Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin keine Barauslagen, S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 1. Oktober 1940 bei der beklagten Versicherungsgesellschaft beschäftigt. Diese teilte ihm am 10. März 1978 mit, daß der Vorstand einstimmig beschlossen habe, ihn gemäß § 11 seines Dienstvertrages und § 32 Abs 1 lit. c des Kollektivvertrages für Angestellte des Innendienstes der Versicherungsunternehmungen mit sofortiger Wirkung vom Dienst zu suspendieren.
Im vorliegenden, seit 9. März 1981 anhängigen Rechtsstreit begehrt der Kläger (ua) die Verurteilung der beklagten Partei, seine Suspendierung binnen 14 Tagen aufzuheben.
Dieses Klagebegehren wurde im zweiten Rechtsgang von beiden Unterinstanzen abgewiesen. Der Oberste Gerichtshof hob ihre Urteile mit dem Beschluß 4 Ob 103/83 vom 23. Oktober 1984 auf und verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Auf die Begründung dieses Beschlusses (ON 39) wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Im dritten Rechtsgang gab das Erstgericht mit Urteil vom 30. Jänner 1985 dem Klagebegehren statt. Im anschließenden Berufungsverfahren brachte die beklagte Partei vor, daß das Amt der Oberösterreichischen Landesregierung - richtig: der Landeshauptmann von Oberösterreich - mit Bescheid vom 17. Juni 1985 gemäß § 8 Abs 2 des Invalideneinstellungsgesetzes (InvEG) der am 14. Juli 1981 ausgesprochenen Kündigung des Klägers nachträglich zugestimmt habe. Da die Kündigung damit rechtswirksam sei, sei das Klagebegehren mangels Rechtsschutzinteresses abzuweisen. Der Kläger erwiderte, daß er gegen den Bescheid des Landeshauptmannes eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und an den Verwaltungsgerichtshof eingebracht habe; er beantrage deshalb die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Erledigung dieser beiden Beschwerden.
Das Berufungsgericht wies den Unterbrechungsantrag ab und erkannte in der Hauptsache auf Abweisung des Klagebegehrens; zugleich sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 2.000,-- übersteige. Dieser Entscheidung liegen folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
Nach der Zustellung des Aufhebungsbeschlusses des Obersten Gerichtshofes vom 23. Oktober 1984 stellte die beklagte Partei beim Invalidenausschuß beim Landesinvalidenamt für Oberösterreich den Antrag, der am 14. Juli 1981 ausgesprochenen Kündigung des Klägers nachträglich zuzustimmen; das Abgehen des Obersten Gerichtshofes von einer jahrzehntelangen Judikatur sei ein besonderer Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs 2 Satz 2 InvEG. Der Invalidenausschuß wies diesen Antrag mit Bescheid vom 14. März 1985 ab. Der dagegen von der beklagten Partei erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 17. Juni 1985 dahin Folge, daß er gemäß § 66 AVG in Abänderung des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs 2 InvEG nachträglich seine Zustimmung zu der am 14. Juli 1981 ausgesprochenen schriftlichen Kündigung des Klägers erteilte. Gegen diesen Berufungsbescheid hat der Kläger eine Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde erhoben.
Im Verfahren 2 Cr 324/82 des Arbeitsgerichtes Linz haben die Parteien am 26. Mai 1983 einen Vergleich geschlossen, in welchem sich die beklagte Partei verpflichtete, zur endgültigen Bereinigung aller Ansprüche des Klägers aus dem Titel der Eigenakquisition bis 31. März 1982 einschließlich der Einbeziehung der Eigenakquisition in die gesetzliche und kollektivvertragliche Abfertigung eine freiwillige Abfertigung von S 70.000,-- brutto zu bezahlen. Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhalts ging das Berufungsgericht davon aus, daß die der Kündigung des Klägers nachträglich zustimmende Entscheidung des Landeshauptmannes von Oberösterreich gemäß § 19 a Abs 1 Satz 2 InvEG keinem weiteren Rechtszug unterliege; die Bindung des Gerichtes an diesen rechtskräftigen Bescheid der zuständigen Verwaltungsbehörde werde auch durch die vom Kläger erhobene Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof nicht berührt. Die zum 31. März 1982 ausgesprochene Kündigung sei somit rechtswirksam geworden. Da der Kläger bis zum Zeitpunkt der Kündigung alle Zahlungen, die ihm bei einer Weiterbeschäftigung zugestanden wären, erhalten habe, fehle es ihm am erforderlichen Rechtsschutzinteresse.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach vom Kläger mit Revision wegen "unrichtiger Tatsachenfeststellung" und unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft. Der Kläger beantragt, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die beklagte Partei beantragt, dem Rechtsmittel des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Mit seinem Vorbringen zu dem - der Zivilprozeßordnung fremden - Revisionsgrund der "unrichtigen Tatsachenfeststellung" wirft der Kläger dem Berufungsgericht in Wahrheit eine unrichtige Auslegung des zu 2 Cr 324/82 des Arbeitsgerichtes Wien abgeschlossenen Vergleiches vor; da dieser Vergleich nur die Abschlußprovisionen aus der Eigenakquisition, nicht aber auch die nach dem 31. März 1982 fällig gewordenen Folgeprovisionen umfaßt habe, könne nach Meinung des Klägers von einer gänzlichen Abgeltung seiner Ansprüche nicht die Rede sein. Auf die damit der Sache nach erhobene Rechtsrüge ist im Zusammenhang mit den übrigen Rechtsausführungen der Revision einzugehen.
