Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 6.225,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 565,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 20. Juli 1913 geborene Kläger war vom 1. Dezember 1946 bis 31. Dezember 1978 als Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft Leoben in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis bei der Beklagten beschäftigt. Am 31. Dezember 1978 wurde er in den dauernden Ruhenstand versetzt. Da der Beklagten kein geeigneter Nachfolger zur Verfügung stand, wurde der Kläger von der Beklagten ab diesem Zeitpunkt mit jeweils auf längstens ein Jahr befristeten aufeinanderfolgenden Sonderverträgen weiterbeschäftigt. Mit Schreiben vom 1. Februar 1983 wurde von der Beklagten festgehalten, daß das Dienstverhältnis "auf unbestimmte Zeit und zwar bis zur Bestellung eines Amtsarztes für die Bezirkshauptmannschaft Leoben, längstens bis 31. Dezember 1983 verlängert wird". Anläßlich einer Vorsprache am 9. März 1983 wurde dem Kläger von Hofrat Dr. S***, dem personalführenden Referenten für die Hoheitsverwaltung im Bereich des L*** S***, mitgeteilt, daß für ihn ein Nachfolger gefunden worden sei. Der Kläger wies bei dieser Besprechung darauf hin, daß die Befristung seines Dienstverhältnisses unzulässig gewesen sei und daß die Kündigungsfrist 5 Monate betrage, weil das Dienstverhältnis einschließlich der anzurechnenden Vordienstzeiten mehr als 15 Jahre gedauert habe. Dr. S*** teilte dem Kläger mit, daß dessen Nachfolger Dr. B*** am darauffolgenden Montag seinen Dienst antreten werde. Dr. B*** wurde sodann vom Kläger eingeschult. Der Kläger nahm in der Folge bis zum Ende der Kündigungsfrist Urlaub. Der Aufgabenbereich Dris. B*** war völlig identisch mit dem des Klägers. Mit Schreiben vom 24. März 1983 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß das mit dem Kläger seit 1. Jänner 1979 bestehende Dienstverhältnis gemäß § 32 Abs. 2 lit g VBG 1948 in der derzeit geltenden Fassung unter Einhaltung der Kündigungsfrist mit Wirkung vom 1. April 1983 zum 1. Mai 1983 gelöst werde. Am 14. April 1983 teilte der Kläger der Beklagten zu Handen des Amtes der steiermärkischen Landesregierung mit, daß erhdie Kündigung nicht akzeptiere und den Ausgang des damals noch anhängigen Verfahrens 1 Cr 182/82 des Arbeitsgerichtes Graz abwarten wolle. Es ist nicht außergewöhnlich, daß ein Amtsarzt, der aus Altersgründen ausscheidet, interimistisch bis zur Bestellung eines neuen Amtsarztes die Geschäfte weiterführt, weil es insbesondere in Orten, in denen größere Krankenhäuser bestehen, wie in Graz, Bruck an der Mur und Leoben, immer wieder vorkam, daß sich keine Bewerber für die Stelle eines Amtsarztes fanden. Die Abfertigung im Betrage von S 53.225,-- sowie die Urlaubsentschädigung im Betrage von S 27.636,10 hat der Kläger angenommen. Mit Schreiben vom 23. Oktober 1984 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten seine Dienstbereitschaft. Dieses Schreiben ist der Beklagten zugegangen. Mit der am 17. Juni 1985 eingebrachten Klage begehrt der Kläger gegenüber der Beklagten die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der mit Schreiben vom 24. März 1983 zum 31. Mai 1983 ausgesprochenen Kündigung sowie die weitere Feststellung, daß das Vertragsbedienstetenverhältnis des Klägers zur Beklagten über den 31. Mai 1983 hinaus fortbestehe. Die sich bei Berücksichtigung der Vordienstzeiten ergebende gesetzliche Kündigungsfrist von 5 Monaten sei nicht eingehalten worden; darüberhinaus liege der von der Beklagten geltend gemachte Kündigungsgrund nicht vor. Kündigungsgründe, die in der schriftlichen Kündigung nicht angeführt seien, könnten aber nachträglich nicht zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden.
