OGH 12Os39/87

OGH12Os39/8714.5.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Walter B*** wegen des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.Dezember 1986, GZ 2 b Vr 10.918/86-27, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart und des Verteidigers Dr. Erich Heliczer jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 27.August 1956 geborene Walter B*** des Verbrechens der Notzucht nach § 201 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm liegt zur Last, am 11.September 1986 in Wien die zur Tatzeit 18-jährige Martina K*** mit Gewalt gegen ihre Person, indem er sie in ein Gestrüpp zerrte, sie dort zu Boden riß und mehrmals würgte, widerstandsunfähig gemacht und in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf mißbraucht zu haben.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

In der Mängelrüge (Z 5) macht er geltend, das Urteil sei in bezug auf die Annahme einer (durch Gewalt bewirkten) Widerstandsunfähigkeit des Tatopfers (§ 201 Abs. 1 StGB zum Unterschied von § 202 Abs. 1 StGB) undeutlich, unvollständig und unzureichend begründet.

Keiner dieser Begründungsmängel liegt indes vor:

Rechtliche Beurteilung

Als aktenwidrig erweist sich das Beschwerdevorbringen, die Zeugin Martina K*** habe angegeben, vor dem Angeklagten, der sie auf ihrem nächtlichen Heimweg ansprach und begleiten wollte, bereits Angst gehabt zu haben, als ein Auto an ihnen vorbeifuhr. Denn die Zeugin hat ausdrücklich bekundet, in diesem Zeitpunkt noch nicht das Gefühl gehabt zu haben, daß der Angeklagte ihr etwas tun würde (S 67, 164). Schon darum ist aber auch nicht entscheidungswesentlich, daß die Zeugin es unterließ, das vorbeifahrende Auto anzuhalten; hatte doch der Angriff in diesem Moment noch nicht einmal begonnen.

Mit der als undeutlich gerügten Feststellung, daß sich in der "näheren Umgebung" des Tatortes keine Wohnhäuser befinden (S 170 unten), wird im Urteil lediglich die Beschaffenheit des Tatorts unter dem Aspekt jener Gelegenheit aufgezeigt, die sich der Angeklagte zunutze machte, um Martina K*** zu vergewaltigen (S 171 oben). Ob darnach Hilferufe des Mädchens hätten gehört werden können, ist aber nicht von Bedeutung, zumal Martina K*** stets, wenn sie zu schreien versucht hatte, vom Angeklagten durch intensives Würgen, bis ihr die Zunge aus dem Mund trat, daran gehindert worden war (S 171 Mitte). Unter solchen Umständen war auch ihre Befürchtung, der Angeklagte könnte sie (bei weiterem Widerstand) mit dem Kabel seines Walkman erdrosseln, hinlänglich begründet und muß bei der Beurteilung ihrer (Un-)Fähigkeit zu weiterem Widerstand berücksichtigt werden. Daß Martina K*** den Angeklagten zuletzt noch (bei dem von ihm erzwungenen Zungenkuß) in die Zunge biß, ist in diesem Zusammenhang belanglos; ist doch auch dieser (letzte) Versuch einer aktiven Gegenwehr des Mädchens vergeblich geblieben (S 163). Eine vom Beschwerdeführer als "denkunmöglich" bezeichnete Gleichzeitigkeit von Würgeakten und (teilweiser) Entkleidung des Opfers wurde weder von der Zeugin behauptet (vgl. S 162: "Er hat immer wieder zugedrückt ... Er hat mich dann ausgezogen") noch im Urteil als erwiesen angenommen (vgl. S 171: "Anschließend ..."). Schließlich widerspricht es keineswegs der (forensischen und) Lebenserfahrung, daß das Opfer einer Notzucht (gerade) in voller Erkenntnis seiner Unfähigkeit zu (weiterem) Widerstand noch versucht, den Täter durch Zureden zur (freiwilligen) Aufgabe seines Angriffs zu bewegen; die dahin lautenden Bekundungen der Zeugin (S 68, 163) waren darum nicht weiter erörterungsbedürftig. In seiner Rechtsrüge (Z 10) macht der Angeklagte geltend, daß Martina K*** nicht widerstandsunfähig im Sinne des § 201 Abs. 1 StGB gewesen sei, weshalb er nur Nötigung zum Beischlaf (§ 202 Abs. 1 StGB) zu verantworten habe.

