OGH 2Ob709/86

OGH2Ob709/867.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Magda W***, Private, Zrinskeho 4, Bratislava, CSSR, vertreten durch Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien

1.) Verlassenschaft nach Martha B***, vertreten durch den Verlassenschaftskurator Dr. Gerhard Antenreiter, 1010 Wien, Wipplingerstraße 18, dieser vertreten durch Dr. Heinz Lackner, Rechtsanwalt in Wien, 2.) Eva E***, Geschäftsfrau, 1040 Wien, Faulmanngasse 6/2, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien, 3.) Franziska W***, Pensionistin, 1090 Wien, Währinger Gürtel 50-52, vertreten durch Dr. Theo Feitzinger, Rechtsanwalt in Wien, 4.) Paul S***, 5.) Ronald S***,

6.) Diana S***, alle wohnhaft 13-53 Finn Terr Rair Lawn, N.J. 07410, USA, die viert- bis sechstbeklagten Parteien vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000 s.A.), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 30.Juli 1986, GZ 12 R 297/85-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 20. Juli 1985, GZ 3 Cg 229/84-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der erst-, zweit- und drittbeklagten Partei je einen Betrag von S 15.874,65 (darin S 1.443,15 Umsatzsteuer) sowie der viert-, fünft- und sechstbeklagten Partei einen Betrag von S 19.215,85 (darin S 960,- Barauslagen und S 1.659,62 Umsatzsteuer) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 23.5.1982 ist die zuletzt in Wien wohnhaft gewesene Pensionistin Elisabeth D*** verstorben. Sie hinterließ eine von ihr selbst geschriebene und unterschriebene letztwillige Verfügung vom 1.11.1980. Darin vermachte sie der inzwischen verstorbenen Magda B*** das lebenslange Wohnrecht an der Wohnung in Wien 1., Tiefer Graben 8-10/4/31, der Zweitbeklagten ihre Eigentumswohnung in Baden, der Drittbeklagten die Einrichtungsgegenstände, wie sie sich im Zeitpunkt ihres Todes im Salon in der von ihr zuletzt bewohnten Wohnung befanden und dem Viert-, Fünft- und der Sechstbeklagten nach dem Ableben der Erstbeklagten das Eigentumsrecht an der Wohnung in Wien 1., Tiefer Graben. Über weitere im Nachlaß vorgefundene Gegenstände, Wertpapiere, Sparbücher und Schmuck traf die Erblasserin keine Verfügung. Der letzte Absatz der letztwilligen Verfügung lautet wie folgt: "Niemand ist außer den Oberwähnten nach mir erbberechtigt und absolut ausgeschlossen sind die Nachkommen oder Angehörigen meines in Budapest verstorbenen Bruders Dr. Eugen V***. Dies ist mein letzter Wille, den ich vom ersten bis zum letzten Wort in absolut geistiger Frische und mit eigener Hand zu Papier gebracht habe". Die Klägerin ist eine Cousine der Erblasserin. Die Klägerin begehrte die Feststellung, daß den Beklagten zum Nachlaß nach der am 23.5.1982 verstorbenen Elisabeth D*** kein Erbrecht zustehe, in eventu, daß den Beklagten an der Hälfte des Nachlasses kein Erbrecht zustehe. Zur Begründung führte sie aus, daß trotz der Formulierung des letzten Willens der Erblasserin es stets deren Wille gewesen sei, sowohl der Klägerin als auch der zweiten Cousine der Erblasserin, Lilli KAN, die nach Abzug der Legate verbleibenden Vermögenswerte zuzuwenden. Wenn die Verstorbene die Absicht gehabt hätte, ihr gesamtes Vermögen den Beklagten zukommen zu lassen, hätte sie dies in ihrer letztwilligen Verfügung bestimmen können. Der Wille der Verstorbenen ergebe sich aus der Korrespondenz mit der Klägerin.

Die Beklagten beantragten die Abweisung der Klage und wendeten im wesentlichen ein, die letztwillige Verfügung der Erblasserin lasse an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, so daß feststehe, daß niemand außer den in der genannten letztwilligen Verfügung angeführten Personen erbberechtigt sein solle.

Das Erstgericht wies ohne Durchführung eines Beweisverfahrens auf Grund des unbestrittenen Parteienvorbringens die Klage ab. In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat es die Ansicht, daß dem Wortlaut der letztwilligen Verfügung der Erblasserin nicht zu entnehmen sei, daß sie anderen Personen als den Bedachten ein Vermögen zuwenden wollte, was sich insbesondere aus der Verwendung der Worte "niemand" und "absolut ausgeschlossen" ergebe. Der Wortlaut dieser letztwilligen Verfügung lasse daher keine andere Auslegung zu, als daß die Verstorbene außer den eingesetzten Legataren keinen weiteren Personen etwas zuwenden wollte. Das Vorbringen der Klägerin, aus dem sie ein Erbrecht als gesetzliche Erbin ableiten wolle, sei daher nicht geeignet, den in der letztwilligen Verfügung klar ausgedrückten Willen der Verstorbenen zu widerlegen. Es sei dabei unbeachtlich, ob die letztwillige Verfügung als Testament oder als Kodizill zu werten sei. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000 übersteigt; es erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei und billigte auch die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Klägerin aus den Anfechtungsgründen nach § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag auf Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung; hilfsweise wird Abänderung im Sinne der Klagsstattgebung beantragt.

Die Beklagten beantragen in ihren Revisionsbeantwortungen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO liegt nicht vor, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO).