Die Beklagte wandte ein, daß das Verhalten des Klägers vom Empfang der Kündigung bis zur Einbringung der Klage nur den Schluß zulasse, daß er sich der Kündigung gefügt habe. Zwischen Kündigung und Einbringung der Klage seien zwei Jahre verstrichen und habe der Kläger die im Kündigungsschreiben vom 24. März 1983 angeführte Abfertigung sowie eine Urlaubsentschädigung angenommen. Des weiteren habe der Kläger eine Pension nach dem ASVG angestrebt. Im übrigen stelle die Erreichung des 65. Lebensjahres einen Kündigungsgrund nach dem VBG dar.
Das Erstgericht gab der Klage teilweise statt; es sprach aus, daß das Vertragsbedienstetenverhältnis des Klägers zur Beklagten über den 31. Mai 1983 hinaus bis 31. August 1983 fortbestanden habe und wies das Mehrbegehren auf Feststellung, daß die mit Schreiben vom 24. März 1983 ausgesprochene Kündigung rechtsunwirksam sei, ab. Es stellte den eingangs angeführten Sachverhalt fest und führte rechtlich aus, daß von einer Dauer des Dienstverhältnisses des Klägers zur Beklagten von mehr als 15 Jahren auszugehen sei, so daß die Kündigungsfrist 5 Monate betrage. Die zeitwidrige Kündigung wirke zum nächstzulässigen Termin, das sei im vorliegenden Fall der 31. August 1983. Im Hinblick auf den Zweck der Weiterbeschäftigung des Klägers - bis zu der Gewinnung eines geeigneten Nachfolgers durch die Beklagte - habe die Beklagte in der Neubesetzung des Dienstpostens zu Recht eine die Kündigung des Klägers rechtfertigende Änderung in der Organisation des Dienstes gesehen. Sinn der Bestimmung des § 32 Abs. 2 lit g VBG sei es, zu verhindern, daß überflüssig gewordene Dienstnehmer im Dienst belassen werden müssen; da dem Kläger der Zweck seiner Weiterbeschäftigung bekannt gewesen sei, könne er sich nicht darauf berufen, daß die von ihm geleistete Tätigkeit nach wie vor erforderlich sei und geleistet werden müsse.
Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der den abweisenden Teil betreffenden Maßgabe, daß das Mehrbegehren auf Feststellung des Fortbestehens des Dienstverhältnisses über den 31. August 1983 hinaus abgewiesen werde. Ferner sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Gegenstandes der Berufungsentscheidung S 30.000,-- übersteige. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit der Ergänzung, daß der Kläger vom 1. Dezember 1946 bis 31. Dezember 1978 unter anderem auch als Schularzt beim Bundesrealgymnasium Leoben in einem Vertragsverhältnis zum Bund gestanden sei; "er sei mit 31. Mai 1983 aus dem Dienst der Beklagten ausgetreten" und die von ihm entgegengenommene Abfertigung habe dem Zweifachen letzten Monatsentgelt entsprochen. Mit Schreiben der Beklagten vom 28. November 1985 sei der Kläger für den von der Beklagten weiterhin bestrittenen Fall, daß der Kündigung vom 24. März 1983 keine Wirkung zukommen sollte, "vorsorglich" gemäß § 32 Abs. 2 lit h und i VBG gekündigt worden.
