OGH 14ObA18/87

OGH14ObA18/8715.7.1987

Der Oberste Gerichtshof als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und Dr. Walter Benesch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Karl O***, Versicherungsangestellter, Linz, Zaubertalstraße 21, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei DER A*** Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Hoher Markt 10-11, wegen Wiederaufnahme des Rechtsstreits 3 Cr 105/84 des ehemaligen Arbeitsgerichtes Linz (Streitwert S 65.000,--), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 15. Oktober 1986, GZ 12 Cg 27/86-3, womit die Wiederaufnahmsklage der klagenden Partei zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Zurückweisungsbeschluß wird aufgehoben und dem Oberlandesgericht Linz als nunmehr zuständiges Berufungsgericht die Durchführung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufgetragen. Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die beklagte Partei teilte dem Kläger, ihrem Angestellten, am 10. März 1978 mit, daß er gemäß dem § 11 seines Arbeitsvertrages und dem § 32 Abs. 1 lit. c des Kollektivvertrages für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmungen mit sofortiger Wirkung vom Dienst suspendiert werde. Der Kläger begehrte in dem den Gegenstand der nunmehrigen Wiederaufnahmsklage bildenden Verfahren (ua) die beklagte Partei schuldig zu erkennen, seine Suspendierung binnen 14 Tagen aufzuheben. Diesem Klagebegehren wurde vom Erstgericht (im dritten Rechtsgang) stattgegeben. Im anschließenden Berufungsverfahren brachte die beklagte Partei neu vor, der Landeshauptmann von Oberösterreich habe mit Bescheid vom 17. Juni 1985 gemäß dem § 8 Abs. 2 InvEG der am 14. Juli 1981 (vor der Rechtskraft des Zustimmungsbescheides und daher zunächst rechtsunwirksam ausgesprochenen Kündigung des Klägers nachträglich zugestimmt. Infolge der somit rechtswirksam ausgesprochenen Kündigung fehle dem Klagebegehren das Rechtsschutzinteresse. Der Kläger erwiderte, daß er gegen den Bescheid des Landeshauptmannes eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht habe; er beantrage deshalb die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Erledigung dieser Beschwerden.

Das Berufungsgericht wies den Unterbrechungsantrag ab und erkannte in der Hauptsache unter Hinweis auf die Rechtskraft des Zustimmungsbescheides und die darauf beruhende Rechtswirksamkeit der Kündigung des Klägers im abweisenden Sinn. Der Oberste Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung.

Mit der nunmehr beim damaligen Berufungsgericht eingebrachten Wiederaufnahmsklage begehrt der Kläger die Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts vom 31. Juli 1985 und im wiederaufgenommenen Verfahren dem auf die Aufhebung der Suspendierung gerichteten Klagebegehren stattzugeben. Der Verwaltungsgerichtshof habe mit Entscheidung vom 21. Mai 1986 den vorerwähnten Zustimmungsbeischeid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben. Daraus folge die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung des Klägers, so daß dessen Arbeitsverhältnis nach wie vor aufrecht sei. Der Abweisungsgrund des fehlenden Rechtsschutzinteresses sei damit weggefallen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bilde einen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530, insbesondere des Abs. 1 Z 5 und 6 ZPO.

Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage mit dem bekämpften Beschluß a limine zurück. Da die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes erst nach dem Schluß der Verhandlung in zweiter Instanz ergangen sei, liege der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs. 1 Z 6 ZPO nicht vor. Dieser setze nämlich das Auffinden einer früher ergangenen, bereits rechtskräftig gewordenen Entscheidung voraus. Die Rechtsprechung habe die Ausdehnung des Wiederaufnahmsgrundes des § 530 Abs. 1 Z 5 ZPO auf den Fall der Aufhebung eines die Grundlage des Zivilurteils bildenden Verwaltungsbescheides abgelehnt, so daß auch dieser Wiederaufnahmsgrund nicht gegeben sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die Durchführung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 21. Mai 1986 den Bescheid des Landeshauptmannes für Oberösterreich vom 17. Juni 1985, mit der Begründung aufgehoben, ein besonderer Ausnahmsfall im Sinn des § 8 Abs. 2 zweiter Satz InvEG, der eine nachträgliche Zustimmung zu einer schon ausgesprochenen Kündigung rechtfertige, liege nicht vor. Der Landeshauptmann von Oberösterreich bestätigte hierauf mit Bescheid vom 1. Juli 1986 den Bescheid des Landesinvalidenamtes für Oberösterreich vom 14. März 1985, mit dem der Antrag auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung des Klägers abgewiesen worden war. Der Kläger begehrte hierauf mit einer am 23. Juli 1986 eingebrachten Klage auch die Wiederaufnahme des Verfahrens 3 Cr 7/85 des Erstgerichts, in dem sein Begehren auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses über den 31. März 1982 hinaus, sowie auf Zahlung von laufendem Entgelt (rechtskräftig) abgewiesen worden war. Das Erstgericht gab in jenem Verfahren dem Wiederaufnahmsbegehren statt und hob sein im Vorprozeß gefälltes Urteil (3 Cr 7/85-10) auf. Es vertrat die Rechtsauffassung, der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs. 1 Z 5 ZPO sei auch bei nachträglicher Abänderung oder Aufhebung rechtskräftiger Vorfrageentscheidungen der Verwaltungsbehörden analog anzuwenden. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; der Oberste Gerichtshof billigte in seiner Entscheidung vom 15. Juli 1987, 9 Ob A 13/87, diese Rechtsauffassung und gab daher der Revision der beklagten Partei nicht Folge. Der Oberste Gerichtshof hält an dieser den Parteien bekannten Entscheidung, auf deren Begründung verwiesen werden kann, fest, wonach die Bestimmung des § 530 Abs. 1 Z 5 ZPO dann analog heranzuziehen und daher das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes zu bejahen ist, wenn der Gesetzgeber die Entscheidung einer Vorfrage dem Gericht zwingend abgenommen und auf die Verwaltungsbehörde übertragen hat und wenn der die Grundlage der gerichtlichen Entscheidung bildende Bescheid der Verwaltungsbehörde nachträglich abgeändert (aufgehoben) wird. Eine solche im Gesetz angeordnete (§ 8 Abs. 2 InvEG) Bindung des Gerichts an die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, nämlich des Invalidenausschusses, liegt hier vor (4 Ob 168/85; 14 Ob 196/86; vgl. SZ 53/67 = Arb. 9872). Da der die Grundlage des gerichtlichen Verfahrens bildende Bescheid dieser Behörde über die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung des Klägers nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Antrages auf Erteilung einer solchen Zustimmung abgeändert wurde, liegt ein Wiederaufnahmsgrund in analoger Anwendung des § 530 Abs. 1 Z 5 ZPO vor.

Damit ist aber das Arbeitsverhältnis der Parteien - vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren 3 Cr 7/85 des Erstgerichtes - über den 31. März 1982 hinaus aufrecht geblieben. Der für die Begründung der Abweisung der vorliegenden Klage herangezogene Mangel eines Rechtsschutzinteresses fällt daher weg. Wenn nämlich das Arbeitsverhältnis aufrecht besteht, ist die Berechtigung der Suspendierung des Klägers im Rahmen der auf die Beseitigung dieser Maßnahme gerichteten Klage zu prüfen.

Der angefochtenen Zurückweisungsbeschluß ist daher aufzuheben und dem Oberlandesgericht Linz als nunmehr zuständigem Berufungsgericht (§ 101 Abs. 1 Z 3 ASGG) die Durchführung des Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufzutragen. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50, 52 ZPO begründet.

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