Der Beschwerdeführer geht indes selbst davon aus, daß Widerstandsunfähigkeit im Sinn des § 201 Abs. 1 StGB dann vorliegt, wenn dem Opfer (weiterer) Widerstand unmöglich, aussichtslos oder unzumutbar ist (ÖJZ-LSK 1979/313 u.a.). Nach den maßgeblichen Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte die Zeugin Martina K***, wenn sie zu schreien versuchte, intensiv gewürgt und sich auch dadurch, daß sie ihn in die Zunge biß, nicht von seinem Angriff abhalten lassen (S 171). Unter diesen Umständen kommt es aber auf die Hörbarkeit allfälliger Hilferufe für (in Hörweite befindliche und zur Hilfeleistung bereite) Dritte unter den gegebenen zeitlichen und örtlichen Verhältnissen nicht entscheidend an. Vielmehr unterliegt es keinem Zweifel, daß weiterer Widerstand seitens Martina K*** höchstens zu einem kurzfristigen Hinauszögern der Tatvollendung hätte führen können und zudem mit der Gefahr weiteren schweren Ungemachs für sie verbunden gewesen wäre, demnach aus ihrer Sicht aussichtslos und ihr nicht mehr zuzumuten war (vgl. zu § 201 StGB: Leukauf-Steininger, Komm. 2 , RN 8, und Pallin im WK Rz 17 sowie die dort zitierten Entscheidungen).

Da somit auch die Rechtsrüge versagt, war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten gemäß § 201 Abs. 1 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Jahren. Es wertete als erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen, als mildernd das Geständnis. Bei der Strafbemessung fielen die rücksichtslose Vorgangsweise des Täters, der sein Opfer mehrmals würgte und die nicht konkret feststellbaren aber sicher vorhandenen psychischen Folgen der Tat, die mit einer Defloration verbunden war, ins Gewicht. Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte eine Herabsetzung der über ihn verhängten Strafe und bedingten Strafnachlaß. Die Berufung ist nicht berechtigt.

Zu den vom Erstgericht zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründen kommt als weiterer Erschwerungsgrund noch die nicht unerheblichen Verletzungen des Opfers hinzu. Im übrigen hat das Erstgericht mit Recht bei der Bemessung der Strafe unter Anwendung der Grundsätze des § 32 Abs. 2 StGB den beträchtlichen Schuldgehalt der Tat, der in der rücksichtslosen Vorgangsweise seinen Ausdruck fand, berücksichtigt und damit auch keineswegs gegen das Doppelverwertungsvebot verstoßen, weil das Würgen des Opfers nicht tatbildmäßig im Sinne des § 201 Abs. 1 und Abs. 2 StGB ist. Auch wenn die psychischen Folgen der Tat nicht als Erschwerungsgrund herangezogen wurden, müssen, wie das Erstgericht richtig erkannt hat, bei Würdigung der Unrechtsfolgen der Tat auch die mit einer brutalen Vergewaltigung und Defloration eines bisher unberührten 18-jährigen Mädchens regelmäßig verbundenen psychischen Folgen berücksichtigt werden. Die den Vorstrafen zugrundeliegenden Taten zeigen die Neigung des Angeklagten zur Gewalttätigkeit. Sie beruhen daher auf der gleichen schädlichen Neigung (§ 71 StGB), wie das Verbrechen der Notzucht. Die Frustrationsintoleranz des Angeklagten, auch wenn sie in seiner psychisch ungünstigen Situation wurzelt, hat nicht das Gewicht eines Milderungsgrundes. Die Alkoholisierung ist schon deshalb nicht als mildernd heranzuziehen, weil der Angeklagte bereits im alkoholisierten Zustand Gewaltakte gesetzt hat, sodaß die durch die Alkoholisierung bedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Genuß des berauschenden Mittels unter diesen Umständen begründet (§ 35 StGB).

Bei dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat ist somit die bei einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren verhängte Strafe nicht zu hoch bemessen. Bedingte Strafnachsicht ist schon wegen der Höhe der Freiheitsstrafe unzulässig (§ 43 StGB).

Der Berufung war somit nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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