt, sich nicht in der Lage zu sehen, die vorhandenen Schulden zu begleichen und einen Gastwirtschaftsbetrieb zu führen. Die Klägerin sei von ihrer intellektuellen Begabung her als durchschnittlich einzustufen. Eine ausgeprägte Angsthysterie führe bei ihr zu augenblicklichen Stimmungen und lasse sie Kurzschlußhandlungen setzen. Ihre Einstellung zur Umwelt sei von ängstlicher Unselbständigkeit und vom Wunsch nach Hilfe und Stütze gekennzeichnet. In dieser psychischen Labilität sei auch eine ausgeprägte Unreife enthalten. Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sei ihre allgemeine Handlungsfähigkeit, ihr persönliches Durchsetzungsvermögen und auch das Vermögen, einen Überblick über die Situation zu gewinnen, unter jenem Niveau gelegen gewesen, das bei gleichaltrigen Personen im allgemeinen vorausgesetzt werden könne. Ihre Labilität sei durch die Schwangerschaft weiter negativ beeinflußt gewesen. Sie sei im überdurchschnittlichen Maße beeinflußbar, wankelmütig und allgemein wenig besonnen gewesen. Beim Gedanken, das Erbe anzutreten und die Gastwirtschaft weiterzuführen, habe sie sich überfordert gefühlt. Ein Ausnahmezustand, der einer Geisteskrankheit vergleichbar sei, habe aber nicht vorgelegen. Unter Druck gesetzt habe der Klägerin jedoch die Fähigkeit zur freien Willensbildung gefehlt, sie sei in dieser Situation nicht in der Lage gewesen, die Tragweite eines solchen Vertrages zu überblicken. Klar gewesen sei ihr aber, daß sie mit diesem Vertrag ihr Erbe übertrage.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Klägerin habe im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Tragweite des Vertrages erfassen können. Das Wesentliche des Vertragsinhaltes, die Übergabe der geerbten Liegenschaften an ihre Mutter gegen eine verhältnismäßig geringe Gegenleistung, sei ihr klar gewesen. Der Vertrag sei daher nicht deshalb nichtig, weil die Klägerin auf Grund ihrer geistigen Fähigkeiten nicht handlungsfähig gewesen wäre. Mit Recht fechte die Klägerin den Vertrag aber gemäß § 870 ABGB an. Die Drohung der Beklagten, die Weigerung der Klägerin, den Vertrag zu unterfertigen, stelle einen Betrug an der Behörde dar und habe strafrechtliche Folgen, sei rechtswidrig gewesen. Gleiches gelte auch für die Drohung, ihre Darlehensforderung sofort einzufordern, wenn ihr die Klägerin nicht den Liegenschaftsbesitz übergebe. Die Drohungen der Beklagten seien auch gegründet gewesen. Die Klägerin sei während der Vertragsverhandlungen noch minderjährig und zufolge der Schwangerschaft in einem labilen Zustand gewesen. Die Drohungen der Beklagten hätten sie in eine Situation versetzt, die sie als ausweglos angesehen habe und der sie nicht gewachsen gewesen sei. Sie habe gemeint, daß sie nur durch Unterfertigung des Übergabsvertrages der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung und erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten entgehen könne. Demzufolge sei der Vertrag gemäß § 870 ABGB für sie nicht verbindlich.

Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO). Über die Anwendung des § 281 a ZPO kann sich die Beklagte nicht beschweren, stand es ihr doch frei, sich gegen die Verlesung der Protokolle auszusprechen und auf Beweiswiederholung durch das Berufungsgericht zu bestehen. Zu den Ausführungen zur rechtlichen Beurteilung der Sache ist zunächst darauf zu verweisen, daß die Frage, ob Furcht im Sinne des § 870 ABGB vorliegt und ein Vertrag unter dem Einfluß eines Zwanges geschlossen wurde, eine Tatsachenfeststellung darstellt, weil es sich dabei um die Feststellung eines Sinneszustandes handelt, der einem unmittelbaren Beweis nicht zugänglich ist und aus äußeren Umständen erschlossen werden muß. Nur soweit zu beurteilen ist, ob die Furcht ungerecht und gegründet war, handelt es sich um eine Frage der rechtlichen Beurteilung (1 Ob 165/75; EvBl. 1965/254; Fasching, Komm. IV 333).

Die Anfechtung eines Vertrages wegen Furcht ist nur gerechtfertigt, wenn die Drohung Ursache für die Willenserklärung des Bedrohten war (JBl. 1977, 486; Gschnitzer in Klang, Kommentar2

IV/1, 106; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 11 zu § 870). Nach den getroffenen Feststellungen war das der Klägerin von der Beklagten in Aussicht gestellte Übel strafgerichtlicher Verfolgung bestimmend dafür, daß die Klägerin den Übergabsvertrag unterfertigte, so daß die Kausalität der Drohung erwiesen ist. Ob dies auch für die Androhung sofortiger Einforderung des Darlehens zu gelten hat, kann dahingestellt bleiben.

Dem Berufungsgericht ist auch darin zu folgen, daß der auf die Klägerin ausgeübte Zwang ungerecht und gegründet war. Der Begriff der gegründeten Furcht war, wie die Revisionswerberin zutreffend aufzeigt, in § 55 ABGB dahin definiert, daß dies aus der Größe und Wahrscheinlichkeit der Gefahr und aus der Leibes- und Gemütsbeschaffenheit der bedrohten Person beurteilt werden müsse (vgl. Rummel a.a.O. Rdz 15 zu § 870). Diese Gesichtspunkte sind auch nach der heutigen Rechtslage entscheidend. Wird bedacht, daß die Klägerin den Vertrag einen Tag nach Erreichen der Volljährigkeit unterfertigte und die Persönlichkeitsstruktur der Klägerin durch eine ausgesprochene Angsthysterie, durch ängstliche Unselbständigkeit und das Bedürfnis nach Hilfe und Stütze gekennzeichnet war, daß die psychische Labilität der Klägerin durch die Schwangerschaft verstärkt und sie in diesem Zustand in überdurchschnittlichem Maße beeinflußbar und wankelmütig war, so daß sie, unter Druck gesetzt, die Tragweite der Disposition nicht zu überblicken vermochte, so ist der Beurteilung des Berufungsgerichtes beizupflichten, daß der Vertrag unter dem Einfluß gegründeter Furcht abgeschlossen wurde. Zu einer überlegten Beurteilung der Situation war die Klägerin in ihrem Zustand offenbar nicht im Stande. In ihrer als ausweglos erachteten Lage konnte sich die willensschwache Klägerin auch nicht dazu aufraffen, vor dem Notar die wahren Beweggründe ihres Handelns aufzudecken. Daß die Klägerin im Februar 1978 brieflich erklärt hatte, sie wolle das Haus und etwas vom Grund der Hilde schenken, weil sie und ihr Freund nicht allzuviel Geschäftssinn besäßen, steht der Beurteilung, der Vertrag sei durch Zwang zustande gekommen, nicht entgegen, weil die Klägerin nach den getroffenen Feststellungen knapp vor der Unterfertigung des Vertrages ihre Meinung geändert hatte und den Vertrag nicht mehr unterfertigen wollte. Sie wurde nur durch die Drohungen der Beklagten mit strafrechtlichen Konsequenzen ihrer Handlungsweise hiezu veranlaßt. Was die Frage betrifft, ob der Zwang rechtswidrig war, so trifft dies - auch hierin ist dem Berufungsgericht zu folgen für die Drohung mit strafrechtlichen Konsequenzen jedenfalls zu. Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte