OGH 1Ob165/75

OGH1Ob165/758.10.1975

SZ 48/101

Normen

ABGB §1358
ABGB §1393
ABGB §1358
ABGB §1393

 

Spruch:

Der Bürge, der den Gläubiger des Hauptschuldners befriedigte, ist berechtigt, die auf ihn übergegangene Forderung gegen den Hauptschuldner samt den von diesem mit dem Gläubiger vereinbarten Zinsen zu beanspruchen

OGH 8. Oktober 1975, 1 Ob 165/75 (KG Steyr R 76/75; BG Neuhofen an der Krems C 23/74 )

Text

Die klagende Partei, die Sparkasse N begehrte mit der vorliegenden Hypothekarklage von der Beklagten die Bezahlung eines Betrages von 643.000 S samt 12% Zinsen aus 614.000 S seit 13. März 1974, und 9 1/2% Zinsen aus 29.000 S seit 13. März 1974. Sie brachte zur Begründung ihres Begehrens vor, sie habe der Beklagten gegen Einräumung einer Höchstbetragshypothek auf der ihr gehörigen Liegenschaft EZ 57 des Grundbuchs der KG A unter Mithaftung des Dipl.-Ing. Hermann O als Bürge und Zahler einen Kredit eingeräumt, der am 12. März 1974 mit dem Betrag von 643.000 S ausgehaftet habe. Da von der Beklagten die Bezahlung dieser fälligen Schuld nicht zu erlangen gewesen sei, habe Dipl.-Ing. O diesen Betrag bezahlt. Er habe sodann mit Schreiben vom 15. März 1974 der klagenden Partei die Zession der auf ihn übergegangenen Forderung zum Inkasso angeboten, die klagende Partei habe dieses Anbot angenommen.

Die beklagte Partei wendete im wesentlichen ein, daß der mit der klagenden Partei abgeschlossene Darlehensvertrag wegen Zwanges und Irreführung nichtig sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Verfahren habe keine Hinweise für eine Irreführung der Beklagten bei Vertragsabschluß mit der klagenden Partei ergeben.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung keine Folge.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Beklagte wendet sich dagegen, daß sie mit dem angefochtenen Urteil verpflichtet wird, der klagenden Partei als Inkassomandatar des Dipl.-Ing. Hermann O einen höheren Betrag zu bezahlen als letzterer der klagenden Partei als Bürge selbst bezahlt hat. Nun hat Dipl.-Ing. Hermann O die Forderung der klagenden Partei gegenüber der Beklagten aus dem mit ihr abgeschlossenen Kreditvertrag durch Bezahlung des Betrages von 643.000 S als Bürge gemäß § 1358 ABGB erworben. Die Zahlung durch den Bürgen läßt die Forderung des Gläubigers kraft Gesetzes auf ihn übergehen. Die Forderung geht dabei auf den Bürgen so über, wie sie beim Gläubiger bestanden hat, im selben Umfang und mit denselben rechtlichen Eigenschaften und Einwendungen. Der Bürge kann daher aus dem Gründe des Forderungsüberganges im Rückgriffswege nie mehr beanspruchen, als der Hauptschuldner dem Gläubiger schuldete; die Forderung geht auch nur nach Maßgabe der durch den Bürgen bewirkten Zahlung auf ihn über (vgl. Ohmeyer - Klang in Klang[2] VI, 230). Fraglich kann nun sein, ob der Bürge, der nach dem Vorgesagten Rückgriff gegen den Schuldner nach Maßgabe der durch ihn geleisteten Zahlung nehmen kann, berechtigt ist, die auf ihn übergegangene Forderung samt den rechtsgeschäftlich vom Schuldner mit dem Gläubiger vereinbarten Zinsen geltend zu machen. In den Materialien (Ofner, Urentwurf und Beratungsprotokolle II, 219) wird ausgeführt, man habe dem Bürgen wohl das Recht des Gläubigers, an dessen Stelle er trete, überlassen wollen, nicht aber auch einen Anspruch auf Ersatz der vom Bürgen aufgewendeten Kosten und Auslagen, die vielfach von seiner Willkür abhingen, einräumen wollen. Auch Krasnopolski, Österreichisches Obligationenrecht III, 242 bezieht die Formulierung des Gesetzes, der Bürge sei berechtigt, "Ersatz der bezahlten Schuld" zu begehren, darauf, daß damit das Recht des. Bürgen, den Ersatz der Kosten und sonstiger Auslagen zu fordern, ausgeschlossen werden sollte, betont aber, daß im übrigen die Forderung des Bürgen und jene des Gläubigers ident seien. In der neueren Literatur weist Gschnitzer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 152 darauf hin, daß § 1358 ABGB dem zahlenden Bürgen den Übergang der Gläubigerrechte kraft Gesetzes gewähre; im übrigen könne sich der Regreßanspruch des Bürgen aus der Bestimmung des § 1358 ABGB oder aus dem besonders gestalteten Innenverhältnis zum Schuldner, etwa einem Auftrag, ableiten. Gschnitzer führt hiezu aus, aus der (kraft Gesetzes auf den Bürgen übergegangenen) Darlehensforderung könne der Bürge verlangen, was der Gläubiger vom Schuldner aus dem Darlehensvertrag hätte verlangen können, aus dem Auftrag könnten überdies Nebenauslagen, die dem Bürgen erwachsen, geltend gemacht werden. Ohmeyer - Klang, 230 wollen hingegen dem zahlenden Bürgen Zinsen vom getilgten Forderungsbetrag nicht zuerkennen, wohl aber Verzugszinsen gegen den in Verzug befindlichen rückgriffsverpflichteten Hauptschuldner (Anm. 22). Dieser Lehre folgt auch die Entscheidung EvBl. 1963/309.

