OGH 12Os143/86

OGH12Os143/862.4.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.April 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Heinrich W*** wegen der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 und Z 2 (iVm § 161 Abs. 1) StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.April 1986, GZ 6 d Vr 372/85-105, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart, und des Verteidigers Dr. Gahleithner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das ansonsten unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB (Punkt II/ des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die getroffene kassatorische Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen unbekämpften Teilfreispruch enthaltenden) Urteil wurde Heinrich W*** (zu I/) des Vergehens (richtig: der Vergehen der fahrlässigen Krida nach § 159 Abs. 1 Z 1 und Z 2 (iVm § 161 Abs. 1) StGB sowie (zu II/) des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien als "de facto Geschäftsführer" der B*** GesmbH (im folgenden: Firma B***)

I. fahrlässig

1. in der Zeit von Anfang 1979 bis Mitte 1981 durch übermäßige Inanspruchnahme von Fremdmitteln, unverhältnismäßig hohe Entnahmen und übermäßigen Aufwand die Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** herbeigeführt,

2. ab Jahresmitte 1981 bis April 1982 dadurch, daß er in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** neue Schulden einging und Schulden zahlte, die Befriedigung der Gläubiger dieser Firma zumindest geschmälert;

II. die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der Firma B*** zu verfügen, wissentlich mißbraucht und ihr dadurch einen 100.000 S übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, indem er am 17.Dezember 1981 einen der Firma B*** gehörenden Personenkraftwagen BMW 633 CSi um 144.000 S an Christine B*** verkaufte und mit dem Erlös eine persönliche Schuld an (seinen Bruder) Gerhard W*** zahlte.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 5 und 9 lit. a (nominell auch auf die Z 10) des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf das Vorhandensein einer "stillen Reserve" in Gestalt einer Eigentumswohnung in Wien 21 und auf eine gegebene "wirtschaftliche Verflechtung" mit der (über ausreichendes Anlagevermögen verfügenden) BE-NO B***-S*** GesmbH (im folgenden: Firma BE-NO) den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** bestreitet, erweist sich sein Vorbringen als nicht zielführend.

Rechtliche Beurteilung

Denn Zahlungsunfähigkeit im Sinn des § 159 StGB liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dann vor, wenn der Schuldner mangels flüssiger Mittel nicht imstande ist, in angemessener Frist und bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung alle seine fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen (EvBl. 1978/42 ua). Das Vorhandensein von Vermögen ist deshalb nur dann von Bedeutung, wenn der Schuldner daraus in Kürze ausreichende Mittel zur Überwindung einer (demnach) bloß momentanen Illiquidität gewinnen kann und auch gewinnen will (ÖJZ-LSK 1981/57). Davon kann aber bei einer Eigentumswohnung, die nach den Verfahrensergebnissen gar nicht dem Schuldner (Firma B***), sondern Auguste W*** (der von ihm getrennt lebenden Ehegattin des Angeklagten) gehört und noch dazu (von Pfandrechten abgesehen) mit einem Veräußerungsverbot belastet ist (ON 92), von vornherein keine Rede sein. Von einem der Annahme von Zahlungsunfähigkeit entgegenstehenden "gesunden Kredit" der Firma B*** könnte daher - ebenfalls dem Beschwerdevorbringen zuwider - selbst dann nicht gesprochen werden, wenn etwa Gerhard W*** bereit gewesen sein sollte, dem Angeklagten (seinem Bruder) 500.000 S als Darlehen zur Sanierung der Firma B*** gegen Sicherstellung auf der - hiefür eben nicht

heranziehbaren - Eigentumswohnung zur Verfügung zu stellen. Gleiches gilt für das Anlagevermögen der Firma BE-NO, welches zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** tatsächlich nicht herangezogen wurde, sodaß dahingestellt bleiben kann, ob es überhaupt im erforderlichen Ausmaß kurzfristig hätte realisiert werden können, ohne die Existenz der Firma BE-NO (und damit die Befriedigung von deren Gläubigern) zu gefährden, zumal sich letztere Firma nach den auf dem Gutachten des Buchsachverständigen Dr. Josef G*** beruhenden Feststellungen des Erstgerichts vom Geschäftsjahr 1981 an selbst auch schon in einer angespannten finanziellen Situation befand (US 11).

