Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Der am 16.Februar 1929 geborene Pensionist Kurt K*** ist von der Anklage, er habe sich vom 10.Mai 1984 bis 30.Juni 1986 in Graz ein ihm anvertrautes Gut in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich von Wohnungsmietern des Hauses Graz, Göstingerstraße 149 A, vereinnahmte Mietzinse im Gesamtbetrag von mindestens 153.111 S, mit dem Vorsatz zugeeignet, sich unrechtmäßig zu bereichern, wodurch der Hauseigentümer Alfred N*** jun. um den angeführten Betrag geschädigt worden sei, und er habe hiedurch das Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen worden.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen trafen der Angeklagte und Alfred N*** sen. als damaliger Eigentümer der Liegenschaft EZ. 69 des Grundbuchs der Katastralgemeinde Gösting am 15. Februar 1978 eine Vereinbarung über den Ausbau des auf dieser Liegenschaft errichteten Wirtschaftsgebäudes zu einem Wohnobjekt mit mehreren Wohneinheiten und über dessen weitere Nutzung. Darnach räumte Alfred N*** sen. dem Angeklagten unter gleichzeitiger Zusicherung eines Darlehens von 250.000 S das Recht ein, das in Rede stehende Objekt (Haus Graz, Göstingerstraße 149 A) zu einem Wohnhaus umzugestalten und anschließend (durch Vermietung) für fünf Jahre ausschließlich zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil zu nutzen. Nach dem Ablauf der vertraglichen Frist sollte das Gebäude in die unbeschränkte Nutzung durch den Liegenschaftseigentümer übergehen. In der Folge veranlaßte der Angeklagte die entsprechenden Umbauarbeiten mit einem Gesamtkostenaufwand von ca. 1,000.000 S, wobei er einen Teilbetrag von insgesamt 301.986 S aus Barmitteln bestritt, die Alfred N*** sen. sukzessive zur Verfügung gestellt hatte. Weiters nahm der Angeklagte im Oktober 1978 ein Darlehen der Elisabeth M*** von 350.000 S in Anspruch. Nach Abschluß des Umbaus standen dem Angeklagten insgesamt fünf Wohneinheiten und ein Werkstättenraum zur Verfügung, welche Räumlichkeiten er in der Folge jeweils für mehrere Jahre (regelmäßig gegen Mietzinsvorauszahlungen für die gesamte Bestanddauer) vermietete.
Mit dem Übergabsvertrag vom 10.Dezember 1981 übertrug Alfred N*** sen. die Liegenschaft in das Eigentum seines gleichnamigen Sohns. Damit trat Alfred N*** jun. als Rechtsnachfolger seines Vaters auch in dessen Vereinbarung mit dem Angeklagten ein. Nach dem Ablauf der fünfjährigen Nutzungsfrist (1983) vertraten der Angeklagte bzw. Alfred N*** sen. und jun. verschiedene Auffassungen hinsichtlich ihrer Rechtsbeziehung, die schließlich zu mehreren (zum Teil noch anhängigen) zivilgerichtlichen Verfahren führten. Während N*** sen. und jun. der Ansicht waren, daß das ausschließliche Nutzungsrecht am Haus Göstingerstraße 149 A mit dem Ablauf der Frist von fünf Jahren auf den Liegenschaftseigentümer übergegangen sei, nahm der Angeklagte das diesbezügliche Nutzungsrecht unabhängig von jeder kalendermäßigen Befristung bis zur vollen Abdeckung seiner Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Objektausbau in Anspruch. Im Verfahren 11 Cg 213/83 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz beantragte Alfred N*** jun. zur Sicherung des mittels Klage geltend gemachten Anspruchs auf Unterlassung der weiteren Objektnutzung die Erlassung einer einstweiligen Verfügung. In Stattgebung dieses Antrags wurde dem nunmehrigen Angeklagten vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz mit dem Beschluß vom 5.März 1984 untersagt, über die im Haus Göstingerstraße 149 A befindlichen Räumlichkeiten durch Vermietung oder sonstige Nutzung zu verfügen. Die Bewilligung dieser einstweiligen Verfügung wurde von einer Sicherheitsleistung von 100.000 S abhängig gemacht, die von Alfred N*** jun. am 6. April 1984 erlegt worden ist. Mit dem Beschluß des Oberlandesgerichts Graz vom 10.Mai 1984 wurde dem Rekurs des Angeklagten (Gegner der gefährdeten Partei) wider die Bewilligung der einstweiligen Verfügung nicht Folge gegeben. Diese Rekursentscheidung ist dem bevollmächtigten Vertreter des Angeklagten am 6.Juni 1984 zugestellt worden.
Bereits am 23.März 1984 hatte der Angeklagte mit seiner Lebensgefährtin Elisabeth M*** einen Bestandvertrag abgeschlossen, mit welchem er der Bestandnehmerin M*** die Nutzung der im Mittelgeschoß des Hauses gelegenen drei Wohneinheiten ab 1. April 1984 für sechs Jahre überlassen hatte. Als Gegenleistung war dem Angeklagten in diesem Zusammenhang eine Pachtzinsvorauszahlung im Gesamtbetrag von 280.800 S als teilweise Tilgung der im Oktober 1978 begründeten Darlehensschuld von 350.000 S (siehe oben) gutgeschrieben worden. Der den Urteilsfeststellungen zufolge im Bewußtsein der drohenden Rechtswirksamkeit der vorerwähnten einstweiligen Verfügung vorgenommene Vertragsabschluß sollte nach den Intentionen des Angeklagten ua die Rückzahlung seiner Darlehensschuld gegenüber Elisabeth M*** sichern. Vom 10.Mai 1984 bis 30.Juni 1986 schloß sodann Elisabeth M*** als Vermieterin über die in Rede stehenden drei Wohneinheiten insgesamt fünf Mietverträge ab, für die sie Mietzinsvorauszahlungen von insgesamt zumindest 153.111 S einnahm. Der Angeklagte beteiligte sich jeweils (zumeist mit bestimmendem Einfluß) an den Vertragsverhandlungen und nahm auch zum Teil die von den Mietern geleisteten Zahlungen für seine Lebensgefährtin entgegen.