In der Rechtsrüge versucht die Klägerin darzulegen, daß die Auffassung des Berufungsgerichtes, die gegenständliche letztwillige Verfügung gebe in ihrer textlichen Abfassung zu keinem Zweifel Anlaß, unrichtig sei. Selbst bei scheinbarer Klarheit des Textes und der Wortwahl müßten äußere Umstände zur Erklärung oder Ergänzung der erblasserischen Ausführungen herangezogen werden. Es müsse der Auslegung überlassen werden, den wahren Willen des Erblassers zu erforschen. Die in der letztwilligen Verfügung enthaltene "Ausschlußklausel" sei nicht völlig unzweideutig. Dieser Umstand erfordere aber zwingend, daß eine Auslegung unter Prüfung sämtlicher Umstände des Sachverhaltes stattzufinden habe, welche die Vorinstanzen unterlassen hätten. Infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes habe es bereits das Erstgericht unterlassen, Feststellungen hinsichtlich der von der Klägerin vorgelegten Briefe und deren Inhalt zu treffen. Das Berufungsgericht habe die unzureichenden Feststellungen des Erstgerichtes übernommen und zu seiner Entscheidungsgrundlage gemacht.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen ist der wahre Wille des Erblassers zu erforschen. Die Auslegung hat in die persönlichen Vorstellungen des Testators einzudringen (Kralik, Erbrecht 121). Sie hat sich, da es bei letztwilligen Verfügungen keinen Erklärungsempfänger gibt, weit mehr am subjektiven Willen des Erklärenden zu orientieren als bei Geschäften unter Lebenden (Kralik aaO, Koziol-Welser, Grundriß7 II 298, Welser in Rummel, ABGB, Rdz 7 zu § 552). Zur Ermittlung des Willens sind alle Umstände, insbesondere mündliche und schriftliche Äußerungen des Erblassers, zu berücksichtigen (Welser in Rummel, aaO, Rdz 8). Die Erklärung ist als Einheit in ihrem ganzen Zusammenhang zu betrachten, wobei diese Zusammenschau sowohl Zweifel der grammatikalischen Auslegung beseitigen, als auch Zweifel am Sinn einzelner grammatikalisch eindeutiger Punkte wecken kann (Kralik aaO). Die Auslegung einer letztwilligen Erklärung findet aber ihre Grenze darin, daß einerseits eine noch so deutlich erwiesene Absicht des Testators unbeachtlich ist, wenn sie durch den Wortlaut der letztwilligen Verfügung nicht gedeckt wird, andererseits aber der Wortlaut nach dem Willen des Erblassers beurteilt werden muß (7 Ob 675/85 u.a.). Die Auslegung muß in der letztwilligen Verfügung daher irgend einen, wenn auch noch so geringen Anhaltspunkt finden und darf nicht völlig dem unzweideutig ausgedrückten Willen des Erblassers geradezu zuwiderlaufen (SZ 25/203, SZ 38/221, NZ 1969, 90, Koziol-Welser, Grundriß7 299).

Es ist daher zunächst zu prüfen, ob die hier strittige Erklärung des letzten Willens überhaupt einer Auslegung bedarf, oder ob diese Erklärung ohnedies völlig eindeutig ist. Nur wenn die Erklärung nicht völlig unzweideutig ist, hat eine Auslegung stattzufinden (7 Ob 675/85).

Die Erblasserin vermachte in der letztwilligen Verfügung vom 1.11.1980 der inzwischen verstorbenen Magda B*** das lebenslange Wohnrecht an der Wohnung in Wien 1., Tiefer Graben 8-10/4/31, der Zweitbeklagten ihre Eigentumswohnung in Baden, der Drittbeklagten die Einrichtungsgegenstände, wie sie sich im Zeitpunkt ihres Todes im Salon in der von ihr zuletzt bewohnten Wohnung befanden und dem Viert-, Fünft- und der Sechstbeklagten nach dem Ableben der Erstbeklagten das Eigentumsrecht an der Wohnung in Wien 1., Tiefer Graben. Über weitere im Nachlaß vorgefundene Gegenstände, Wertpapiere, Sparbücher und Schmuck traf die Erblasserin keine Verfügung. Der letzte Absatz der letztwilligen Verfügung lautet wie folgt: "Niemand ist außer den Oberwähnten nach mir erbberechtigt und absolut ausgeschlossen sind die Nachkommen oder Angehörigen meines in Budapest verstorbenen Bruders Dr. Eugen V***. Dies ist mein letzter Wille, den ich vom ersten bis zum letzten Worte in absolut geistiger Frische und mit eigener Hand zu Papier gebracht habe". Die Formulierung: "Niemand ist außer den Oberwähnten - nämlich den Beklagten - nach mir erbberechtigt" ist aber auch im Zusammenhang mit dem übrigen Text der letztwilligen Verfügung durchaus eindeutig und läßt entgegen der Auffassung der Revision keinen Raum für die von der Klägerin angestrebte Auslegung des Willens der Erblasserin in der Richtung, daß außer den Beklagten doch auch die Klägerin erbberechtigt sein sollte. Daran ändert auch die zusätzlich verfügte Ausschließung der Nachkommen oder Angehörigen des in Budapest verstorbenen Bruders der Erblasserin Dr. Eugen V*** nichts. Vielmehr würde auch nach Ansicht des Revisionsgerichtes jede Berücksichtigung anderer Personen als der Beklagten dem schon nach dem Wortlaut unzweideutig ausgedrückten Willen der Erblasserin zuwiderlaufen.

In der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die letztwillige Verfügung den wahren Willen der Erblasserin unzweideutig wiedergibt und daher eine Auslegung in dem von der Klägerin angestrebten Sinn nicht zulässig sei, kann daher keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Der Zweitbeklagten gebührt für die Erstattung der Revisionsbeantwortung kein Streitgenossenzuschlag.

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