Den vom Beschwerdeführer zur Widerlegung der Annahme einer Zahlungsunfähigkeit der Firma B*** ab Mitte des Jahres 1981 ins Treffen geführten Umständen kann sonach entscheidungswesentliche Bedeutung nicht beigemessen werden. Daß die in Rede stehenden Vermögenswerte (der Auguste W*** und der Firma BE-NO) als Befriedigungsfonds für die (vorhandenen und die neu hinzukommenden) Gläubiger der zahlungsunfähig gewordenen Firma B*** nicht in Betracht kamen, liegt auf der Hand.

Soweit der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Urteilsfeststellungen, wonach er mit 1.April 1982 aus seiner (geschäftsführenden) Stellung bei der Firma B*** ausgeschieden ist (US 10), die spruchmäßige Begrenzung des Deliktszeitraumes für das Vergehen nach § 159 Abs. 1 Z 2 StGB (Punkt I/2) "bis April 1982" bemängelt, ist hierin kein relevanter Widerspruch zu ersehen; ergibt sich doch aus dem Zusammenhang zwischen dem Urteilstenor und den ihn konkretisierenden Feststellungen in den Entscheidungsgründen, daß das deliktische Verhalten des Beschwerdeführers "bis" Anfang April 1981 gedauert hat. Im übrigen käme selbst einer solchen Divergenz bei der Tatzeitbegrenzung nach Lage des Falles keine Bedeutung zu (vgl. ÖJZ-LSK 1978/304 zu § 260 Abs. 1 Z 1 StPO). Im bisher erörterten Umfang (fahrlässige Krida: Fakten I/1 und 2 des Schuldspruchs) war die Nichtigkeitsbeschwerde daher als unbegründet zu verwerfen.

In Ansehung des Schuldspruchs wegen Verbrechens der Untreue nach § 153 StGB (Faktum II/) kommt ihr hingegen, wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme gleichfalls zutreffend ausführt, Berechtigung zu.

Zwar ist der in diesem Zusammenhang nominell angerufene Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 10 StPO insoweit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, als kein anderes Strafgesetz bezeichnet wird, welches nach Ansicht des Beschwerdeführers auf die betreffende Tat hätte angewendet werden sollen. Auch kann der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers nicht gefolgt werden, daß ihm als bloß "tatsächlich" die Geschäftsführung der Firma B*** Ausübendem die von § 153 StGB vorausgesetzte persönliche Tätereigenschaft gefehlt habe. Denn unter der Urteilsfeststellung, wonach der Angeklagte die "tatsächliche Geschäftsführung ... vereinbarungsgemäß mit der Geschäftsführerin (Auguste W***)" ausübte (US 6), ist zu verstehen, daß er mit (zumindest) konkludent erteilter (und bis zum Tatzeitpunkt nicht widerrufener) Zustimmung der Auguste W***, die offiziell vertretungsbefugte Geschäftsführerin der Firma B*** war, die Geschäfte der Gesellschaft geführt hat, sodaß ihm auch die rechtsgeschäftlich eingeräumte Befugnis im Sinn des § 153 StGB zukam, über deren Vermögen zu verfügen (SSt. 36/35 ua).

Der weitere Ausspruch des Gerichts, der Angeklagte habe diese Befugnis dadurch zum Nachteil der Firma B*** mißbraucht, daß er den aus dem Verkauf eines firmeneigenen Personenkraftwagens an seine Freundin Christine B*** erzielten Erlös von 144.000 S zur Tilgung einer persönlichen (Darlehens-)Schuld an seinen Bruder Gerhard W*** verwendete, ist jedoch mit einem vom Beschwerdeführer im Kern zu Recht gerügten Begründungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) behaftet.