Rechtlich erwog das Berufungsgericht, daß sich der Dienstgeber eines Vertragsbediensteten nur auf jene Kündigungsgründe stützen könne, die er im Kündigungsschreiben angeführt habe; mehr Bedeutung als der im Kündigungsschreiben genannten Gesetzesbestimmung komme allerdings dem mitgeteilten Sachverhalt zu, weil wesentliches Kriterium der Kündigung sei, daß der Gekündigte Klarheit über ihren Grund erhalte. Im Hinblick auf die Begründung für die mehrfach wiederholten Befristungen des Vertragsverhältnisses des Klägers sowie den Inhalt der dem Kündigungsschreiben vorangegangenen Niederschrift vom 9. März 1983 habe dem Kläger klar sein müssen, daß er gekündigt worden sei, weil er längst das Pensionsalter erreicht gehabt hatte und nunmehr ein geeigneter Nachfolger gefunden worden sei. Unter diesen Umständen sei ungeachtet der Anführung des § 32 Abs. 2 lit g VBG die Kündigung seitens der Beklagten aus den Kündigungsgründen des § 32 Abs. 2 lit h und i VBG zu Recht erfolgt. Weiters vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, daß die Kündigungsgründe nach § 32 Abs. 2 lit h und i VBG objektiv festgestanden seien und beiden Vertragspartnern bekannte Umstände betroffen hätten, so daß die Mitteilung an den Dienstnehmer in diesem Fall eine bloße Formalität darstelle, ohne daß damit ein Schutzzweck verbunden sei. Aus diesen Bestimmungen lasse sich vielmehr eine Begrenzung des Kündigungsschutzes ab Erreichen des 65. Lebensjahres ableiten, aus der sich die freie Kündbarkeit jener Vertragsbediensteten ergebe, die bereits das Pensionsalter erreicht hätten. Im übrigen sei die Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit Erreichung des 65. Lebensjahres ein Grundpfeiler des öffentlich rechtlichen Dienstverhältnisses. Sei aber das Dienstverhältnis zwischen den Streitteilen frei kündbar gewesen, komme der Nennung eines unzutreffenden Kündigungsgrundes im Schreiben der Beklagten vom 24. März 1983 keine Bedeutung zu.
Die gegen diese Entscheidung erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, sind die Kündigungsgründe gemäß § 32 Abs. 1 erster Satz VBG in der Kündigung zu nennen; Kündigungsgründe, die in der schriftlichen Kündigung nicht geltend gemacht worden sind, können daher nachträglich nicht zur Rechtfertigung der Kündigung herangezogen werden (Arb. 6.328, 6.721; EvBl. 1963/149 ua). Hiebei schadet weder eine irrtümliche Unterstellung des angeführten Kündigungsgrundes unter eine andere Gesetzesstelle noch ein Schreibfehler, wenn dem Kündigungsschreiben deutlich entnommen werden kann, was in Wahrheit als Kündigungsgrund geltend gemacht wird (EvBl. 1963/408; Arb. 8.760).
In ihrem Schreiben vom 24. März 1983 hat die Beklagte die Kündigung lediglich auf § 32 Abs. 2 lit g VBG gestützt, ohne einen bestimmten Sachverhalt zu nennen. Nach dieser Gesetzesstelle ist der Dienstgeber zur Kündigung berechtigt, wenn eine Änderung des Arbeitsumfanges, der Organisation des Dienstes oder der Arbeitsbedingungen die Kündigung notwendig macht, es sei denn, daß das Dienstverhältnis des Vertragsbediensteten durch die Kündigung ab einem Zeitpunkt enden würde, in dem er das 50. Lebensjahr vollendet und bereits 10 Jahre in diesem Dienstverhältnis zugebracht hat. Da nun der Aufgabenbereich des Nachfolgers des Klägers völlig identisch mit dem des Klägers ist, liegt der in § 32 Abs. 2 lit g VBG genannte Kündigungsgrund zweifellos nicht vor.
Zieht man in Betracht, daß die Kündigungsgründe in § 32 Abs. 2 VBG nicht taxativ aufgezählt sind, dann ist allerdings im Hinblick auf die Kündigungsmöglichkeit nach § 32 Abs. 2 lit h und i VBG jedenfalls der Umstand, daß für den im Zeitpunkt der Kündigung bereits 69 Jahre alten Kläger ein geeigneter Nachfolger gefunden worden war, als ein wichtiger, die Kündigung des Klägers rechtfertigender Umstand zu werten.
