Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der mj. Rene W*** wurde ehelich geboren. Die Ehe seiner Eltern wurde im Jahre 1982 geschieden. Die elterlichen Rechte und Pflichten wurden der Mutter Christine W*** übertragen.
Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Jugendamt, beantragte als besonderer Kurator im Sinne des § 21 JWG, den mj. Rene W*** der gerichtlichen Erziehungshilfe zu überweisen. Der Antrag wurde damit begründet, daß die erziehungsberechtigte Mutter aufgrund ihrer persönlichen Probleme, insbesondere wegen deren Alkoholabhängigkeit, nicht in der Lage sei, die mit der Erziehungsgewalt verbundenen Pflichten zu erfüllen. Außerdem wurde beantragt, das Stadtjugendamt Linz zu ermächtigen, einen Antrag auf Ausstellung eines Personalausweises, befristet auf 3 Monate, für den mj. Rene zu unterfertigen, weil die Mutter nicht bereit sei, den Antrag zu unterschreiben. Die Ausstellung eines Reisedokumentes sei erforderlich, weil im Falle der Anordnung der gerichtlichen Erziehungshilfe die Unterbringung des Minderjährigen bei einer Pflegefamilie in München erfolgen soll.
Die Mutter des Kindes sprach sich gegen die gerichtliche Erziehungshilfe aus (ON 8). Sie erklärte sinngemäß, daß es ihr nicht zugemutet werden kann, einen Personalausweis zu unterschreiben, da sie mit der Unterbringung des Kindes auf einem Pflegeplatz nicht einverstanden sei (ON 35).
Das Erstgericht überwies den mj. Rene der gerichtlichen Erziehungshilfe, genehmigte die erfolgte Unterbringung des Minderjährigen im Kinderheim St. Josef, ordnete in Durchführung der Erziehungsmaßnahme die Unterbringung des mj. Rene bei einer Pflegefamilie an und ermächtigte den Magistrat der Landeshauptstadt Linz, Jugendamt, einen Antrag auf Ausstellung eines Personalausweises, befristet auf 3 Monate, bei der Bundespolizeidirektion Linz zu stellen. Schließlich erfolgte noch der Ausspruch, daß diese Verfügung sogleich in Vollzug zu setzen sei. Der mj. Rene wurde am 10.12.1986 vom Jugendamt der Stadt Linz den in Aussicht genommenen Pflegeeltern übergeben. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß ein Erziehungsnotstand gegeben sei, weil die Mutter nach wie vor dem Alkohol verfallen und nicht in der Lage sei, ihrem Sohn ein Mindestmaß an Anleitung für das Leben zu bieten. Es habe sich gezeigt, daß vermehrter Kontakt zwischen Mutter und Kind zu einer massiven Verunsicherung des 5 Jahre alten Rene führte. Eine Rückgabe des mj. Rene an die Mutter würde eine schwere Gefährdung des Kindeswohles in psychischer und physischer Sicht bedeuten. Die Auswahl, zu welcher Familie der Minderjährige im konkreten Fall kommt, müsse der Verwaltungsbehörde überlassen werden. Da für die Reise des Kindes nach München zu der in Aussicht genommenen Pflegefamilie ein Reisedokument erforderlich sei, habe zum Wohle des Kindes gemäß § 176 Abs.1 ABGB die Zustimmung durch das Gericht ersetzt werden müssen. Das zuständige Jugendamt in München habe sich bereiterklärt, die Pflegeaufsicht zu übernehmen. Die Übernahme dieser Aufsicht sei im Haager Minderjährigenschutzabkommen, BGBl.1975/446, verankert. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Das Gericht zweiter Instanz verwies darauf, daß sie am 27.5.1986 vom Amtsarzt wegen Verdachtes des chronischen Alkoholismus und Medikamentenmißbrauches in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus eingeliefert wurde. Im Zusammenhang mit den weiteren Feststellungen des Erstgerichtes gelangte das Rekursgericht zur Annahme, daß die Rekurswerberin "schwerste Probleme mit dem Alkohol" hatte, als sie in das Wagner-Jauregg-Krankenhaus eingeliefert wurde und daß der darauffolgende Aufenthalt im Genesungsheim Traun geboten war. Schließlich faßte das Gericht zweiter Instanz die weiteren Feststellungen des Erstgerichtes dahin zusammen, daß der Mutter für die Zeit nach der Entlassung aus dem Genesungsheim am 14.8.1986 empfohlen wurde, regelmäßig eine Selbsthilfegruppe zu besuchen. Diesem Rat kam die Rekurswerberin nach ihren eigenen Behauptungen nicht nach. Aus dem Umstand, daß die Mutter am Therapieprogramm relativ passiv teilgenommen und sich nach der Entlassung auch keiner Selbsthilfegruppe angeschlossen hat, entnahm das Rekursgericht, daß die Mutter des Minderjährigen nicht ernsthaft bemüht ist, gegen ihren Hang zum Alkoholismus anzukämpfen und ihre Alkoholprobleme auch nicht "in den Griff bekommen" hat. Da die Mutter überdies keine eigene Wohnmöglichkeit habe, auch nicht ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen könne und das Kind im übrigen massive Erziehungsstörungen aufweise, sei das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen, daß die Mutter nicht in der Lage ist, dem Kind