Die sich auf dieses Geschehen beziehenden Verfahrensergebnisse, insbesondere die Angaben des Zeugen Gerhard W*** und des Angeklagten selbst, auf welche das Gericht diese Feststellung (lapidar) stützt (US 13), lassen zumindestens nicht allein die ihnen im Urteil gegebene Deutung zu, der Angeklagte habe aus den Mitteln der Firma B*** eine (ausschließlich) ihn persönlich (und nicht die Firma) treffende Forderung des Gerhard W*** befriedigt. Denn sie können ebenso (umgekehrt) dahin verstanden werden, daß Gerhard W*** (wenngleich im Interesse des Angeklagten) der Firma B*** Barmittel in der genannten Höhe darlehensweise zur Verfügung gestellt hatte, sodaß ihm der Rückzahlungsanspruch (zumindest auch) gegen die Firma B*** als solche zustand (vgl. aus der Verantwortung des Angeklagten in Band I/S 399 "in die Unternehmenskasse"; S 400 "in die Firma", "aus der Firma"; S 411 "für die Firma", "an die Kassa", "Rechnungen bezahlt"; aus der Aussage des Zeugen Gerhard W*** in Band II/S 12, 16 und 18 "Rechnungen bezahlt", S 13 "direkt für die Firma", S 16 "in die Firma eingebracht" etc.). In letzterem Fall wäre jedoch ein Vermögensnachteil im Sinn des § 153 StGB für die vom Angeklagten vertretene Firma B*** ebenso zu verneinen wie eine (dem Angeklagten in der Anklageschrift vorgeworfene) Vermögensverringerung im Sinn des § 156 StGB; würde doch dem Wegfall des Aktivums (Verkaufserlös des PKW) auf der Seite der Passiven das Erlöschen der Forderung des Gerhard W*** in gleicher Höhe entsprechen und es käme höchstens eine durch § 158 StGB mit (geringerer) Strafe bedrohte Begünstigung dieses einen Gläubigers in Betracht (SSt. 24/76 ua).

Kann aber, wie vorliegend, auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens folgerichtig auf verschiedene rechtlich nicht gleichwertige Varianten des zu beurteilenden Sachverhalts geschlossen werden, dann hat das Gericht die Pflicht, eingehend und schlüssig zu begründen, warum es sich für die eine und nicht für die andere Annahme entscheidet; keinesfalls geht es an, mehrdeutige Verfahrensergebnisse ohne solche Begründung in einem dem Angeklagten nachteiligen Sinn auszulegen und auf durch sie gleichermaßen indizierte, für den Angeklagten günstigere Annahmen überhaupt nicht einzugehen und dazu nicht in logisch einwandfreier Weise Stellung zu nehmen (Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 149 a zu § 281 Z 5). In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war daher das angefochtene Urteil im Schuldspruch wegen Verbrechens der Untreue (Punkt II/ des Urteilssatzes) sowie dementsprechend auch im Strafausspruch aufzuheben und insoweit die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen.

Im zweiten Rechtsgang wird sich das Gericht, falls es (abermals) zur Annahme eines nach § 153 StGB zu beurteilenden Befugnismißbrauchs des Angeklagten zum Nachteil der Firma B*** gelangen sollte, auch mit der Frage zu befassen haben, wer im Tatzeitpunkt Gesellschafter der B*** GesmbH gewesen ist. Hierüber liegen bisher keine eindeutigen Verfahrensergebnisse vor: Laut der beim Handelsgericht Wien erliegenden Gesellschafterliste waren - wovon ersichtlich auch im Ersturteil ausgegangen wurde (US 6) - Auguste W*** mit 95.000 S und Josef B*** mit 5.000 S am Stammkapital beteiligt (Band I/S 73); nach dem Inhalt der Strafanzeige (Band I/S 24) und nach der Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren (Band I/S 38, 39 b) - worauf aber das Ersturteil nicht eingeht - war hingegen Auguste W*** die Alleininhaberin sämtlicher Geschäftsanteile. Sollte tatsächlich Auguste W*** (die Ehegattin des Angeklagten) allein Gesellschafterin der Firma B*** gewesen sein, so wäre eine vom Angeklagten (formalrechtlich) zu Lasten der Gesellschaft verübte Untreue - wirtschaftlich betrachtet - bloß "zum Nachteil seines Ehegatten" im Sinn des § 166 Abs. 1 StGB begangen; ein Schuldspruch in dieser Richtung könnte aber - anders als bei einer allenfalls in Betracht kommenden Tatbeurteilung nach § 156 oder § 158 StGB - mangels einer auf die Tat gerichteten Privatanklage des Verletzten (§ 166 Abs. 3 StGB) nicht ergehen (SSt. 53/45). Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung (vgl. hiezu im gegebenen Zusammenhang Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 11 zu § 390 a) fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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