Rechtsvergleichend sei auf die Bestimmung des § 774 Abs. 1 erster Satz BGB verwiesen: "Soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, geht die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf ihn über". Der Deutsche Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung BGHZ 35, 172 in Abkehr von der Rechtsprechung des Reichsgerichtes die Auffassung vertreten, daß der Bürge, auf den die Forderung übergegangen ist, vom Hauptschuldner auch Zinsen in der von diesem mit dem Gläubiger vereinbarten Höhe verlangen könne (so auch Staudinger, Komm. zum BGB, Erl. zu § 774/11, 3; weiters RGRK-BGB[12], § 774/2;

Fikentscher, Schuldrecht[4], § 92 I 4; Palandt, BGB[34], § 774.2 b;

zweifelnd Larenz, Schuldrecht II, 363 Anm. 2). Geht man davon aus, daß der Bürge die Forderung des Gläubigers geltend macht, so ist nicht einzusehen, warum er diese Forderung - im Ausmaß der von ihm geleisteten Zahlung - nicht auch samt dem Zinsenanspruch erwerben sollte. Bei anderer Auffassung müßte die Zinsenforderung untergehen, wofür das Gesetz keinen Anhaltspunkt bietet. Vor allem könnte dann der Schuldner verleitet sein, sich einer hochverzinslichen Verpflichtung zu entziehen, weil er dem Bürgen, soweit nicht die Haftung nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen in Betracht kommt, lediglich Zinsen im gesetzlichen Ausmaß bezahlen müßte.

Für den hier vertretenen Standpunkt kann auch ins Treffen geführt werden, daß bei der freiwilligen Zession mit der Hauptforderung stets auch die Nebenrechte, insbesondere der Anspruch auf Zinsen, auf den Zessionar übergehen (Ehrenzweig, System[2] II/1, 265). Die Rechte des Übernehmers sind ja mit den Rechten des Überträgers eben dieselben (§ 1394 ABGB). Im Falle einer Zessionsvereinbarung hätte Dipl.-Ing. O daher die Forderung der klagenden Partei samt dem Anspruch auf Zinsen erworben. Es ist dann aber nicht einzusehen, warum seine Rechtstellung bei der gesetzlichen Zession schlechter sein sollte. Dem gegenteiligen, ohne nähere Begründung vertretenen Standpunkt von Ohmeyer - Klang und der Entscheidung EvBl. 1963/309 kann nicht gefolgt werden.

Demzufolge ist aber davon auszugehen, daß Dipl.-Ing. Hermann O die Forderung der klagenden Partei gemäß § 1358 ABGB samt dem Zinsenanspruch erworben und diese Forderung im selben Umfang der klagenden Partei zum Inkasso abgetreten hat. Der Anspruch der klagenden Partei ist daher auch in Ansehung der Zinsen - gegen deren Ausmaß sich die Revision nicht wendet - begrundet.

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