OGH 7Ob620/87

OGH7Ob620/879.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mathilde M***, Pensionistin, Salzburg, Otto von Lilienthal-Straße 7, vertreten durch Dr.Gerhard Zukriegel, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Helmut G***, Taxiunternehmer, Seekirchen 263, vertreten durch Dr.Christoph Koller, Rechtsanwalt in Seekirchen, wegen S 5.295,23 s.A. und Feststellung (Streitwert S 120.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 16.Februar 1987, GZ. 3 R 4/87-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14.November 1986, GZ. 11 Cg 444/86-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Ehemann der Klägerin war Inhaber einer Konzession zum Betrieb des Taxigewerbes. Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Salzburg vom 17.März 1971 wurde die Übertragung der Ausübung dieses Gewerbes durch Verpachtung an den Beklagten genehmigt. Nach dem Ableben des Ehemannes der Klägerin am 30.April 1974 wurde das Gewerbe als Witwenbetrieb fortgeführt. Am 29.Mai 1974 legte die Klägerin die Konzession zugunsten des Beklagten zurück, der am selben Tag um die Erteilung der Konzession ansuchte. Mit Vereinbarung vom 31.Oktober 1974 verpflichtete sich der Beklagte, der Klägerin als Gegenleistung für den Verzicht auf die Konzession eine wertgesicherte monatliche Leibrente von S 3.000,-- zu bezahlen.

Dem Beklagten wurde die Konzession erteilt, er hat die Leibrente bis einschließlich August 1986 geleistet.

Die Klägerin begehrt den Leibrentenbetrag für September 1986 und die Feststellung, daß die Vereinbarung vom 31.Oktober 1974 rechtswirksam sei.

Der Beklagte ficht die Vereinbarung wegen Sittenwidrigkeit, wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage und wegen Verkürzung über die Hälfte an. Durch eine derartige Vereinbarung werde eine Konzession zu einer Handelsware gemacht. Wegen der Voraussetzung des Bedarfes sei es im Jahre 1974 unmöglich gewesen, eine Konzession für die Personenbeförderung ohne Zurücklegung einer solchen Konzession zu erhalten. Diese Voraussetzung sollte durch die Vereinbarung der Streitteile erfüllt werden. Durch die Aufhebung der den Bedarf betreffenden Wortfolge im § 5 Abs.1 sowie des § 5 Abs.4 des GelVerkG durch den Verfassungsgerichtshof sei die Geschäftsgrundlage weggefallen. Die Leistung der Klägerin habe für den Beklagten keinen Wert mehr. Unter Berücksichtigung der Wertsicherung habe der Beklagte eine Gegenleistung von rund S 700.000,-- erbracht. Selbst im Jahr 1974 seien für gleichartige Konzessionen nur zwischen S 50.000,-- bis S 100.000,-- bezahlt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000,-- übersteigt.

Die für die Verleihung von Konzessionen im Bereich des Gelegenheitsverkehrs maßgebenden Rechtsvorschriften des GelVerkG 1952 BGBl.85 idF der Novelle BGBl 1981/486 hatten, soweit sie hier von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

§ 3 (1) Konzessionen für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen (§ 2 Abs.1) dürfen nur erteilt werden für folgende Arten des gewerbsmäßigen Gelegenheitsverkehrs ....

3. Für die Personenbeförderung mit Personenkraftwagen, die zu jedermanns Gebrauch an öffentlichen Orten bereit gehalten werden oder durch Zuhilfenahme von Fernmeldeeinrichtungen angefordert werden (mit Kraftfahrzeugen betriebenes Platzfuhrwerks-Gewerbe; Taxigewerbe). § 5 (1) Die Konzession darf nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen für die Ausübung eines konzessionierten Gewerbes (§ 25 GewO 1973) erfüllt sind. Wenn es sich nicht um die Erteilung einer Konzession für das Hotelwagen-Gewerbe handelt, müssen außerdem ein Bedarf nach der beabsichtigten Gewerbeausübung sowie die Leistungsfähigkeit des Betriebes gegeben sein. .... (4) Bei der Beurteilung des Bedarfes nach der Ausübung des Taxi-Gewerbes hat die Behörde insbesondere auf zumutbare Wartezeiten für die Fahrgäste sowie auf die wirtschaftliche Lage der bestehenden Taxi-Gewerbebetriebe, in Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern überdies auf die Entwicklung der Einwohnerzahl Bedacht zu nehmen. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 23.Juni 1986 die Wortfolge "ein Bedarf nach der beabsichtigten Gewerbeausübung sowie" im § 5 Abs.1 zweiter Satz sowie den § 5 Abs.4 des GelVerkG als verfassungswidrig aufgehoben. Die Aufhebung trat mit Ablauf des 31. Mai 1987 in Kraft.

Nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen seien die vom Beklagten geltend gemachten Anfechtungsgründe nicht gegeben. Die bedingte Zurücklegung einer Gewerbeberechtigung zugunsten einer bestimmten Person sei im § 86 Abs.2 GewO und im § 7 a des GelVerkG ausdrücklich vorgesehen. Es könne nicht sittenwidrig sein, wenn jemand von einem im Gesetz ausdrücklich eingeräumten Recht Gebrauch mache. Die Besorgnis des Beklagten, der Entscheidungsspielraum der Behörde werde in unzulässiger Weise eingeschränkt, sei unbegründet. Durch die bedingte Zurücklegung einer Gewerbeberechtigung erwerbe weder der Konzessionsinhaber noch der begünstigte Dritte einen Rechtsanspruch auf Verleihung der Konzession. Da die Gewerbeberechtigung Grundlage einer Erwerbstätigkeit sei und einen Geldwert habe, könne es auch nicht sittenwidrig sein, wenn für die bedingte Zurücklegung der Gewerbeberechtigung ein Entgelt verlangt werde.