Einen der zweiten Instanz unterlaufenen Rechtsirrtum sieht der Kläger vor allem darin, daß sich das Berufungsgericht über die vom Obersten Gerichtshof bindend ausgesprochene Rechtsansicht über das Nichtvorliegen eines "besonderen Ausnahmefalles" im Sinne des § 8 Abs 2 Satz 2 InvEG hinweggesetzt und zugleich den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 17. Juni 1985 zu Unrecht als bindend angesehen habe; eine neuerliche, nach dem 14. Juli 1981 ausgesprochene Kündigung des Klägers sei von der beklagten Partei nicht einmal behauptet worden.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Wie der Oberste
Gerichtshof schon in seinem Aufhebungsbeschluß ON 39 unter Hinweis
auf Lehre und Rechtsprechung zu der insoweit vergleichbaren Regelung
des § 120 Abs 1 ArbVG ausgesprochen hat, wird das Kündigungsverbot
des § 8 Abs 2 InvEG durch die Zustimmung des Invalidenausschusses
aufgehoben; dessen Bescheid ist insoweit konstitutiver Natur, als er
dem Arbeitgeber die ihm nach den Bestimmungen des Privatrechtes
zustehende Befugnis zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses
zurückgibt und so eine neue Rechtslage begründet. Zur Entscheidung
darüber, ob der Kündigung eines begünstigten Invaliden - im voraus
oder nachträglich - zuzustimmen ist, ist gemäß § 8 Abs 2 InvEG
ausschließlich die dort genannte Behörde, also in erster Instanz der
Invalidenausschuß und in zweiter Instanz der Landeshauptmann (§ 19 a
Abs 2 InvEG) berufen. Eine Überprüfung der Gesetzmäßigkeit ihrer
Bescheide steht den Gerichten nicht zu; diese haben vielmehr die
Tatsache der Erteilung oder der Ablehnung der vom Gesetz verlangten
Zustimmung ohne weitere Prüfung ihrer eigenen Entscheidung zugrunde
zu legen (vgl. SZ 53/67 = Arb. 9872 = EvBl 1980/217 = RdA 1983, 98
[mit insoweit zustimmender Besprechung von Löschnigg] = SozM II B
1153 = ZAS 1981, 104 [zustimmend Wachter]; ebenso Arb. 10.185). Auch
im vorliegenden Verfahren ist daher auf Grund des rechtskräftigen Zustimmungsbescheides des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 17. Juni 1985 von der Rechtswirksamkeit der am 14. Juli 1981 zum 31. März 1982 ausgesprochenen Kündigung des Klägers auszugehen. Eine gegenteilige, für das weitere Verfahren bindende Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes kann entgegen der Meinung des Klägers auch dem Aufhebungsbeschluß ON 39 nicht entnommen werden: Die damaligen Ausführungen zu § 8 Abs 2 Satz 2 InvEG waren eine Erwiderung auf das Rechtsmittelvorbringen des Klägers, welcher in der vom Gesetz vorgesehenen Möglichkeit einer nachträglichen Zustimmung des Invalidenausschusses eine Bestätigung seiner Auffassung gesehen hatte, die Kündigung eines begünstigten Invaliden könne auch schon vor Rechtskraft des Zustimmungsbescheides ausgesprochen werden. Daß der Oberste Gerichtshof in diesem Zusammenhang einen "besonderen Ausnahmefall" im Sinne der mehrfach genannten Gesetzesstelle nicht als gegeben ansah, war für das weitere Verfahren schon deshalb nicht bindend, weil die Entscheidung über die nachträgliche Zustimmung zur Kündigung des Klägers nach dem oben Gesagten allein der Verwaltungsbehörde (Invalidenausschuß, Landeshauptmann) zukommt und deren rechtskräftiger Zustimmungsbescheid eine Änderung des maßgebenden Sachverhalts bewirkt hat.
Ist aber das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die rechtswirksame Kündigung der beklagten Partei vom 14. Juli 1981 mit 31. März 1982 beendet worden, dann kann dem auf Aufhebung der Suspendierung gerichteten Urteilsantrag nicht mehr stattgegeben werden; er ist vielmehr vom Berufungsgericht zutreffend mangels Rechtsschutzinteresses abgewiesen worden. Allfällige weitere, nach dem 31. März 1982 fällige Provisionsansprüche des Klägers gegen die beklagte Partei werden durch diese Entscheidung nicht berührt, so daß der in der Revision aufgeworfenen Frage, ob das Berufungsgericht den zu 2 Cr 324/82 des Arbeitsgerichtes Wien abgeschlossenen Vergleich richtig ausgelegt hat, hier keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Barauslagen für die Revisionsbeantwortung waren gemäß § 15 Z 1 lit. a in Verbindung mit Anm. 4 lit. d zu TP 1 des Gerichts- und Justizverwaltungsgesetzes 1962 nicht zuzuerkennen.
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