Davon ausgehend, daß bei den im inkriminierten Tatzeitraum (10.Mai 1984 bis 30.Juni 1986) abgeschlossenen Mietverträgen durchwegs Elisabeth M*** als Bestandgeberin aufgetreten war, für deren Rechnung auch sämtliche bezüglichen Mietzinsvorauszahlungen entgegengenommen wurden, schloß das Erstgericht eine Beurteilung der angelasteten Tat als Veruntreuung mit der Begründung aus, daß die Geldbeträge dem Angeklagten nicht im Sinn des § 133 Abs 1 StGB. anvertraut gewesen seien. Wohl aber erblickte das Gericht in dem am 23. März 1984 zwischen dem Angeklagten K*** und Elisabeth M*** abgeschlossenen Bestandvertrag eine betrügerische Täuschungshandlung zum Nachteil des Alfred N*** jun. Deren Ahndung als Verbrechen des schweren Betrugs wurde indes abgelehnt, weil die Tathandlung vom 23. März 1984 wegen der Beschränkung des erst mit dem 10.Mai 1984 beginnenden Tatzeitraums des Anklagevorwurfs von der Anklage noch nicht umfaßt sei.
Die Staatsanwaltschaft ficht den Freispruch aus § 281 Abs 1 Z. 9 lit a StPO. an. Sie vermeint, der in den Urteilsgründen unter dem Gesichtspunkt eines schweren Betrugs relevierte Sachverhalt sei mit dem Gegenstand der Anklage ident, weil da wie dort auf die Ahndung der planmäßigen Schädigung des Liegenschaftseigentümers um die nach dem Abschluß des Bestandvertrags (23.März 1984) vereinnahmten Mietzinsbeträge abgestellt werde und Modifikationen in bezug auf Tatzeit und Tatort im Fall der Annahme eines Betrugs statt einer Veruntreuung keine Besonderheit darstellten.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde schlägt im Ergebnis nicht durch. Zwar hat das Schöffengericht die dem Angeklagten im Zusammenhang mit dem Vertragsabschluß vom 23.März 1984 angelastete Bereicherungstendenz darin erblickt, daß er auf diese Weise seiner Lebensgefährtin (und damit "indirekt" auch sich selbst) die erwarteten Einnahmen aus einer künftigen Vermietung sichern wollte. Der Anklagevorwurf der Veruntreuung und die in der Urteilsbegründung aufgezeigte Betrugsvariante decken sich daher in bezug auf Täter, Tatobjekt und Geschädigten, also in wesentlichen Kriterien der Tatidentität. Unbeschadet dessen ist damit für den Beschwerdestandpunkt nichts gewonnen, weil die im Urteil angestellten Subsumtionserwägungen in der Richtung eines schweren Betrugs ebensowenig stichhältig sind wie die anklagegemäße Beurteilung als Veruntreuung. Hinsichtlich der letzteren kann auf die Gründe der ersten Instanz verwiesen werden (siehe weiter oben).
Anlangend den Betrugstatbestand lassen die Urteilsausführungen zunächst offen, über welche Tatsachen Alfred N*** jun. durch den Vertragsabschluß zwischen dem Angeklagten und Elisabeth M*** getäuscht und zu welcher, sein Vermögen schädigenden Handlung, Duldung oder Unterlassung er dadurch verleitet worden sein soll. Es wird auch im Urteil nicht verkannt, daß der Bestandvertrag vom 23. März 1984 zwar jeweils den mit den inkriminierten Mietzinseinnahmen verbundenen Vertragsabschlüssen zugrundegelegt worden war und mit Rechtskraft der einstweiligen Verfügung eine für N*** nachteilige Bedeutung erlangen sollte (so wohl sinngemäß S. 456). Für sich allein war der Vertrag vom 23.März 1984 jedoch keineswegs geeignet, die vom Anklagevorwurf umfaßte Bereicherung des Angeklagten zu bewirken. Diese hatte vielmehr den Abschluß jener Mietverträge zur Voraussetzung, auf deren Grundlage der Angeklagte bzw. die Vermieterin Elisabeth M*** die Mietzinsvorauszahlungen einforderten. So gesehen mangelt dem Vertragsabschluß vom 23. März 1984 das Tatbestandsmerkmal der schadensursächlichen "Täuschung über Tatsachen" (§ 146 StGB.).
Ein Freispruch kann aus einem materiellen Nichtigkeitsgrund nicht mit Erfolg angefochten werden, wenn der betreffende Rechtsgrund in der Beschwerde der Staatsanwaltschaft nicht releviert wird (SSt. XI/33, XXIII/47, XXVI/30, XXX/107 u.a., zuletzt 13 Os 23/87). Folglich muß es auf sich beruhen, inwieweit der als erwiesen angenommene Sachverhalt etwa eine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Angeklagten in anderer Beziehung begründen könnte. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
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