die erforderlich scheinende Hilfe und Anleitung für das Leben zu geben. Es habe daher den mj. Rene zu Recht der gerichtlichen Erziehungshilfe überwiesen. Die Pflegeeltern seien zu Recht nicht vom Gericht, sondern von der Verwaltungsbehörde zu bestimmen gewesen. Da keine geeigneten Pflegeeltern in Österreich aufzufinden waren, sei es durchaus vertretbar, das Kind bei Pflegeeltern in München unterzubringen. Das Haager Minderjährigenschutzabkommen, dem sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch Österreich beigetreten sind, garantiere, daß auch in der Bundesrepublik Deutschland gesetzliche Gewaltverhältnisse, wie die elterliche Gewalt, oder Institute, die sie ersetzen oder unterstützen sollen, wie gesetzliche Vormundschaften oder Pflegschaften, nach dem Recht des Heimatstaates, also Österreich, beurteilt werden. Gegen die.Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der ao. Revisionsrekurs der Mutter mit dem dahin ergänzten Antrag, daß wegen offenbarer Gesetz- oder Aktenwidrigkeit bzw. Nullität der angefochtenen Entscheidung die sofortige Rückgabe des Minderjährigen beantragt wird. Trotz ausdrücklicher Belehrung der Rekurswerberin, sie möge anführen, worin sie die geltend gemachten Anfechtungsgründe erblicke (ON 51), unterließ sie eine solche Klarstellung und verwies lediglich auf ihren bisher eingenommenen Standpunkt (ON 52).
Das Rechtsmittel gegen eine bestätigende Entscheidung des Rekursgerichtes ist im Verfahren außer Streitsachen jedoch nur soweit zulässig, als es sich auf die im § 16 Abs.1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe stützen kann. Es ist zurückzuweisen, wenn nicht erkennbar ist, worin eine offenbare Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nullität gelegen sein soll (1 Ob 692/86 ua).
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs erschöpft sich im Verweis auf bereits angegebene persönliche Gründe, was jedoch zur erforderlichen Dartuung der Anfechtungsgründe nicht ausreicht.
Davon abgesehen kann die von den Vorinstanzen im vorliegenden Fall angeordnete Erziehungshilfe keinem der Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG unterstellt werden. Erziehungshilfe hat das gefährdete, aber noch intakte Kind zum Gegenstand; sie setzt einen Erziehungsnotstand voraus, der dann vorliegt, wenn die Erziehungsberechtigten für den Jugendlichen überhaupt nicht sorgen oder wenn die Fürsorge so unzulänglich ist, daß sie das künftige rechtmäßige Verhalten des Kindes und dessen gesundheitliche Entwicklung in Frage stellt. Über die Art der Maßnahmen muß nach Prüfung aller konkreten Umstände des Einzelfalles unter dem Gesichtspunkt des Wohles des Kindes entschieden werden (EvBl.1974/139; EvBl.1969/208; SZ 49/38 ua). Welche tatsächlichen Umstände im konkreten Einzelfall die Anordnung einer Maßnahme gemäß § 26 JWG rechtfertigen, ist im Gesetz nicht näher bestimmt; es vermag daher die durch keine näheren Hinweise konkretisierte Behauptung, daß die Umstände zur Rechtfertigung einer derartigen Maßnahme nicht ausreichend seien, den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinn des § 16 AußStrG nicht herzustellen (EFSlg.12.732; 12.733; 14.700; 7 Ob 37/72 ua). Auch zur Annahme einer Aktenwidrigkeit oder Nullität fehlen jegliche Hinweise. Wenn das Rekursgericht darauf verweist, daß die Bundesrepublik Deutschland und Österreich zu den Vertragsstaaten des Haager Minderjährigenschutzabkommens vom 5.10.1961, BGBl.1975/446, gehören und keine Bedenken bestehen, die Pflegschaft über den Minderjährigen in München zu führen, weil nur dort eine geeignete Familie gefunden werden konnte, kann auch daraus kein dem § 16 AußStrG zu unterstellender Anfechtungsgrund abgeleitet werden. Das zuständige Jugendamt in München hat sich zur Pflegeaufsicht bereiterklärt. Gemäß Art.6 des Abkommens können die Behörden des Staates, dem der Minderjährige angehört, im Einvernehmen mit den Behörden des Staates, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, diesen die Durchführung der getroffenen Maßnahmen übertragen. Es besteht kein in irgendeiner Richtung stichhältiger Grund zur Annahme, daß die Behörden des nunmehrigen Aufenthaltsstaates des Minderjährigen diesem nicht die gleich wirksamen Maßnahmen zum Schutz seiner Person im Sinne des Art.1 des Haager Minderjährigenschutzabkommens gewähren würden wie die seines Heimatstaates Österreich.
Da schließlich die befristete Möglichkeit zur Einbringung des Antrages auf Ausstellung eines Personalausweises bereits abgelaufen ist, ist auf diese im übrigen ebenfalls nicht relevierte Maßnahme nicht mehr einzugehen.
Der ao. Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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