Eine Änderung des von den Parteien bei Vertragsabschluß zugrunde gelegten Rechtszustandes könne zwar den Wegfall der Geschäftsgrundlage bedeuten. Dies gelte aber nicht für jede Gesetzesänderung, weil grundsätzlich jede Partei das Risiko einer unvorhergesehenen Änderung der Verhältnisse selbst zu tragen habe. Der Wegfall einer typischen Vertragsvoraussetzung werde erst dann bedeutsam, wenn dadurch der im Vertragsinhalt zum Ausdruck gebrachte, von beiden Teilen anerkannte wesentliche Vertragszweck nicht nur zeitweilig unerreichbar geworden sei. Nur wenn die vertragstypische Risikoverteilung so weit verschoben werde, daß dem Schuldner die Erfüllung der vertraglich übernommenen Verbindlichkeiten nicht mehr zumutbar sei, könne sich dieser auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen. Im vorliegenden Fall sei der Zweck der Vereinbarung vom 31.Oktober 1974 erfüllt worden. Daß die Gewerbeberechtigung nunmehr nach mehr als 10 Jahren möglicherweise an Wert verliere, sei kein untypisches, den Beklagten unbillig belastendes Risiko. Er habe nicht damit rechnen dürfen, daß sich der Wert der Konzession durch einen so langen Zeitraum nicht ändern werde. Da kein Dauerschuldverhältnis, sondern ein Zielschuldverhältnis vorliege, komme auch eine Vertragsaufhebung aus wichtigem Grund nicht in Betracht. Die Anfechtung von Leibrentenverträgen wegen Verkürzung über die Hälfte sei unzulässig. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsansicht des Revisionswerbers, daß die Vereinbarung zwischen den Streitteilen sittenwidrig sei, weil durch sie ein von der Behörde verliehenes Recht zum Gegenstand eines Kaufvertrages und somit zu einer Handelsware gemacht werde, kann nicht geteilt werden. Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß die bedingte Zurücklegung einer Konzession unter Ausbedingung einer Gegenleistung zulässig und nicht sittenwidrig ist (5 Ob 568/83; 1 Ob 673/82; 1 Ob 650/76; 6 Ob 42/74; 6 Ob 271/69). Daran ist festzuhalten, weil die vom Beklagten vorgebrachten Argumente für seinen gegenteiligen Standpunkt nicht stichhältig sind. Nach § 86 Abs.2 GewO kann die Zurücklegung einer Gewerbeberechtigung auch unter der Bedingung erfolgen, daß eine bestimmte Person eine gleiche Gewerbeberechtigung erlangt. Die Zurücklegung einer Gewerbeberechtigung unter dieser Bedingung begründet zwar keinen Rechtsanspruch des Konzessionsinhabers oder des Dritten auf Erteilung der Konzession an diesen. Gleichwohl wird in der Praxis für die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung unter der obgenannten Bedingung ein Entgelt gewährt und darin eine "Veräußerung" der Gewerbekonzession erblickt (vgl. Wahle in Klang2 IV/2 6). Das Recht aus der Gewerbekonzession ist jedoch ein öffentliches und kann daher nicht durch Privatrechtsgeschäft übertragen werden. Zu unterscheiden ist aber zwischen der öffentlich-rechtlichen Befugnis, über die nicht durch Privatrechtsgeschäft verfügt werden kann, und der privatrechtlichen Vereinbarung, zugunsten eines anderen die Gewerbeberechtigung zurückzulegen. Durch letztere wird nicht über das öffentliche Recht verfügt und in die Rechte der Behörde bei Verleihung der Berechtigung nicht eingegriffen (vgl. ImmZ 1982, 117). Wie schon das Berufungsgericht dargelegt hat, kann sich der Beklagte nicht mit Erfolg auf die Entscheidung SZ 39/113 berufen, weil dieser Entscheidung ein anders gelagerter Sachverhalt zugrundelag und die besondere Art der Vereinbarung geeignet war, die in Konzessionsangelegeneheiten vorgesehene staatliche Aufsicht zu beeinträchtigen.

Zur Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage enthält die Revision offentsichtlich wegen der inzwischen beschlossenen Änderung des GelVerkG durch das Bundesgesetz vom 7.April 1987 BGBl. 125 keine Rechtsausführungen. Ebenso wird auch die zutreffende Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht mehr bekämpft, daß bei Leibrentenverträgen die Einrede der Verkürzung über die Hälfte nicht stattfindet (EvBl.1961/20; 8 Ob 604/86). Es ist daher auf diese Fragen nicht mehr einzugehen (EvBl.1985/154 mwN).

Der Meinung des Beklagten, daß die Feststellungsklage unzulässig sei, ist entgegenzuhalten, daß die Feststellungsklage vorbeugenden Rechtsschutz gewähren soll und immer zulässig ist, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Aus dem Erfordernis des rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung ergibt sich, daß eine tatsächliche Gefährdung der Rechtssphäre des Klägers vorausgesetzt wird, die darin gelegen sein kann, daß der Beklagte den klägerischen Anspruch verneint. Sind noch nicht alle Teilansprüche aus einem Rechtsverhältnis fällig, ist die Feststellung des gesamten, zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses zulässig (JBl. 1986, 794). Im vorliegenden Fall trifft es zu, daß der Beklagte den Anspruch der Klägerin ernsthaft bestreitet und noch nicht alle Teilansprüche aus dem Vertragsverhältnis fällig sind.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO Der Kostenberechnung war nur ein Streitwert von S 125.295,23 zugrunde zu legen, weil der Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs.2 ZPO nur für die Revisionszulässigkeit Bedeutung hat.

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