Auch auf einseitige Erklärungen, wie die Kündigung des Dienstverhältnisses, ist die Auslegungsregel des § 914 ABGB anzuwenden (Rummel in Rummel ABGB Rz 2 zu § 914; Gschnitzer in Klang IV/1, 400). Danach ist nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdruckes zu haften, sondern die Absicht der Partei zu erforschen, das heißt, es ist dem Ausdruck jene Bedeutung beizulegen, die der Empfänger der Erklärung ihr auf Grund der bisherigen Erklärungen der anderen Seite zumessen mußte. Nach dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" geht ein vom objektiven Erklärungswert abweichender Wille, den der andere Teil erkennen mußte, der Auslegung nach Verkehrssitte und Sprachüblichkeit vor (siehe Rummel in Rummel ABGB Rz 5 zu § 914 sowie Rz 6 zu § 871). Schließlich ist zu prüfen, ob die sich aus § 32 Abs. 1 VBG ("nur schriftlich und mit Angabe des Grundes") ergebende Formbedürftigkeit der Erklärung nicht einer Heranziehung von außerhalb der schriftlichen Kündigung selbst erklärten Willensäußerungen zur Ergänzung des in der schriftlichen Kündigung Beurkundeten entgegensteht. Hiebei kommt es vor allem auf den Zweck der Formvorschrift an; ist der Zweck Drittschutz, dann ist allein der objektive Erklärungswert und nicht die nur aus Sicht des Empfängers erkennbare individuelle Sonderbedeutung maßgeblich (Rummel in Rummel ABGB Rz 13 zu § 886). Durch die Formvorschrift des § 32 Abs. 1 VBG werden nicht Dritte geschützt, sondern lediglich der Gekündigte, der Klarheit darüber erhalten soll, was als Kündigungsgrund in Wahrheit geltend gemacht wird. Die Formvorschrift des § 32 Abs. 1 VBG steht daher einer nur am Empfängerhorizont orientierten Auslegung der Kündigung nicht entgegen. Wenn daher auch der in der im Kündigungsschreiben zitierten Bestimmung des § 32 Abs. 2 lit g VBG enthaltene Ausdruck "wenn eine Änderung .... der Organisation des Dienstes .... die Kündigung notwendig macht" nach
seiner objektiven Bedeutung vor allem dahin zu verstehen ist, daß etwa infolge Auflassung von Abteilungen, deren Zusammenlegung, Übergang von einer dezentralisierten zu einer zentralisierten Geschäftsbehandlung udgl. die vom betreffenden Dienstnehmer bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr erforderlich ist (vgl. Arb. 9.715) konnte die Änderung der Organisation des Dienstes vom Kläger auf Grund der vorangegangenen Erklärung des Dienstgebers vom 9. März 1983 sowie des vom Dienstgeber jeweils ausdrücklich erklärten Zweckes der mit dem Kläger abgeschlossenen befristeten Sonderverträge nur dahin verstanden werden, daß nunmehr der Dienstposten eines Amtsarztes der Bezirkshauptmannschaft Leoben nicht mehr auf Grund von Sonderverträgen mit einem pensionierten Beamten, sondern auf Grund eines normalen Dienstvertrages mit einem geeigneten Nachfolger besetzt werden sollte. Da dies im Hinblick auf
§ 32 Abs. 2 lit h und i VBG ein wichtiger Grund
ist - Stierschneider-Zach vertreten sogar in Anmerkung 19 zu
§ 32 VBG die Ansicht, daß die in § 32 Abs. 2 lit i angeführten Personen frei kündbar sind -, ist die Kündigung, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben, wirksam. Das Dienstverhältnis hat daher am 31. August 1983 geendet.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den § 41, 50 ZPO.
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